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II

EINHEIT UND WOHLFAHRT DES RÖMISCHEN REICHES UNTER DEN ANTONINEN · KUNST UND WISSENSCHAFTEN

 

GRUNDSÄTZE DER REGIERUNG

Nicht allein die Schnelligkeit oder das Ausmaß der Eroberungen sollten für uns den Maßstab liefern, wenn wir die Macht Roms ermessen wollen. Der Herrscher der Weiten Russlands etwa regiert über einen erheblich größeren Teil des Erdballs. Bereits im siebenten Sommer nach der Überquerung des Hellesponts errichtete Alexander die makedonischen Feldzeichen am Ufer des Hyphasis. Etwa auf halbem Wege zwischen Lahor und Delhi. Die Eroberungen Alexanders in Hindustan endeten am Punjab, welches Land durch die Wassermassen des Indus bewässert wird. In weniger als einem Jahrhundert hatten der unwiderstehliche Dschingis Khan und die Mongolenfürsten seines Stammes die Erde vom Chinesischen Meer bis an die Grenzen Ägyptens und Deutschlands de Guignes, Histoire de Huns, 15, 16 und 17. mit ihren grausamen Verwüstungen und ihrem kurzlebigen Reich heimgesucht. Der feste Bau des Römischen Reiches hingegen war durch die Weisheit von Jahrhunderten errichtet und bewahrt worden. Die gehorsamen Provinzen Trajans und der Antonine waren durch Gesetze geeint und durch Kultur erhoben. Bisweilen haben sie wohl unter dem Missbrauch von verliehener Macht gelitten; aber grundsätzlich war die Regierungsform weise, klar und wohltätig. Sie übten die Religion ihrer Väter, während sie an bürgerlichen Ehrenstellungen und in ihrem Fortkommen den Siegern nach Billigkeit gleichgestellt waren.

 

ALLGEMEINER GEIST DER TOLERANZ...

Zum Glück hatte die Religionspolitik der Kaiser und des Senates in der Denkungsart des aufgeklärten Teils des Publikums ebenso eine Stütze wie in dem Gebaren des abergläubischen. Die unterschiedlichen Formen der Anbetung, die man in der römischen Welt ausübte, sah das Volk als gleich wahr an; der Philosoph als gleich falsch; und die Regierung als gleich nützlich. Und so erzeugte Toleranz nicht nur religiöse Duldung, sondern sogar religiöse Eintracht.

 

...DER BEVÖLKERUNG...

Der Aberglaube des Volkes war durch keinerlei Theologengezänk getrübt, noch ging er in den Ketten irgendeines spekulativen Systems. Der aufrichtige Polytheist, wenn er auch den Riten seines eigenen Landes besonders zugetan war, tolerierte demnach mit Entschiedenheit die anderen Religionen der Erde. Es gibt keinen anderen Autoren, der den wahren Geist des Polytheismus so lebendig beschreibt wie Herodot. Die besten Kommentare hierzu kann man bei Mr. Hume, Natural History of Religion, finden; und den schärfsten Gegensatz dazu in Bossuers Weltgeschichte. Einige Spuren von Intoleranz findet man bei den Ägyptern (Juvenal, Satiren 15). Und die Christen und Juden unter den römischen Kaisern bildeten eine derart gewichtige Ausnahme, dass ihre Erörterung ein eigenes Kapitel in diesem Werk erforderlich macht. Furcht, Dankbarkeit oder Neugierde, ein Traum oder ein Vorzeichen, eine Erkrankung oder eine weite Reise: all dies machte ihn beständig geneigt, seine Glaubensartikel und die Liste seiner Beschützer zu erweitern. Das dünne Gewebe heidnischer Gotteskunde war zwar mit unterschiedlichen, aber keinen sich ausschließenden Materialien durchflochten. Sobald es erst einmal anerkannt war, dass Weise oder Helden, deren Leben oder Sterben dem Wohl ihres Landes gegolten hatte, Allmacht und Unsterblichkeit erlangt hätten, wurde auch allgemein gebilligt, dass sie, wo nicht die Anbetung, so doch wenigstens die Verehrung der gesamten Menschheit für sich reklamieren durften. Die Gottheiten von tausend Hainen und tausend Flüssen hatten alle ihren lokalen und besonderen Einfluss. Es konnte doch nicht der Römer, der den Zorn des Tibers durch Flehen abwendete, sich über den Ägypter mokieren, welcher dem guten Genius des Nil sein Opfer brachte! Die sichtbaren Naturkräfte, die Planeten, die Elemente: es waren überall dieselben. Die unsichtbaren Herrscher der moralischen Welt wurden unvermeidlich in die gleiche Gussform aus Allegorie und Dichtung gegossen. Jede Tugend, sogar jedes Laster erforderte einen göttlichen Sachwalter; jede Kunst, jedes Gewerbe seine Beschützer, deren Attribute in frühesten Zeiten und entlegensten Ländern sich aus den Vorstellungen ihrer jeweiligen Jünger entwickelt hatten. Eine Republik von Göttern mit so unterschiedlichen Stimmungen und Neigungen verlangte nach der lenkenden Hand eines obersten Vorsitzenden, welcher mit fortschreitender Gotteserkenntnis allmählich mit den hohen Befugnissen eines Ewigen Vaters oder Allmächtigen Königs Die Vorrechte, Machtstellung und Ansprüche des obersten Olympiers werden im XV. Gesang der Ilias sehr deutlich dargestellt, im griechischen Original, um genau zu sein; denn Herr Pope [Verfasser einer englischen Homer-Übersetzung, A.d.Ü.] hat, ohne es selbst zu merken, mit seiner Übersetzung Homers Theologie veredelt. ausgestattet wurde. So milde war der Geist der Antike, dass die Nationen weniger die Unterschiede als die Ähnlichkeiten ihrer Kulte würdigten. Wenn sich Griechen, Römer und Barbaren vor ihren jeweiligen Altären trafen, so überzeugten sie sich leicht davon, dass sie identische Götter anbeteten, wenn auch unter anderen Namen und mit anderem Ritus. Homers anmutige Mythologie gab dem Polytheismus der alten Welt Caes., de Bell. Gall. 6,17. Innerhalb von ein bis zwei Jahrhunderten benannten die Gallier ihre Götter zu Merkur, Mars, Apollo etc. um. eine schöne, fast harmonische Form.

 

...DER PHILOSOPHEN...

Die griechischen Philosophen leiteten ihre Moralbegriffe aus der Natur des Menschen und nicht aus der von Göttern ab. Sie meditierten jedoch über die Natur der Götter, einen für sie hochbedeutsamen Gegenstand der spekulativen Philosophie, und mit Hilfe dieser grundlegenden Untersuchungen legten sie die Stärken und Schwächen menschlicher Erkenntnis Ciceros bewundernswerte Schrift De natura deorum ist unser bester Fremdenführer durch diesen finsteren und tiefen Abgrund. Mit Genauigkeit erklärt er uns die Meinungen der Philosophen und mit Scharfsinn widerlegt er sie. bloß. Von den vier berühmtesten Schulen bemühten sich die Stoiker und Platoniker um eine Versöhnung der widerstreitenden Interessen von Vernunft und Frömmigkeit. Sie haben uns die schlagendste Beweisführung für die Existenz und Wirksamkeit einer ersten Ursache hinterlassen; da es ihnen aber unmöglich war, sich die Erschaffung der Materie zu denken, war bei den Stoikern der Werkmeister nicht hinreichend vom Werk unterschieden; während andererseits der Gott Platos und seiner Schüler mehr einer Idee als einem Wesen ähnelte. Die Auffassungen der Akademiker und Epikureer waren weniger religiös angelegt; aber während die Unzulänglichkeit menschlichen Wissens die ersteren zu Zweifeln verleitete, hat eben diese positive Unwissenheit die letzteren vermocht, die Vorsehung eines Obersten Herrschers abzustreiten.

Forschergeist, durch Futterneid angestachelt und durch Freiheit gefördert, hatte die Philosophie in eine Vielzahl sich bekämpfender Sekten aufgesplittert. Aber die begabte Jugend, die von überallher nach Athen und zu den anderen Werkstätten des Lernens im Römischen Reich strebte, wurde doch wenigstens in diesem Punkte in jeder Schule in gleicher Weise angeleitet: die Religion der Massen abzulehnen und zu verachten. Wie wäre denn auch ein Philosoph imstande gewesen, die müßigen Fabeln der Dichter und die ungereimten Mythen des Altertums als göttliche Offenbarungen hinzunehmen; oder jene mangelhaften Wesenheiten als Götter zu verehren, die er, wären sie Menschen, nur hätte verachten können! Cicero war sich nicht zu schade, gegen solche unwürdigen Gegner die Degen der Vernunft und Beredsamkeit zu führen; indessen, die Satiren eines Lucian waren bedeutend angemessenere und schärfere Waffen. Wir dürfen getrost voraussetzen, dass ein so weltkundiger Schriftsteller es niemals gewagt haben würde, die Landesgötter dem öffentlichen Gespött preiszugeben, wenn sie nicht schon lange der Gegenstand heimlicher Verachtung der gebildeten und aufgeklärten Gesellschaftskreise gewesen wären. Ich schütze nicht die Behauptung vor, dass in unseren religionsfernen Zeiten natürliche Schrecknisse wie Aberglauben, Träume, Vorzeichen und Gesichte keine Wirkung mehr besäßen.

Trotz der vorherrschenden modischen Irreligiosität im Zeitalter der Antonine wurde den Interessen der Priester und der Leichtgläubigkeit des Volkes Genüge getan. In ihren Schriften und Gesprächen standen die Philosophen für die unabhängige Würde der Vernunft; aber ihr Handeln unterwarfen sie den Vorgaben von Gesetz und Herkommen. Wenn sie auch mit dem Lächeln des Mitleids und der Nachsicht auf die Irrtümer der Masse sahen, so übten sie doch sorgsam den Väterbrauch, besuchten häufig und mit Andacht die Göttertempel und verbargen, indem sie sich zuweilen zu einem Gastspiel im Theater des Aberglaubens herbeiließen, den Standpunkt des Atheisten im Gewande des Priesters. Denker dieser Art waren kaum willens, über Fragen des Glaubens und des Kultus zu ringen. Ihnen galt es gleich, welche Torheit die Menge wohl vorziehen möge, und mit immer gleichbleibender innerer Verachtung und äußerer Verehrung nahten sie den Altären des Lybischen, Olympischen oder Capitolinischen Jupiters. Sokrates, Epikur, Cicero und Plutarch lehrten eine angemessene Ehrfurcht vor der Religion ihres Landes wie des Menschengeschlechtes. Epikur war hierin unverdrossen und beispielgebend.(Diogenes Laertius, 10, 10).

 

...DER MAGISTRATE

Es ist schwer vorstellbar, weshalb der Geist der Intoleranz sich in die römischen Ratsversammlungen hätte einnisten sollen. Die Magistrate konnten durch gut gemeinte, wenn auch blinde Frömmelei nicht zum Handeln gebracht werden, denn sie waren selbst Philosophen, und ihr Gesetzgeber war die Schule von Athen. Ehrgeiz und Habsucht vermochten ebenfalls nichts über sie, da weltliche wie geistliche Macht in denselben Händen lagen. Die Pontifices wurden aus dem Kreis der erlauchtesten Senatoren gewählt, und das Amt des Pontifex Maximus versahen die Kaiser selbst. Den Nutzen der Religion, sofern sie mit der weltlichen Regierung zusammengeht, kannten sie, und sie schätzten ihn. Sie ermutigten zu öffentlichen Festen, wenn diese denn die Gesittung des Volkes hoben. Die Kunst der Weissagung war für sie ein Instrument der praktischen Politik; auch verneigten sie sich vor der nützlichen Auffassung, – bildete sie doch das festeste Band der Gesellschaft – dass das Verbrechen des Meineides entweder in diesem oder im künftigen Leben durch rächende Gottheiten ganz gewiss bestraft werden würde. Juvenal, Sat.18 beklagt allerdings, dass in seiner Zeit diese Ansicht viel an Wirkung verloren habe. Polybius, 6,53f. Während sie nun die allgemeinen Vorteile der Religion anerkannten, hielten sie sich gleichzeitig überzeugt, dass auch die anderen Kulte in gleicher Weise einem heilsamen Zwecke dienten, und dass der Aberglauben, der in einem Lande aus Gewohnheit und infolge guter Erfahrung geheiligt sei, auch für die jeweiligen Einwohner der beste sein müsse.

