Ludwig Ganghofer
Fliegender Sommer
Ludwig Ganghofer

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Hans Donnerstag.

Ein Ostermärchen.

Es war einmal, vor grauen Jahren, eine arme, hochbetagte Wittib. Mutter Nänni, so nannten sie die Leute; sie wohnte ganz am Ende des Dorfes in einem kleinen Häuschen und hatte einen großgewachsenen Sohn, mit Namen Lebrecht. Dieser Name paßte wie gesucht für ihn, denn er lebte recht und brav, wie es einem armen, ehrlichen Burschen zukommt. Er war von schlankem Wuchs, kräftig und behend, und hatte ein freundliches, von dunklen Haaren umrahmtes Gesicht mit haselnußbraunen Augen, die mit stillem Ernst in die Welt schauten, sinnend und träumend, nur manchmal ein wenig gar zu traurig. Das hatte nun freilich einen guten Grund . . . und dieser Grund hieß Maragret. »Hab' mir's aber gleich gedacht, daß wieder so ein verflixtes Mädel dahintersteckt!« So hat bis heute noch jeder gesagt, der diese Geschichte zu hören bekam. Ja, ein verflixtes Mädel war sie, die Maragret. Sie that sich auf ihren reichen Vater, den alten Müller, gar viel zu gute, war hoffärtig und eingebildet wie eine Elster, die das Plappern kann, zu Possen und Streichen immer aufgelegt, und ihre Röcke flogen, auch wenn der Wind nicht ging – so flink und fahrig war die Maragret. Aber sauber war sie auch, bildsauber, das mußte man ihr lassen. Sie konnte mit ihrem roten, lachenden Mund und ihren blitzenden Kirschaugen einem das Herz im Leib umdrehen . . . davon wußte der Lebrecht ein Liedlein zu erzählen.

Das war nämlich so gekommen. Der Mann der alten Nänni hatte, als es mit ihm ans Sterben ging, seinen Jungen gerufen und zu ihm gesagt: »Schau, Lebrecht, mach' es mir nicht nach! So ein Vogelsteller hat nichts als Plag' und Sorgen all seiner Lebtag', armen Verdienst und sauren Lohn. Da sieh dir doch lieber den dicken Müller an! Der hat den Verstand doch auch nicht mit Löffeln gegessen; als ein armer Teufel ist er ins Dorf gekommen und heute sitzt er mitten drin zwischen Mehl- und Geldsäcken. Sei gescheit, Lebrecht, und werd' ein Müller, dann kannst du es dir wohl sein lassen auf deine späten Tage.« So sprach der Alte, und darauf starb er. Mutter Nänni und Lebrecht weinten bitterlich um ihn, und als sie ihn am Waldsaum unter einer alten Tanne begraben hatten, von deren Ästen die langen grau-grünen Moosfaden wie Trauerfähnlein wehten, da machte sich Lebrecht auf den Weg zum Müller. Wohl hätte ihm das freie Leben in Wald und Heide besser zugesagt, aber er wollte als guter Sohn seinem toten Vater den Willen thun.

»Ich möchte fragen, ob Ihr in der Mühle nicht einen Knappen brauchen könnt?« Mit diesen Worten betrat er die Müllerstube.

»Wir wollen sehen,« schmatzte der Müller, der hinter dem Tische saß, während vor ihm auf blinkendem Zinnteller ein fetter Schweinebraten dampfte. Er begann mit Lebrecht zu reden, der ihm so kluge Antworten gab, daß der Müller bald seinen Vorteil ersah und den starken, umsichtigen Burschen eindingte als seinen Knappen. Darüber kam die Maragret in die Stube, um dem Vater das gefüllte Kännlein zu bringen; und als da der Bursche das schöne Mädchen sah, wurde er bis über die Ohren rot und brachte kein Wort mehr über die Lippen. Lachend schickte ihn der Müller zu den Gesellen, und da fragte die Maragret, was das für ein Mensch wäre. »Der neue Mühlknappe!« »Ach so,« meinte sie und warf das rote Mäulchen auf, »hab' schon gedacht, es wär' ein Stockfisch, den der Vater aus dem Mühlbach gezogen hat!« Das hörte Lebrecht, als er unter der Thüre stand, und noch dunkler färbte sich sein Gesicht.

