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III

VERFASSUNG DES RÖMISCHEN IMPERIUMS IM ZEITALTER DER ANTONINE · DIE HERRSCHER VON AUGUSTUS BIS DOMITIAN

 

BEGRIFF DER MONARCHIE AUGUSTUS

Die nächstliegende Definition einer Monarchie ist die eines Staates, in welcher eine Einzelperson, durch welche Betitelung auch immer vor anderen ausgezeichnet, betraut ist mit dem Erlass von Gesetzen, der Verwaltung des Steuerwesens und dem Oberbefehl über die Armee. Wenn aber die öffentliche Freiheit nicht durch mutige und aufmerksame Hüter geschützt wird, dann wird die Stellung eines so mächtigen Amtsinhabers rasch zu Despotismus ausarten. Im Zeitalter des Aberglaubens könnte der Einfluss der Kirche mit Gewinn zur Verteidigung der Menschenrechte eingreifen; indessen war das Band zwischen Thron und Altar seit jeher so innig geflochten, dass das Banner der Klerisei nur sehr selten auf Seiten der Freiheit gesichtet ward. Ein kampfbereiter Adel und unbeugsame Gemeine, mit Waffen wohl versehen, auf ihren Besitz eifersüchtig und in verfassungsgemäßen Versammlungen vereint: dies ist das einzige Gegengewicht, welches die Freiheit der Verfassung gegen die Anschläge eines ehrgeizigen Fürsten in die Schale werfen kann.

Der ausufernde Ehrgeiz Caesars hatte jedes von der Verfassung vorgesehene Hindernis beseitigt. Jede Einengung hatten die grausamen Triumvirn aufgehoben. Nach dem Sieg bei Actium hing das Schicksal der römischen Welt vom alleinigen Willen des Octavian ab, welcher infolge seiner Adoption durch seinen Onkel den Namen Caesar und danach infolge senatorischer Kriecherei den Beinamen Augustus erhalten hatte. Der Eroberer stand an der Spitze von vierundvierzig Legionen bewährter Krieger, Orosius 6,18 die sich ihrer eigenen Stärke ebenso bewusst waren wie der Schwäche der Verfassung; denen nach zwanzig Jahren Bürgerkrieg keine Blut- und Gewalttat mehr fremd war; und die dem Hause Caesars mit Leidenschaft ergeben waren, da sie von hier die großzügigsten Belohnungen erhalten hatten und auch fernerhin erwarten durften. Die Provinzen, die so lange durch die Statthalter der Republik ausgeplündert worden waren, seufzten nach der Herrschaft eines Einzelnen, welcher dann der Herr und nicht der Komplize dieser Kleintyrannen sein würde. Die Bevölkerung Roms, die mit heimlichem Behagen der Demütigung der Aristokratie zusah, verlangte nach Brot und Spielen und erhielt aus der freigebigen Hand des Augustus beides. Die wohlhabenden und wohlgebildeten Italiener, die sich fast alle die Philosophie Epikurs angeeignet hatten, freuten sich an dem gegenwärtigen Zustand der Ruhe und Ordnung und litten es nicht, dass ihr schöner Traum durch die Erinnerung an die vergangene unruhige Freiheit aufgestört werde. Der Senat hatte zugleich mit seiner Macht auch seine Würde eingebüßt: viele der angesehensten Familien waren ausgelöscht. Republikaner von Mut und Talent hatten entweder auf den Schlachtfeldern oder während der Proskriptionen ihr Leben verloren. Das Tor zum Senat war geflissentlich aufgetan für eine heterogene Menge von mehr als tausend Personen, welche ihrer Stellung Unehre machten, als dass sie Ansehen aus ihr gezogen hätten. Iulius Caesar ließ Soldaten, Ausländer und Halb-Barbaren in den Senat (Sueton, Caesar c. 77, 80). Dieser Missbrauch wurde nach seinem Tode noch skandalöser.

 

SENATSREFORM

Die Reform des Senates war die erste Maßnahme, mit der Augustus den Tyrannen verleugnete und sich als Vater des Vaterlandes zu erkennen gab. Er wurde zum Censor gewählt; in Absprache mit seinem Getreuen Agrippa überprüfte er die Senatorenliste, warf einige seiner Mitglieder hinaus, da deren Verbrechen oder Starrsinn ein öffentliches Exempel erheischten, legte mehr als zweihundert von ihnen nahe, der Schande der Verstoßung durch freiwilligen Rücktritt zuvor zu kommen, erhöhte den Vermögenszensus von Senatoren auf etwa zehntausend Pfund Sterling, stiftete eine ausreichende Zahl Patrizierfamilien und nahm für sich selbst den Ehrentitel Fürst [ princeps] des Senates an, welcher sonst von den Censoren dem durch Ehren und Verdienste hervorragendsten Bürger verliehen wurde. Cassius Dio, 53, 42; Sueton, Augustus c. 35. Aber indem er so die Würde des Senats wieder herstellte, zerstörte er dessen Unabhängigkeit. Die Grundlagen einer freien Verfassung gehen unwiderruflich verloren, sobald die Regierung die gesetzgebende Gewalt ernennt.

 

LÄSST SICH SEINE ANGEMASSTE MACHT BESTÄTIGEN

Vor einer solchermaßen besetzten und eingestimmten Versammlung hielt Augustus nun eine wohlvorbereitete Rede, welche seinen Patriotismus offen legte und seine eigentlichen Absichten verschleierte. ›Er beseufzte, ja entschuldigte seine früheren Aufführungen. Kindliche Anhänglichkeit hatte ihm die Rache an seines Vaters Mördern abverlangt; seine eigene, zutiefst humane Natur sei zuweilen vor den unerbittlichen Gesetzen der Notwendigkeit zurückgeschaudert, aber auch zu einer erzwungenen Verbindung mit zwei Unwürdigen vermocht worden: solange Antonius [Mark Anton] noch am Leben gewesen war, habe ihm die Republik untersagt, sie einem heruntergekommenen Römer und einer Barbarenkönigin [Kleopatra] auszuliefern. Nun aber sei er frei, seinen Pflichten wie Neigungen zu folgen. Er setze den Senat und das Volk feierlich in deren althergebrachte Gerechtsame wieder ein; und wünsche nichts weiter, als sich unter seine Mitbürger zu mischen und so ebenfalls an den Segnungen teilzuhaben, die er seinem Lande gestiftet habe. Cassius Dio (53,3) übermittelt uns bei dieser großen Gelegenheit eine weitschweifige und bombastische Rede. Ich habe mir von Tacitus und Sueton nur den allgemeinen Tenor der Rede des Augustus ausgeliehen.