 

IN DEN PROVINZEN...

Habsucht und Freude an schönen Dingen hatten die unterworfenen Nationen sehr oft ihrer attraktiven Götterstatuen und ihres üppigen Tempelschmucks beraubt, Man erinnere sich an das Schicksal von Syracus, Tarent, Arnbracia, Korinth u.v.a., die Raubzüge des Verres (actio II, Oratio 4) und die üblichen Aufführungen der Statthalter (Juvenal, Sat. 7). aber in der Ausübung der Religion ihrer Väter konnten sie zuverlässig auf die Nachsicht, wo nicht den Schutz der römischen Eroberer rechnen. Einzig Gallien scheint, aber es scheint eben nur, eine Ausnahme von dieser allgemeinen Duldsamkeit zu sein. Unter dem gutgewählten Vorwand, die Menschenopfer abzuschaffen, hatten die Kaiser Tiberius und Claudius die gefährliche Macht der Druiden gedämpft. Sueton, Leben des Claudius; Plinius, Nat His 30,1. Die Priester allerdings, ihre Gottheiten und ihre Altäre lebten fort in friedlicher Verborgenheit, bis zum endgültigen Untergang des Heidentums. Pelloutier, Histoire des Celtes, Band 6, p 230-252.

 

...UND IN ROM

In Rom, der Hauptstadt dieser großen Monarchie, drängten sich beständig Untertanen und Fremde aus allen Teilen der Welt, Seneca, Cons. ad Helviam,6. und sie alle importierten den jeweiligen Lieblingsaberglauben ihrer Heimat und übten ihn aus. Dionysius Halicarnassos, Antiquitat. Roman 2. Alle Städte des Reiches hatte das Recht, auf die Reinheit ihres jeweiligen überlieferten Kultus zu halten, und der Senat legte sich nur gelegentlich ins Mittel, der Überschwemmung durch fremdartige Riten zu steuern. Der ägyptische Aberglauben, von allen der verächtlichste und abstoßendste, wurde vom Senat oftmals untersagt; die Tempel von Isis und Serapis wurden eingerissen, ihre Bekenner aus Rom und Italien ausgewiesen. Im Jahre 701 a.u.c. wurde der Isis- und Serapistempel auf Veranlassung des Senats und sogar unter Mitwirkung der Konsuln selbst zerstört (Cassius Dio, 40, 47; Valerius Maximus 1,3). Nach Caesars Tod wurde er auf öffentliche Kosten wieder errichtet (Cassius Dio, 47, 15). Als Augustus in Ägypten war, betete er Serapis' Majestät an (Cassius Dio,51,16), aber im Weichbild Roms und noch in einer Entfernung von einer Meile davon blieb die Verehrung der ägyptischen Gottheiten verboten (Cassius Dio, 53,2 und 54,6). Sie lebten indessen unter seiner und seines Nachfolgers Herrschaft recht behaglich (Ovid, Ars Armand. 1,77), bis der Rechtssinn des Tiberius sich zu strengerem Vorgehen veranlasst sah. (Tac, Ann 2,85; Josephus, Antiq.18, 3). Indessen, eifernder Fanatismus obsiegte leicht über diese lauen und lässigen Maßnahmen der Politik. Die Verbannten kehrten zurück, die Anhänger mehrten sich, die Tempel wurden mit erhöhtem Glanze wiederhergestellt, und endlich erhielten Isis und Serapis ihr Heimatrecht unter den römischen Gottheiten. Tertullian, Apolog. 6,8. Ich neige zu der Auffassung, dass ihre Etablierung der Frömmigkeit der Flavier-Familie zuzuschreiben ist. Es bedeutete diese Nachsicht keineswegs ein Abweichen von den bisher geübten Regierungsmaximen. So wurden in den reineren Tagen der Republik Cybele und Äskulap durch festliche Gesandtschaften nach Rom geladen; Siehe hierzu Livius 10,47 und 29,11. und es war gern geübter Brauch, die Schutzgottheiten belagerter Städte zu versuchen, indem man ihnen höhere Ehren versprach als die, die ihnen in ihrer Heimat zuteil wurden. Macrobius, Saturnalia 3, c 9. Er stellt uns eine Art von Anrufungsformel vor. So wurde Rom allmählich der gemeinsame Tempel für seine Untertanen, und sein Bürgerrecht ward allen Göttern der Menschheit verliehen. Minucius Felix in Octavio, p 54; Arnobius 6,115.

 

DAS RÖMISCHE BÜRGERRECHT

Die kurzsichtige Politik von Athen und Sparta, ohne Vermischung mit Fremden das Blut ihrer Bürger rein halten zu wollen, hatte das Glück dieser alten Städte gehemmt und ihren Untergang beschleunigt. Roms emporstrebender Genius dagegen opferte diese Überheblichkeit seinem Ehrgeiz und hielt es für klug, und ehrenhaft insgleichen, sich Tugend und Leistung dienstbar zu machen, wo immer sie zu finden waren, und sei es auch unter Sklaven oder Fremden, Feinden oder Barbaren. Tacitus, Annalen, 11,24. Der ›Orbis Romanus‹ des gelehrten Spanheim ist eine umfassende Geschichte der Aufnahme von Latium, Italien und der Provinzen in das Römische Bürgerrecht. In Athens Blütezeit schrumpfte die Zahl der Bürger allmählich von etwa dreißig- Herodot, 5, 97. Es scheint jedoch, dass er hierin einer allgemein verbreiteten, aber zu optimistischen Schätzung folgte. auf einundzwanzigtausend. Athenäus Deinosophistai, 6, p. 272 und Meursius, de Fortuna Attica, c.4. Wenn wir dahingegen das Wachsen der Römischen Republik studieren, so finden wir, dass die Zahl der Bürger, die beim ersten Zensus unter Servius Tullius nicht mehr als dreiundachtzigtausend betragen hatte, Appian, de bello civil, 1,1 und Velleius Paterculus, 2,15ff. bis zum Ausbruch des Bundesgenossenkrieges sich auf vierhunderttausenddreiundsechzig waffenfähiger Männer vervielfacht hatte, Vgl. hierzu die sehr genaue Sammlung der Bevölkerungszahlen jedes Lustrums bei de Beaufort, Republique Romaine 4,4. der beständigen Aderlässe von Kriegen und Koloniegründungen ungeachtet.

Als Roms Bundesgenossen gleichen Anteil an Ehren und Vorrechten für sich reklamierten, gab der Senat einem Waffengang den Vorzug vor einem schmachvollen Zurückweichen. Samniten und Lucanianer mussten für ihren Vorwitz am härtesten büßen, während die übrigen italienischen Staaten, die sich nach und nach auf ihre Pflichten besannen, neuerlich im Schoße der Republik aufgenommen wurden, wo sie alsbald das Ihre zum Untergang der Römischen Freiheit beitrugen. Unter einer demokratischen Regierung üben die Bürger die Macht aus; diese Macht aber geht verloren, wenn sie einer trägen Menge überlassen wird. Als nun aber die Volksversammlungen durch die kaiserlichen Regierungen bezähmt waren, unterschieden sich die Eroberer von den eroberten Nationen nur noch darin, dass sie die ersten und ehrbarsten der Untertanen waren, deren Vermehrung, wie rasch auch immer sie vor sich gehen mochte, nicht mehr so gefährlich war wie ehedem. Dennoch wachten die klügeren Herrscher gewissenhaft über die Würde Roms und trugen Sorge, dass, im Einklang mit den Maßregeln des Augustus, das Bürgerrecht nur mit berechneter Freigiebigkeit Maecenas gab ihm den Rat, mit einem einzigen Erlass allen Untertanen das Bürgerrecht zu geben. Wir können allerdings mit Recht vermuten, dass der Historiker Dion der Urheber dieses Ratschlags ist, der gut zur Praxis seines Zeitalters und schlecht zu der des Augustus passte. verliehen wurde.

 

ITALIEN...

Bis die Vorrechte der Römer allen Bewohnern des Reiches zuteil wurden, bestand zwischen Italien und den Provinzen ein wesentlicher Unterschied. Ersteres wurde für das Zentrum der staatlichen Einheit ästimiert, das bewährte Fundament der Verfassung. Italien beanspruchte für sich die Geburt, oder doch wenigstens den Wohnsitz der Kaiser und des Senats. Die Senatoren waren verpflichtet, ein Drittel ihres Grundbesitzes in Italien zu haben (Plinius, Briefe, 6,19. Brief). Diese Anforderung wurde unter Marc Aurel auf ein Viertel reduziert. Seit der Regierung des Trajan war Italien immer mehr zu einer Provinz herabgesunken. Die Ländereien der Italiener waren von Steuern, sie selbst von der Willkürjustiz der Provinzstatthalter befreit. Den Körperschaften der Städte, die dem ausgereiften Vorbild der Hauptstadt nachgebildet waren, oblag der Vollzug der Gesetze, wobei die höchste Gewalt gestrenge Aufsicht führte. Vom Fuße der Alpen bis zum südlichsten Zipfel Calabriens waren alle gebürtigen Italiener römische Bürger. Ihre teilweisen Unterschiede verwischten sich allmählich, und unmerklich wuchsen sie zu einer einzigen großen Nation zusammen, die durch Sprache, Brauchtum und bürgerliche Einrichtungen geeint war. Die Republik konnte Stolz empfinden ob ihrer hochherzigen Politik, und empfing häufigen Lohn aus den Leistungen und Verdiensten ihrer angenommenen Söhne. Hätten sie den Rang eines Römers nur den alten Familien innerhalb ihrer Stadtmauern zuerkannt, so wäre dieser unsterbliche Name einiger seiner schönsten Zierden beraubt worden: Vergil stammte aus Mantua; Horaz war im Zweifel, ob er sich Apulier oder Lucanianer nennen sollte; und in Padua wurde ein Geschichtsschreiber für würdig befunden, die erhabene Reihe römischer Siege aufzuzeichnen. Die patriotische Familie der Catonen stammte aus Tusculum; und das Dorf Arpinum beanspruchte die zweifache Ehre, Marius und Cicero hervorgebracht zu haben, von denen der Erstere es verdient, nach Romulus und Camillus der dritte Gründer Roms benannt zu werden; während der Letztere, nachdem er sein Land vor den Nachstellungen Catilinas errettet hatte, es in die Lage versetzt hatte, mit Athen um die Palme der Beredsamkeit zu streiten. Der erste Teil der ›Verona Illustrata‹ des Marquis Maffei bietet die klarste und reichhaltigste Darstellung der Lage Italiens unter den Caesaren.

 

...UND DIE PROVINZEN

Die Provinzen des Reiches (so, wie wir sie im letzten Kapitel beschrieben haben) entbehrten jeder Staatsgewalt oder verfassungsmäßigen Freiheit. Der Senat sah es als seine vordringlichste Aufgabe an, in Etrurien, Griechenland Pausanias, 7. Buch. Die Römer gestatteten die Neugründung dieser Bünde, als sie nicht mehr gefährlich werden konnten. und Gallien Caesar erwähnt sie häufiger. Der Abt Dubois versucht mit geringem Erfolg zu beweisen, dass die Versammlungen der Gallier noch unter den Kaisern stattfanden. Histoire de l'Etablissement de la Monarchie Francois,1,4. jene gefährlichen Bündnisse aufzulösen, welche der Menschheit vorgeführt hatten, dass man den Römer durch Einigkeit Widerstand leisten könne, so wie umgekehrt sie durch Entzweiung gesiegt hatten. Diejenigen Herrscher, denen Roms demonstrative Anerkennung oder Hochherzigkeit eine Zeitlang gestattete, ein Szepter auf Widerruf zu schwingen, wurden in dem Augenblick abgesetzt, als sie die ihnen zugedachte Aufgabe erfüllt und ihren unterworfenen Völkern das römische Joch erträglich gemacht hatten. Die freien Länder und Städte, die sich der Sache Roms angenommen hatten, traten nominell einem Bündnis bei, waren dann aber allgemach zu Satellitenstaaten abgesunken. Die Ausübung von Macht lag allenthalben in der Hand von Dienern des Senates oder der Kaiser selbst, und diese Ausübung geschah uneingeschränkt und ohne jede Kontrolle. Dieselben heilsamen Grundsätze, die in Italien Gehorsam und Frieden gestiftet hatten, wurden nun auch auf die abgelegensten Eroberungen angewandt. So bildete sich in den Provinzen nach und nach auf zweierlei Weise eine eigene Nation von Römern: durch die Einrichtung von Provinzen und durch die Vergabe des römischen Bürgerrechte an die treuesten und verdienstvollsten Provinzialen.

