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Ulrike bereitete sich auf einen schweren Gang vor.
Am Abend zuvor war der Chef gekommen und hatte eine emsige Betriebsamkeit entwickelt.
Mit Herrn von Demin hatte es eine lange Besprechung gegeben, über deren Inhalt sie jedoch nichts erfahren hatte. Grund genug zur Besorgnis, obwohl Herr Henningsen sehr freundlich war.
Dann hatte er sich persönlich mit Dr. Hagedorn in Verbindung gesetzt und das Ergebnis dieser telefonischen Besprechung war eine Verabredung zwischen den beiden Herren. Gemeinsam wollten sie das Streitobjekt besichtigen und leider war der Chef auf die unglückselige Idee verfallen, seine Vertreterin an dieser Besichtigung teilnehmen zu lassen.
»Länger als eine Stunde wird die Sache ja wohl nicht dauern. Ich denke, danach machen wir eine kleine Rundfahrt – das Wetter ist ja wunderbar – und dann suchen wir uns einen netten Platz zum Abendessen, Fräulein Arnstein«, hatte der Chef gesagt. Er war sichtlich gut gelaunt.
Nun wühlte sie mit zitternden Händen im Kleiderschrank. Einige Blusen rutschten vom Bügel. Mochten sie – Ulrike suchte weiter.
Leider war der Bestand nicht sehr groß, und das war es ja, was die Angelegenheit erschwerte.
Wenn man von seinem Chef zum Abendessen befohlen wurde, mußte man auch tadellos aussehen. Sie besaß nur ein Kleid, das so hohen Anforderungen entsprach – das Gelbe.
So oft sie es auch schon beiseite geschoben hatte, immer wieder drängte es sich aufdringlich vor. Dieses Gelb war einfach nicht zu übersehen. Schließlich warf sie trotzig den Kopf zurück.
Pah – mochte er doch denken was er wollte. Seinetwegen konnte sie das Kleid nicht verschimmeln lassen!
Und als sie in dem bildhübschen gelben Futteral steckte, erwachte in ihr die böse Lust, sich so schön und verführerisch wie möglich zu machen. Wenn er sie damals auch nur ein kleines Bißchen geliebt hatte, sollte er heute daran erinnert werden und – sie hoffte es inbrünstig – wenigstens für ein paar Stunden dieselben Qualen erleiden müssen, die sie nun schon so lange ausstand. –
»Donnerwetter – allerliebst«, sagte Herr Henningsen wohlgefällig, als sie zur verabredeten Zeit in seinem Hotel erschien.
»Ich dachte an das Abendessen«, entschuldigte sie ihren, für einen Geschäftsbesuch reichlich eleganten Anzug.
»In Ordnung«, nickte der Chef liebenswürdig, »ich denke, wir brauchen heute abend nicht zu knausern.«
Die Zuversicht des Kunsthändlers wirkte auf seine Mitarbeiterin entmutigend. Sie sah schwere Kämpfe voraus. Und sie fürchtete sich ganz entsetzlich davor.
*
Auch Dr. Hagedorn hatte einige Hemmungen zu überwinden. Was er in Claudias Krankenzimmer hatte hören müssen, wirkte noch stark in ihm nach.
Daß Ulrike seinetwegen dem Jugendfreund – der doch wirklich nicht übel war – einen Korb gegeben, hatte ihn stark erschüttert. Soviel Liebe und Treue hatte er nicht von ihr erwartet, denn er hatte sich ihr gegenüber ja wirklich nicht gut benommen.
Gewiß, sie hatte den ersten Fehler gemacht, als sie einfach vor ihm davonlief, statt sich ihm anzuvertrauen. Aber das war nichts weiter als eine Kurzschlußhandlung gewesen – es war wirklich nicht notwendig, daß er nun auch noch einen Fehler nach dem anderen hinzufügte.
Schließlich bin ich ein Mann, einige Jährchen älter als sie und obendrein als Schriftsteller geradezu verpflichtet, zuweilen auch Psychologe zu sein, sagte er sich ehrlich und gestand sich ein, in dieser Hinsicht restlos versagt zu haben.
Seine Augen fielen auf seinen Schreibtisch, der ihn so hoffnungslos gut aufgeräumt angrinste. Er verdiente den Ehrennamen Schreibtisch schon lange nicht mehr – er war zu einem Einrichtungsgegenstand degradiert worden.
Der Roman, den er selbst erleben, in dem er die Heldenrolle übernehmen wollte! Der Held Alexander hatte kümmerlich versagt – daran war nicht mehr zu zweifeln. Ein normaler Held hätte mit Ulrike schon den Hochzeitstag festgesetzt.
