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An Fritz August von Kaulbach.

Noch träumt der Wald, sein Rauschen ist wie Schweigen,
Um schwarze Wipfel blüht noch blau die Nacht,
Da schon der Sterne rätselvoller Reigen
Den Morgen ahnt, der bleich im Ost erwacht.
Hoch im Gefelse schon ein matter Schimmer,
Im Thal noch Schatten, finster, unbewegt.
Und vor mir her ein roter Gaukelflimmer
Der Blendlaterne, die mein Jäger trägt.
Durch dichten Thalwald reit' ich aus zur Birsche,
Den Pfad ersehnend aus des Waldes Haft,
Denn ferne hör' ich schon den Schrei der Hirsche,
Ein Lied der Liebe, wild, voll schöner Kraft!

Im dunklen Tann die letzten Eulenrufe,
Und schon der Drossel erster scheuer Schlag,
Und immer rascher setzt mein Thier die Hufe,
Als wär' es ungeduldig nach dem Tag.

Und Schrei um Schrei tönt nieder von den Almen,
Der Berge Kranz entwirrt sich schon im Licht,
Ein Wildbach braust, und seine Nebel qualmen
Aus tiefer Schlucht, die meinen Weg durchbricht.
Die Brücke schwankt, es seufzen ihre Bohlen.
Und offne Halde dehnt sich, dämmerstill –
Ein Windhauch zieht, wie tiefes Atemholen
Von allem rings, was nun erwachen will.
Ich seh' die Nüstern meines Pferdes rauchen,
Der Reif beschlägt den Grund mit weißem Duft,
Und Wohlruch spür' ich – ihre Seelchen hauchen
Des Herbstes Blumen frierend in die Luft.

Da löscht der Tag den letzten Schein der Sterne.
– Ein hohes Drama! – Dann das Satyrspiel:
Mein Jäger löscht das Lichtlein der Laterne –
Und Dämmerung umwebt mich, grau und kühl.

Ein Schrei dort oben! Hastig aus dem Bügel
Schwingt sich der Fuß in das bereifte Moos,
Es brennt mein Blut, und Eifer ohne Zügel
Treibt mich zur Höhe aus der Tiefe Schoß.
Der heiße Kampf des Jägers will beginnen,
– Noch schnell das Pferd gehalftert an den Baum! –
Ich zähle die Minuten, wie sie rinnen,
Vorbei der schauende, der stille Traum!
Mein Weg wird steil, die kleinen Steine klirren,
Der Nebel hüllt mich ein und giebt mich frei,
Und Vögel, die mein Schritt erweckte, schwirren
Im Grau gedankenschnell an mir vorbei.
Und wieder wogt es rings um mich und flutet
Und sinkt und füllt das Thal – ein weißes Meer –
Und Rosenglanz durchfliegt die Luft und glutet
Und wirft das Feuer um die Berge her – –
Wie schön! – Das kann ein armes Wort nicht messen!
Ich stehe still, und Andacht füllt mich ganz,
Mein Blut ist ruhig, alle Jagd vergessen,
Und meine Seele voll von allem Glanz – –

Da denk' ich Deiner – weil ich Schönheit sehe –
Weil man den Schnitter ruft zu reifer Saat!
Mein Wunsch geht suchen, Ferne wird zur Nähe,
Ich finde Dich: schon emsig bei der Mahd!

Geführt von gleichem Weg in gleicher Stunde,
So zogst auch Du aus weltentrücktem Haus,
Das Wald und Fels umgarten in der Runde,
Durch schöne Nacht zu schönrem Morgen aus.
Ich sehe Dich: Du schreitest still im Dämmer,
Dein Auge trinkt der Farben tiefsten Schein,
Wie Ruh' ist Dir des Wildbachs Zorngehämmer,
Und auch den Schatten siehst Du hell und rein.
Und was die Nacht, die zögernd sich entdüstert,
Durch Schleier leis in Deine Seele raunt;
Was Dir die Glut der kühlen Frühe flüstert,
Die froh erschreckt den eignen Reiz bestaunt;
Was Dir im Lispelhauch die Blätter sagen,
Die welkend träumen: daß es feurig lenzt;
Was frierend Dir die kleinen Blumen klagen,
Wenn sie der Reif zum Tode weiß bekränzt;
Was Dir an Glanz die Berge groß entfalten,
Was hohe Lüfte spielend Dir vertraun,
Wird heimlich webend sich in Dir gestalten
Und Schönheit werden, die wir dankbar schaun!

Nun lacht der Tag. In Sonne blüht die Ferne,
Die kahlen Felder scheinen goldne Flur,
Die Seeen leuchten drin wie Blumensterne,
Und Leben predigt sterbend die Natur.

Der letzte Schatten will in Licht zerfließen,
Es schreit ein Falk, der sich im Äther wiegt –
Das ist die rechte Stunde, Dich zu grüßen
Mit hellem Klang, der Berge überfliegt,
Und den Geleitspruch meinem Buch zu singen,
Das ich Dir gebe – ein Geschenk der Zeit,
In der die Glocken deutscher Hoffnung klingen
Mit ernstem Ruf, mit schwellendem Geläut.

Ein Bild beschwor ich der vergangnen Zeiten,
Da Großes wuchs und nur ein Halbes blieb –
Doch alte Bäume, die sich schattend breiten,
Sind nie gefallen auf den ersten Hieb.
Vergangenheit! Steh werbend auf! Und künde!
Schrei' wie ein Falk, der klar die Sonne sieht!
Daß unser Volk den Mahnruf doch verstünde
Auf seinem Wege, der zur Höhe zieht!
Verlorne Zeit will blühend sich erneuen
Und schreitet hin durch alles deutsche Land –
Wird sie begrüßt mit Jubel und mit Freuen?
Ihr großer, deutscher Wille klar erkannt?
– Mich faßt ein Bangen – denn der Rätsel größtes
Für Menschen ist die stumme Zukunft nicht,
Der Rätsel dunkeltiefstes – ach, wer löst es! –
Das ist die Gegenwart, die zu uns spricht.

Den Tag, der glühend uns umschlingt, verstehen,
Erkennen, was er will, wohin er drängt,
Das heißt der Zukunft gute Keime säen ...
Und schöne Ernte wird uns reif geschenkt!

Ludwig Ganghofer.

Hubertus, im Oktober 1902.


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