 

KOLONIEN UND MUNIZIPIALSTÄDTE

›Wo immer der Römer erobert, da siedelt er‹ Seneca, Cons. ad Helv.6. ist eine zutreffende, durch historische Erfahrung abgesicherte Beobachtung Senecas. Italiens Einwohner, durch Vergnügungslust oder Neugier verleitet, beeilten sich, die Früchte des Sieges auszubeuten; und wir sollten hier festhalten, dass vierzig Jahre nach der Unterwerfung Kleinasiens auf Mithradates' grausame Anordnung hin achtzigtausend Memnon apud Photion, 33. Valerius Maximus, 9,2; Plutarch, Sulla 2 und Cassius Dio. Bei Plutarch und Cassius Dio schwillt dieser Massenmord auf 150 000 Bürger an; indessen dünkt mich die kleinere Zahl mehr als ausreichend. Römer an einem einzigen Tage ermordet wurden. Diese sozusagen freiwillig Verbannten waren überwiegend mit Handel, Ackerbau und dem Einkassieren von Staatseinkünften befasst. Nachdem aber die Kaiser den Legionen dauernde Standquartiere angewiesen hatten, wurden die Provinzen allmählich von einem Geschlecht römischer Krieger bevölkert, da die Veteranen, die als Lohn für ihre Dienste Land oder Geld erhielten, sich mit ihren Familien bevorzugt in den Ländern niederließen, in welchen sie ihre Jugend in Ehren verbracht hatten. Im ganzen Reich, vorzugsweise allerdings im Westen, blieben die fruchtbarsten Regionen und zukömmlichsten Lagen für die Einrichtung von Kolonien reserviert, von denen einige ziviler, andere militärischer Natur waren. In Brauchtum und Innenpolitik waren die Kolonien ein getreues Abbild ihrer großen Mutter; und da sie den Eingeborenen bald durch die Bande der Freundschaft und Verwandtschaft teuer wurden, war auch hier allmählich der Respekt vor Roms Namen erhöht, ebenso wie das – nur selten enttäuschte – Verlangen, nach angemessener Zeit an seiner Ehre und Nutzen teilzuhaben. Fünfundzwanzig Kolonien wurden in Spanien gegründet (Plinius Nat his. 3,3,4 und 4,35), neun in Britannien, von denen London, Colchester, Lincoln, Chester, Gloucester und Bath auch heute noch respektable Städte sind. Die Munizipialstädte zogen an Rang und Glanz unmerklich mit den Kolonien gleich, und zu Hadrians Zeiten war es durchaus strittig, welchen Siedlungen der Vorrang gebühre, denen, die Roms Schoß entsprossen, oder denen, die in ihn zurückgekehrt waren. Aulus Gellius, Noctes Atticae, 16,13. Der Kaiser Hadrian zeigte sich überrascht, dass die Städte Utica, Gades und Italica, die bereits Municipialrechte besaßen, nun auch noch den Titel einer Kolonie erbitten wollten. Ihr Beispiel machte jedoch Schule, und das Reich füllte sich mit so genannten Honorarkolonien. Spanheim, de usu numismatum,13. Das so genannte Latinische Recht gewährte den Städten, denen es verliehen worden war, besondere Gunst. Die Magistratsmitglieder, und nur diese, erhielten nach Ablauf ihres Amtes die Würde eines römischen Bürgers; aber da diese Ämter jährlich neu besetzt wurden, hatten sie in wenigen Jahren die angesehensten Familien ausgeübt. Spanheim, Orbis Romanus c. 8, p. 63. Diejenigen Provinzialen, die in den Legionen Waffendienst taten; Aristid in Romae Encomio, tom 1, p 218. welche irgendein bürgerliches Amt ausgeübt hatten; alle, mit einem Wort, die einen öffentlichen Dienst verrichtet oder sonstwie Proben von Talent abgelegt hatten, wurden durch ein Geschenk belohnt, dessen Bedeutung allerdings mit zunehmender Freigiebigkeit der Kaiser an Wert verlor. Aber selbst im Zeitalter der Antonine, als bereits der größte Teil ihrer Untertanen das Bürgerrecht besaß, war es immer noch mit sehr handfesten Vorteilen verbunden. Mit diesem Titel erwarben sie mehrheitlich auch die Segnungen der römischen Rechtsprechung, besonders im Ehe-, Testaments- und Erbschaftsrecht. Und seines Glückes Schmied mochte jeder werden, dessen Ansprüche zusätzlich noch durch Beziehungen oder eigenes Verdienst gefördert wurden. Die Enkel der Gallier, die Cäsar bei Alesia belagert hatten, waren nun selbst Legionskommandanten, Provinzgouverneure oder Senatsmitglieder. Tacitus, Annalen, 9, 23, 24 und Hist 4,74. Anstelle dass ihr Ehrgeiz die Ruhe des Staates gestört hätte, war er aufs innigste mit seiner Sicherheit und Größe verknüpft.

 

LATEIN DIE VORHERRSCHENDE SPRACHE DAS GRIECHISCHE

So sehr waren sich die Römer des Einflusses der Sprache auf nationale Bewandtnisse bewusst, dass sie die ernstlichsten Anstrengungen unternahmen, mit dem Vorwärtsdringen ihrer Waffen auch den Gebrauch der lateinischen Sprache auszuweiten. Plinius, Nat. His. 3, 5; Augustinus, Vom Gottesstaat, 19, 7 Lipsius, De pronunciatione Linguae Latinae c. 3. Die alten italienischen Dialekte, das Sabinische, Etruskische und Venetische gerieten in Vergessenheit; was nun die Provinzen betraf, so erwies sich der Osten im Vergleich zum Westen der Sprache seines siegreichen Lehrmeisters gegenüber als minder gelehrig. Dies zeichnet die Verschiedenheit der beiden Reichshälften mit kräftigen Farben, welcher Gegensatz sich zwar in der Mittagshelle der römischen Macht verlor, der aber umso leuchtkräftiger hervortrat, je mehr sich die Schatten des Niederganges auf das Reich herabsenkten. Die westlichen Länder erhielten ihre Kultur aus der Hand, die sie auch unterworfen hatte. Sobald die Barbaren sich mit ihrer neuen Lage ausgesöhnt hatten, öffneten sie sich auch den neuen Eindrücken, die von Wissenschaft und Lebensart ausgingen. Die Sprache eines Vergil oder Cicero wurde, wenn mitunter auch unvermeidlich verderbt, in Afrika, Spanien, Gallien, Britannien und Pannonien Apuleius und Augustinus werden für Afrika bürgen, Strabo für Spanien und Gallien, Tacitus (Leben des Agricola) für Britannien und Velleius Paterculus für Pannonien. Außerdem können wir noch die Sprache auf den Inschriften heranziehen. so allgemein angenommen, dass sich nur in Gebirgen oder unter der Landbevölkerung schwache Spuren des Punischen oder Keltischen erhielten. Das Keltische überlebte in den Bergen von Wales, Cornwall und Armorica. In einer Geschichte des Apuleius lesen wir, wie er einen afrikanischen Jugendlichen tadelt, der unter einer punischsprachigen Bevölkerung lebt, das Griechische fast vergessen hat und Lateinisch weder sprechen will noch kann (Apologie, p.596). – Der größte Teil der Gemeinde des Augustinus kannte bereits kein Punisch mehr. Erziehung und Studium haben die Bewohner jener Länder unmerklich mit römischer Denkungsart infiltriert, und Italien selbst gab seinen lateinischen Provinzialen Modeströmungen gleichsam mit Gesetzeskraft vor. Sie bewarben sich mit mehr Eifer um die Bürgerrechte und Ehrenstellen, und diese wurden ihnen auch leichter gewährt; sie förderten die Würde der Nation mit ihren Schriften Alleine Spanien brachte hervor: Columella, die Senecas, Lucan, Martial und Quintilian. ebenso gut wie mit Waffen; und brachten endlich in der Person Trajans einen Kaiser hervor, den als Landsmann anzuerkennen die Scipionen nicht angestanden hätten.

Die Situation der Griechen war eine entschieden andere als die der Barbaren. Seit langem waren sie zivilisiert und morbide. Um ihre Sprache aufzugeben, besaßen sie zuviel Geschmack, und um fremde Einrichtungen zu übernehmen, zuviel Selbstbewusstsein. Wenn sie auch die Tugenden ihrer Vorfahren nicht mehr besaßen, so doch wenigstens deren Überheblichkeit, und so erkünstelten sie Verachtung Es gibt, so viel ich weiß, von Dionysius bis Libanius nicht einen einzigen griechischen Kritiker, der Vergil oder Horaz wenigstens erwähnt. Es scheint ihnen unbekannt zu sein, ob die Römer überhaupt einen Schriftsteller von Rang gehabt haben. für die ungehobelten Aufführungen ihrer römischen Eroberer, während sie doch deren überlegene Weisheit und Macht zu respektieren nicht umhin konnten. Auch war der Einfluss der griechischen Sprache und Denkungsweise nicht auf die engen Grenzen dieses einst hochberühmten Landes begrenzt. Ihr Wirkungsbereich hatte sich durch Kolonisation und Eroberung von der Adria bis zum Euphrat und Nil ausgeweitet. Asien war mit Griechenstädten übersäht, und die lange Zeit der makedonischen Herrschaft hatte in Syrien und Ägypten einen unmerklichen Wandel ausgelöst. In ihren prunkreichen Höfen vereinigte diese Herrscher die Anmut Athens mit der Üppigkeit des Ostens, und diesem höfischen Vorbild wurde – mit unterwürfiger Distanz – von den Oberschichten der Bevölkerung nachgeeifert.

Soweit diese Unterteilung des Reiches aufgrund der lateinischen und griechischen Zunge. Hier soll sich noch für die Einwohner Syriens und besonders Ägyptens eine dritte Unterscheidung anschließen. Der Gebrauch ihrer archaischen Dialekte erschwerte ihnen den Umgang mit der übrigen Menschheit und war ihrem kulturellen Weiterkommen hinderlich. Der neugierige Leser mag bei Dupin nachschauen (Bibliotheque Ecclesiastique, Bd. 19, c. 8), wie stark das Syrische und das Ägyptische noch in Gebrauch waren. Die träge Verweichlichung der ersteren und die düstere Wildheit der letzteren gewahrten ihre Eroberer mit Abgunst. Juvenal, Sat. 3 und 15. Ammianus Marcellinus, 22,16. Diese Nationen hatten sich zwar der römischen Übermacht gebeugt, aber das römischen Bürgerrecht verlangten sie nicht, noch hätten sie es verdient; es scheint bemerkenswert, dass mehr als zweihundertunddreißig Jahre nach dem Untergang der letzten Ptolemäer vergangen waren, bevor ein Ägypter Aufnahme im Senat fand. Cassius Dio, 75, p. 1275. Zum ersten Male unter der Herrschaft des Septimius Severus.

Es ist eine ebenso richtige wie banale Feststellung, dass das siegreiche Rom seinerseits durch die Künste der Griechen unterworfen wurde. Jene unsterblichen Schreiber, die immer noch dem heutigen Europa Bewunderung abnötigen, wurden alsbald das bevorzugte Objekt der Bewunderung und der Nachahmung in Italien und den westlichen Provinzen. Aber diese feinen Genüsse der Römer hatten keinerlei Einfluss auf die robusten Maximen ihrer Politik. Während sie dem Zauber des Griechischen erlagen, stellten sie das Ansehen und den ausschließlichen Gebrauch des Lateinischen im Zivil- wie im Militärbereich sicher. Valerius Maximus, 2,2. Kaiser Claudius entzog einem bedeutenden Griechen das Bürgerrecht, weil er des Lateinischen nicht mächtig war. Vermutlich war er in einer Behörde tätig (Sueton, Leben des Claudius 16). Beide Sprachen übten nebeneinander ihre eigene Herrschaft im Imperium aus: Erstere war das naturgegebene Idiom der Wissenschaft, letztere diente als Sprache in öffentlichen Angelegenheiten. Wer Bildung und Amt in einer Person vereinte, war in beiden Sprachen gleich bewandert, und es war nahezu unmöglich, in irgendeiner Provinz einen römischen Untertanen von vorurteilsloser Erziehung zu finden, der weder Latein noch Griechisch beherrschte.