Von diesem Tag an blieb er in der Mühle. Vor der Sonne stand er auf und nach der Sonne ging er schlafen; mit dem einen Aug' war er bei der Arbeit, mit dem andern bei der Maragret. Und jedes dieser zwei Augen gab aus für ein ganzes Dutzend. Die Leute hatten noch niemals so feines Mehl bekommen, und niemals hatte der Müller so viele Kunden gehabt, als seit der Lebrecht den Mühlgang führte. Und niemals hatten in der Maragret Gärtlein und vor ihrem Fenster so schöne Blumen geblüht, und niemals noch so seltene Singvögel in zierlichen Häuschen in der Maragret Kammer gehangen, als seit ihr der Lebrecht zu Gefallen ging. Aber vom »Gefallen gehen« bis zum »Gefallen finden« ist noch ein gut Stück Weg. Wenn die Maragret den Lebrecht nur zu Gesicht bekam, verzog sie schon das Näslein und that, als wäre sie auf eine Blindschleiche getreten. Sie sprengte den armen Burschen in Haus und Hof umher, wie der Schäfer im Feld seinen Pudel, und keiner vom Gesinde hatte so viel vom Hochmut, von den Launen und Possen der Maragret zu leiden, als wie der Lebrecht. Das Alles ertrug er und beschwerte sich nie; nur manchmal sah er sie mit ganz eigenen Augen an, groß und traurig. Dann kehrte sie ihm wohl den Rücken und ging mit lautem Lachen davon. Er aber schlich durch das Mühlwerk in den Garten, wo der Bach mit Rauschen und Plätschern das moosige Schaufelrad im Kreise trieb. Die sprühenden Tropfen glitzerten in der Sonne, aus den tänzelnden Wellen sprangen die schimmernden Fischlein, in den Hecken sangen die Vögel und süßer Duft stieg auf aus allen Blumen. Und Lebrecht saß und starrte vor sich nieder, und mit den Tropfen, die von dem plätschernden Rade stäubten, mischte sich zuweilen ein Tropfen, der aus heißen Augen fiel.

Der Sommer verging, es kam der Herbst, es wurde Winter, und dann nahm es jählings ein Ende mit Lebrechts Geduld. In der finsteren Christnacht war es, da ging er mit einer brennenden Fackel zur Kirche, um der Engelmesse beizuwohnen. Es fiel ihm wohl auf, daß die Leute, die er auf dem Kirchweg traf, bald laut, bald heimlich kicherten und lachten. Er meinte, daß er vielleicht mit seinem Feiertagsgewand im dunklen Flur den Mehlsäcken zu nah gekommen wäre . . . aber sein Wams war rein und sauber. Da hörte er eine Stimme: »Seht doch das Wunder an! Die Esel sind gute Christen worden . . . da kommt schon einer zur Kirche!« Und der Bursche, der diese lachenden Worte rief, deutete mit ausgestrecktem Arm nach Lebrechts Kappe. Dieser griff nach seinem Kopf, riß die Mütze herunter, und er wurde blaß bis in die Lippen, als er die zwei wirklichen Eselsohren erblickte, die seiner Kappe zu beiden Seiten angenäht waren. Ein schallendes Gelächter erhob sich rings um ihn, er wollte sich auf die Spötter stürzen, wollte die Mütze zu Boden schleudern . . . da trafen sich seine Blicke mit Maragrets spottenden Augen . . . und nun wußte er, wem er diese Schande zu danken hatte. Sein ganzer Zorn schien jählings verraucht; wohl wurden seine Wangen noch blässer, aber stolz richtete er sich empor, und während ein bitteres Lächeln um seine Lippen zuckte, drückte er die Kappe wieder mit samt dem grauen Schmucke über sein krauses Haar. Dazu blitzten seine Augen, daß unter all den Burschen keiner mehr zu lachen wagte. Auch der Maragret war das Lachen vergangen.