 

ERHÄLT DIE TITEL IMPERATOR ODER GENERAL

Es würde die Feder eines Tacitus erfordern (wenn Tacitus denn dieser Versammlung beigewohnt hätte), um die unterschiedlichen Gemütsbewegungen des Senates zu beschreiben: die, welche unterdrückt wurden ebenso wie die, die erheuchelt waren. Es war gefährlich, der Aufrichtigkeit des Augustus zu trauen, sich aber den Anschein zu geben, dass man ihr misstraue, möglicherweise noch gefährlicher. Die jeweiligen Vorzüge von Republik und Monarchie haben schon immer die Staatstheoretiker entzweit; die gegenwärtige Größe Roms, die Verderbnis der Sitten, die Zügellosigkeit der Soldaten gaben den Befürwortern der Monarchie neue Argumente an die Hand; und die Besorgnisse und Hoffnungen jedes einzelnen drehten sich diese allgemeinen Ansichten über die Regierung jeweils zurecht. Trotz der Erschütterung der Gefühle war des Senates Antwort einmütig und bestimmt. Sie weigerten sich, den Rücktritt des Augustus anzunehmen; sie beschworen ihn, die Republik, die er errettet habe, jetzt nicht im Stiche zu lassen. Nachdem sich der Tyrann in kalkulierter Schicklichkeit noch etwas geziert hatte, unterwarf er sich den Weisungen des Senats, willigte ein, die Verwaltung der Provinzen sowie den Oberbefehl über die Armee zu übernehmen, und zwar unter dem wohlbekannten Namen eines PROCONSULS und IMPERATORS. Imperator (aus dem sich auch das engl. Emperor herleitet) bezeichnete in der Republik nichts anderes als einen General, und dieser Titel wurde von den Soldaten verliehen, wenn sie auf dem Schlachtfeld ihren Feldherrn dieser Bezeichnung für wert hielten. Als die römischen Kaiser sich den Titel Imperator im diesem Sinne zulegten, setzten sie ihn nach ihrem eigentlichen Namen und merkten gleichzeitig an, wie oft sie ihn erhalten hatten. Allerdings wolle er sie nur auf zehn Jahre wahrnehmen. Er hoffe, dass noch vor Ablauf dieses Zeitraumes die Wunden des Bürgerkrieges vernarbt seien und die Republik, zu ihrer alten Kraft und Gesundheit wiedererstanden, nicht länger einer so gefährlichen Zwischenlösung wie dieser allmächtigen Magistratur bedürfe. – Das Andenken an diese Groteske, die zu Augustus Lebzeiten mehrfach neu inszeniert wurde, kultivierte man bis in die späten Tage des Imperiums mit Hilfe der besonderen Aufwendungen, mit denen die lebenslänglichen Monarchen Roms stets ihr zehnjähriges Regierungsjubiläum zu zelebrieren pflegten. Cassius Dio, 53, 11.

 

DIE MACHT DER RÖMISCHEN FELDHERREN

Die Feldherren der römischen Armeen konnten, ohne dabei die Verfassung zu verletzen, eine fast unbegrenzte Macht über die Soldaten, die Feinde und die Untertanen der Republik ausüben. Was nun die Soldaten betrifft, so hatten sie ihren Freiheitssinn bereits in der Frühzeit der Republik der Hoffnung auf Eroberungen und der rechverstandenen Einsicht in militärische Disziplin Platz nachgeordnet. Der Diktator oder Konsul hatte nicht nur das Recht, die Dienste der römischen Jugend einzufordern, sondern Ungehorsam infolge von Starrsinn oder Feigheit mit den schwersten und schmählichsten Strafen zu ahnden: er konnte den Täter aus der Bürgerliste streichen, sein Eigentum beschlagnahmen und ihn sogar in die Sklaverei verkaufen. Livius, Epitome zu Buch 14 (c 27); Valerius Maximus,6,3. Die heiligsten Freiheitsrechte, die in den porcischen und sempronischen Gesetzen niedergelegt waren, wurden für die Dauer der Militärzeit außer Kraft gesetzt. In seinem Lager übte ein General unumschränkte Macht über Leben und Tod aus; seine Jurisdiktion brauchte keine Verfahrens- oder Rechtsformen zu beobachten, und die Vollstreckung des Urteils geschah sofort und ohne Möglichkeit zur Berufung. Vergleiche etwa Livius,8. Buch, der Oberbefehl des Manlius Torquatus und Papirius Cursor. Sie verletzten jedes Natur- und Menschengesetz, aber vertraten die Normen der militärischen Disziplin; und diejenigen, die sich vor dieser Handlung entsetzten, waren gleichwohl genötigt, das Prinzip zu achten.