 

SKLAVEN UND FREIGELASSENE VERGABE DES BÜRGERRECHTES

Es geschah durch solche Einrichtungen, dass die Nationen des Imperiums unmerklich mit dem römischen Volk und Namen verschmolzen. Aber inmitten jeder Provinz und jeder Familie verblieb eine unglückliche Gruppe von Menschen, welche die Lasten der Gesellschaft trug, ohne an ihren Rechten teilzuhaben. In den freien Staaten der Antike waren Haussklaven einer Willkür ausgeliefert, die keinerlei Rechenschaft ablegen musste. Der Vollendung des römischen Imperiums waren Jahrhunderte von Raub und Gewalt vorausgegangen. Sklaven rekrutierten sich größtenteils aus Ausländern, gefangen in der Folge kriegerischer Wechselfälle, verschachert um kleinen Preis, Im Lager des Lucullus wurde ein Ochse für eine und ein Sklave für vier Drachmen (etwa drei Schillinge) verkauft. Plutarch, Leben des Lucullus. gewöhnt an ein Leben in Unabhängigkeit und gierig nach Freiheit und Rache. Gegen solche Feinde im Inneren, deren verzweifelte Aufstände die Republik mehr als einmal an der Rand des Abgrundes getrieben hatten, Diodorus Siculus in Eclog. Hist. 34 und 36; Florus, 3, 19 und 20. schienen die strengsten Bestimmungen Ein extremes Beispiel von Grausamkeit bei Cicero in Verrem, 5.3. und die grausamste Behandlung durch das große Gesetz der Selbstbehauptung nachgerade von selbst gerechtfertigt. Als nun aber die wichtigsten Nationen Europas, Asiens und Afrikas unter einem Gesetz geeint waren, da versiegten die Quellen mit ausländischem Nachschub allmählich, und die Römer waren auf die mildere, aber langsamere Methode der Fortpflanzung angewiesen, und so förderten sie in ihren personenstarken Haushalten und insbesondere auf ihren Landsitzen die Verheiratung von Sklaven. Naturgewollte Gefühle, gegenseitige Gewöhnung und der Besitz von einer Art abhängigen Eigentums: dies alles trug zur Erleichterung des harten Sklavendaseins bei. Vgl. hierzu bei Gruter und bei anderen Sammlern eine beträchtliche Zahl von Grabinschriften, die die Sklaven ihren Frauen, Kindern, Mitsklaven, Herren usw. errichtet hatten. Sie stammen sehr wahrscheinlich alle aus der Kaiserzeit. Das Leben eines Sklaven erhielt einen höheren materiellen Wert, und wenn sein Schicksal auch nach wie vor von den Launen und Lebensumständen seines Herren abhing, so wurde doch seine Menschlichkeit nicht so sehr durch Furcht unterdrückt, als dass sie nicht auch durch die Wahrnehmung seiner eigenen Interessen belebt hätte. Diese Fortschritte der Humanität wurden durch die Tugend oder die Politik der Kaiser befördert, und die Erlasse des Hadrian und der Antonine weiteten den Schutz der Gesetze auch auf die elendsten unter ihnen aus. Das Recht, über Tod oder Leben eines Sklaven zu entscheiden, welche Macht lange geübt und oft missbraucht worden war, ging von privater in ausschließlich öffentliche Hand über. Die unterirdischen Gefängnisse wurden abgeschafft, und, bei berechtigter Klage über unerträgliche Behandlung, erhielt der misshandelte Sklave entweder einen weniger grausamen Herrn oder sogar die Freiheit. Hist. Aug. (Hadr. 18) und die Abhandlung von de Burigny im 35. Band der Academy of Inscriptions über die Römischen Sklaven.

 

FREILASSUNG

Hoffnung ist die beste Trösterin in unserem unvollkommenen Dasein, und auch den römischen Sklaven wurde sie nicht gänzlich genommen; hatte er Gelegenheit, sich entweder nützlich oder angenehm zu machen, so konnte er mit Fug erwarten, sich nach einigen Jahren der Treue und des Fleißes mit der unschätzbaren Freiheit belohnt zu sehen. Diese Humanität der Herren wurde aber derart häufig durch die niederen Beweggründe der Habsucht und Eitelkeit angereizt, dass die Gesetze sich genötigt fanden, diese überreiche und unterschiedlose Freigiebigkeit eher zu dämpfen als zu begünstigen, da sie sonst zu gefährlichem Missbrauch hätte ausarten können. Abhandlung von de Burgny im 36 Band zu den Römischen Freigelassenen und Hist. Aug., Hadr.18. Dies war eine Maxime der antiken Rechtsprechung: dass ein Sklave kein Vaterland habe, mit seiner Freilassung jedoch den Zugang zu der Gesellschaft erwarb, zu der auch sein Patron gehörte. Infolge dieser Gewohnheit wäre das römische Bürgerrecht irgendwann wertlos geworden, hätte man es ohne Unterschied an jedermann abgegeben. So wurden nur bisweilen einige Ausnahmen gemacht; die ehrenhafte Auszeichnung wurde nur solchen Sklaven gewährt, welche aus guten Gründen und mit Billigung der Obrigkeit eine feierliche und gesetzmäßige Freilassung erhalten durften. Und sogar diese ausgesuchten Freigelassenen erhielten lediglich bürgerliche Privatrechte und blieben von zivilen oder militärischen Ehrenstellen rigoros ausgeschlossen. Auch ihre Söhne wurden in gleicher Weise eines Sitzes im Senat für unwert erachtet, welche Verdienste oder Vermögen auch immer sie angesammelt haben mochten. Erst in der dritten oder vierten Generation mochten sich die Spuren der Sklavenherkunft allmählich verlieren. Spanheim, Orbis Romanus 1, c.6 p. 124. So blieb ohne Aufhebung von Standesunterschieden auch denjenigen die Aussicht auf Freiheit und Ehrenstellen nicht versagt, die auch nur unter die Menschen zu zählen Arroganz und Beschränktheit sich weigerten.

 

GRÖSSE DER BEVÖLKERUNG

Es war vorzeiten angeregt worden, die Sklaven mit einer eigenen Tracht kenntlich zu machen, aber man besorgte nicht ganz zu Unrecht, dass eine Gefahr darin liege möchte, wenn man sie dadurch mit ihrer eigenen Anzahl bekannt machen würde. Seneca, de Clementia 1,24 Das Original ist noch deutlicher: ›Quantum periculum immineret si servi nostri numerare coepissent.‹ – [Welche Gefahr würde heraufziehen, wenn unsere Sklaven zu zählen anfingen]. Ohne die oft benutzten Vergleiche mit Legionen und Myriaden allzu wörtlich zu nehmen, Plinius, nat. hist. 33 und Athenaeus, Deipnosophistai. 6, p. 272. Letzterer behauptet verwegen, dass er sehr viele Römer kenne, die nur aus Prahlsucht zehn-, ja zwanzigtausend Sklaven besäßen. können wir doch die Behauptung wagen, dass der Anteil an Sklaven, die als wertvoller Besitz angesehen wurden, beträchtlich höher war als heute der Teil der Hausbediensteten, der unter die Ausgaben In Paris gibt es nicht mehr als 43 700 Hausdiener jeder Art, und dies ist nicht mehr als ein Zwölftel aller Einwohner. Messange, Recherches sur la Population p. 186. gerechnet wird. Jünglinge mit viel versprechenden Anlagen erhielten Unterricht in den Künsten und Wissenschaften, und ihr Preis ermittelte sich nach dem Grade ihrer Geschicklichkeit und Ausbildung. Ein ausgebildeter Sklave erbrachte viele hundert Pfund Sterling; Atticus erzog und unterrichtete sie stets persönlich. Cornelius Nepos, Leben des Atticus 13. Im Haushalt eines wohlhabenden Senators waren Künste Viele römische Ärzte waren Sklaven. Man lese Dr. Middletons Abhandlung und Rechtfertigung. und Handwerk fast vollständig anzufinden. Die Anhänger von Pracht und Sinnenfreude übertrafen moderne Begriffe von Luxus um ein Vielfaches. Ihre Dienststellungen und Aufgaben werden von Pignorius, de Servis, mit Genauigkeit aufgelistet. Ein Kaufmann oder Fabrikant hatte ein größeres Interesse daran, einen Sklaven zu mieten als zu kaufen, und auf dem Lande wurden sie als die billigsten und arbeitsamsten Ackerwerkzeuge gehalten. Um diese allgemein gehaltenen Anmerkungen über die Anzahl der Sklaven zu präzisieren, können wir eine Vielzahl von Einzelfällen beibringen: So fand man anlässlich eines sehr tragischen Tacitus, Annalen 14,43. Die Sklaven wurden allesamt hingerichtet, weil sie die Ermordung ihres Herrn nicht verhindert hatten. Vorfalles, dass in einem einzigen stadtrömischen Palast vierhundert Sklaven gehalten wurden. Dieselbe Zahl von vierhundert gehörte zu dem Landgut einer verarmten afrikanischen Witwe, die es ihrem Sohn hinterließ, während sie für sich selbst den beträchtlich größeren Teil ihres Eigentums einbehielt. Apuleius in Apolog, p. 458. Ein Freigelassener unter Augustus – er hatte an seinen Besitztümern infolge des Bürgerkrieges beträchtliche Einbußen erlitten – vererbte dreitausendsechshundert Joch Ochsen, zweihundertundfünfzigtausend Stück Kleinvieh und, was zur Aufzählung von Vieh fast dazu gehört, viertausendeinhundertundsechzehn Sklaven. Plinius nat. his. 33,47.

 

BEVÖLKERUNGSDICHTE DES RÖMISCHEN REICHES

Die Anzahl von Untertanen, die dem römischen Gesetz gehorchten, von Stadtbürgern, Provinzbewohnern und Sklaven, kann jetzt nicht mit dem Grad von Genauigkeit angegeben werden, wie es die Bedeutung des Gegenstandes wohl erfordern mag. Wir erfahren jedoch, dass Kaiser Claudius, als er das Zensorenamt ausübte, die Zahl der römischen Bürger auf sechs Millionen und neunhundertvierundfünfzigtausend bestimmte, was zusammen mit Frauen und Kindern etwa zwanzig Millionen Seelen ausmachen dürfte. Unbestimmt und schwankend ist die Zahl der Untertanen niederen Ranges. Wenn man aber gewissenhaft jeden Umstand einbezieht, der diese Berechnung beeinflussen könnte, so haben in der Zeit von Claudius wahrscheinlich doppelt so viele Provinziale jeden Geschlechtes und Alters gelebt, als es Römische Bürger gab; und dass die Sklaven an Zahl den freien Einwohnern der römischen Welt in etwa gleichkamen. Diese sicherlich nicht fehlerfreie Rechnung würde eine Gesamtzahl von einhundertundzwanzig Millionen Menschen ergeben: Eine Bevölkerung, welche die des modernen Europa Man rechne mit zwanzig Millionen in Frankreich, zweiundzwanzig in Deutschland, vier in Ungarn, zehn in Italien mit seinen Inseln, acht in Großbritannien und Irland, acht in Spanien und Portugal, zehn bis zwölf im Europäischen Russland, sechs in Griechenland und der Türkei, vier in Schweden, drei in Dänemark und Norwegen, vier in den Niederlanden. Dies würde sich auf einhundertundfünf bis einhundertundsieben Millionen aufsummieren. Voltaire, de l'Histoire Generale. vermutlich übertrifft und somit die größte Gesellschaft bildet, die jemals unter einem Regierungssystem vereinigt war.

 

GEHORSAMSPFLICHT UND ZUSAMMENHALT

Frieden und Eintracht im Inneren waren die naturgemäßen Folgen der von den Römern betriebenen moderaten allgemeinen Politik. Wenn wir nun die Monarchien des Orients ins Auge fassen, so können wir Despotismus im Zentrum und Schwäche an der Peripherie feststellen; Steuereinnahme und Rechtsprechung ist nur durch die Gegenwart einer Armee möglich; im Landesinneren feindliche Barbaren eingenistet; Erb-Satrapen, die die Herrschaft über die Provinzen an sich reißen, und Einwohner, die zum Aufstand bereit sind, ohne zur Freiheit fähig zu sein. Der Gehorsam in der römischen Welt hingegen war unterschiedslos, geschah aus freien Stücken und blieb dauerhaft. Die unterworfenen Nationen, gleichsam zu einem einzigen großen Volk vereint, ließen die Hoffnung, ja irgendwann sogar den Wunsch fahren, ihre Freiheit wieder zu erlangen und sahen ihre Existenz als kaum von der Roms verschieden an. Die wohlbegründete Macht der Kaiser durchdrang ohne Schwierigkeit die Weite ihrer Länder und wurde an Themse oder Nil so mühelos wie am Tiber ausgeübt. Die Aufgabe der Legionen war die Bekämpfung von Staatsfeinden, aber die bürgerliche Gewalt griff nur selten auf militärische Hilfe zurück. Jos. Bel. jud. 2,16. Die Rede des Agrippa – genauer gesagt: des Geschichtsschreibers – entwirft ein schönes Bild des Römischen Reiches. In diesem Stadium allgemeiner Sicherheit widmeten das Volk und die Herrscher ihre Muße und ihren Reichtum der Vervollkommnung und der Ausschmückung des römischen Reiches.

