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Ein Fischer ging mit seinem Sohn ans Meer und fing einen ausgezeichneten Fisch; der hatte zwar silberne Schuppen, aber goldene Flossen und an Stelle der Augen zwei kostbare Rubinen.
Darüber war der Fischer außer sich vor Freude und rief: »Wart; den soll mir der König abkaufen; und er wird so viel bezahlen, daß wir hinfort reiche Leute sind. Ich werde gehen und ein Gefäß holen.«
Der Fisch blieb also im Netze, der Sohn setzte sich daneben, und der Vater lief in die Stadt, um eine Wanne zu holen, in der er den Fang zum Hofe des Königs tragen wollte.
Überdem betrachtete der Jüngling neben dem Netze den schönen Fisch, und sein Herz ward von einem heftigen Mitleid erfaßt.
»Du tust mir leid,« sagte er, »es ist besser für dich, du plätscherst zurück in die blaue Flut, als daß du in die Wanne, die Pfanne und dann in den Magen des Königs wanderst.«
Damit ergriff er den Fisch und warf ihn in die Wogen.
Kaum war er seinen Fingern entschlüpft, so kam den Jüngling eine Furcht an, – was würde der Vater zu seinem törichten Streich sagen? Und weil er dachte, er würde ihn schlagen, so lief er spornstreichs von dannen und kam in eine Stadt, dort verdingte er sich als Knecht zu einem Bäcker.
Da trug eines Tages ein Bursche einen Hahn durch die Straßen und bot ihn zum Verkauf.
Nicht lange, so kam ein Händler, befühlte den Hahn und bot dafür zwei Silberlinge.
»Ha, zwanzig!« lachte der Bursche.
Und der Händler griff in die Tasche, zahlte zwanzig Silberlinge und schickte den Hahn durch seine Sklaven nach Hause.
Der Sohn des Fischers hatte diesem Handel zugeschaut und dachte: »Es muß mit jenem Hahne doch eine besondere Bewandtnis haben, sonst hätte der kluge Kaufmann nicht so viel Geld dafür gezahlt. Wie, wenn ich der Frau zwei andere Hähne dafür gäbe?«
Er kaufte also zwei Hähne für vier Silberlinge, lief zu der Gattin des Kaufmanns und sagte: »Gebt mir den Hahn, ich will nicht, daß er geschlachtet wird; denn es ist mein Lieblingstier, und außerdem ist er alt und sein Fleisch ist harzig. Ich gebe Euch diese zwei Hähne dafür.«
Die Frau war mit diesem Tausche gern einverstanden.
Der Bursche eilte nach Hause, schlachtete den Hahn und fand in seinem Magen einen Ring, der wechselte die Farbe des Steins, so oft man ihn ansah.
Als der Händler aber von dem Tausch erfuhr, schalt er sein Weib und knirschte mit den Zähnen: »Diesmal ist mir der Zauberring entgangen. Ich will ihn mit List aber schon noch erlangen.«
Der Sohn des Fischers, der an der Farbe des Steines auf besondere Eigenschaften des Ringes schloß, wartete auf die Nacht; und als er allein in seiner Dachkammer war, rieb er den Reif, und alsbald erschien ein Geist, der fragte: »Was ist dein Begehr?«
»Ich wollte dich heute nur sehen,« sagte der Knecht.
Am nächsten Morgen aber verabschiedete er sich von dem Bäcker und schlug den Weg in seine Heimat ein; denn sein Vater würde nicht mehr zürnen, wenn er ihm als Ersatz für den Fisch mit den Rubinaugen den Zauberring brächte.
Unterwegs rastete er und sah nicht weit ein Schloß, davor war eine Mauer, und vor der Mauer waren vierzig Köpfe an Speeren aufgesteckt.
»Was ist das für ein gräßlicher Anblick? Und woher kommen diese Köpfe?« fragte er den Wirt.
»Das ist eine sehr traurige Geschichte,« sagte der Wirt. »Unser König hat eine Tochter von außerordentlicher Schönheit, so daß sie sich vor Bewerbern um ihre Hand nicht retten kann. Nun liegt vor den Fenstern des Palastes aber ein sehr großer Aschenhaufen, der durch Menschenhand nicht zu beseitigen ist. Der König aber hat dem seine Tochter versprochen, der ihm den Hügel in vierzig Tagen fortschafft. Gelingt es nicht, so ist das Haupt des Armen dem Henker verfallen.«
Der Sohn des Fischers, der das hörte, ließ sich von seinem Ersparten einen schönen Anzug machen und ging zum Könige.
