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Die Nacht der Sehnsucht.

»Nur, wer sich selbst beherrscht, soll mich beherrschen!
Der Liebe Meister, nicht der Sinne Knecht
soll sich Gebieter meines Leibes rühmen,
der Starke nur ist meinem Stolze recht!«
– So sprachst Du bleich, und legtest Deinen Nacken
tief in das Flechtwerk Deiner weißen Hände –
»Bist Du bereit? – Soll diese Nacht entscheiden,
ob unsere Liebe Gipfel oder Ende?«
– Ich fühlte, wie mein Blut zum Herzen ebbte,
als Du es frugst, doch meine Lippen klangen
die Schicksalsworte: »Weib, ich bin bereit!«
– Da schoß das Rot Dir stürmisch in die Wangen,
und mit den Händen Deine Brüste hebend,
sankst Du noch einmal tief in meine Seele
und »folge mir! Es sei!« befahlst Du bebend.
»Gib mir Dein Wort, Dir keine Gunst zu rauben,
die Dir nicht frei von mir gespendet wird,
gib an des Mannes Stärke mir den Glauben
und zügle Dich, wenn sich Dein Blut verwirrt.
Laß Deine Sinne ungeknechtet jauchzen,
doch sei ihr Herr, auch in der höchsten Glut,
gib Dich den Wogen Deiner tiefsten Wünsche,
doch steure fest, auch in der stärksten Flut!
Den jungen Leib, den Du im Lied besungen,
geb' nackt und schutzlos ich der Leidenschaft.
Läßt Du zur Nacht ihn frei und unbezwungen,
so sei er Dein – als Sklave Deiner Kraft!
Doch nimmst Du ihn, wenn ich mich selbst verloren,
so trenne uns des Morgens erster Schein.
Ich bin nur Weib in meinem tiefsten Lieben,
doch mein Geliebter muß mein Herrscher sein! –
– – Ich blickte fest und ernst Dir in die Augen –
da sank mit leisem Rauschen Dein Gewand,
und meine Sinne loderten und jauchzten
um Deine Schönheit, die enträtselt stand.
Mein Blut schoß auf und meine Wünsche brannten
gleich Fackeln sich in Deinen weißen Leib,
ich stöhnte laut und meine Muskeln sprangen,
doch meines Willens Stimmen riefen: »bleib!«
– Du gabst den Kissen Deine schlanken Glieder
und winktest mir. Da nahm ich nackt und frei
des Lagers Hälfte – auf gepreßten Lippen
erstickte ich der Sehnsucht heißen Schrei.
»Genieße mich, Geliebter! Deinen Augen
sei alle Schönheit unverhüllt geweiht,
laß Deiner Dichtkunst Dürsten freie Zügel,
berausche Dich – doch harre Deiner Zeit!«
– Du hobst den Arm, in dessen weicher Biegung
der Ampel Rosenlicht sich buhlend barg,
und gabst im Nacken ihn dem Zwillingsbruder –
und jede Schönheit wurde arm und karg.

Gleich Rosenknospen, die dem Tag sich öffnen,
umfloß der Lippen Rot der Zähne weiß,
in Deinen Augen spielten tausend Lüste,
und Deiner Nüstern Atem wehte heiß.
Mein Wunsch ward Sturm, mein Leib ward Schiff und Segel,
da wölbte sich Dein Mund zum Liebeskranz –
»Küß mich, Geliebter! Meine Lippen dürsten!« –
– und wilder Taumel ward der Sinne Tanz. – –
Ich sank aufs Lager Deiner roten Lippen
und trank Dein Leben mit erloschnem Blick.
Dein Schoß hob sich mir lustgelöst entgegen – – –
da riß mein Wille mich zum Licht zurück.
Ich schloß geblendet mit der Hand die Augen,
mein Herz schlug laut – dann lachte ich befreit,
wie Kämpfer lachen, die dem Tod entronnen,
im Vollgefühl der Kraft und Seligkeit.