 

BAUTÄTIGKEIT UND DENKMÄLER

Die ungezählten Monumente der römischen Architektur: Wieviele sind spurlos untergegangen, wie wenige haben dem Wüten der Zeiten und der Barbaren widerstanden! Aber selbst die erhabenen Trümmer, die immer noch über Italien und die Provinzen verstreut liegen, würden hinreichend belegen, dass diese Länder einst der Sitz eines gewaltigen Reiches gewesen sind. Allein ihre Größe oder ihre Schönheit könnten uns verzücken; aber zwei wichtige Umstände machen sie noch interessanter für uns, weil sie das Angenehme der Kunstgeschichte mit dem Nützlichen der allgemeinen Geschichte verbinden: Viele dieser Werke wurden auf Kosten von Privatleuten aufgeführt und waren fast sämtlich der öffentlichen Nutzung überlassen.

 

VIELE AUF PRIVATKOSTEN ERRICHTET

Es ist eine naheliegende Prämisse, dass die meisten und die größten römischen Bauwerke durch die Kaiser veranlasst waren, die ja unbegrenzt über Gelder und Menschen verfügten. Augustus rühmte sich des Öfteren damit, dass er eine Stadt aus Ziegeln vorgefunden und eine Stadt aus Marmor Sueton, Leben des Augustus 28. Augustus ließ in Rom den Tempel und das Forum des Mars bauen; den Tempel des Jupiter Tonans auf dem Capitol; den Tempel des Apollo nebst öffentlichen Bibliotheken; den Porticus und die Basilika des Gaius und des Lucius; den Porticus der Livia und der Octavia; das Theater des Marcellus. Die Minister und Generäle eiferten diesem Vorbild des Kaisers nach, und sein Freund Agrippina hinterließ ein unsterbliches Monument, das Pantheon. hinterlassen habe. Vespasians Größe war seine Sparsamkeit. Der Geist Trajans liegt in seinen Taten. Die Erbauung öffentlicher Gebäude, mit denen Hadrian jede Provinz zierte, wurde von ihm nicht nur angeordnet, sondern auch beaufsichtigt. Er selbst war Kunstliebhaber und liebte Kunst besonders dann, wenn sie zur Mehrung des kaiserlichen Ruhmes beitrug. Die Antonine hingegen förderten die Künste, wenn sie die Wohlfahrt des Volkes hoben.

Aber wenn die Kaiser auch die ersten Architekten des Reiches waren, so waren sie doch nicht die einzigen. Ihre maßgeblichsten Untertanen ahmten ihrem Beispiel nach, und standen nicht an zu erklären, dass ihnen der Geist zum Entwerfen und das Geld zum Vollenden der herrlichsten Unternehmungen zu Eigen sei. Kaum war der stolze Entwurf des Colosseums zu Rom ausgeführt, als ähnliche Gebäude, kleiner im Maßstab, aber aus ähnlichen Materialien, zu Capua und Verona zum Gebrauch und auf Kosten dieser Städte errichtet wurden. Maffei, Verona illustrata 4, p. 68.

Die Inschrift an der Staunen erregenden Brücke bei Alcantara bescheinigt, dass sie mit Hilfe der Aufwendungen einiger lusitanischer Gemeinden über den Tejo geschlagen wurde. Als Plinius mit der Statthalterschaft über Bythinien und den Pontus belehnt wurde –übrigens weder die reichsten noch sonstwie auffälligsten Provinzen des Reiches – bemerkte er, wie die Städte in seinem Amtsbereich miteinander in einem heftigen Wettbewerb standen, jedwedes nützliche oder schöne Gebäude zu errichten, welches die Aufmerksamkeit von Fremden oder die Dankbarkeit ihrer Bewohner verdienen mochte. Zu den Obliegenheiten des Prokonsuls gehörte es nun, ihnen bei Mangel auszuhelfen und sie in Fragen des Geschmacks und gegebenenfalls in ihrem Eifer zu lenken. Plinius (Briefe, 10. Buch) erwähnt folgende, auf Kosten der Städte errichtete Bauten: In Nicomedia ein neues Forum, ein Aquädukt, und einen Kanal, den ein früherer König unvollendet gelassen hatte; in Nice ein Gymnasium und ein Theater, welches annähernd 19.000 Pfund gekostet hatte; Bäder in Prusa und Claudiopolis; und ein 16 Meilen langes Aquädukt für Sinope. Die wohlhabenden Senatoren Roms und der Provinzen erachteten es für eine Ehre, ja fast für eine Pflicht, den Glanz ihrer Zeit und ihres Landes erhöhen, und sehr oft ergänzte auch nur der Einfluss der Mode, was dem Geschmack oder der Freigebigkeit etwa abgehen mochte. Aus der Zahl solcher privater Wohltäter wollen wir Herodes Atticus wählen, einen Athener aus der Zeit der Antonine. Welche Gründe auch immer er für seine Handlungsweise gehabt haben mag, seine Freigebigkeit wäre der mächtigsten Könige wert gewesen.

 

HERODES ATTICUS

Die Familie des Herodes stammte in direkter Linie von Cimon und Miltiades, Theseus und Cecrops, Äneas und Jupiter ab, zumindest, seitdem sie so vom Glück begünstigt war. Die Nachfahren so vieler Helden und Götter waren in die erbärmlichste Lage geraten. Sein Großvater war in die Fänge der Justiz geraten, dies mit fatalem Ausgang; sein Vater Julius Atticus hätte sein Leben arm und verachtet beschließen müssen, hätte er nicht einen ungeheuren Schatz entdeckt, welcher unter einem alten Hause, seinem letzten Erbstück, vergraben lag. Nach der Strenge des Gesetzes hätte der Kaiser hierauf Anspruch erheben können; der umsichtige Atticus jedoch kam durch ein offenes Geständnis dem Diensteifer der Denunzianten zuvor. Der redliche Nerva, der damals den Thron innehatte, weigerte die Annahme auch nur eines Teiles davon und befahl ihm, von diesem Glücksgeschenk den bedenkenlosesten Gebrauch zu machen. Der Athener jedoch beharrte behutsam darauf, dass ein solcher Schatz zuviel für einen einzelnen Untertanen sei, und dass er nicht wüsste, wie er ihn gebrauchen sollte. So missbrauche ihn denn, antwortete der Monarch mit gutgelaunter Verdrießlichkeit, denn er ist dein. Hist. Aug., Hadrian 18. Hadrian fand später eine sehr gerechte Regelung, welche alle Schatzfunde zwischen den Ansprüchen des Grundbesitzers und des Finder aufteilte. Viele werden finden, dass Atticus diesen Rat des Kaisers zu wörtlich befolgte, da er den größten Teil seines Vermögens, das er übrigens noch durch eine vorteilhafte Eheschließung aufstockte, in den Dienst der Öffentlichkeit stellte. So hatte er für seinen Sohn die Präfektur der freien Städte Asien erwirkt; und da nun der junge Präfekt feststellen musste, dass die Stadt Troas unzureichend mit Wasser versorgt wurde, erhielt er durch Hadrians Großherzigkeit dreihundert Myriaden Drachmen (etwa einhunderttausend Pfund) für den Bau eines Aquäduktes. Aber während der Ausführung der Arbeiten zeigte es sich, dass die tatsächlichen Kosten die geschätzten um das Doppelte übertreffen würden, und die Beamten des Schatzes murrten dawider, bis der generöse Atticus ihre Klagen dadurch zum Schweigen brachte, dass er darum bat, man möge ihm doch erlauben, alle zusätzlichen Ausgaben persönlich zu übernehmen. Philostratos in Vit. Sophist. 2, p. 548.

 

SEINE REPUTATION

Die besten Lehrer von Griechenland und Asien wurden durch großzügige Geldesgaben vermocht, die Erziehung des jungen Herodes zu übernehmen. Ihr Schüler wurde bald ein gefeierter Redner im Sinne der Sandkastenrhetorik jener Zeit, welche sich auf den Schulbetrieb beschränkt und es verschmäht, das Forum oder den Senat aufzusuchen. Er wurde mit dem Konsulat zu Rom ausgezeichnet, aber den größten Teil seines Lebens verbrachte er in Athen und seinen unfernen Villen in philosophischer Zurückgezogenheit, beständig umgeben von Sophisten, die die Überlegenheit dieses reichen und spendablen Rivalen neidlos anerkannten. Aulus Gellius, Noctes Atticae 1,2; 9, 2; 18,10; 19,12; Philostratos, 2,14. Das, was sein Geist hinterlassen hat, ist untergegangen; aber verschiedene Ruinen künden immer noch den Ruhm seines Geschmackes und seiner Großzügigkeit. Heutige Reisende haben die Reste des Stadions abgeschritten, welches er in Athen erbauen ließ; es war sechshundert Fuß lang, ganz aus weißem Marmor gebaut, konnte die gesamte Bevölkerung aufnehmen und war in vier Jahren fertig gestellt, in welchen Herodes den athenischen Spielen vorstand. Zum Angedenken an sein Weib Regilla baute er ein Theater, welches im Reiche seinesgleichen suchte: kein Holz außer der Zeder, und dieses kunstvoll skulptiert, durfte in irgendeinem Teil des Gebäudes verwendet werden. Das einst von Perikles entworfene Odeon, bestimmt für musikalische Darbietungen und die Aufführung neuer Tragödien, war ein Sieg der Künste über barbarische Gigantomanie gewesen: die in der Konstruktion verwendeten Hölzer stammten zum größten Teil von den Masten persischer Kampfschiffe. Trotz der Reparaturen, die ein König von Kappadokien an dem altersschwachen Gebäude hatte vornehmen lassen, lag es in Trümmern. Herodes stellte seine alte Schönheit und Größe wieder her. Indessen war die Freigebigkeit dieses berühmten Mitbürgers nicht auf das Weichbild Athens beschränkt. Die köstlichsten Ornamente im Neptuntempel am Isthmus, ein Theater zu Korinth, ein Stadion in Delphi, ein Bad bei den Thermopylen, ein Aquädukt bei Canusium in Italien: all dies reichte nicht hin, seine Schätze zu erschöpfen. Die Bürger von Epirus, Thessalien, Euböa und des Peloponnes erfuhren seine Gunst; und in zahlreichen Inschriften rechnen Städte Griechenlands und Asiens Herodes in Dankbarkeit unter ihre Patrone und Wohltäter Philostratos 2, p. 548, 560; Paus.1,10 und 7,10; Leben des Herodes im 30. Band der Memoires der Academy of Inscriptions.

 

GEBÄUDE ZUMEIST FÜR DIE ÖFFENTLICHKEIT; TEMPEL, THEATER, AQÄDUKTE

In den alten Republiken von Rom und Athen kündete die anspruchslose Schlichtheit der Privathäuser von gleichen Freiheitsrechten, während die Herrschaft des Volkes in den erhabenen, für den öffentlichen Gebrauch bestimmten Bauten repräsentiert wurde Besonders hervorgehoben für Athen bei Dicaearchos, des Statu Graeciae, p. 8, inter Geographos minores, ed. Hudson. Dieser Geist der Republik erlosch zunächst auch nicht mit der Einführung der Monarchie. Werke der nationalen Ehre und Wohlfahrt waren es, mit denen gerade die tugendhaftesten Kaiser Beweise ihrer Größe abzulegen sich bestimmt sahen. Der Goldene Palast Neros hatte zu Recht Anstoß erregt, aber der gewaltige Umfang dieses zum Zwecke egoistischen Überaufwandes gestohlenen Bodens wurde unter den nachfolgenden Regierungen sinnvolleren Zwecken zugeführt: dem Colosseum, den Titusbädern, dem Porticus des Claudius und den Tempeln, die der Friedensgöttin und dem Genius Roms Donatus, de Roma vetere, 3,4-6. Nardini, Roma Antica, 3,11-13 und ein Manuskript, Beschreibung des alten Rom von Bernardus Oricellarius (gen. Rucellai), von dem ich eine Abschrift aus der Bibliothek des Canonicus Ricardi zu Florenz erhielt. Zwei berühmte Bilder von Timanthes und Protogenes im Tempel des Friedens werden von Plinius erwähnt; und die Laokoongruppe wurde im Titusbad gefunden. geweiht waren.