Die gesetzgebende Gewalt befand regelmäßig darüber, wer als Feind des römischen Volkes zu gelten habe. Die hochwichtigen Entscheidungen über Frieden und Krieg wurden vom Senat ernsthaft debattiert und vom Volk feierlich bestätigt. Wenn aber die Legionen in großer Entfernung von der Heimat standen, nahmen sich die Generäle die Freiheit, sie gegen welchen Feind und in welcher Weise auch immer einzusetzen, so, wie es ihnen für den Dienst an der Öffentlichkeit am angemessensten erschien. Triumphe hatten sie vom Erfolg ihrer Unternehmungen zu erwarten, nicht von deren Berechtigung. Im Verfolg ihres Sieges, zumal wenn ihnen kein Senatsbevollmächtigter mehr auf die Finger sah, übten sie sich im ungezwungensten Despotismus. Als Pompeius im Osten stand, belohnte er seine Soldaten und die Alliierten nach Belieben, setzte Herrscher ab, teilte Königreiche, gründete Kolonien und verteilte die Schätze des Mithradates. Alle diese Maßnahmen wurden nach seiner Rückkehr durch einen einzigen Senats- und Volksbeschluss gutgeheißen. Infolge von recht großzügigen Volksbeschlüssen hatte Pompeius eine militärische Macht angehäuft, die der des Augustus kaum nachstand. Unter die besonders erwähnenswerten seiner Taten sollten wir die Gründung von neunundzwanzig Städten zählen sowie die Verteilung von drei -oder vier Millionen Pfund Sterling unter seine Soldaten. Die Billigung seiner Maßnahmen im Senat stieß allerdings auf einigen Widerspruch. Siehe Plutarch, Appian, Cassius Dio und das 1. Buch der Atticusbriefe [Ciceros]. So stand es um die den Generälen der Republik entweder überantwortete oder von ihnen angemaßte Macht über die Soldaten und über die Feinde Roms. Sie waren zugleich die Verwalter, oder besser Könige der eroberten Provinzen, vereinigten in sich zivilen und militärischen Rang, verwalteten Rechts- und Finanzangelegenheiten und übten zugleich oberste exekutive und legislative Gewalt des Staates aus.

 

VERTRETER DES KAISERS

Aus dem im ersten Kapitel Dargestellten lassen sich Nachrichten gewinnen über die Armeen und Provinzen, die nun in Augustus' Hände gelegt waren. Da es aber unmöglich war, so viele Legionen an so vielen entfernten Grenzen in Person zu befehligen, gewährte der Senat ihm, wie übrigens früher schon Pompeius, sein umfangreiches Amt auf ausreichend viele Stellvertreter zu übertragen. An Rang und Befugnissen waren diese Offiziere den früheren Proconsuln durchaus vergleichbar, aber ihre Stellung war unselbständig und ungesichert. Sie verdankten ihre Ernennung ja dem Willen eines Höheren, und der Erfolg ihrer Handlungen wurde von Gesetzes wegen seinen Auspizien zugeschrieben. In der Zeit der Republik konnte ein Triumph nur dann von einem General beansprucht werden, wenn er Vollmacht besaß, im Namen des Volkes die Auspizien einzuholen. In der letzten Konsequenz, die sich aus diesen religiösen und politischen Vorgaben ergab, war ein Triumphzug also dem Kaiser vorbehalten, während seine erfolgreichsten Unterfeldherren sich mit Ornamenten zufrieden geben mussten, welche man eigens für sie ausgedacht hatte. Sie waren die eigentlichen Repräsentanten des Kaisers. Der Kaiser alleine war der Feldherr der Republik, und auch seine Rechtsprechung erstreckte sich auf das gesamte eroberte Gebiet. Indessen bemerkte der Senat mit einiger Genugtuung, dass der Kaiser seine Macht stets den Mitgliedern ihrer Körperschaft auslieh. Die kaiserlichen Statthalter waren von prätorianischem oder konsularischem Rang; die Legionen wurden von Senatoren befehligt, und nur die Präfektur Ägyptens war die einzige Stellung von Bedeutung, die einem Ritter anvertraut wurde.

Sechs Tage, nachdem Augustus sich die Annahme eines so großherzigen Geschenkes hatte abschmeicheln lassen, entschloss er sich, dem Stolz des Senats ein Bauernopfer zu bringen. Er legte ihnen dar, dass sie seine Macht vergrößert hätten, mehr, als es die betrübliche Zeitläufte gegebenenfalls erfordern mochten. Sie hätten es ihm verwehrt, den strapaziösen Oberbefehl über die Armeen und die Grenzlande auszuschlagen; indessen müsse er darauf insistieren, wenigstens in den friedlicheren und gesicherten Provinzen die mildere Verwaltungstätigkeit in die Hände ziviler Magistrate zu legen.

Durch diese Teilung der Provinzen trug Augustus in gleicher Weise für seine eigene Macht Sorge wie auch für die Würde der Republik. Die Prokonsuln des Senats, insbesondere die Asiens, Griechenlands und Afrikas genossen eines höheren Ansehens als die Statthalter des Kaisers, welche in Gallien oder Syrien residierten. Erstere wurden durch Lictoren geleitet, letztere durch Soldaten. Ein Gesetz verfügte, dass, wo immer der Kaiser sich persönlich aufhalte, er aufgrund seiner außerordentlichen Vollmachten die übliche Jurisdiktion des Statthalters außer Kraft setzen könne; die Praxis kam auf, alle Neueroberungen dem Kaiser zufallen zu lassen; und bald ward ersichtlich, dass die Macht des princeps, – dies des Augustus Lieblings-Epitheton – in jedem Teil des Reichs die gleiche war.

 

WEITERE KAISERLICHE EHRENSTELLUNGEN UND VORRECHTE

Als Gegenleistung für dieses Scheinzugeständnis erhielt Augustus ein wichtiges Privileg, welches ihn zum eigentlichen Herrscher Roms und Italiens machte. Er wurde ermächtigt, den militärischen Oberbefehl und darüber hinaus eine Anzahl Leibwachen, auch in Friedenszeiten und im Herzen der Hauptstadt zu führen, welche Maßregel eine gefährliches Abweichen von einem bewährten Prinzip bedeutete. Seine Befehlsgewalt erstreckte sich zwar nur auf die Bürger, die durch ihren militärischen Eid zum Dienst verpflichtet waren; aber der Hang der Römer zur Knechtschaft war bereits so mächtig, dass Magistrate, Senat und Ritterschaft aus eigenem Antrieb diesen Eid leisteten, bis sich dieses Gemenge aus Artigkeit und Schmeichelei allmählich zu einer festlichen jährlichen Treueverpflichtung umgestaltet hatte.