»Was willst du?«
»Die Prinzessin, Eure Tochter, zum Weibe.«
»Dann mußt du den Aschenhaufen in vierzig Tagen beseitigen.«
»Das will ich, und will in der gleichen Zeit ein Lustschloß an seine Stelle bauen.«
»Wenn du das könntest, wärest du wert, ein König zu sein. Hast du aber gelogen, bist du des Henkers.«
»Gerne!« sagte der Jüngling, wartete auf die Nacht, stellte den Geist seines Ringes an die Arbeit, und am nächsten Morgen erhoben sich statt des Aschenhügels die leuchtenden Türme eines herrlichen Schlosses in die Luft, und die Schwalben schwirrten darum wie fliegende Smaragden.
Beim Anblick dieses prächtigen Schlosses erstaunte der König über die Maßen und sagte: »Bravo! Dieser junge Mann wird mein Schwiegersohn. Bravo! Bravo!«
Augenblicklich bestellte er den Richter, und die schöne Königstochter und der Sohn des Fischers wurden Mann und Weib.
Der Händler aber, der um seinen teuer erkauften Hahn gekommen war, lief wie ein Irrer im Land umher; da kam er auch vor den Palast des Königs und sah zu seinem Erstaunen statt des Aschenhaufens ein Lustschloß. Sofort merkte er: der Bursche war hier gewesen, und er sagte: »Das ist nicht Menschenwerk, das ist das Werk der Geister des Ringes. Aber warte, ich will ihn überlisten, der mich einst hinter das Licht geführt hat.«
Damit eilte er nach Haus, nahm einen Kasten voll feiner Perlen und Diamanten und kehrte zurück vor das Lustschloß.
Als er erfuhr, der Gatte der Königstochter sei nicht daheim, begab er sich hinein und rief durch die Gänge: »Perlen, Perlen! Smaragde! Feine Juwelen!«
Die Prinzessin, die das hörte, schickte ihre Magd und ließ den Händler rufen. Der aber wollte von seinen Schätzen nicht um die Welt etwas verkaufen, sondern nur gegen alte Ringe vertauschen.
Hätte die Prinzessin die Geschichte von der Wunderlampe gelesen, so wäre sie mißtrauisch geworden.
Aber so fiel ihr darüber gar nichts ein; sie dachte an den alten Ring, den sie bei ihrem Gatten in einem Federkasten gesehen hatte, ließ ihn holen und vertauschte ihn gegen eine Menge des köstlichsten Schmuckes.
Eiligst machte der Händler sich aus dem Staube und begab sich zu Schiff nach den sieben Eilanden, die in der Mitte eines großen Ozeans liegen.
Dort stellte er den Ring sofort auf die Probe, und als der Geist erschien, gebot er ihm: »Schaffe sofort den Aschenhaufen an seine frühere Stelle und bringe das Lustschloß der Prinzessin hierher.«
Ehe noch die Nacht verstrich, war die Königstochter samt ihrem Schloß auf die Insel versetzt und der tückische Händler war von ihrer jungen Schönheit ganz bezaubert. Weil sie aber sehr unglücklich war, suchte er sie auf alle mögliche Weise zu trösten – vergeblich.
Als der Sohn des Fischers nach Hause kam und die Veränderung bemerkte, sagte er zu sich: »Es ist am besten, ich mache mich auf und davon; denn wenn der König diese fatale Geschichte erfährt, hält er mich für einen Betrüger und läßt mir den Kopf abschlagen. So was nenne ich Pech; daran ist aber kein anderer schuld als jener Händler, dem ich damals den Hahn abgelistet habe.«
Unverzüglich machte er sich aus dem Staube und kam eines Tages in ein Wirtshaus.
Als er dort beim Kaffee saß, trat ein Mann herein, der bot einen Hund, eine Katze und eine Maus zum Verkauf. Und weil die drei Tiere sehr billig waren, erstand sie der Sohn des Fischers und gab ihnen reichlich Futter.