Die Architekturdenkmäler, Eigentum des römischen Volkes, wurden mit den schönsten griechischen Gemälden und Skulpturen ausgeschmückt, und im Friedenstempel stand für alle Gebildeten eine äußerst attraktive Bibliothek offen. In der Nähe befand sich das Trajansforum. Es war umgeben von einem hochragenden Portikus in der Form eines Viereckes, und vier Triumphbögen gewährten einen großzügigen und weiträumigen Zugang: in seiner Mitte erhob sich eine Marmorsäule, deren Höhe von einhundertzehn Fuß jene des Hügels bezeichnete, welcher zuvor hatte eingeebnet werden müssen. Diese Säule, die noch heute in ihrer antiken Schönheit zu sehen ist, stellt mit Genauigkeit den dakischen Sieg ihres Stifters dar. Der Veteran betrachtete die Geschichte seiner eigenen Feldzüge, und der nationale Dünkel des militärfernen Bürgers rechnete sich mit Hilfe eines leicht vollzogenen Selbstbetrugs seinen Anteil an den Ehren des Triumphes zu. Alle anderen Stadtviertel Roms und alle Provinzen des Reiches waren durch den gleichen Geist öffentlicher Größe verschönert worden, besaßen Amphitheater, Theater, Tempel, Portiken, Triumphbögen, Bäder und Aquädukte, welche, jede auf ihre Weise, die Gesundheit, die Andacht und die Zufriedenheit auch des Geringsten förderten.

Die letztgenannten Bauwerke verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit. Die Kühnheit ihres Entwurfs, die Gediegenheit ihre Ausführung und ihr eigentlicher Verwendungszweck reihen die Aquädukte unter die edelsten Denkmäler römischen Geistes und römischer Größe. Die Aquädukte der Hauptstadt beanspruchen zu Recht den Vorrang vor den anderen; aber wollte ein neugieriger Reisender Spoleto, Metz oder Segovia ohne Kenntnisse in der Geschichte erkunden, so würde er ganz natürlich folgern, dass jene Provinzstädte vordem der Sitz eines machtvollen Königs gewesen sein müssen. Asiens und Afrikas Einsamkeit war einst mit blühenden Städten bedeckt, deren Bevölkerungszahl und deren schieres Überleben von solchen künstlichen Lieferungen eines immerwährenden Stromes frischen Wassers abhingen. Montfaucon l'Antiquité Expliquée, Band 4, p. 2 c. 9. Fabretti hat eine hochgelehrte Abhandlung über die Aquädukte Roms verfasst.

 

DIE STÄDTE DES REICHES...

Wir haben die Einwohnerzahl des römischen Reiches berechnet und seine öffentliche Gebäude bewundert. Ein Blick auf die Zahl und die Größe seiner Städte wird uns helfen, die erstere zu bestätigen und die letztere zu vergrößern. Es wird nicht uninteressant sein, verstreute Nachrichten zu diesem Gegenstand einzuholen, wobei jedoch nicht vergessen werden darf, dass die ungenaue Bezeichnung ›Stadt‹ infolge nationaler Eitelkeiten und infolge der Armut der Sprache unterschiedslos auf Rom und etwa Laurentium angewandt wurde.

 

...IN ITALIEN...

Im alten Italien soll es elfhundertsiebenundneunzig Städte gegeben haben, und für welche Epoche des Altertums auch immer diese Mitteilung gelten mag: Aelian, Hist. Var 9,16, Er lebte zur Zeit des Alexander Severus. Vgl. Fabricius, Bibliotheca Graeca 4,21. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass das Land zur Zeit der Antonine dünner besiedelt gewesen sei als zu denen des Romulus. Die kleinen Städte Latiums waren in der Metropole des Reiches aufgegangen, deren dominierender Einfluss sie angezogen hatte. Die Teile Italiens, welche so lange unter der gleichbleibend öden Tyrannis von Priestern und Vizekönigen zu leiden hatten, wurden nun heimgesucht durch die etwas weniger unerträglichen Beschwernisse des Krieges; die ersten Symptome des Niederganges, die sie erlebten, wurden reichlich wettgemacht durch das rasche Erblühen des cisalpinischen Galliens. Dem Glanz Veronas möge man in seinen Ruinen nachspüren; und dennoch war Verona minder berühmt als Aqileia oder Padua, Ravenna oder Mailand.

 

...BRITANNIEN, GALLIEN UND SPANIEN...

Der Geist des Fortschrittes überklomm auch die Alpen und war sogar in Britanniens Wäldern spürbar, die man allmählich rodete, um freien Platz zu schaffen für komfortable und anmutige Siedlungen. York war Verwaltungssitz, London durch Handel wohlhabend; Bath wurde wegen seiner heilkräftigen Quellen gerühmt. Gallien konnte sich seiner zwölfhundert Städte berühmen; Jos. Bell jud, 2,16. Die Zahl steht nun einmal da, aber man sollte sie nicht allzu eng auslegen. und wenn sie dennoch, der Norden zumal und Paris eingeschlossen, nicht viel mehr waren als derbe und unzulängliche Ansiedlungen eines Volkes, das erst am Anfang stand, so eiferten wenigstens die südlichen Städte der Eleganz Italiens nach. Plinius Nat. His, 3, 5. Viele Städte gab es in Gallien, Marseille, Arles, Nimes, Narbonne, Toulouse, Bordeaux, Autun, Vienne, Lyon, Langres, Trier, deren antike Beschaffenheit einem Vergleich mit ihrer heutigen nicht scheuen müsste, vermutlich sogar mit Vorteil hieraus hervorgehen würde. Was nun Spanien betrifft, so stand es als Provinz in Blüte und ging unter als Königreich. Erschöpft durch die Verzettelung seiner Kräfte, durch Amerika und durch den Aberglauben, dürfte sein Stolz wohl beschämt werden, wenn wir von ihm eine Liste mit dreihundertsechzig Städten verlangten, wie sie Plinius für die Regierungszeit des Vespasian angelegt hat. Die Liste scheint authentisch und zuverlässig zu sein; die Unterteilung der einzelnen Provinzen und die unterschiedlichen Zustände in den Städten werden bis in Detail aufgeführt.

 

...AFRIKA UND ASIEN

Dreihundert afrikanische Städte hatten einst die Herrschaft Karthagos Strabo, Geographie, 17, p.1189. anerkannt, und ihre Zahl ist unter der Herrschaft der römischen Kaiser vermutlich nicht geringer gewesen. Karthago selbst blühte erneut aus der Asche empor, und ebenso wie Korinth oder Capua erlangte es, die alte Selbständigkeit ausgenommen, seine frühere Größe wieder. Die Provinzen des Ostens illustrieren den Gegensatz zwischen römischer Größe und türkischer Barbarei. Die Ruinen der Antike, die über unbebautes Land verstreut sind und für die die Unwissenheit irgendwelche Zauberkräfte verantwortlich macht, gewähren dem unterdrückten Bauern oder dem nomadisierenden Araber kaum einmal ein Obdach. Unter den Cäsaren gab es allein im eigentlichen Asien fünfhundert volkreiche Städte, Flavius Josephus, bell. jud, 2,16; Philostratos Leben der Sophisten 2,p.548, ed. Olear. durch natürliche Gegebenheiten reich und mit allen Kunstraffinessen geschmückt. Elf Städte Asiens stritten sich einst um das Vorrecht, Tiberius einen Tempel weihen zu dürfen, und ihre jeweiligen Verdienste prüfte der Senat. Tacitus, annales, 4,55. Ich habe einige Mühe investiert, um moderne Reisende bezüglich dieser elf Städte Asiens zu befragen: Sieben (oder acht?) sind vollständig zerstört, nämlich Hypaepe, Tralles, Laodicea, Ilium, Halicarnassos, Milet, Ephesos, und möglicherweise Sardes. Pergamon ist ein elendes Dorf mit etwa zwei- bis dreitausend Einwohnern; Magnesia mit dem heutigen Namen Guzel-hissar eine Stadt von einiger Bedeutung und Smyrna eine Großstadt mit hunderttausend Seelen. Aber selbst in Smyrna haben die Türken unter der Frankenherrschaft die Kunstwerke ruiniert. Vier von ihnen wurden sofort abgelehnt, da sie der Aufgabe finanziell nicht gewachsen seien; unter ihnen war Laodicea, In Chandler, Travels through Asia minor, p. 223 ist eine genaue und gefällige Darstellung der Ruinen von Laodicea. dessen einstiger Glanz noch heute durch seine Ruinen hindurchschimmert. Laodicea erzielte beträchtliche Einkünfte aus seinen Schafsherden, deren Wolle gerühmt wurde, und hatte kurz vor jenem Wettbewerb von einem großzügigen Bürger vierhunderttausend Pfund geerbt. Strabo, 12, p. 866. Er hatte in Tralles studiert. Wenn das die Armut von Laodicea war: wie muss es erst um den Reichtum jener Städte bestellt gewesen sein, denen der Vorzug gegeben wurde, insbesondere den von Pergamon, Smyrna, Ephesos, die solange um den Titelprimat Asiens gestritten hatten? M. de Boze, Mem. D l'Academie, Bd.18. Aristides hielt einmal eine – erhaltene – Rede, in welcher er den rivalisierenden Städten Eintracht anempfiehlt. Die Hauptstädte Syriens und Ägyptens hatten einen noch höheren Rang inne: Antiochia und Alexandria blickten mit Hochmut auf eine Menge abhängiger Städte Die Einwohnerzahl Ägyptens, Alexandria nicht mitgerechnet, belief sich auf sieben und eine halbe Millionen (Flavius Iosephus, bell. jud 2, 16. Unter der Militärregierung der Mameluken soll Syrien sechzigtausend Dörfer gehabt haben. herab, und erkannten den Vorrang Roms nur widerstrebend an.

 

DAS RÖMISCHE STRASSENNETZ

Alle diese Städte waren untereinander und mit der Hauptstadt selbst durch öffentliche Straßen verbunden, welche vom Forum Roms ausgingen, Italien durchquerten, die Provinzen durchmaßen und erst an den Grenzen des Reichs endigten. Bestimmen wir die Entfernungen vom Antoninuswall bis nach Rom und von dort nach Jerusalem mit hinlänglicher Genauigkeit, so finden wir, dass diese große Verbindungslinie von der nordöstlichen bis zur südwestlichen Spitze des Reiches sich auf eine Länge von viertausendundachtzig römischen Meilen belief. Das folgende Wegeverzeichnis kann hilfreich sein, sich einen Begriff von Richtung und Länge der Straßen zu machen: I. Vom Antoninuswall bis nach York 222 römische Meilen. II. London 227.III. Rhutupie oder Sandwich 67. IV. Seestrecke nach Boulogne 45. V Reims 174. VI. Lyon 330. VII. Mailand 324. VIII. Rom 426. IX. Brindisi 360. X. Seestrecke nach Dyrrhachium 40. XI. Byzanz 711. XII. Ancyra 283. XIII. Tarsus 301. XIV. Antiochia. XV. Tyrus. XVI. Jerusalem 168. Insgesamt also 4080 römische bzw. 3740 Englische Meilen. Siehe hierzu die Itinerarien von Wesseling nebst Anmerkungen; die von Gale und Stuckeley für Britannien und von M. d'Anville für Gallien und Italien. Diese öffentlichen Straßen waren durch Meilensteine genau unterteilt und liefen in gerader Linie von einer Stadt zur nächsten, der natürlichen Hindernisse oder der Eigentumsverhältnisse nur beiläufig achtend. Berge wurden untertunnelt, und kühne Bögen spannten sich über die weitesten und reißendsten Flüsse. Montfaucon hat (l'Antiquité Expliquée, Band 4 1,5) die Brücken von Narni, Alcantara, Nismes etc beschrieben. Die Straßen waren zu einer Art Damm erhoben, welcher die umgebende Landschaft beherrschte, bestand aus mehren Lagen Sand, Kies und Zement und war mit großen Steinen und an einigen Stellen in der Nähe der Hauptstadt mit Granit gepflastert. Bergier, Histoire des grandes Chemins de l'Empire Romaine, 2,1-28. Dies die solide Konstruktion der römischen Fernstraßen, deren Festigkeit selbst die Beanspruchung von fünfzehn Jahrhunderten nicht zuschanden gemacht hat. Sie ermöglichten den Untertanen der entferntesten Provinzen bequemen und häufigen Umgang miteinander, aber ihr Hauptzweck war es, den Legionen den Marsch zu erleichtern. Ein Land galt solange nicht als vollständig unterworfen, solange es nicht in alle Richtungen den Gesetzen und Waffen des Siegers zugänglich war. Der Vorteil schnellster Nachrichten- und Befehlsübermittlung veranlasste die Kaiser, im gesamten Reich regelmäßige Poststationen einzurichten. Procop, Historia arcana, c 30. Bergier, Histoire des grandes Chemins de l'Empire Romaine, 4; Codex Theodosianus 8, tit. 5 2, p. 506-563 zusammen mit Godefroys gelehrten Kommentaren. Jede war dauerhaft für vierzig Pferde eingerichtet, und mit Hilfe dieser Relais war es leicht möglich, täglich hundert römische Meilen zurückzulegen. Während Theodosius' Regierungszeit reiste ein hochrangiger Beamter namens Cäsarius von Antiochia nach Konstantinopel. Er brach nachts auf, war am folgenden Abend in Cappadocia (165 Meilen von Antiochia entfernt) und kam in Konstantinopel nach sechs Tagen gegen Mittag an. Die Gesamtentfernung hatte 725 römische Meilen betragen. Vgl. hierzu Libanius Orat. 22 und die Itineraria p. 572-581. Nur, wer über ein kaiserliches Mandat verfügte, durfte von diesen Stationen Gebrauch machen; indessen wurden sie, obwohl für den öffentlichen Gebrauch bestimmt, auch gelegentlich Privatleuten zu Geschäftszwecken oder zur Bequemlichkeit überlassen. Plinius, der doch ein kaiserlicher Günstling und Minister war, musste sich dafür rechtfertigen, dass er seiner Frau wegen dringender Geschäfte die Benutzung von Postpferden gestattet hatte. (Briefe 9, 121 und 122).ki