 

BEFUGNISSE VON KONSULN UND VOLKSTRIBUNEN

Augustus sah in militärischer Befehlsgewalt zwar die wichtigste Grundlage seiner Macht; aber klüglich verwarf es als ein denn doch sehr hässliches Instrument des Regierens. Es stimmte mehr zu seiner Gemütsverfassung wie auch zu seiner Politik, unter dem ehrbaren Namen der alten Magistrate zu regieren und in seiner Person geschickt die vereinzelten Fäden der bürgerlichen Zivilgewalt zusammenzufassen. In dieser Absicht gestattete er dem Senat, ihm lebenslänglich die konsularische und tribunizische Cicero (de legibus 3,3) gibt dem Konsulat den Namen Regia potestas [königliche Machtbefugnis]; und Polybius (6,3) entdeckt drei Machtpositionen in der römischen Verfassung: Die monarchische wurde durch die Konsuln verkörpert und ausgeübt. Da die tribunizische Gewalt (etwas anderes als das Jahresamt des Volkstribunen) zuerst für den Diktator Caesar konstruiert wurde, können wir leicht erraten, dass dies aus Dankbarkeit geschah dafür, dass er die heiligen Gerechtsame der Tribune und des Volkes mit dem Schwert verteidigt habe.( Dazu sein eigener Kommentar in Caesar, de Bell. Civ. 1. Buch). Gewalt zu übertragen, was von allen seinen Nachfolgern in gleicher Weise fortgesetzt wurde.

Die Konsuln waren die Rechtsnachfolger der Könige, und verkörperten die Würde des Staates. Sie führten Aufsicht über religiöse Zeremonien, hoben Legionen aus, befehligten sie, erteilten ausländischen Gesandten Audienz und führten bei den Senats- und Volksversammlungen den Vorsitz. Die Kontrolle des Finanzwesens lag in ihren Händen, und obgleich sie selten die Muße hatten, die Justiz persönlich zu beaufsichtigen, galten sie als oberste Hüter des Rechts, der Gerechtigkeit und des öffentlichen Friedens. Dies war im Regelfall ihre Machtstellung; wenn jedoch der Senat dem obersten Beamten Vollmacht gab, die Sicherheit des Gemeinwesens zu besorgen, so wurde er durch diesen Erlass noch über das Gesetz gestellt und übte, während er die Freiheit verteidigte, zeitweilig despotische Augustus übte das Konsulat neun Jahre ohne Unterbrechung aus. Dann weigerte er sich mit kunstreicher Berechnung, dieses Amt wie auch die Diktatur zu übernehmen, entfernte sich aus Rom und wartete, bis die unausbleiblichen Wirkungen des Parteienhaders den Senat nötigten, ihm das immerwährende Konsulat anzudienen. Augustus wie auch seine Nachfolger waren indessen bestrebt, eine so ominöse Titulatur zu vertuschen. Gewalt aus.

Das Amt eines Tribunen war in jeder Hinsicht von dem der Konsuln verschieden. Das äußere Erscheinungsbild der ersteren war bescheiden und schlicht, aber ihre Person war geheiligt und unverletzlich. Ihre Stärke war der Widerstand, nicht das aktive politische Handeln. Sie waren eingesetzt, um den Unterdrückten beizuspringen, um Vergehen zu verzeihen, um die Feinde des Volkes anzuklagen, und gegebenenfalls mit einem einzigen Wort die ganze Regierungsmaschinerie zum Stillstand zu bringen. Solange die Republik noch lebte, war den gefährlichen Möglichkeiten, die ein Konsul bzw. Tribun sich aus seinen jeweiligen Amtsbefugnissen hätten ableiten können, durch verschiedene Gesetze Grenzen gezogen. Ihre Macht endete zugleich mit dem Jahr, für das sie gewählt waren; das Amt des Konsuls war unter zwei, das der Tribunen unter zehn Personen aufgeteilt; und da sie sich in ihren privaten wie politischen Interessen oftmals feindlich begegneten, trugen ihre gegenseitigen Kontroversen eher dazu bei, der Machtbalance der Verfassung Bestand zu verleihen als ihr Eintrag zu tun. Nachdem aber konsularische und tribunizische Machtbefugnisse in einer einzigen Person, noch dazu auf Lebenszeit, vereinigt waren, nachdem der Oberbefehlshaber der Armee gleichzeitig Oberhaupt des Senates und Stellvertreter für das römische Volk geworden war, da war es nachgerade unmöglich geworden, der Ausübung dieser kaiserlichen Macht zu widerstehen, wie es schwierig war, wenigstens ihre Grenzen zu bestimmen.

 

IMPERIALE PRÄROGATIVE

Dieser Ansammlung von Ehrenstellen fügte die Politik des Augustus bald auch noch die glänzenden und einflussreichen Würden eines Pontifex maximus und eines Zensors hinzu. Durch das erste Amt erlangte er Einfluss auf die Religionsausübung, durch das andere die gesetzliche Aufsicht über Sitte und Vermögen der römischen Bürger. Wenn diese vielen verschiedenen und selbständigen Vollmachten auch nicht immer peinlich genau miteinander harmonieren mochten, so fand sich doch der Herzenseifer des Senats stets vorbereitet, jedwedem kaiserlichem Bedürfnis durch umfänglichste und außerordentlichste Zugeständnisse abzuhelfen. Die Kaiser als die ersten Beamten der Republik waren von den Verpflichtungen und Strafandrohungen vieler lästiger Gesetze befreit: sie durften den Senat einberufen, an ein und demselben Tage mehrere Gesetzesvorschläge einbringen, Kandidaten für Staatsehren empfehlen, die Grenzen der Stadt ausdehnen, Krieg und Frieden erklären, Verträge abschließen; und endlich waren sie aufgrund einer umfassenden Blankovollmacht berechtigt, alles das zu tun, was nach ihrem Befinden des Reiches Bestes mehren und was sie seiner Würde, in öffentlichen oder privaten, menschlichen oder göttlichen Angelegenheiten, zuträglich finden würden. Hierzu existiert ein Fragment eines Senatsbeschlusses, das dem Kaiser Vespasian alle Vollmachten überträgt, welche schon seine Vorgänger besessen hatten. Dieses seltene und bedeutsame Dokument findet sich in Gruters Inscriptiones 242.