Und was habe ich getan? fragte er sich unglücklich. Miserabel behandelt habe ich sie, die Polizei habe ich auf sie gehetzt, das Geschäft habe ich ihr zertrümmert, ihre Mutter und die Brüder müssen wahrscheinlich meinetwegen hungern, und jetzt kommt noch die große Szene mit ihrem Chef ...
Mit dichterischer Phantasie steigerte sich Dr. Hagedorn in eine Stimmung hinein, die dem moralischen Katzenjammer eines Mannes entsprach, der in einer Nacht eine Million vertrunken hatte.
Nur zu gern hätte er das alte »Trumm«, wie er den kostbaren, heißumkämpften Barockschrank jetzt verächtlich nannte, widerspruchslos dem Kunsthändler überlassen, fühlte er sich nicht den alten Damen gegenüber verpflichtet. Sie hatten sich schon so sehr auf die Viertausend gefreut, er konnte nicht mehr zurück, ohne nicht wenigstens den Versuch gemacht zu haben, ihnen zu ihren Viertausend zu verhelfen.
Schweren Herzens machte er sich auf den Weg zur Kampfstätte. Obgleich er geradezu verkehrswidrig langsam fuhr, schien es ihm, als sei die Strecke heute viel kürzer als sonst. Unangenehm schnell rückte das kleine Städtchen näher.
Kurz vor dem Ziel, er sah schon den Kirchturm und die alte Stadtmauer, trat er mit jähem Ruck auf die Bremse.
Ihm war ein fürchterlicher Gedanke gekommen – so fürchterlich, daß er sich im Augenblick fahruntüchtig fühlte. Finster grübelnd starrte er auf das Lenkrad, das seine Hände eisern umklammert hielten, als könne er dort eine Antwort ablesen.
Wie konnte er nur auf die unglückselige Idee kommen, mit absoluter Sicherheit anzunehmen, daß er der heimlich Geliebte Ulrikes war?
Alexander saß und starrte und überlegte – diesen Gedanken mußte ihm der Teufel persönlich ins Ohr geflüstert haben, um ein liebendes Männerherz zu quälen.
Er dachte lange nach. Allmählich klärte sich der Himmel seines Gesichts, begann zu strahlen.
Ließ sich etwa ein Mädchen wie Ulrike, diese bezaubernde Aurikel von einem Mann küssen, den sie nicht liebte? fragte er sich. Und er antwortete: nein, das tut Aurikel nicht!
Und mit dieser Antwort rankte sich ein geknickter Mann empor und richtete sich wieder auf, kerzengerade und siegessicher.
Da er trotz des langsamen Fahrens immer noch zu früh kam, stärkten ihn seine alten Freundinnen noch mit einem ausgezeichneten Kaffee, den sie in ihren schönsten Tassen servierten.
Und dann war plötzlich die Gegenpartei da.
Es gab Alexander einen Stich, als er Ulrike in ihrem gelben Kleide sah. Ihr überlegenes und so geheimnisvolles Lächeln erregte ihn.
Mit einem schnellen Blick auf den Kunsthändler, der sich höflich mit den alten Damen unterhielt, ging er auf Ulrike zu und sagte leise:
»Dieses Gelb kleidet dich unvergleichlich – ich glaube, ich sagte dir das schon einmal.«
Ihr Lächeln erlosch. Sie wandte sich brüsk ab und meinte gleichgültig: »Mag sein. Aber das ist sicher schon lange her.«
Neben ihrem Chef ging sie in Deckung, an seiner Seite wähnte sie sich vor den ganz unzeitgemäßen Angriffen Alexanders auf ihre innere Ruhe in Sicherheit.
Hagedorn empfahl den alten Damen, auf deren runzligen Wangen rote Flecke ihre Aufregung verrieten, in ihrem Wohnzimmer zurückzubleiben und führte den Kunsthändler mit seiner jungen Mitarbeiterin durch mehrere Räume, die der Händler mit Kennermiene musterte, in den Prunksaal des Hauses.
Schweigend deutete er auf den Schrank, dessen barocke Schönheit und Würde eine strahlende Maisonne allzu sehr hervorhob.
Kein Wort zerriß die spannungsgeladene Stille.
Henningsen stand und schaute und erst nach geraumer Zeit ging er lautlos näher, um jede Einzelheit zu betrachten.
Hagedorn wartete mit fest zusammengepreßten Lippen. Der Schrank war verteufelt schön ...