 

SEEFAHRT

Die Seewege innerhalb des Imperiums waren nicht minder frei verfügbar als die Landverbindungen. Die Provinzen umkränzten das Mittelmeer; Italien ragte wie ein gigantisches Vorgebirge mitten in diesen großen See hinein. Den Küsten Italiens mangelt es im Allgemeinen an sicheren Häfen; und der künstliche Hafen von Ostia, in der Tibermündung gelegen und durch den Kaiser Claudius veranlasst, war nicht nur ein Zeichen römischer Größe, es trug auch das Gepräge des Nützlichen. Bergier, Histoire des grandes Chemins de l'Empire Romaine 4,49. Von diesem Hafen, nur sechzehn Meilen von der Hauptstadt entfernt, gelangten Schiffe bei günstigen Winden häufig schon nach sieben Tagen bis zu den Säulen des Herkules und in neun bis zehn bis nach Alexandria in Ägypten. Plinius, Hist. Nat. 19,1.

 

VERBESSERUNG DES ACKERBAUS IN DEN WESTLICHEN LÄNDERN

Für welche Übelstände auch immer gute oder bloß rhetorische Gründe ein großes Reich verantwortlich machen: Roms Macht hatte für die Menschheit auch unstrittig segensreiche Folgen; und dieselbe Reisefreiheit, die das Laster ausbreitete, half in gleicher Weise, Verbesserungen des sozialen Lebens auszuweiten. In den frühen Tagen der Antike war die Welt ungleich geteilt. Der Osten war seit unfürdenklichen Zeiten im Besitze von Kunst und Luxus, der Westen hingegen bewohnt von rohen und kriegslüsternen Barbaren, die den Ackerbau entweder verachteten oder überhaupt noch nicht kannten. Unter dem Schutze einer wohletablierten Regierung wurden die Erzeugnisse gesegneter Zonen und die Produkte des Fleißes zivilisierter Nationen allmählich auch Europas westlichen Ländern zugänglich; und deren Einwohner ließen sich durch diesen ungehinderten und gewinnträchtigen Handel ermuntern, die Ersteren zu mehren und die Letzteren zu verbessern. Es wäre schier unmöglich, alle Handelsartikel pflanzlicher oder tierischer Provenienz aufzuzählen, die aus Asien oder Ägypten Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Griechen und Phönizier einige neue Handwerkskünste und Produktionsverfahren in der Nachbarschaft von Marseille und Gades einführten. nach Europa importiert wurden. Aber es scheint der Würde und dem Nutzen eines historischen Werkes nicht abträglich zu sein, zumindest die wichtigsten von ihnen zu erwähnen.

 

FRÜCHTE WEIN OLIVEN FLACHS

Nahezu alle Blumen, Kräuter und Früchte unserer europäischen Gärten sind von fremder Herkunft, die sich oft schon im Namen verrät. Der Apfel ist ein eingeborener Italiener; als aber die Römer den reicheren Geschmack von Aprikose, Pfirsich, Granatapfel, Zitrone und Orange gekostet hatten, legten sie allen diesen Früchten unterschiedslos den Namen Apfel bei, unterschieden nur durch die zusätzliche Bezeichnung ihres Herkunftslandes. – In Homers Zeiten wuchs der wilde Wein auf Sizilien und höchstwahrscheinlich auf dem benachbarten Festland. Aber noch wurde er durch Zucht nicht verbessert, und er lieferte auch keine Getränke, die dem Geschmack der wilden Einwohner lieblich gewesen wären. Homer, Odyssee, 9,358. Eintausend Jahre später konnte sich Italien rühmen, dass von achtzig hochberühmten und geschätzten Weinsorten mehr als zwei Drittel auf ihrem Boden gediehen. Plinius, Hist. Nat. 14. Dieser Segen teilte sich bald auch dem narbonensischen Gallien mit; aber nördlich der Cevennen war das Klima so kalt, dass es in Strabos Zeiten für unmöglich galt, in diesem Teil Galliens Im Altertum waren die kalten gallischen Winter fast sprichwörtlich. Wein zur Reife zu bringen. Diese Schwierigkeiten verloren sich jedoch mit der Zeit, und es gibt gute Gründe für die Annahme, dass der Weinbau in Burgund bis in das Zeitalter der Antonine Zu Beginn des IV. Jhdts. erwähnt der Redner Eumenius den Weinbau aus der Gegend von Autun, dass er für lange Zeit aufgegeben worden und sein Ursprung völlig unbekannt sei. Der Pagus Arebrignus liegt, so die Vermutung von Herrn d'Anville, im Bezirk von Beaune, gerühmt, auch in der Gegenwart noch, für eine der besten Lagen Burgunds. zurückreicht.

Der Olivenbaum war in der westlichen Welt der Begleiter des Friedens, dessen Symbol er nachgerade darstellt. Noch zwei Jahrhunderte nach der Gründung Roms waren in Italien und Afrika diese nutzbringenden Pflanzen fremd; sie wurden jedoch in diesen Ländern heimisch und gelangte endlich bis in das Herz Galliens und Spaniens. Die irrige Besorgnis der Alten, dass er ein bestimmtes Maß an Wärme benötige und nur in der Nähe des Meeres gedeihe, wurde durch die Erfahrung nach und nach widerlegt. Plinius, Hist. Nat. 15. Die Kultur des Flachses gelangte von Ägypten nach Gallien und trug zur Hebung des Wohlstandes im ganzen Land bei, wenn er auch den Boden, auf dem er gesät wurde, auslaugte Plinius, Hist. Nat 19. – Den Gebrauch von Futterpflanzen erlernten die Landwirte Italiens und der Provinzen erst allmählich, insbesondere der Luzerne, welche ihren Namen und Herkunft auf Medien zurückführt. Harte, Essays on Agricultur; hier ist alles versammelt, was die Alten und die Modernen zur Luzerne geäußert haben. Weil reichliches und gesundes Futter während des Winters jederzeit für die Herden zur Verfügung stand, vermehrten auch sie sich und trugen darüber hinaus das Ihre zur Fruchtbarkeit der Böden bei. Neben allen diesen Verbesserungen der Landwirtschaft verwendete man auch noch große Sorgfalt auf Bergbau und Fischerei, welche dadurch, dass sie viele fleißige Hände beschäftigten, den Reichen Gewinn und den Armen Unterhalt erbrachten. Die anmutige Abhandlung Columellas beschreibt den fortgeschrittenen Zustand der spanischen Landwirtschaft zur Zeit des Tiberius; und schließlich soll noch angemerkt werden, dass Hungersnöte, welche der jungen Republik so oft zugesetzt hatten, im ausgedehnten Kaiserreich selten oder nie auftraten. Dem zufälligen Mangel in einer einzelnen Provinz wurde sofort durch den Überfluss ihrer begünstigteren Nachbarn abgeholfen.

 

LUXUS

Landwirtschaft ist die Voraussetzung für Manufakturen, denn die Produkte der Natur liefern der Kunst die Materialien. Unter den römischen Kaisern stand die Arbeit einer fleißigen und erfindungsreichen Bevölkerung beständig im Dienste der Wohlhabenden. In Kleidung, Tafel, Häusern oder Möbeln haben diese Günstlinge des Glücks jede Verfeinerung der Bequemlichkeit, der Eleganz und der Pracht vereint, alles mithin, was ihren Stolz heben und ihre Sinnlichkeit kitzeln mochte. Solche Verfeinerungen haben die Moralprediger aller Zeiten mit dem Schmähwort des Luxus belegt, und es würde vermutlich die Gesittung und das Glück der Menschheit fördern, wenn jedermann das Notwendige und keiner das Überflüssige zum Leben besäße. Aber unter gegenwärtigen betrüblichen Zuständen unserer Gesellschaft ist der Luxus, sei er nun ein Kind des Lasters oder der Dummheit, offenbar das einzige Mittel, der ungleichen Verteilung des Eigentums gegenzusteuern. Der geschickte Handwerker oder der begabte Künstler, die beide an den Gütern dieser Erde keinen Anteil haben, erhalten eine freiwillige Zuwendung von den Grundbesitzern; und diese wiederum treibt ein Eigeninteresse an, jene Ländereien zu verbessern, deren Ertrag ihnen wiederum vermehrte Annehmlichkeiten ermöglicht. Diese Wechselwirkungen, deren besondere Folgen in jeder Gesellschaft festzustellen sind, waren in der römischen Welt noch umfassender wirksam. Der Reichtum der Provinzen hätte sich bald erschöpft, wenn nicht die Herstellung und der Verkauf von Luxusgütern den Untertanen unmerklich jene Gelder erstattet hätten, die ihnen die Waffen Roms und andere Belastungen zuvor geraubt hatten. Solange dieser Umlauf sich innerhalb des Reichs abspielte, hielt er die politische Maschinerie in Bewegung, und seine Folgen, zuweilen sogar segensreich, konnten niemals ruinös sein.

