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Zwölf Jugendlieder.


I.

Wie mir Blut und Athem stockte,
Süßer Schreck mein Herz befing,
Als die schöne Blondgelockte
Heut an mir vorüberging!

Kaum vermocht' ich sie zu grüßen;
Wie verzaubert blieb ich stehn,
Lang noch den beschwingten Füßen
Im Enteilen nachzusehn.

War's das Haar, das fein und golden
Leicht sich kraust' um Stirn und Schlaf?
War's ein Strahl aus diesen holden
Blauen Augen, der mich traf?

War's ihr Gang, der reizend schwebte?
Dieser Mund, der schweigend sprach?
Meine ganze Seele bebte,
Und noch immer bebt sie nach.

Also bebt wohl bis zum Grunde
Der Jasminbusch wonnevoll,
Wenn er spürt, es kam die Stunde,
Da er wieder blühen soll.


II.

Im Walde lockt der wilde Tauber,
Am stillen See der Weißdorn blüht,
Da kommt der alte Frühlingszauber
Gewaltig über mein Gemüth.

Mir ist, als sollt' ich Flügel dehnen
In's klarvertiefte Blau dahin;
Mein Auge schwillt von heißen Thränen,
Und doch in Freuden steht mein Sinn.

Geheimnißvolle Glut ergreift mich
Bei tiefer Nacht oft wunderbar,
Und wie mit süßer Ahnung streift mich
Im Traum ein flatternd Lockenhaar.

Und Morgens dann in rother Frühe
Erwacht mein Herz so reich und froh,
Als wüßt' es, daß sein Glück schon blühe,
Und müßte nur noch rathen, wo?


III.

O sprich, was willst du dich schämen,
Daß ich dich, Weinende, sah?
Es wohnen Lieben und Grämen
Im jungen Herzen so nah.

Nimm hier im blühenden Moose
Dein lieblich Gleichniß in Acht:
Am Tage lächelt die Rose
Und steht in Thränen bei Nacht.


IV.

Seit ich trat in deine Kreise,
Goldgelockte Zauberin,
Ward ich frohgemuth und weise,
Froh und weise, wie Merlin.

Wie der Falter im Entpuppen
Dringt mein Sinn befreit empor;
Mir vom Auge fiel's wie Schuppen
Und erschlossen ward mein Ohr.

Jetzt versteh' ich, was im Bache
Singt und klingt mit frohem Schall,
Und der Blumen stille Sprache,
Und den Schlag der Nachtigall;

Lerne, was der Frühwind flüstert,
Wenn's im Walde blüht und lenzt,
Was aus Kluft und Wolke düstert,
Was aus Sternen niederglänzt.

Ach, und frag' ich dann mit Liedern
In dies Stimmgewog im Kreis,
Kommt so lieblich ein Erwiedern,
Daß ich's kaum zu fassen weiß.

Weißt du, Kind, was all das Schallen
Laut und leise mir erzählt?
»Daß dein Herz getreu vor allen,
Ach, und daß es mich erwählt.«


V.

Wir saßen im offenen Gartensaal,
Versunken war die Sonne;
In wilden Zweifeln ging mein Herz,
Im Sturm von Weh und Wonne.

Da schlug im Busch die Nachtigall,
Und plötzlich unter Thränen
In sel'gen Schaudern fühlt' ich dich
An meinem Herzen lehnen.

Und stille ward's, es kam die Nacht
Geschlichen auf den Zehen,
Und deckt' uns zu, daß unser Glück
Die Lilien nicht sähen;

Sie wären geworden feuerroth
Vor Lust und vor Verlangen,
Roth, wie dein Mund, der mich geküßt,
Und wie deine brennenden Wangen.


VI.

Sei gesegnet das Haus und gesegnet die Flur,
Wo ein Herz einst das Wunder, zu lieben, erfuhr!
Denn die Lieb' ist der Stral, der aus Eden uns blieb,
Als der Engel des Schwertes den Ahnherrn vertrieb.

O selig Geheimniß, das Keiner erräth,
Wenn, was jüngst noch so fremd war, sich schauernd versteht,
Und erlöst von dem Selbst, das in Asche verstiebt,
Sich die Seele der Seele zu eigen ergiebt!

Da weht es wie Frühling vom Himmel in's Herz,
Und es blühn die Gedanken, wie Veilchen im März;
Du vollendest im Spiel, was dir nimmer gelang,
Und das Auge wird Glanz, und das Wort wird Gesang.

Wohl enteilt sie geflügelt, die köstliche Zeit,
Und mit Scheiden und Meiden kommt einsames Leid,
Doch die Thräne der Sehnsucht, entrollt sie auch heiß,
Ist süßer als Lust, die von Liebe nicht weiß.

