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Die Hochzeit der Maria Riverti

. Im Mittelalter waren zwischen den oberdeutschen, zumal den schwäbischen Städten und Italien jene Handelsbeziehungen geknüpft, deren reiche farbige Blüte noch heute das Staunen der geschichtlichen Betrachter gefesselt hält.

Es ging damals nicht nur ein Austausch von Waren und Geld hin und her, sondern auch der unkäuflichen Güter, der Lebensart, der Kunst, der Freundschaft und Verwandtschaft.

So war Niccolo Riverti, der Sohn eines großen florentinischen Handelshauses, zu Besuch bei einem vornehmen Kaufherrn in die Reichsstadt Ulm gekommen und dort alsbald von einer heftigen Liebe zu Maria, der schönen und anmutigen Tochter des Patriziers, ergriffen worden.

Da er aber an dem züchtig verschlossenen und gegen alle gleich liebreizenden Wesen der Jungfrau nicht zu erkennen vermochte, ob in ihrem Herzen auch eine Neigung für ihn erwacht sei, so wagte er in ihrer Gegenwart nicht über seinen Zustand zu sprechen und reiste mit seinem Geheimnis nach Florenz zurück.

Dort eröffnete er sich seinem Vater, der wiederum dem Geschäftsfreund nach Ulm berichtete und diesen für Niccolo um die Hand der Tochter bat. Da sich der Nutzen und das Ansehen der beiden Häuser willkommen deckten, wurde Maria dem Freier verlobt.

Indes wußte das so plötzlich zur Braut gewordene Mädchen in ihrem Herzen nichts von einem Wunsch, der sie nach Italien und an die Seite des welschen Jünglings gezogen hätte. Sie ließ den väterlichen Willen über sich ergehen, wie es ihrem Stande geziemte, wurde aber im stillen von schwerer Trauer und Angst befallen.

Um diesem auch nach außen nicht unbemerkten Übel zu begegnen und der Ankommenden einen Wohlgefallen zu bereiten, rüstete Niccolo in seinem Florentiner Haus den Empfang und die Hochzeit nach Ulmischer Sitte aus. Der Saal war mit von dort hergebrachtem Gestühl und Zierat eingerichtet, die Gäste kamen in reichsstädtischer Tracht, und Niccolo selber führte als Ulmer Junker das Ulmer Fräulein zu dem Fest ein. Auch das Mahl war auf heimatliche Art bereitet und aufgetragen, und zum Tanz waren sogar vier schwäbische Spielleute bestellt.

Maria wurde durch diesen Willkomm gerührt und nahm sich vor, dem Gemahl solch schöne Aufmerksamkeit durch vielen freundlichen Willen zu vergelten. Doch in ihrem schon vorher allzu schmerzhaft gewordenen Gemüt konnte auch die Verwandlung des Schauplatzes sie nicht ermuntern. Es entwuchs nur die Furcht darunter, daß schon am anderen Tag der Zauber verschwinden und ringsumher Fremde sein werde.

Niccolo erlitt durch die Einsicht in die Fruchtlosigkeit seiner für wunderwirksam gehaltenen Vorbereitungen nicht minderen Kummer. Denn der nahe Besitz der geliebten Dame hatte die Glut seiner Leidenschaft nur höher entfacht und die eifersüchtige Begier in ihm entzündet, auch alle ihre Gedanken und Gefühle auf sich zu lenken. So aber führte er nur die leibliche Hülle des Mädchens neben sich, dieweil die Seele entführt und über das Alpengebirge weit von ihm fortgeflogen war.

Schließlich vertraute der Betrübte auf das Tanzspiel der vier schwäbischen Spielleute. Er hatte bei seinem Besuch in Ulm die unter der festesfrohen Bürgerschaft reichlichen Gelegenheiten wahrgenommen, die dortige Tanzkunst zu erlernen. Da die sonstigen Florentiner Hochzeitsgäste in dem fremdländischen Brauch wenig bewandert waren, so ergab es sich denn auch günstig, daß Niccolo hin und wieder mit seiner schönen Braut Maria allein zum Reigen antreten mußte.