 

AUSWÄRTIGER HANDEL

Aber es ist kein leichtes Unterfangen, den Luxus auf die Grenzen des Reiches zu beschränken. Die entlegensten Länder der alten Welt wurden durchstöbert, um zu Roms Prunk und Weichlichkeit beizutragen. Die skythischen Wälder lieferten erlesene Pelzwaren. Von der Ostseeküste wurde Bernstein auf dem Landwege bis zur Donau gebracht, und die Barbaren verwunderten sich ob des hohen Preises für eine Sache ohne jeden erkennbaren Nutzen. Tacitus, Germania 45. Plinius Hist. Nat 38. bemerkt mit einigem Humor, dass selbst die Mode für Bernstein keine Verwendung gefunden habe. Nero sandte einen Ritter, damit er große Mengen davon an Ort und Stelle erwerbe: an der Küste des heutigen Preußen. Es gab eine beträchtliche Nachfrage nach babylonischen Teppichen und anderen Erzeugnissen des Ostens. Aber der wichtigste und zugleich unpopulärste Zweig des Außenhandels war der mit Arabien und Indien. Jedes Jahr zur Sommersonnenwende brach eine Flotte von einhundertundzwanzig Handelsschiffen von dem ägyptischen Hafen Myoshormos am Roten Meer auf. Sie überquerte den Ozean in vierzig Tagen, durch Monsunwinde zuverlässig unterstützt. Ziel ihrer Reise war für gewöhnlich die Küste Malabars oder Ceylon, Die Römer nannten die Insel Taprobana, die Araber Screndib. Sie wurde unter Claudius entdeckt und wurde im Laufe der Zeit der wichtigste Markt des Ostens. und auf deren Märkten erwarteten auch Kaufleute aus dem fernen Osten ihre Ankunft. Die Rückkehr der Flotte nach Ägypten wurde dann für Dezember oder Januar erwartet; und sobald ihre wertvolle Fracht auf Kamelrücken den Nil erreicht hatte und auf diesem wiederum nach Alexandria verschifft worden war, gelangte sie ohne Verzug in die Hauptstadt. Plinius, Hist. Nat 6 und Strabo, 17. Die Gegenstände des Orienthandels waren großartig und bedeutungslos zugleich: Seide, Hist. Aug. p. 224 Ein Seidengewand galt als Zierde für eine Frau und als Schande für einen Mann. von der ein Pfund so teuer war wie dieselbe Menge in Gold; Edelsteine, von der die Perle nach den Diamanten Die zwei größten Perlenfischereien waren damals dieselben wie heute, Ormuz und Kap Comorin. Soweit wir die antike mit der modernen Geographie vergleichen können, bezog Rom seine Diamanten aus der Mine von Sumelpur in Bengalen, welches Land beschrieben wird in den Voyages de Tavernier 2, p. 281. den ersten Rang beanspruchte, und eine Vielfalt von Aromen, die bei religiösen Handlungen und Leichenbegängnissen verbraucht wurden. Die Mühen und Gefahren der Seefahrt wurden durch einen unfassbaren Gewinn gelohnt; aber der Gewinn erfolgte auf Kosten römischer Untertanen, und eine Handvoll bereicherte sich an der Gesamtheit.

 

GOLD UND SILBER ALLGEMEINE WOHLFAHRT

Da nun die Araber und Inder mit den Produkten und Waren ihrer eigenen Länder zufrieden waren, war auf Seiten der Römer das Silber der wichtigste, wo nicht der einzige Tauschgegenstand. Es wurde von Seiten des Senats die ernste, dem Rang dieser Körperschaft angemessene Klage angestimmt, dass man, um weiblicher Putzsucht Vorschub zu leisten, den Reichtum des Landes an auswärtige, ja feindliche Nationen unwiderruflich verschleudere. Tacitus, Annalen, 3, 52 (In einer Rede des Tiberius). Der jährliche Verlust wurde von einem eifrigen, wenn auch tadelsüchtigen Schriftsteller auf etwa achthunderteintausend Pfund Sterling veranschlagt. Plinius, Hist. Nat. 12,18. An anderer Stelle errechnet er nur die Hälfte dieser Summe. Quingenties H.S. für Indien, Arabien ausgenommen. Dies der Warnruf der Skepsis, welche über den finsteren Anzeichen herandrohender Armut brütete. Wenn wir indessen das Verhältnis von Gold und Silber vergleichen, wie es zu Plinius' Zeiten stand und wie es unter Konstantin festgelegt wurde, so können wir innerhalb dieser Zeitspanne einen beträchtlichen Zuwachs verzeichnen. Das Verhältnis 1 zu 10 und 12,5 stieg auf 14,4, welchen Satz Konstantin festgelegt hatte. Vgl. Arbuthnot, Tables of ancient coins, c.5. Es gibt nicht den geringsten Grund zu der Annahme, dass das Gold seltener geworden war; es ist mithin offenbar, dass das Silber mehr in Umlauf kam; und wie groß auch immer der Goldexport in arabische oder indische Länder gewesen sein mag, er konnte den Reichtum der römischen Welt nicht im entferntesten erschöpfen; vielmehr befriedigte der Bergbau die Bedürfnisse des Handels reichlich.

 

ALLGEMEINES WOHLERGEHEN

Trotz der Vorliebe des Menschen, die Vergangenheit zu verklären und die Gegenwart herabzusetzen, wurde der friedliche und wohlhabende Zustand des Reiches mit warmer Dankbarkeit empfunden und offen eingestanden, von Römern in gleicher Weise wie von den Provinzialen. ›Sie erkannten an, dass die wahren Grundlagen des gemeinschaftlichen Lebens, Gesetze, Landwirtschaft und Wissenschaft, welche die Weisheit Athens zuerst ersonnen hatte, erst jetzt durch die Macht Roms festen Bestand gewonnen habe, unter dessen segensreichem Einfluss nun auch die wildesten Barbaren durch gleiche Regierung und Sprache geeint seien. Sie bekräftigen, dass sich mit der Verbesserung der Künste auch das Menschengeschlecht sichtlich vermehrt habe. Sie rühmten den zunehmenden Glanz der Städte, das liebliche Erscheinungsbild des Landes, das einem einzigen unermesslichen, gepflegten und geschmückten Garten gleiche; und sie rühmten den langen Feiertag des Friedens, dessen sich so viele Nationen freuen durften, ihrer alten Feindschaften vergessend, frei von Besorgnissen künftiger Gefahren.‹ Andere Verlautbarungen zum Thema bei Plinius, Hist. Nat. 3,5; Aristides (de urbe Roma) und Tertullian (de anima 30). Wenn auch der rhetorische und deklamatorische Dunst dieser Stellen jeden Verdacht rechtfertigen mag, so stimmt doch ihr wesentlicher Inhalt vollkommen zu der historischen Wahrheit.

 

VERFALL DES GEISTES

Schwerlich hätten die Zeitgenossen in diesem allgemeinen Glückzustande verborgene Anzeichen für künftigen Verfall und Untergang entdecken können. Der lange Frieden, die gleichförmige Regierung der Römer hatte den lebenswichtigen Organen des Reiches ein langsam wirkendes, unbemerktes Gift eingeträufelt. Das Denken der Menschen befand sich auf gleicher Stufe, das Feuer des Geistes war erloschen, und selbst der militärische Genius war verflogen. Die Eingeborenen Europas waren tapfer und kraftvoll. Spanien, Gallien, Britannien und Illyrien stellten den Legionen vorzügliche Soldaten, und bildeten die eigentliche Stärke der Monarchie. Ihre individuelle Tapferkeit besaßen die Römer nach wie vor, aber sie hatten nicht mehr jene öffentliche Tapferkeit, welche sich nährt von der Liebe zur Freiheit, dem nationalen Ehrgefühl, der Nähe von Gefahr und der Gewohnheit zu kommandieren. Gesetze und Statthalter gab ihnen der Herrscher vor, aber ihre Verteidigung vertrauten sie einer Söldnerarmee an. Selbst die Nachkommen ihrer kühnsten Anführer waren mit dem Status eines Bürgers oder Untertanen zufrieden. Ihre ehrgeizigsten Vertreter gingen an den Hof oder unter die Fahnen; und die verlassenen Provinzen, jeder politischen Stärke oder Einheit bar, versanken unmerklich in der stumpfen Monotonie des Privatlebens.

Die Liebe zu den Wissenschaften, die fast immer eine Frucht von Friede und Zivilisation ist, stand unter den Untertanen Hadrians und der Antonine – diese waren selbst Männer von Bildung und Wissbegierde – in Mode. Sie war im gesamten Reich verbreitet; die nördlichsten Stämme Britanniens hatten der Rhetorik Geschmack abgewonnen; an den Ufern von Rhein und Donau wurden Vergil und Homer abgeschrieben und studiert; noch die dürftigsten literarischen Verdienste wurden belohnt. Herodes Atticus schenkte dem Sophisten Polemo für drei Deklamationen über achttausend Pfund Sterling (Philostrates, vita Herodes c.7). Die Antonine begründeten zu Athen eine Schule, in der Lehrer für Grammatik, Rhetorik, Politik sowie die vier großen Philosophensekten angestellt wurden. Das Gehalt eines Philosophen betrug zehntausend Drachmen, entsprechend drei- bis vierhundert Pfund im Jahr. Ähnliche Anstalten gab es auch in anderen großen Städten des Reiches. Lucian in Eunuch, Bd. 2, p. 353; Philostratos, 2, p.566; Historia August. p. 21; Cassius Dio, 71, p. 1195. In einer bitteren Satire (Juvenal, Sat 7, 20), in der er mit jeder Zeile seine Verachtung und seinen Neid verrät, ist Juvenal gleichwohl zu dem Eingeständnis genötigt: "...O Juvenes, circumspicit et agitat vos./ Materiamque sibi ducis indulgentia quaerit.‹ [Ihr Jungen, es ruht eures Fürsten Blick auf euch, er befeuert euch, voll Nachsicht sucht er nach geeignetem Stoffe]. Die Physik und die Astronomie wurde von den Griechen mit Erfolg weiterbetrieben; die Beobachtungen eines Ptolemaeus und die Schriften eines Galen werden heute noch von denen studiert, welche ihre Entdeckungen verbessert und ihre Irrtümer beseitigt haben; indessen, wenn wir den unnachahmlichen Lucan ausnehmen, dieses Zeitalter der Dumpfheit ging vorüber, ohne einen einzigen Schriftsteller von Originalität oder mit natürlichem und elegantem Stil hervorgebracht zu haben. Die Autorität Platos und Aristoteles', Zenos oder Epikurs dominierte noch immer in den Schulen, und ihre blindgläubig von einer Schülergeneration zur nächsten weitergereichten Systeme hinderten jeden ernstzunehmenden Versuch, die Kraft des Menschengeistes zu stärken, geschweige denn seine Grenzen zu erweitern. Die Werke von Dichtern und Rednern entzündeten nicht etwa ein dem ihrigen vergleichbares Feuer, sondern veranlassten nur kalte und sklavische Nachahmungen; und wagte einer wirklich einmal ein Abbiegen von diesem Wege, so verließ er gleichzeitig die Grenzen des guten Geschmacks und der Schicklichkeit. Als die Wissenschaften nach langem Schlummer wiederauflebten, riefen Europas Geist, eine jugendkräftige Phantasie, nationaler Wetteifer, eine neue Religion, neue Sprachen, eine neue Welt. Aber die Provinzbewohner Roms, die eine einheitliche, gekünstelte und ihnen fremde Erziehung erhalten hatten, befanden sich in einem höchst ungleichen Wettbewerb mit jenen kühnen Alten, welche dadurch, dass sie ihre ureigensten Gefühle in ihrer Muttersprache ausdrückten, bereits jeden Ehrenplatz besetzt hielten. Der Name Dichter war bereits vergessen; den Namen eines Redners beanspruchten die Sophisten für sich. Eine Wolke von Kritikern, Kompilatoren und Kommentatoren verdunkelten das Antlitz der Wissenschaften, und auf den Untergang des Geistes folgte bald die Verderbtheit des Geschmacks.

 

AUSBLICK

Der erhabene Longinus, der in einer etwas späteren Periode und am Hofe einer syrischen Königin den Geist Athens zu bewahren suchte, bemerkt und beweint diese Entartung seiner Zeitgenossen, die ihnen die Gesinnung verdarb, den Mut benahm und ihre Talente unterdrückte. ›In gleicher Weise‹, so schreibt er, ›wie einige Kinder für immer zwergwüchsig bleiben, wenn man ihnen die kindlichen Glieder zu fest eingeschnürt hat, so ist auch unser empfindlicher Geist unfähig sich zu entfalten, da er durch Befangenheit und Gewohnheit in einer selbstverschuldeten Sklaverei gefesselt ist, und er ist unfähig, jene harmonische Größe zu erreichen, welche wir an den Alten so bewundern, die in einer Demokratie lebten und mit derselben Freiheit schrieben, mit der sie auch handelten.‹ Longinus, de Sublim, c 43: Auch hier nun können wir Longinus entgegenhalten: ›Sein eigenes Vorbild macht seine Regeln glaubwürdiger.‹ Statt seine Gedanken mit Kühnheit auszusprechen, haucht er sie nur mit zärtlichster Scheu, legt sie einem Freund in den Mund und – soweit wir dem verderbten Text entnehmen können – brilliert förmlich bei ihrer Widerlegung. Diese verkleinerte Ausgabe des Menschengeschlechtes, um im Bilde zu bleiben, entfernte sich täglich weiter unter die alten Maßstäbe, und die römische Welt war in der Tat bevölkert von einer Pygmäenrasse, bis dann die furchtbaren Riesen aus dem Norden einbrachen und dadurch dem Zwergengeschlecht wieder aufhalfen. Sie stellten den mannbaren Geist der Freiheit wieder her, und diese Freiheit wurde nach Ablauf von zehn Jahrhunderten die glückliche Mutter der Künste und der Wissenschaften.


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