Mit der Eselskappe auf dem Kopf hörte Lebrecht vor dem Kirchenthor die Engelmesse, und als die Glocken zur Heimkehr läuteten, ging er nicht wieder den Weg zur Mühle, sondern zum Häuschen seiner Mutter. Anderen Tages kam der Müller, der den tüchtigen Gesellen nicht missen wollte; doch wie er auch reden und bitten mochte – Lebrecht sah ihn mit finsteren Augen an, sprach kein Wort und schüttelte nur den Kopf. Dann suchte er die rostigen Fangeisen und Fallen seines Vaters hervor, säuberte sie und zog in den winterlichen Wald hinaus, um Wölfe, Füchse und Marder zu fangen. Als der Schnee zerrann und die gefiederten Sänger aus dem Süden kehrten, stellte er die Vogelherde und baute Dohnenstiege, und als der Falkenzug begann, brachte er auf den Wipfeln der höchsten Bäume seine Habichtskörbe und Falkennetze an, so daß er manch einen edlen Beizvogel um teueres Geld an die reichen Burgherren verkaufen konnte. Doch was er that und schaffte, das that er ohne Freude, still und traurig. Oft saß er ganze Tage lang an einer Stelle im Wald, dessen Bäume schon leise zu knospen begannen. Die neugierigen Nußhäher belauschten seine Gedanken, und wenn er sich regte und die Hände vor die Augen drückte, flogen sie mit lautem Gackern davon, und dann klang ihre Stimme wie: »Maragret! Maragret!« Da nahm er wohl die Mütze vom Kopf und betrachtete mit schmerzlichem Lächeln den grauen Schmuck seiner Kappe. Er hatte sie Tag um Tag getragen seit der Christnacht, und die Leute im Dorf nannten ihn nicht anders, als den »Graumann.« Ihm ins Gesicht wagten sie diesen Namen freilich nicht zu brauchen; aber der Maragret trugen sie ihn zu, und wenn sie ihn hörte, wurde sie rot und blaß. Gesehen hatte sie den Lebrecht nicht wieder seit der heiligen Nacht; denn sie mied die Nähe des Nänni-Hauses, wie er die Nähe der Mühle.

Nun war es in der Karwoche, am grünen Donnerstag. Da sagte die alte Nänni zu ihrem Sohn: »Du, Lebrecht, unser letztes Scheitlein Holz ist verbrannt.«

»Morgen und übermorgen ist heiliger Tag,« gab er zur Antwort, »und da soll kein Feuer auf dem Heide brennen.«

»Und keine Arbeit darf geschehen,« lächelte Mutter Nänni. »Aber deinen Osterbraten sollst du haben . . . und wenn du nicht heute noch in den Wald gehst, um Holz zu schlagen, dann wird uns der Ofen auch kalt bleiben am Ostertag!«

Lebrecht nickte nur, nahm seine Graumannskappe, warf die Axt über die Schulter und ging dem Walde zu. Er wählte einen dürren Stamm; doch als er die Axt zum Schlag erhob, fühlte er seinen Arm gehalten wie von unsichtbaren Händen. Staunend schüttelte er den Kopf und ließ die Arme sinken. So oft er sie aber von neuem erhob, immer wieder fühlte er jene geheimnisvolle Macht, welche den bedrohten Baum zu hüten schien. Da nun der Lebrecht das Gruseln nicht kannte, dachte er sich: »Warte, du, dir komm' ich!« . . . ließ plötzlich die Axt zu Boden fallen und griff mit beiden Händen aufs Geratewohl in die Luft. Sonderbar kam es ihm vor, als er unter seinen Händen etwas fühlte wie ein seidenes Tüchlein, und eh' er sich noch recht bedachte, sah er vor sich ein winziges Männlein stehen, kaum drei Spannen hoch, mit feuerrotem Haar und Bart, mit rotem Röcklein und roten Hosen. Und weil es in seinem Zorn mit beiden Füßen strampelte, war es anzusehen wie ein springendes Flämmlein.

Lebrecht mußte lachen, zum ersten Mal wieder seit der Christnacht, und lachend sagte er: »Ei, Gott zum Gruß, Euer Gnaden, wie heißt Ihr denn?«

»Hans Donnerstag heiß' ich,« piepste der Zwerg, »und ich will nicht leiden, daß du Bäume fällst und Holz spaltest an meinem heiligsten Tag.«

»Gut, so will ich es lassen, dir zu Gefallen,« sagte Lebrecht.

Da ward das Gesicht des Kleinen mit einemmale ganz freundlich, er zwinkerte mit seinen winzigen Äuglein zu Lebrecht auf und kicherte: »Das soll dir gelohnt sein. Aber nun gieb mir mein Käpplein wieder!« Bei diesen Worten merkte Lebrecht erst, daß er zwischen den Fingem ein winziges Mützlein von roter Farbe hielt. »Gieb mir mein Käpplein wieder, ich will dir dafür einen Wunsch erfüllen! Soll ich dir einen Schatz in der Erde zeigen? Oder willst du lernen, wie man Steine in Gold verwandelt?«

»Ach,« seufzte Lebrecht, »wüßt' ich doch lieber, wie man der Maragret Gemüt verwandelt!«

»Wirf sie ins Osterfeuer,« kicherte Hans Donnerstag, »wirf sie ins Osterfeuer!« Und flink wie ein Wiesel haschte das Männchen nach seinem Käpplein, zog es über die Ohren und war im Nu verschwunden.