 

DIE MAGISTRATE

Während so alle Exekutivgewalt in kaiserliche Hände gelegt war, siechten die eigentlichen Magistrate der Republik in Bedeutungslosigkeit dahin, ohne Einfluss, beinahe sogar ohne eigentliche Aufgaben. Namen und Form der überlieferten Verwaltung hatte Augustus mit der peinlichsten Sorgfalt beibehalten. Die Konsuln, Prätoren und Tribunen Zwei Konsuln wurden an den Kalenden des Januar inauguriert; aber im Laufe des Jahres wurden andere an ihre Stelle gesetzt, bis sich ihre jährliche Zahl auf nicht weniger als 12 erhöht hatte. Prätoren gab es für gewöhnlich 16 bis 18. (Lipsius, Exkurs D zu Tacitus Annalen Buch 1). Die Ädilen und Quästoren habe ich nicht erwähnt. Polizei- oder Finanzbeamten passen sich jedweder Regierungsform mit der gebotenen Geschmeidigkeit an. Noch zu Neros Zeit besaßen die Tribunen das Vetorecht, obwohl die Wahrnehmung dieses Rechtes gefährlich gewesen sein dürfte (Tac. Ann. 16,26). Für die Zeit des Trajan lässt sich nicht mit Bestimmtheit angeben, ob Tribun ein Amt oder nur noch ein Name war (Plinius, Epist. 1,23). wurden in üblicher Zahl jährlich mit ihren jeweiligen Amtsinsignien ausgestattet und fuhren fort, wenigstens die unwichtigsten ihrer Aufgaben zu verrichten. Diese Ehrenstellen verlockten immer noch den leeren Ehrgeiz vieler Römer; auch die Kaiser selbst, die doch auf Lebenszeit mit konsularischen Würden bekleidet waren, bewarben sich des Öfteren um diese Jahres-Ehre, welche dann mit den erlauchtesten ihrer Mitbürger zu teilen sie gnädigst geruhten. Die Tyrannen gierten nach den Konsulat, während die rechtschaffenen Herrscher sich hierin maßvoll zeigten und das Amt redlich ausübten. Trajan rief sogar den alten Amtseid ins Leben und schwor vor dem konsularischen Tribunal, dass er die Gesetzte einhalten würde (Plinius, Paneg. 64). Während der Wahlen zu diesen Ämtern durfte das Volk in Augustus' Regierungszeit ungebärdige Demokratie inszenieren. Dieser fintenreiche Herrscher warb in Demut um Stimmen für sich oder seine Freunde und erfüllte gewissenhaft alle Obliegenheiten eines ganz gewöhnlichen Kandidaten, Quoties magistratuum comitiis interesset, tribus cum candidatibus suis circuibat; supplicabatque more solemni. Ferebat et ipse suffragium in tribu, ut unus e populo [Bei jeder Beamtenwahl, der er beiwohnte, ging er mit seinen Kandidaten in den Wahlbezirken umher und bat nach altem Brauch um die Stimmen. Auch gab er, wie nur einer aus der Masse des Volkes, seine Stimme ab|. Sueton, Augustus 56) und dieses alles ohne die geringsten Anzeichen von Unmut. Die erste Maßnahme der nächsten Regierung bestand darin, die Konsulwahlen dem Senat zu übertragen, Tum primum comitia e campo ad patres translata sunt [Damals wurden zum ersten Male die Beamtenwahlen vom Marsfeld in den Senat verlegt]. Tacitus, Annalen 1,15. Das Wort ›primum‹ ist wohl eine Anspielung auf einige dürftige und glücklose Anläufe, sie dem Volk wiederzugeben. und wir dürfen getrost wagen, dies seinen Einflüsterungen zuzuschreiben. Volksversammlungen wurden für alle Zeiten abgeschafft, und die Kaiser hatten sich dadurch einer unberechenbaren Masse entledigt, die, ohne die Freiheit eigentlich wiederherzustellen, die bestehende Regierung hätte zumindest ärgern, ja gefährden können.

 

DER SENAT DAS KAISERLICHE SYSTEM

Indem sie sich zu Beschützern ihres Volkes erklärten, untergruben Marius und Cäsar die Verfassung ihres Landes. Aber sobald der Senat gedemütigt und entwaffnet war, fand man heraus, dass solch eine Versammlung von fünf- bis sechshundert Personen ein Instrument der Herrschaft war, viel formbarer und nützlicher als jenes. Auf eben der Würde des Senates begründeten Augustus und seine Nachfolger ihr neues Herrschaftssystem; und bei jeder Gelegenheit gaben sie sich das Ansehen, die Sprache und Grundsätze dieser Patrizier sich anzueignen. In Ausübung ihrer eigenen Macht konsultierten sie öfters den hohen Nationalrat, und es hatte den Anschein, dass sie seiner Entscheidung die wichtigsten Friedens- und Kriegsangelegenheiten anheim stellten. Rom, Italien und die inneren Provinzen waren der unmittelbaren Jurisdiktion des Senats unterstellt. In Zivilsachen war er die letzte Instanz; in Kriminalsachen war er derjenige Gerichtshof, der alle Verbrechen verhandelte, welche entweder von Inhabern eines öffentlichen Amtes begangen worden waren oder welche den Frieden und die Majestät des Römischen Volkes verletzten. Die Rechtsprechung war die häufigste und ernsthafteste Beschäftigung des Senates überhaupt, und wenn wichtige Fälle vor ihm verhandelt wurden, so war auch dem Geiste der alten Beredsamkeit eine letzte Wirkungsstätte eröffnet. Der Senat hatte als Staatsrat und Gerichtshof beträchtliche Prärogative; aber auch in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber, in welcher der Senat als eigentlicher Vertreter des Volkes angesehen wurde, erkannte man die dieser Versammlung eigenen Souveränitätsrechte an. Jede Gewalt ging von ihnen aus, jedes Gesetz unterlag ihrer Sanktion. Ihre turnusmäßigen Versammlungen fanden dreimal im Monat statt, an den Kalenden, den Nonen und den Iden. Ihre Debatten wurden in schicklicher Freiheit geführt, und die Kaiser selbst, die sich selbstbewusst mit dem Senatorentitel schmückten, saßen dabei und waren unter ihresgleichen.