Doch Du lagst stumm, und Deine Brüste hoben
sich sinnverwirrend dicht an meinen Mund:
»Küß mich, Geliebter!« lockten Deine Blicke,
und meine Pulse schlugen heiß und wund.
Ich küßte Deines Busens weiche Wölbung,
ich küßte ihrer Hügel süßes Tal,
ich küßte ihre jungen, starren Knospen,
ich schrie vor Lust und jubelte vor Qual,
Dein ranker Leib warf sich in Sehnsuchtsschauern,
in Deinen Augen lag des Fiebers Glanz,
Du preßtest meinen Kopf in Deine Wonnen,
und alle Glieder flehten: »nimm mich ganz!«
– Doch meine Hände schlossen sich zur Kette
um Deine Schultern, und mein Wille hieß
im letzten Lug mich Deine Wunder küssen,
eh' er mich grausam wieder von Dir stieß.
Und wieder lag ich stumm an Deiner Seite,
mein Auge koste Deiner Glieder Pracht,
im Stolz des Siegers straffte sich mein Körper –
– da wurde es vor meinen Blicken Nacht!
Dein Haupt lag lebenswarm in meinem Schoße,
um meine Lenden floß Dein volles Haar,
und Deine Küsse flammten mir im Fleische,
das nur noch Sklave Deines Fleisches war.
Ich riß Dich aufwärts, meine Hände jagten
um Deine Hüften, Deine pralle Brust,
und meine Lippen tranken Deines Blutes
verfleischte Süße in berauschter Lust.
Nach Deines Schoßes weicher Wiege drängte
mein Körper sich in ungestümem Drang,
und meine Wünsche lohten in den Deinen –
doch riß mich seitwärts meines Willens Zwang. – –

Ich strich das Haar mir keuchend aus der Stirne –
da weintest Du: »Komm, nimm mich endlich hin!«
– »Ich darf nicht, Weib!« –
»So liebst Du mich nicht, Kalter!
wo ich so ganz in Deinem willen bin!«
»Ich will nicht, Weib!« – Und Deine Tränen rannen
in meinen Schoß: »Verachtet!« schriest Du wund,
»Verachtet, meine Schönheit, meine Liebe!«
– da drehte sich das Zimmer mit mir rund. –
Mein Wille wankte, meine Glieder flogen –
»Verachtet!« riefst Du nochmals – »wer mich liebt,
hat keinen Willen mehr!« – Das gab mir Stärke
und all mein Wollen wurde ungetrübt.
»Ich gab mein Wort!« – »Ich löse es, Geliebter!«
»Mein Wort löst nur die Nacht; beim ersten Strahl
der Sonne wirst Du mein. Bleib standhaft, Süße!«
– Da wand Dein Leib sich in beherrschter Qual,
und ehe ich des Wunders mich versehen,
warfst Du Dich über mich in jäher Glut,
wie eine Woge, die mich überschäumte –
»So nehm ich Dich! Nun wehre Deinem Blut!«
– »Was tust Du, Weib?!« – mein Fleisch schlug heiße Flammen –
» Ich gab kein Wort!« – »Doch ich!« – »Was kümmert's mich?!«
– Da legte ich Dich zärtlich auf Dein Lager.
»Sei stark, mein Weib, ich gab es auch für Dich!«
– Da stieg die Sonne leuchtend auf die Höhen,
im Fensterbogen stand des Tages Strahl,
und Deine Arme breiteten zum Himmel
sich mir entgegen in befreiter Qual.
Ich stürzte mich in Deiner Wunder Welle,
da warfst Du jauchzend Deinen Leib zurück,
und alle Wonnen, die versagt geblieben,
nahm unsere Lust in tausendfachem Glück.
Und Deine Seufzer dankten meiner Liebe,
mein Sein versank in Deines Schoßes Schrein,
und Deine Küsse bluteten in meinen:
»Nimm mich! Nun bin ich ewig, ewig Dein!«


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