Der Kunsthändler fuhr fast schmeichelnd über die schön geschwungenen, reich mit Intarsien geschmückten Flächen und wandte in leichter seitlicher Neigung sein Gesicht Hagedorn zu.
»Etwas ganz Exquisites ... nobel, wirklich nobel.«
Alexander kombinierte schnell: dieses kurze, fachmännische Gutachten wird mich einen Haufen Geld kosten. Aber jeder Widerspruch wäre zwecklos gewesen.
»Deshalb hielt ich auch zweitausend für viel zu niedrig«, nahm er den Kampf auf.
»Ich bin völlig Ihrer Meinung, Herr Doktor. Selbstverständlich würde ein Liebhaber mehr zahlen – aber ich bin Geschäftsmann«, erklärte Henningsen mit schöner Offenheit.
Und ob du einer bist, dachte Hagedorn erbost und setzte zum Gegenangriff an.
Aufmerksam verfolgte Ulrike den zähen Kampf der Herren, der äußerst verbindlich und höflich und dennoch mit unerbittlicher Härte geführt wurde. Sie kannte ihren Chef und zitterte für Alexander.
»Ausgeschlossen – ich kann unmöglich mehr zahlen. Sie müssen bedenken, daß ich bei jedem Ankauf ein großes Risiko eingehe. Der Schrank kann jahrelang bei mir herumstehen, Herr Doktor. Totes Kapital.«
»Der Schrank?« Hagedorn lachte ungläubig. »Ich bin bereit, Ihnen dieses Risiko abzunehmen. Ich zahle Ihnen dreitausend, Herr Henningsen.«
»Tut mir aufrichtig leid, Herr Doktor, aber der Preis ist unmöglich. Ich bitte Sie, mich richtig zu verstehen. Ich sprach von dem Risiko – aber ich habe auch eine Chance. Der Schrank ist schön – wenn ich Glück habe, finde ich den Liebhaber, der mir zehntausend zahlt. Für diesen Preis kann der Schrank ruhig ein paar Jahre bei mir stehen, er verzinst sich dann selbst, nicht wahr?«
»Zehntausend zahlt kein Mensch!« Hagedorn fuhr sich mit dem Taschentuch über die Stirn. Ihm war sehr heiß geworden. Er warf Ulrike einen anklagenden Blick zu, den sie mit sichtlichem Schuldbewußtsein quittierte. Henningsen wiegte den Kopf hin und her. Sein Gesicht war sehr freundlich.
»Das möchte ich nicht ohne weiteres sagen, Herr Doktor, man erlebt gerade im Kunsthandel oft die größten Überraschungen. Ich möchte Ihnen natürlich nicht zumuten, zehntausend zu zahlen, tja ... ich bedauere aufrichtig, Ihnen zuvorgekommen zu sein, das heißt, es war ja Fräulein Arnstein ... aber ich denke, es ist besser, der Schrank wird in Hamburg verkauft. Ich möchte Sie keinesfalls ...«
»Nennen Sie mir einen akzeptablen Preis, Herr Henningsen.«
Alexanders Blut kam allmählich in Wallung. Er schleuderte Ulrike einen wütenden Blick zu.
»Aber Herr Doktor, ich sagte soeben ...«
»Ich weiß. Aber ich möchte verhindern, daß die alten Damen, denen es trotz ihres Grundbesitzes kümmerlich genug geht, in Unkenntnis der zur Zeit üblichen Preise, einen Wertgegenstand verschleudern. Ich bin zu einem gewissen Opfer bereit, solange Sie Ihre Forderungen nicht zu hoch schrauben.«
Schweigend unterzog der Händler das Streitobjekt noch einmal einer eingehenden Musterung. Er seufzte dabei schwer.
Hagedorn schaute fragend zu Ulrike und sie zuckte bekümmert mit den Schultern. Dieser wortlose Gedankenaustausch deutete ohne Zweifel auf eine schöne Übereinstimmung der Meinungen.
Henningsen wandte sich wieder um.
»Ich werde Ihnen entgegenkommen, Herr Doktor, aber ich möchte vorausschicken, daß eine Kunsthandlung kein Wohltätigkeitsverein ist. Wenn ich mich von allen mir im Laufe der Zeit geschilderten Notlagen hätte beeindrucken lassen, könnte ich jetzt selber betteln gehen. Ich denke, fünftausend – das wäre ein sehr kulanter Preis.«
»Fünftausend – Herr Henningsen, ich hatte die Absicht, den Damen den tatsächlichen Wert zu ergänzen. Der Schrank kostete mich dann achttausend.«
»Ich sagte ja – was Sie aus mildtätigem Herzen tun, geht mich nichts an. So – wie er jetzt dasteht, kostet er mich schon runde dreitausend. Ich habe an einen Agenten und an Fräulein Arnstein Provision zu zahlen ...«
»Ich möchte in diesem Fall auf meine Provision verzichten ...« warf Ulrike ein.