 

DIE DEM KAISERLICHEN SYSTEM ZUGRUNDE LIEGENDE IDEE

Um das Regierungssystem in wenigen Worten zusammenzufassen, welches von Augustus geschaffen war und welches diejenigen Herrscher beibehielten, welche auf ihr eigenes Wohl und das des Volkes bedacht sein wollten: es war eine absolute Monarchie in der Maske der Republik. Die Meister der römischen Welt umhüllten ihren Thron mit Dunkel, verschleierten ihre unbeschränkte Macht und bekannten sich als die gehorsamen Diener eines Senates, deren unabhängige Beschlüsse sie diktierten und befolgten Cassius Dio, 53,12-18, hat das imperiale Regierungssystem nur lückenhaft und unausgewogen skizziert. Um seine Darstellung zu veranschaulichen und – oftmals – zu korrigieren, habe ich über Tacitus gegrübelt, Sueton durchforstet und die folgenden modernen Autoren konsultiert: Abbé Bleterie in den Memoires de l'Academie des Inscriptions, Band 19, 21, 24, 25 und 27; Beaufort Republique Romaine, Band 1, p. 255-275 die Untersuchungen von Noodt und Gronovius, de lege Regia; gedruckt zu Leyden i, Jahre 1731. Gravina de Imperio Romano, p. 479-544 seiner kleineren Schriften. Maffei, Verona Illustrata, Band 1, p. 245ff.

 

HOFHALTUNG APOTHEOSE

Das Erscheinungsbild des Hofes stimmte zu diesen Formen der Verwaltung. Mit Ausnahme der Kaiser, deren intermittierendes Irresein alle Gesetze der Natur und des Anstands beleidigten, verschmähten die Herrscher jeden Pomp und zeremoniellen Aufwand, der ihren Mitbürgern missfallen, ihre eigentliche Macht aber nicht vergrößert hätte. In den Dingen des täglichen Lebens machten sie sich mit ihren Untertanen gemein und pflegten bei Besuchen und Gastmählern mit ihnen Umgangs von gleich zu gleich. Ihr Aufzug, ihr Palast, ihre Tafel glichen dem eines wohlhabenden Senators; ihr Hofstaat, wie groß und glänzend er auch sein mochte, bestand fast gänzlich aus ihren Haussklaven oder Freigelassenen. Ein schwacher Herrscher wird immer von seinen Hausdienern beherrscht. Die Macht von Sklaven vergrößerte Roms Schande noch; und der Senat umschwänzelte sogar einen Pallas und Narcissus, Freigelassene Neros. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass wenigstens in heutiger Zeit ein Günstling auch ein Gentleman ist. Augustus und Trajan wären darüber errötet, sich der geringsten der freien Römer bei solchen Hofämtern zu versehen, die heutzutage am Hofe und im Schlafraum eines konstitutionellen Monarchen auszuüben sich die Edelsten Britanniens so sehr angelegen sein lassen.

 

APOTHEOSE

Die Vergöttlichung der Kaiser Abhandlung des Vandale de Consecratione Principum. Es wäre mir leichter gefallen, die Belegstellen dieses gelehrten Holländers abzuschreiben als sie zu überprüfen – was ich getan habe. ist der einzige Punkt, in denen sie ihre gewohnte Besonnenheit und Bescheidenheit aufgaben. Die Griechen Asiens waren die ersten Erfinder und die Nachkommen Alexanders die ersten Objekte dieser knechtischen und gottlosen Kriecherei. Widerstandslos wurde sie von den Königen auf die Statthalter Asiens übertragen; und die römischen Regierungsbeamten wurden oftmals als Provinzialgottheiten, mit Altar und Tempel, Festen und Opfern verehrt. Abhandlung des Abbé Mongault im ersten Band der Academy of Inscriptions. Und so durften die Herrscher naturgemäß nicht das zurückweisen, was man ihren Prokonsuln angetragen hatte. Die göttliche Verehrung indessen, welche diese wie jene aus den Provinzen empfingen, ist eher für den Despotismus als die Knechtschaft Roms kennzeichnend. Bald aber taten die Eroberer es den Eroberten in der Kunst des Schmeichelns gleich, und nur zu leicht fand sich der herrschsüchtige Geist des ersten Cäsar darein, bereits zu Lebzeiten einen Platz unter Roms Schutzgottheiten einzunehmen. Das zurückhaltende Gemüt seines Nachkommen wies eine so heikle Ehrung zurück, welche später denn auch nur der Wahnsinn Caligulas und Domitians erneuerte. Zwar gestattete Augustus einigen Provinzstädten die Errichtung von Tempeln zu seinen Ehren unter der Bedingung, dass sie die Verehrung Roms mit der des Herrschers vereinigten; auch ließ er privaten Aberglauben zu, dessen Objekt Jurandasque tuum per nomen ponimas aras [wir errichten Altäre und schwören an ihnen bei deiner Gottheit], sagt Horaz zum Herrscher selbst, und Horaz kannte die Gepflogenheiten bei Hofe genau]. er denn sein mochte; er selbst aber war's zufrieden, wenn ihn der Senat und das Volk in seiner Eigenschaft als Mensch verehrten, und weislich überließ er die Sorge um seine öffentliche Gottwerdung seinem Nachfolger. Es wurde regelrechter Brauch, dass jeder Herrscher, der nicht wie ein Tyrann gelebt hatte oder wie ein solcher gestorben war, nach seinem Tode durch feierlichen Senatsbeschluss unter die Zahl der Götter eingereiht wurde; und so wurden die Zeremonien seiner Apotheose mit denen seines Leichenbegängnisses durchmengt. Diese ebenso gesetzeskonforme wie unkluge, nach unseren strengeren Maßstäben schauderhafte Profanisierung wurde von der biegsamen Natur des Polytheismus mit kraftlosem Murren Vgl. Cicero, Philippica 1,6 und Iulian in Cäsaribus, Inque Deum templis iurabit Roma per umbras, [und in den Tempeln wird Rom noch bei den Schatten schwören] so Lucans indignierte Anmerkung; aber sie erfolgt eher aus patriotischer als aus religiöser Empörung. aufgenommen, galt aber eher als politische denn als religiöse Einrichtung. Wir würden den Tugenden der Antonine Schmach antun, wenn wir zwischen ihnen und den Lastern eines Herkules oder Jupiter Vergleiche anstellen würden. Sogar die Charaktere eines Cäsar oder Augustus waren wesentlich achtbarer als die der populären Gottheiten. Aber es war das Missgeschick der erstgenannten, dass sie in einem aufgeklärtem Zeitalter lebten und ihre Taten zu genau aufgezeichnet waren, als dass sie Stoff für jene Mischung aus Fabel und Mysterium hätten abgeben können, welche die Menge für ihre Andacht benötigt. Sobald sie von Gesetzes wegen Göttlichkeit erhalten hatten, war diese auch schon wieder vergessen und mehrte so weder ihren eigenen Ruhm noch die Würde ihrer Nachfolger.