Staunend blickte Lebrecht ins Leere. »Wirf sie ins Osterfeuer!« murmelte er vor sich hin. Wen? die Maragret? Und ein Schauer ging ihm über den Rücken und durch die Seele. Aber er brachte das Wort nicht mehr aus seinen Ohren – wie die Flocken im Schneesturm, so wirbelten die Gedanken in seinem Kopf. Er wußte kaum, daß er die Holzaxt über die Schulter nahm und den Heimweg suchte. Als er das Feld erreichte, schallten ihm alle Glocken aus dem Dorf entgegen. Lebrecht hörte sie nicht, er ging in Träumen seinen Weg. Allmälig begannen die Glocken zu verstummen, eine nach der anderen, bis endlich der letzte Klang dahinschwellte über das Land, wie ein banger, schmerzvoller Seufzer . . . es waren die Glocken gestorben, um erst mit dem Heiland wieder zu erwachen am heiligen Ostertag. Und als die Glocken schwiegen, stieg aus allen Dächern des Dorfes ein weißer Rauch . . . der Dampf des Wassers, mit dem sie die Feuer löschten auf jedem Herde. Lebrecht sah es nicht, er ging in Träumen seinen Weg, und als er das Häuschen seiner Mutter erreichte, bemerkte er gar nicht das viele, schön gespaltene Holz, das am Gartenzaune aufgeklaftert stand. Da mag ja wohl der kleine Hans Donnerstag im Spiel gewesen sein.

Und wie im Traum verging dem Lebrecht der andere Tag, und auch der nächste. Als aber dann am Karsamstag Abend Mutter Nänni das schwere Bündel mit den geweihten Holzscheiten zusammenpackte, die sie zum heiligen Osterfeuer spenden wollte, da fuhr Lebrecht auf.

»Gieb mir das Holz, Mutter,« sagte er, und eine brennende Röte überflog sein Gesicht. »Laß mich das Feuer holen!« Er warf das Bündel auf den Rücken und griff nach der langen Fackel, welche vom Osterfeuer die auferstandene Flamme heimtragen sollte für Mutter Nännis Herd.

Just als die Sonne sank, weit in der Ferne und blutig rot, erreichte Lebrecht den Hügel, auf welchem das Osterfeuer lodern sollte die ganze Nacht hindurch. Und just kam auch von der anderen Seite die Maragret. Er blickte nicht auf zu ihr; sie aber streifte mit scheuem Blick seine Graumannskappe, und ihre Hände zitterten, als sie auf dem mächtigen Holzstoß, der schon gesammelt stand, ihre Scheite neben die seinen legte. Während der letzte Schein der Sonne erlosch, war Alles stille . . . und Alle beteten. Dann traten die Ältesten des Dorfes zusammen, um jenen zu wählen, der das heilige Feuer zünden, die schlafende Flamme erwecken sollte. Auf Lebrecht Graumann fiel ihre Wahl . . . es war die größte Ehre, die einem widerfahren konnte; das hieß so viel, als: das ist der Tüchtigste, der Bravste unter uns, er hat die reinste Hand und das reinste Herz! Und dem Lebrecht brannten auch die Wangen vor stolzer Freude, als er hervortrat aus dem Kreis.

Da legte einer der Ältesten die Hand auf seinen Arm. »Ich meine, Lebrecht,« sagte er, »du solltest doch dein Käpplein abnehmen.«

Lebrecht aber schüttelte den Kopf. »Nein, meine Kappe will ich tragen. Mag lieber ein anderer das Feuer zünden.«

So ließen sie es zu, daß er das Feuer weckte, mit der Graumannskappe auf seinem Haupt. Er schlug den Funken aus Stahl und Stein, in dürrem Moose blies er ihn an zu roter Glut; den glühenden Zunder schob er in eine Weizengarbe und blies, bis aus den gelben Halmen die helle Flamme schlug. Ein hundertstimmiger Jubelruf erscholl aus allen Kehlen . . . schon fingen die Spähne Feuer und bald war die Nacht in Tag verwandelt, denn baumhohe Flammen loderten aus dem brennenden Stoß. Uralte heilige Gebräuche wurden geübt, man briet einen mächtigen Widder am Spieß, jeder aß von diesem Fleisch, dann nahm Gesang und Tanz und fröhliches Gelage seinen Anfang. Nur zwei thaten nicht mit dabei . . . Lebrecht Graumann, der als Wecker und Wächter still versunken neben dem Feuer saß . . . und die Maragret, die sich unter den Nachtschatten einer alten Tanne geflüchtet hatte.

