Mynona (Salomo Friedländer)
Rosa die schöne Schutzmannsfrau und andere Grotesken
Mynona (Salomo Friedländer)

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Was bin ich?

Was bin ich? Welche Frage! Ich bin ja der größte Antinumismatiker. Neulich sagte mir jemand: «Exzellenz! pst!» Ich war nicht beleidigt. Als er aber hinzufügte: «Das geht auf Sie, das ist auf Sie gemünzt» – da gab ich ihm eins aufs Trittbrett, daß er sich noch heut um seine Achse dreht.

Übrigens war ich nicht immer so. Das war ne selige Illusion, als ich es mit dem Antiphilatelismus versuchte. Ich danke schön, da hätte man viel zu tun. So ließ ich sie denn ihre kleinen bunten Papierchen weiter sammeln. Ein Paar Hefte so en passant, de gaieté de cœur zu verbrennen – immer los! Da bin ich nicht gegen. Aber schließlich soll ne gesunde Opposition doch mehr einbringen als Asche. Der Antiphilatelismus ist nichts für konsequente Utilitarier. So laßt sie man sammeln!

Dagegen die Numismatik – eine Erbfeindin, Antipodin aller menschlichen Verwertbarkeit: alles Unnützen Quintessenz – ich laufe rot an, wenn ich nur an diese Ludrians denke.

Wie? Geprägtes Metall, Gold, Geld – sammeln? Hilfe! Ich werde verrückt, ich muß mir die Weste aufknöpfen. Es ist ja das krasseste désaveu, die systematischste Negation des Geldes, des deutlichsten Inbegriffs aller menschlichen Wertschätzungen. Ich muß mir den Kragen abknöpfen und mich kalt überduschen. Warum nicht gleich Menschen sammeln? Könige sammeln? (deren Profile ja der Numismatiker nicht verschmäht!) Briefträger sammeln? Sammeln, sammeln, sammeln – ich gerate außer mir, ich kann mich nicht erholen, ich komme um! Im Sammeln allein liegt schon so viel Idiotie: aber Münzen sammeln ist die Konzentration dieses Irrsinns. Was folgt? Seid gewarnt! Propaganda der Tat! Bartholomäushochzeit für die gesamte Numismatik in ihren Hauptvertretern. Es ist nicht «harmlos», wenn man das Geld, statt es auf Zins zu legen oder schlicht 54 auszugeben – «sammelt». Ich koche. Ich habe die Antisammelwut. Ich möchte platzen.

An diesem Symptom eben verrät sich die enorme Lebensgefährlichkeit der Ästhetisierung des Nützlichen. Pfui! Geld soll nicht «schön» – äh! – sein, sondern kulant, kurrent. Schönheit ist überhaupt – aber ich schweige, ich habe Brechreiz, wenn allerhand Fritzen vom Gelde Schönheit wollen – für Geld . . . à la bonheur! Das Nützliche soll gebraucht, verwendet werden; es soll so häßlich sein, daß es jeden dieser Sammler geradezu abschreckt und «Tod allen Sammlern» soll darauf eingerändelt stehen! Oder: «Haut sie!» Oder: «Wer mich sammelt, sei verdammelt»; oder so ähnlich.

Mit einem Wort: es muß aufhören! Wo ich noch einen Numismatiker entdecke, werde ich ihn konfiszieren und mir so nach und nach eine lachhafte Sammlung dieser Sammler anlegen, bis sie der Teufel holt. Am allergeeignetsten zur Vertilgung dieser Landplage wäre ein großes numismatisches Irrenhaus. Mir scheint nämlich, daß vom Prinzip der Numismatik aller übrige Irrsinn deriviert ist. Geld, also kondensierte Vernunft, kondensierte Menschheit, statt sie zu betätigen, zu sammeln??? Mir steht der Schweiß auf der Stirn, ich kann nicht mehr. Confessus sum. 55

 


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