 

DER TITEL AUGUSTUS UND DER NAME CAESAR

Bei unserer Betrachtung der kaiserlichen Regierung haben wir öfters schon ihren durchtriebenen Begründer erwähnt, und zwar unter seinem wohlbekannten Titel Augustus, welcher ihm allerdings erst dann verliehen wurde, als er sein Gebäude fast vollendet hatte. Sein obskurer Name Octavianus stammte von seiner unbedeutenden Familie aus der Kleinstadt Aricia. Sie war mit dem Blut der Proskriptionen besudelt; er selbst hätte am liebsten die Erinnerung an sein früheres Leben ausgelöscht, wenn es denn möglich gewesen wäre. Den berühmten Namen Caesar hatte er bei seiner Adoption durch den Diktator angenommen; indessen besaß er genügend Selbsteinschätzung, als dass er gehofft hätte, mit jenem außerordentlichen Manne verwechselt, oder gewünscht hätte, mit ihm verglichen zu werden. Es erging ein Antrag im Senate, dass sein oberster Minister durch eine neue Bezeichnung gewürdigt werde; und nach sehr ernsthafter Debatte wurde aus verschiedenen Vorschlägen der Titel Augustus gewählt, da er den Charakter des Friedens und der Heiligkeit am besten ausdrücke, welchen er in gleicher Weise erstrebe. Cassius Dio 53, p. 710 und die lesenswerten Anmerkungen Reimars. Augustus war deshalb eine individuelle, Cäsar eine Familienauszeichnung. Erstere hätte demnach mit dem Tode ihres Trägers erlöschen sollen; und wie sehr auch die letztere durch Adoption und weibliche Verwandtschaft verbreitet worden war, so war Nero dennoch der letzte Herrscher, welcher auf die Ehre des julischen Hauses Erbansprüche erheben konnte. Aber zum Zeitpunkt seines Todes hatte die Praxis eines Jahrhunderts diese Bezeichnungen bereits untrennbar mit der Herrscherwürde verknüpft, und vom Untergang der Republik bis auf den heutigen Tag wurden sie von einer langen Reihe von Herrschern – Römern, Griechen, Franzosen, Deutschen – geführt. Eine Unterscheidung indessen wurde bald eingeführt: Der geheiligte Titel eines Augustus blieb stets dem regierenden Monarchen aufgespart, während der Name Cäsar freigebiger unter seiner Verwandtschaft verteilt wurde; aber spätestens seit Hadrian erhielt ihn nur der zweite Mann und präsumtive Nachfolger im Reiche.

 

CHARAKTER UND POLITIK DES AUGUSTUS

Die zärtliche Rücksichtnahme des Augustus auf die Freiheit der Verfassung, die er selbst zerstört hatte, kann nur mit Hilfe einer genauen Charakteranalyse dieses berechnenden Tyrannen erklärt werden. Ein kühler Kopf, ein kaltes Herz und ein feiges Gemüt bestimmten den Neunzehnjährigen, die Maske der Heuchelei an- und niemals wieder abzulegen. Mit derselben Hand und vermutlich mit dem gleichen Gewissensruhe unterschrieb er Ciceros Proskription und Cinnas Begnadigung. Seine Tugenden und sogar seine Laster waren berechnet, und entsprechend den Erfordernissen seiner Pläne war er zunächst der Feind und dann der Vater der römischen Welt. Als Octavian zu einem Bankett Cäsars geladen war, wechselte seine Farbe wie die eines Chamäleons. Zunächst blass, dann rot, dann schwarz, nahm er endlich die sanfte Tönung der Venus und der Grazien an. Dieses Bild, welches Julian entworfen hat, (Caesaren, p. 306) ist zutreffend und anmutig. Wenn er allerdings diese Charaktermetamorphosen als real ausgibt und dem Einfluss der Philosophie zuschreibt, tut er der Philosophie und Octavian zuviel der Ehre an. Als er das kunstreiche System der kaiserlichen Macht zimmerte, war er maßvoll aus Furcht. Das Volk suchte er zu täuschen durch den Anschein von bürgerlicher Freiheit und die Armee durch den Anschein einer bürgerlichen Regierung.