Drum gesegnet das Haus und gesegnet die Flur,
Wo ein Herz einst das Wunder, zu lieben, erfuhr!
Denn die Lieb' ist der Stral, der aus Eden uns blieb,
Als der Engel des Schwertes den Ahnherrn vertrieb.


VII.

Ist es denn möglich?
Und so viel Jahre
Lebt' ich schon früher?
Sah Himmel und Erde,
Und lacht' und härmte mich
Um Schatten?

Und nun, urplötzlich,
In dreien Tagen,
Lieben und Scheiden!

O halte, mein Herz,
Halte die Fülle!
Nun erst brach ich
Vom Baume des Lebens,
Hab' ich gekostet
Vom Baum der Erkenntniß,
Und weiß, was Freud' und was Leid ist.


VIII.

So bist du's wieder,
Vertrauter Raum?
Die Jahre schwanden,
Mir ist's, wie Traum.

Die Jahre schwanden,
Seitdem voll Gram
Auf jenen Stufen
Ich Abschied nahm.

Noch zieht, wie damals
Im Thal der Fluß,
Es rauscht der Garten
Mir seinen Gruß;

Am Fenster grünt noch
Der Reben Kranz –
Nur wir, wie sind wir
Verwandelt ganz!

Die wir uns bauten
Mit kühnem Sinn,
Die goldnen Schlösser,
Wo sind sie hin!

Die goldnen Träume
Von Lieb' und Lust –
Und doch, was wogst du,
Beklemmte Brust?


IX.

Ich fuhr empor vom Bette,
Darauf ich schlafend lag;
Ein Schlag geschah an meine Thür,
Ein Schlag und noch ein Schlag.

Ein wunderbarer Schauder
Geht rieselnd durch mein Blut;
In's Fenster fällt ein fremdes Licht,
Der Himmel steht in Glut.

Ich weiß nicht, was da glühet,
Ist's Früh-, ist's Abendroth?
Ich weiß nicht, hat die Liebe gepocht,
Oder war es der Tod?


X.

Komm herein, o Nacht, und kühle
Diese Gluten; diesen Schmerz!
Aus dem Wirrsal der Gefühle,
Wie errett' ich nur mein Herz!

Wo wir einst so glücklich waren,
Hab' ich wieder sie gesehn,
Und auf's neue, wie vor Jahren,
Ist's um meine Ruh' geschehn.

Lockernd aus der Asche steigen
Flammen, die jetzt Frevel sind;
Denn sie ist nicht mehr ihr eigen,
Ach, und ist so hold und – blind.

Weil an ihrer Reinheit Blüte
Nie ein trüber Hauch gerührt,
Ahnt sie nicht in ihrer Güte,
Welchen Brand sie lächelnd schürt.

Harmlos zeigt sie, kindlich offen,
Sich beglückt, wenn ich erschien –
Aber ich, in's Herz getroffen,
Ach, was kann ich thun, als fliehn!


XI.

Wecke, wecke die Sehnsucht nicht!
Laß mich meiden dein Angesicht,
Meine Seele zu wahren!
Nicht ertrüg' ich der Stimme Laut,
Die dein Heimlichstes mir vertraut,
Ach, vor Jahren, vor Jahren.

Was dein bebender Mund gestand,
Als ich glühend am Waldesrand
Dir zu Füßen gesessen,
Was beim Scheiden im Burggemach
Mir dein strömendes Auge sprach,
Nimmer kann ich's vergessen.

Ach, drum rufe mich nicht zurück!
Unser goldenes Jugendglück
Ging auf immer in Scherben.
Laß mich fliehn in die Fremde weit!
Denn die Geister der alten Zeit
Müßten uns beide verderben.


XII.

Nun sich blau und blauer immer
Ueber mir der Himmel tieft,
Goldner stets des Herbstes Schimmer
Durch die rothen Wipfel trieft,

Nun empfind' ich's, wie ein Schleier
Schwer mir von der Seele fällt,
Und mein Auge wandelt freier
Durch den lichten Reiz der Welt.

Ja, getaucht in Sonnenstille,
Ueberströmt von Sonnenkraft,
Badet sich der kranke Wille
Rein vom Schmerz der Leidenschaft.

Und so leb' ich wunschlos wieder
Leichtgewob'ne Tage hin,
Und ein Nachwuchs heitrer Lieder
Bürgt, daß ich genesen bin.

Nur durch meine Nächte schwimmen
Manchmal, eh' mich Schlaf befiel,
Noch der alten Sehnsucht Stimmen,
Wie verhallend Harfenspiel.



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