»Fräulein Arnstein ...« Herr Henningsen war die verkörperte Mißbilligung, machte eine abweisende Handbewegung und sprach weiter, »... also da sind die Provisionen, ich selbst habe die Reise hierher gemacht und kostbare Zeit verloren ...«
»Gut, fünftausend«, unterbrach Hagedorn. Er hatte genug von diesem Handel.
»Ein herrlicher Schrank ... fast tut es mir leid ...« sagte Henningsen halblaut zu Ulrike, während Alexander einen Scheck ausschrieb. »Ich hoffe, es ist Ihnen nicht allzu schmerzlich, mir das Prachtstück überlassen zu haben«, erwiderte Hagedorn mit bissiger Liebenswürdigkeit und überreichte den Scheck.
Henningsen verzog keine Miene, prüfte geschäftsmäßig den Scheck und barg ihn in seiner Brusttasche.
Die alten Damen weinten vor Freude, als sie erfuhren, daß der Kunsthändler zurückgetreten sei und ihr junger Freund den Schrank für fünftausend Mark erworben habe.
Herr Henningsen machte ein unbehagliches Gesicht, als er sich wieder und wieder die Hand schütteln lassen und Dank – und Segenswünsche sagen lassen mußte.
Hagedorn genoß diesen teuer erkauften Triumph. Ulrike schaute ausgesprochen trübselig drein.
Als er sich von ihr verabschiedete, drückte er ihre Hand so fest, daß es wehe tat.
»Mein liebes Kind, deine Dummheiten kosten mich einen schönen Batzen, überleg' dir einmal, wie du das wieder gutmachen willst«, sagte er leise.
*
»Rieke, bist du fertig?«
Herwig betrat nach kurzem Anklopfen das Zimmer, in dem Ulrike gerade einige Kleidungsstücke in den Schrank hing.
»Wir können gleich gehen ... guten Tag, Hans.«
»Ach so ... entschuldige, guten Tag, Kleine.« Er hielt ihr die Hand entgegen.
Sie schüttelte den Kopf und schaute ihn belustigt an.
»Du mußt schrecklich verliebt sein, Hans. Nur wer die Sehnsucht kennt ... darunter leiden sogar deine guten Manieren.«
»Es ist ein merkwürdiger Zustand, Rieke, aber nicht unangenehm«, gestand er lachend, »ich hätte das ja nie für möglich gehalten ...«
Staunend betrachtete sie die verschiedenen Päckchen, die er auf den Rücksitz räumte, als sie in den Wagen stiegen.
»Ein paar Kleinigkeiten für Claudia ... es muß höllisch langweilig sein, den ganzen Tag im Bett zu liegen. Aber sie ist ja so geduldig. Ein tapferes Mädchen.«
»Sie muß ja auch geduldig und tapfer sein«, meinte sie sanft.
»Wieso?« fragte er verdutzt.
»Wenn sie dich heiraten will ...«
»Biest.«
Er gab ihr einen Nasenstüber und fuhr an.
Ulrike war sehr gespannt auf die kleine Madonna, die dem nüchtern wägenden Hans so schnell und gründlich den Kopf verdreht hatte. Sie lächelte still vor sich hin, als sie daran dachte, wie Hans, verlegen und glücklich, ihr seine Liebe zu einer anderen gestanden hatte. Eine große Überraschung, aber keinesfalls eine unangenehme. Eher das Gegenteil. Es hätte ihr sehr leid getan, wenn sie ihn noch einmal hätte abweisen müssen.
Aber er war schon ein richtiger Hans im Glück. Was er auch beginnen mochte, alles gelang ihm. Und wenn er die eine Frau nicht haben konnte, verlieh ihm ein guter Geist die Gabe, sich sofort in eine andere zu verlieben. Wenn das kein Glück war!
Vor dem Krankenhaus wurde sie von Hans mit einigen Päckchen beladen und hatte Mühe, ihr Sträußchen für Claudia vor der Zerstörung zu bewahren. Im Sturmschritt ging er voran.