Als dann im Osten ein falber Schein erwachte und das erste Morgenlüftchen über den Hügel strich, da war die Lustbarkeit zu Ende, und Männer und Weiber, eines nach dem anderen, trat an den Holzstoß heran, um die Fackel zu entzünden und vom heiligen Feuer eine Flamme heimzutragen für das kommende Jahr. Auch die Maragret kam herbei, still, mit gesenktem Köpfchen – und da war es dem Lebrecht, als höre er neben sich die piepsende Stimme eines Unsichtbaren: »Ich will sie stolpern machen – gieb ihr noch einen tüchtigen Stoß!«

Dem Lebrecht schoß vor jähem Schreck alles Blut zum Herzen. »Um Christi Liebe willen, thu es nicht, Hans Donnerstag,« so stammelte er. Aber da sah er die Maragret schon wanken, sie drohte zu stürzen, mitten hinein in die Flamme – doch Lebrecht Graumann streckte die Hände, just noch erfaßte er sie, riß sie zurück vom Feuer und hielt sie geborgen in seinen Armen. Sie wand sich los von ihm, schlug weinend die Hände vor das Gesicht und drängte sich hinweg durch die Leute.

Und wieder kamen sie, eines nach dem anderen, um Feuer zu holen und heimzutragen. Als letzter entzündete Lebrecht seine Fackel, und kaum daß sie brannte, erlosch auf der Erde das letzte züngelnde Flämmchen. Und als er nun heimwärts schreiten wollte, sah er unter der Tanne die Maragret sitzen.

»Maragret,« sagte er, und seine Stimme klang sanft und ruhig, »wo hast du deine Fackel? Wenn du nicht Feuer bringst, das wäre Unglück für Euer Haus, und was würde dein Vater sagen?«

Sie nickte nur, trocknete ihre Thränen, erhob sich, suchte die Fackel und ging zur Feuerstatt. Es lag aber nur noch eine schwache Glut in der Asche.

»So nimm Feuer von dem meinigen,« sagte Lebrecht und hielt ihr die Fackel hin.

Da schaute sie zu ihm auf, und Zähren traten ihr in die Augen. »Lebrecht,« stammelte sie, »könntest du mir wohl verzeihen?«

»Ich habe dir lange verziehen. Denn was du mir zur Schande thatest, das ist mir zur Ehre geworden!«

»Was aber müßt'ich thun, daß du es auch vergessen könntest? Sprich, Lebrecht! Ich thät es so gerne.«

Er blickte sie an, und als er ihre flehenden Augen sah und ihren sanften Mund, da wallte ihm das Blut im Herzen, und er sagte mit bebender Stimme: »Da müßtest du mit mir zur Kirche gehen, Hand in Hand!«

»Ach, Lebrecht, ich thät es ja so gerne,« lächelte sie, »vom Herzen gerne!«

Er hätte am liebsten die Fackel von sich geworfen und das Mädchen umschlungen mit beiden Armen. Doch er bezwang sich und sagte: »Doch wenn du mein Weib wärest, dann ließ' ich einen Steinmetz kommen und er müßte mir eines Graumännleins Kopf ausmeißeln über meiner Thür. Und Lebrecht Graumann wollt ich mich nennen alle meiner Lebtage!«

»Thu' es doch, Lebrecht, thu' es doch!« lächelte sie unter Thränen.

»Und noch eines, Maragret – diese Kappe will ich tragen an meinem Hochzeitstag!«

»Ja, Lebrecht, thu' es nur!« sagte sie, und dazu blickte sie ihn an mit seligen Augen.

Nun sah er, daß ihr Gemüt verwandelt war, wie Stein zu Gold, und mit einem hellen Jauchzer riß er die Graumannskappe von seinem Haupte und warf sie in die erlöschende Glut. Und sieh, da schlug ein Flämmlein aus den Kohlen und verzehrte die Kappe, während man nahebei das lustige Kichern eines winzigen Stimmleins vernahm. An der kleinen Flamme steckte Maragret ihre Fackel in Brand, dann legte Lebrecht den Arm um seiner Liebsten Nacken, und so wanderten sie niederwärts den Hügel und heimwärts in das Dorf. Als ihre Wege sich schieden, küßte Lebrecht die Maragret herzinnig auf Augen, Mund und Wangen.

Seltsam, wahrhaftig! Zwei Feuerlein, die brennenden Fackeln, sah man nun auseinanderwandern in der grauen Dämmerung des Morgens . . . und hier waren doch zwei Flammen ineinander geschmolzen zu einer einzigen Glut

 


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