Die holde Braut entfaltete in den vielfältigen Schritten und Gängen und Neigungen und Beugungen der ihr wohlbekannten Tanzweisen so viele Anmut ihres wohlgestalteten Magdtums, daß die Umstehenden in freudiger Bewunderung nach ihr schauten und in ihren Gedanken Niccolo zu dem gefundenen Schatz beglückwünschten oder ihn, soweit es auch junge Florentiner waren, darum beneideten.

Niccolo bot alle seine gepflegten ritterlichen Fertigkeiten und höfischen Artigkeiten auf, um daneben nicht unwürdig zu bestehen. Aber bald bemerkte er auch hier zu seinem Mißbehagen, wie er dennoch schwer und als ein Fremder um die leichtbewegte Lust des Fräuleins sich bemühte. Dagegen erkannte er grollend, wie dessen Sinne in den Weisen schwebten, die verlockend von der Estrade der vier schwäbischen Spielleute her erklangen. Unter den Musikanten war der eine, ein schöner blonder junger Mann, der Anführer. Er spielte auf einer Geige, und wenn sein Spiel aus den anderen Instrumenten lieblich hervorquoll, sah er, wie sich auch die Wohlgefühle seiner immer schöner werdenden, gleichfalls blonden Tänzerin darin auflösten und entschwanden.

In seinem bitteren Gram rief er die Schwärmende an: »O sag mir, Geliebte, bist du nicht mein Gemahl und bist du jetzt nicht Madonna Maria Riverti?«

Sie aber antwortete aus ihrer süßen Traumwolke: »O ja, laß mich, ich bin … heimgekehrt.«

Und da schauten ihre entrückten Augen wieder nach den Spielleuten und nach dem geigenden Jüngling hin, und ihre Hände und Glieder regten sich ihnen entgegen.

Doch jäh verstummte das Spiel, und das Fräulein glitt in den Armen Niccolos auf den Estrich nieder. Der von seinem Schmerz verwirrte Florentiner hatte sie mit seinem Dolch getroffen.

Schön und still lag dann das Mädchen auf einem Teppich. Man hatte ihr die reine weiße Brust geöffnet, und gerade unter deren kleinem linken Hügel war ein einziger Tropfen Blutes hervorgekommen, wie er bei schmalen, scharfen und tödlichen Stichen ins Herz zu erscheinen pflegt. Über den Tropfen schob sich noch die rechte, mit dem Ring der Riverti geschmückte Hand Marias hin und blieb schlank und blaß dort liegen.

Niccolo, den nur seine übergroße Liebe zu solcher Tat hingerissen hatte, stürzte zu den Füßen der Toten hin, und die Hochzeitsgäste warteten in stummer Ratlosigkeit auf den herbeigerufenen Arzt.

Da trat der blonde Geiger vor und begann in der feierlichen Stille zu spielen, eine seltsame, süß bewegte Klageweise, die auch aus der Heimat jenseits der Berge stammen mußte und die schweigenden Hörer wunderbar ergriff.

Und auf einmal rührte sich auch die auf der Brust der Gestorbenen liegende Hand und schob sich leis wieder von der Wunde zurück. Dort, wo der Tropfen Blutes gelegen hatte, lag eine blutrote Rose.

Von dem Wunder betroffen stand alles regungslos.

Niccolo Riverti aber hob sich von den Füßen der getöteten Braut empor, nahm die Rose von der Brust, küßte ehrerbietig die Stelle der Wunde und gab die Rose dem Geiger.

Der ging still damit zu dem Saal hinaus und wurde nicht wieder gesehen.

Maria Riverti wurde in Florenz unter hohen Ehren begraben und kam wohl nur infolge der damals wogenden Kämpfe der Stadt mit dem Papst nicht zu der Glorie einer Heiligen Roms.

Niccolo Riverti aber entzog sich in das Kloster des in jenen Tagen zu mächtigem Ansehen gestiegenen Büßermönches Girolamo Savonarola und starb später wie dieser den Tod auf dem Scheiterhaufen.


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