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Im Morgenlande lebte auf einem öffentlichen Platz ein Koch, der daselbst seine Garküche in einem Zelte hatte. Dieser Koch aber war ein arger Betrüger, dabei aber so schlau, daß er sich nie ertappen ließ, wenn er Pferdefleisch in seinen Topf tat und für gute Ware verkaufte. Hundertmal waren schon Klagen gegen ihn beim König eingelaufen, aber hundertmal hatte der Koch freigesprechen werden müssen. Da beschloß der Sultan selbst, der Sache auf den Grund zu kommen.
Er kleidete sich in das Gewand eines Bettlers, steckte keinen Heller zu sich und ging um Mitternacht ungesehen aus der Stadt.
Als der Tag kam, wanderte er mit zerrissenen Schuhen und bestaubten Kleidern durch die Straßen und begab sich zu dem Koch, der gerade sein Zelt öffnete und seine Kessel über das Feuer setzte.
Das Fett war klar, und die Gewürze dufteten, der Boden des Zeltes war gekehrt und gesprengt, und alles wurde genau nach dem Gesetze behandelt.
Der Bettler setzte sich und sagte: »Wäge mir für einen halben Silberling Fleisch ab, dazu Hirse und Brot, und gib auch Käse und Früchte.«
»Ho,« sagte der Koch, »du bist ein Landfahrer und ißt wie ein Juwelenhändler.«
Aber er wog ab, was der Fremde verlangt hatte, und setzte ihm das Mahl vor.
Der Bettler schlang es hinunter, worauf er ratlos dasaß und nicht wußte, wie er dem Koch seine Mahlzeit bezahlen sollte. Hierbei ließ er seine Augen über alle Dinge schweifen, die in der Garküche waren, als er mit einem Male ein Gefäß umgestülpt daliegen sah.
Da hob er es auf und fand einen frisch abgeschnittenen Pferdeschwanz darunter, von dem noch das Blut träufelte. Er erkannte hieraus, daß der Koch sein Fleisch mit Pferdefleisch fälschte, und freute sich über diese Wahrnehmung. Alsbald wusch er sich die Hände, betete, wie es in jenem Lande der Brauch ist, und schritt mit dem üblichen Gruße hinaus.
Als der Koch dies sah, schlug er großen Lärm: »Du Betrüger,« schrie er, »du Einbrecher, die Pest dir an den Hals!«
Aber der Landfahrer blieb stehen, schaute ihn voll Ruhe an und sagte: »Was schreist du mir nach und brauchst freche Worte, die du wohl besser auf dich selbst anwenden solltest?«
»Ach!« rief der Koch. »Herbei, ihr Leute! Hier ist ein Fleisch-, Hirse-, Brot- und Zukostdieb – mein erster Kunde am Tag, und er will mir für die gereichten Speisen nichts bezahlen.«
Aber der verkleidete König hatte sich inzwischen schon auf eine neue List besonnen – der Koch sollte ihm selbst bestätigen, daß er ein Betrüger sei; darum beschloß er, dem gefährlichen Spiele noch weiter zuzusehen.
»Wenn dem so ist, so bezahle dem Manne deine Schuld!« riefen die herbeigeeilten Nachbarn.
Aber der Strolch versetzte: »Ich gab ihm einen halben Silberling, als ich in seine Küche trat.«
Darüber wuchs die Empörung des Garkochs, er faßte den Bettler und schlug ihn. Und es kamen immer mehr Nachbarn gelaufen.
»Was ist geschehen? Warum prügeln sich die beiden und wollen sich die Bärte ausreißen? Was ist der Grund?«
»Ja, wahrhaftig!« rief der Bettler, »die Sache hat einen Grund, aber der Grund hat einen – Schwanz!«
Wie der Koch das hörte, klappte die Falle zu, die ihm der Sultan gestellt hatte, und er rief: »Ja, wahrhaftig! Nun erinnere ich mich, ich habe diesem Biedermann großes Unrecht getan – er hat mir einen halben Silberling bezahlt, als er in das Zelt trat.«
Er hatte nämlich verstanden, was mit dem Schwanze gemeint war – es half ihm aber nichts: noch am selben Tage mußte er vor dem Sultan erscheinen, und am Abend schlief er schon im Gefängnis. Seine Garküche aber war er los für Lebenszeit.