Joseph Smith Fletcher
Der Amaranthklub
Joseph Smith Fletcher

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Vierundzwanzigstes Kapitel.

Ein kühles Bad.

Ellington hatte seiner Frau den Besuch des Amaranthklubs vergeben. Aber Wut erfüllte ihn gegen Frau Tressingham, Garnier und Barthelemy, und so begab er sich am anderen Morgen stehenden Fußes nach Scotland Yard.

Der hohe Beamte, zu dem er geführt wurde, empfing ihn mit der Höflichkeit, die einem Mitglied der Regierung zukam. Kühl und geschäftsmäßig hörte er ihn an. Ellingtons moralische Entrüstung machte keinen Eindruck auf ihn.

»Ja«, sagte er schließlich, »peinliche Sache, Mr. Ellington. Aber was sollen wir dabei tun?«

»Sie können gegen solche Burschen nichts tun?«

»Betrachten Sie die Angelegenheit in aller Ruhe. Freiwillig ging Ihre Frau mit ihrer Freundin in den Klub. Freiwillig folgte sie Frau Tressingham und den beiden Herren in Mr. Barthelemys Privatwohnung. Freiwillig beteiligte sie sich endlich auch an dem Spiel. Da ist keine Spur von Zwang.«

»Aber sie verlangten fünfhundert Pfund von ihr«, sagte Ellington entrüstet.

»Ihre eigene Angelegenheit, wenn sie das Geld verlor«, erwiderte der Beamte mit frostigem Lächeln. »Kein Gesetz verbietet einem Manne, in seiner Wohnung mit Bekannten um Geld zu spielen.«

Ellington runzelte die Stirn. Er dachte an Hildas höhnische Worte.

»An Ihrer Stelle«, fuhr der Beamte fort, »würde ich die Sache ruhen lassen. Für Ihre Frau ist es eine Lehre gewesen, sie wird nicht wieder hingehen. Erfährt die Öffentlichkeit davon, so ist das ebenso unangenehm für Ihre Frau, die mit fremden Herren im Amaranthklub soupiert hat, wie für Sie als Regierungsbeamten.«

»So halten Sie also den Amaranthklub für untadelig?«

»Wir haben nicht den geringsten Beweis, daß er anders wäre. Seine Statuten werden streng eingehalten, seine Mitglieder gehören den ersten Gesellschaftsklassen an. Wir haben noch nie eine Beschwerde gehabt.«

Ellington stand auf. Er sah ein, daß er bei der Polizei keinen Balsam für seine verwundete Seele bekommen würde.

»Sie raten mir also, nichts zu unternehmen?«

Der hohe Beamte zuckte die Achseln.

»Das wäre das klügste.«

Wütend, wie er gekommen, ging George Ellington fort. Und plötzlich kam ihm zum Bewußtsein, warum er so ärgerlich war. Nicht, weil Letty im Amaranthklub gespielt und Geld verloren hatte. Der wahre Grund seiner Entrüstung stand auf einem anderen Blatt. Hilda Tressingham hatte ihn genarrt. Ellington besaß eine gehörige Dosis Eitelkeit, und es kränkte seinen Stolz, daß eine Frau eine Puppe aus ihm gemacht hatte, mit der sie nach Belieben spielen konnte. Aber wozu hatte sie das getan?

Er zerbrach sich den Kopf, und sonderbarerweise dachte er keinen Augenblick an den wirklichen Grund ihrer Machinationen. Es fiel ihm nicht einmal auf, daß er sie gerade in der Nacht in seinem Arbeitszimmer ertappt hatte, in der er ein höchst vertrauliches und wichtiges Dokument, das die Neugestaltung der englischen Flotte behandelte, in seinem Hause aufbewahrte. Er hatte sich zwar davon überzeugt, daß die Papiere unversehrt vorhanden waren, aber er hatte keinen Verdacht, daß sie danach gesucht haben könnte.

Am Nachmittag fuhr er nach Ashminster. Letty war offen zu ihm in der Amaranthaffäre gewesen, er wollte ihr gegenüber nicht weniger ehrlich sein und ihr alles erzählen.

Als er vor der Haustür sein Auto verließ, traf er seine Schwester. Zögernd ging er auf sie zu. Marcia erwartete ihn in finsterem Schweigen.

»Du hast mich heute morgen merkwürdig behandelt«, sagte er. »Ist es deine Gewohnheit, Häuser, in denen du auf Besuch bist, ohne Abschied zu verlassen?«

»Du warst nicht unten, und ich hatte es eilig.«

»Aber warum schlugst du mir vergangene Nacht die Tür vor der Nase zu?«

»Weil ich nicht mit dir sprechen wollte. Ich war empört.«

»Empört! Drück dich deutlicher aus!«

»Ist das nicht deutlich genug? Empört, weil du um diese Stunde jene Frau bei dir hattest, während Letty verreist war.«

»Ich wußte nicht, Marcia, daß du eine von den Weibern bist, die einen Menschen ungehört verdammen, noch dazu den eigenen Bruder.«

»Ungehört? Was ist dabei noch zu hören? Hab' ich euch nicht zusammen getroffen? Hast du nicht wer weiß wie oft bei ihr in ihrer Wohnung gegessen? Hast du nicht mit ihr zusammen auswärts gespeist? Avory hat euch mehr als einmal gesehen und es mir erzählt.«

»Avory war ein Idiot, der seine Nase in alles steckte.«

»Avory ist tot.«

»Tot oder lebendig«, sagte er hitzig. »Wenn er Andeutungen über meinen Verkehr mit Frau Tressingham gemacht hat, war er ein unverschämter Lügner. Laß dir erklären –«

Aber Marcia verzichtete. Erhobenen Hauptes und zornrot ging sie der Stadt zu. Und Ellington fluchte und verwünschte seine leibliche Schwester als eine engstirnige, dumme Gans und ging voller Wut ins Haus, um seine Frau aufzusuchen.

Mit Entsetzen hörte Letty ihres Gatten Bericht.

»Ich glaube nicht, daß sie Papiere aus jenem Schrank holen wollte«, sagte sie. »Das ist einfach lächerlich. Sie wollte etwas, das das Licht des Tages scheute.«

»Ich nahm an, daß sie bei Tage nicht kommen wollte, weil ihr euch überworfen habt, und da sie den Schlüssel hat –«

»Unsinn, so zartfühlend ist sie nicht. Bei ihrer sonstigen Dreistigkeit ist das nicht anzunehmen. Sie hat dich belogen. Außerdem pflegte doch Jarvis immer die Sicherheitskette anzulegen.«

»Ich stellte ihn deshalb zur Rede. Er gestand, daß er es öfters vergessen habe, weil ich in letzter Zeit so spät nach Hause kam.«

»Dann hat sie wegen des Grundes gelogen. Was wirst du tun?«

»Was können wir tun? Wir schneiden sie in Zukunft, das ist alles, was uns übrigbleibt. Mit der Dame sind wir fertig.«

 


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