Eines Abends legte er sich recht verdrießlich zu Bett und sagte: »Wüßte ich doch nur, wo mein Ring, mein Schloß und meine Gattin hingekommen wären!«
Das hörten die treuen Tiere und sagten: »Wir wollen uns aufmachen und suchen, was er vermißt; denn er ist ein guter Herr, und eine Wohltat ist der anderen wert.«
Da stiegen die Katze und die Maus auf den Rücken des Hundes, der trabte zum Meer hinunter und schwamm mit seinen beiden Reitern hinaus in die schimmernde Flut.
So ging es einen Tag und eine Nacht lang unverdrossen weiter, bis sie einen Strand erreichten; und nicht weit davon stand das gesuchte Lustschloß.
Nun sprach der Hund: »Ach will hier warten, während ihr beide euch in den Palast begebt. Dort soll die Katze sich einen Platz auf dem Zimmer über dem Gitterfenster suchen, während die Maus in die Zimmer schlüpft und den Ring aufspürt.«
Beide gingen auch sofort ans Werk.
Die Maus rannte durch alle Säle und kroch in allen Ecken umher, aber den Ring fand sie nicht.
Endlich kam sie in das Zimmer, in dem der Händler schlief; er schnarchte und lag mit offenem Munde, denn er hatte am Abend zuvor sehr viel Wein getrunken.
Auf einmal, wie die Maus ihn so betrachtete, sah sie, daß er den Zauberring unter seiner Zunge verborgen trug.
Zuerst war sie ratlos, wie sie ihn aus so sicherem Verstecke holen sollte, dann aber lief sie zu einem Gefäß voll Öl und tauchte ihren Schwanz hinein. Den Schwanz schleifte sie über die Nasenlöcher des Schläfers; davon mußte der so heftig niesen, daß der Ring aus seinem Munde sprang.
In heller Freude hob sie ihn auf und lief damit zur Katze; die beiden eilten zum Hunde, setzten sich wieder auf seinen Rücken, und die Reise durchs Meer begann.
Als sie sich auf hoher See befanden, sagte die Katze zur Maus: »Gib mir den Ring, damit ich ihn eine Weile trage.«
Nun bekam die Katze den Ring; nach ein paar Stunden sagte der Hund: »Wenn ich den Wunderring nicht auch eine Zeitlang tragen darf, so lasse ich euch beide elendiglich ertrinken.«
In ihrer Angst gaben sie ihm das Kleinod; aber kaum hatte er den Ring ins Maul genommen, so entfiel er ihm und versank in die unermeßliche Tiefe.
Darauf ergriff die Tiere eine heftige Reue, und sie klagten: »Nun ist alle Mühe umsonst gewesen, und unserem guten Herrn haben wir obendrein noch einen unersetzlichen Schaden zugefügt. Was sollen wir beginnen?«
Nach einer Zeit schwammen sie ans Land und wollten in ihrem Schmerze gar nicht nach Hause gehen.
Da schwamm auf einmal ein großer, silberner Fisch hinzu, der hatte goldene Flossen und Augen von roten Rubinen und sprach: »Nehmt diesen Siegelring und gebt ihn eurem Herrn, – er käme von dem Fische, dem er einst die Freiheit geschenkt.«
Der Hund erfaßte den Ring mit dem Maule, und die treuen Tiere liefen in höchster Freude zu dem Gasthause, wo sie ihren Herrn noch schlafend fanden.
Der geriet fast außer sich vor Freude, setzte seine drei kleinen Freunde zu einem ausgezeichneten Mahle und wartete voll Sehnsucht auf die Nacht.
Dann eilten sie gemeinsam zu dem Aschenhügel in die Königsstadt, und als der Jüngling den Ring rieb, erschien der Geist mit großer Pünktlichkeit und rief: »Was ist dein Begehr?«
»Ich verlange, daß du diesen Aschenberg fortschaffst und den Garten samt dem Schlosse wieder herbringst.«
Ehe noch eine Stunde vergangen war, befand sich alles an seinem Platz – nur der Händler, der nicht in den Palast gehörte, war nicht mitgekommen ... Ich habe auch nie erfahren können, wo ihn der Geist gelassen hatte.