Ulrike wunderte sich sehr. Hans war doch sonst die Ruhe selbst.
Als sie jedoch Claudia sah, verstand sie ihren Freund schon besser, auch die Bezeichnung »kleine Madonna« erschien ihr nicht mehr übertrieben.
Allerdings stellte sie sehr bald fest, daß sich hinter dem sanften Gesichtchen sehr viel Mutwille und Schelmerei verbarg.
Genau das, was Hans braucht, überlegte sie. Mit ihrer Sanftmut wird sie ihn wunderbar bändigen, da wird er weich wie Butter, und da sie nicht ein bißchen zimperlich ist, wird sie mit ihm durch dick und dünn gehen. Und wieder überkam sie fast der Neid. Wie die beiden sich anstrahlten!
Claudia schien zu ahnen, was in der Älteren vorging, ein Schatten huschte über ihr Gesicht, sie wurde nachdenklich. Dann fragte sie beherzt: »Glauben Sie, daß wir Freundinnen werden können? Ich wünsche es so sehr, ich gehöre doch nun zu Hans.«
Impulsiv griff Ulrike nach ihren Händen.
»Aber ja, Claudia, Sie gefallen mir so gut.«
»Ich finde, du bist mit einer guten Freundin besser bedient als mit einem schlechten Ehemann, Rieke, und was Vernünftiges wäre es wohl doch nicht mit uns geworden.«
»Das sagte ich dir schon vor vier Jahren, mein Lieber. Es hätte immer etwas gefehlt.«
»Das ließ sich damals noch nicht übersehen. Und wenn diese lütte Person nicht gekommen wäre ... ich wüßte es heute noch nicht.«
»Er hat es nie gern zugegeben, wenn ich einmal gescheiter war als er«, lachte Ulrike, »Sie werden da ein wenig aufpassen müssen.«
»Das Beste wird sein, Sie besuchen mich mal allein und geben mir eine Gebrauchsanweisung für ihn, dann muß ich nicht erst lange probieren, wie man ihn handhaben muß.« Claudia lachte ihren Liebsten übermütig an. Ihre heimliche Besorgnis, Ulrike doch etwas genommen zu haben, war geschwunden.
»Das werde ich tun, Claudia«, versprach Ulrike heiter und Hans protestierte heftig aber ohne Erfolg.
»Selbstverständlich bleibe ich nun in Deutschland. Es wäre barbarisch, wollte ich Claudia von ihrer Mutter trennen. Und meine Mutter wird auch sehr froh sein, daß sie nun nicht über den großen Teich muß. Ich hielte es für ganz praktisch, wenn wir die beiden Mütter zusammentun – in eurem Schlößchen ist Platz genug.«
»Hans! Die Idee ist großartig!« rief Claudia erfreut.
»Natürlich ist sie das. Stell' dir vor: Deine Mutter sitzt am Bodensee, meine in Hamburg und wir sind vielleicht in Frankfurt. Beide Mütter wollen von uns mal besucht werden. Und nun rechne dir aus, wieviel Zeit und Geld dabei verschwendet wird, und ohne daß es sich wirklich rentiert. Wir könnten ja immer nur wenige Tage bleiben, weil ja beide auf uns warten. Und Weihnachten – keine will allein sitzen. Nein – hier eine Filiale von der Familie und da eine – daraus wird nie was Gutes. Daran verdienen nur die Eisenbahn, die Tankstelle und der Arzt, weil man sich bei der Herumfahrerei nie Ruhe gönnen kann. Ist dir das klar?«
»Und ob! Hans, du bist einfach wunderbar.« Claudia war selig.
»Oder wunderbar einfach«, nickte Ulrike versonnen, »er räumt die Schwierigkeiten aus dem Wege, bevor sie schwierig werden können. Ich glaube, darin liegt überhaupt das große Geheimnis, daß er so spielend leicht mit allem fertig wird.«
»So leicht ist das auch nicht immer. Hier ist die Ausgangssituation besonders günstig. Meine Mutter hängt nicht sehr an Hamburg, sie wird die Großstadt gern verlassen. Und wenn sie durchaus weiter arbeiten will, wird sie bei der augenblicklichen Konjunktur auch hier eine Stellung finden. Unsere alten Damen werden auch ganz gut zueinander passen – und sonst«, er lachte schon wieder, »vielleicht kriege ich den Alten rum und kann auch hier unten wohnen. Dann hätten wir gleich zwei Babysitter im Hause.«
»Aber Hans ...« das war Claudia.
»Oh, Hans ...« rief Ulrike und lachte.