 

SCHEINBARE FREIHEIT FÜR DAS VOLK

I. Der Tod Cäsars stand ihm immer vor Augen. An seine Anhänger hatte er Geld und Ehrenstellen verschwendet, und dennoch waren unter den Verschwörern die treuesten Freunde seines Onkels gewesen. Die Treue der Legionen mochte seine Machtstellung wohl gegen offene Rebellion schützen, aber gegen den Dolch eines unbeirrbaren Republikaners konnte ihre Wachsamkeit seine Person denn doch nicht schützen; und die Römer, die das Andenken des Brutus Zwei Jahrhunderte nach Begründung der Monarchie empfahl Kaiser Marcus Aurelius den Charakter des Brutus zum Vorbild für römische Tugend. immer noch heiligten, hätten einer solchen Nacheiferung seiner Heldentat Beifall gezollt. Cäsar hatte sein Schicksal durch Demonstration seiner Macht, wie durch die Macht selbst herausgefordert. Als Konsul oder Tribun hätte er in Frieden regieren können; der Titel eines Königs hatte die Römer gegen ihn zu den Waffen gerufen. Augustus hatte ein feines Gespür dafür, dass Menschen durch Titulaturen regiert werden können; auch täuschte er sich nicht in der Erwartung, dass Senat und Volk sich in die Sklaverei dareinfinden würden, wenn man ihnen nur achtungsvoll zusichern würde, dass sie noch ihrer alten Freiheit genössen. Ein kümmerlicher Senat und ein markloses Volk gefielen sich in dieser beruhigenden Selbsttäuschung, solange sie durch die Tugend, oder sogar durch die Klugheit seiner Nachfolger genährt wurde. Es war Selbsterhaltung und nicht Freiheitsdrang, was die Verschwörer gegen Caligula, Nero und Domitian aufbrachte. Sie attackierten die Person des Tyrannen, aber nicht die Machtstellung des Kaisers selbst.

 

DER VERSUCH DES SENATS NACH DEM TOD CALIGULAS

Es gibt jedoch eine erwähnenswerte Gelegenheit, bei welcher der Senat nach siebzig Jahren der Geduld einen wenn auch vergeblichen Versuch wagte, seine längst verschollenen Rechte wieder an sich zu nehmen. Als der Thron nach der Ermordung Caligulas ledig war, riefen die Konsuln jene Versammlung auf das Capitol ein, verfluchten das Andenken der Cäsaren, gaben den wenigen Kohorten, auf die sie womöglich rechnen konnten, die Parole Freiheit aus und waren für achtundvierzig Stunden die unabhängigen Herren der freien Republik. Aber während sie noch Rats heischten, hatten die Prätorianer schon entschieden. Der einfältige Claudius, Bruder des Germanicus, war bereits in ihrem Lager, mit dem kaiserlichen Purpur angetan und entschlossen, seine Wahl mit Waffen zu bekräftigen. Der Freiheitstraum war zu Ende; und der Senat erwachte zu unvermeidlicher Knechtschaft mit allen ihren Schrecknissen. Verlassen vom Volk, vom Militär bedroht, sah sich die ohnmächtige Versammlung genötigt, die Wahl der Prätorianer zu bestätigen und in die Gnade einer Amnestie zurück zu kehren, welche Claudius anzubieten klug und darüber hinaus auch einzuhalten edelmütig genug war. Es ist äußerst bedauerlich, dass uns hier die Darstellung des Tacitus verloren gegangen ist; wir müssen uns deshalb mit ein paar populären Gerüchten bei Josephus und einigen dunklen Andeutungen bei Cassius Dio und Sueton begnügen.

 

DER IMPERATOR UND DIE ARMEE

II. Die Disziplinlosigkeit der Armeen erfüllte Augustus mit Besorgnissen wesentlich ernsterer Natur. Die Verzweiflung der Bürger konnte das nur versuchen, was zu erzwingen das Militär jederzeit imstande war. Wie unsicher war doch seine Autorität über Menschen, die er jedwede soziale Verpflichtung zu verletzen gelehrt hatte! Er hatte ihr rebellisches Lärmen vernommen, aber ihre ruhigen Momente des Nachdenkens fürchtete er ebenfalls. Eine Revolution war durch ungemessene Belohnungen erkauft worden, eine zweite würde diese Belohnungen möglicherweise verdoppeln. Die Truppen bekannten ihre wärmste Anhänglichkeit an das Haus der Cäsaren; aber die Anhänglichkeit der Menge ist launisch und flatterhaft. Alles, was in diesen kühnen Geistern noch an römischer Voreingenommenheit schlummerte, rief Augustus zur Hilfe, setzte durch gesetzliche Maßnahmen strengere Disziplin durch, und entschlussfreudig forderte er dadurch, dass er die Majestät des Senats zwischen Kaiser und Armee stellte, ihren Gehorsam als erster Beamter des Staates. Augustus stellte die alte Strenge der Disziplin wieder her. Nach dem Bürgerkrieg schaffte er das vertrauliche ›Kamerad‹ ab und sprach nur noch von Soldaten (Sueton, Augustus 25). Vergleiche hierzu, wie sich Tiberius während der Meuterei der pannonischen Legionen des Senats bediente. (Tacitus, Annalen 1,25).

 

GEHORSAM DER ARMEE

Während einer langen Ära von fast zweihundert Jahren, die zwischen der Begründung dieses künstlichen Systems und dem Tode des Commodus lagen, waren die Risiken, die einer Militärregierung stets innewohnen, weitgehend aufgehoben. Nur selten wurden sich die Soldaten ihrer eigenen Stärke und der Schwäche der Zivilregierung bewusst, welches Bewusstsein vorher und nachher so viel Leid über die Welt gebracht hatte. Caligula und Domitian wurden in ihren eigenen Palästen durch ihre Hausgenossen hingerichtet, aber die Erschütterungen, die der Tod des ersteren auslöste, blieben auf die Stadt beschränkt. Nero hingegen verwickelte das ganze Reich in seinen Untergang. Innerhalb von achtzehn Monaten kamen vier Herrscher durch das Schwert um, und die Römische Welt erbebte unter der Wut kämpfender Heere. Mit Ausnahme dieses kurzen, obschon heftigen Ausbruchs militärischer Gewalt vergingen die zwei Jahrhunderte von Augustus bis Commodus, ohne dass das Blut des Bürgers sie befleckt oder Revolutionen sie erschüttert hätten. Der Kaiser wurde durch das vom Gesetz vorgesehene Votum des Senates und die Zustimmung der Soldaten gewählt. Diese Worte scheinen aus der Verfassung zu stammen, Vgl. Tacitus, Annalen 13,4. Die Legionen hielten sich an ihren Treueid, und man muss die Annalen Roms sehr genau durchmustern, um drei unbedeutende Aufstände zu entdecken, welche alle in wenigen Monaten und ohne das Risiko einer Schlacht Der erste war Camillus Scribonianus, welcher sich in Dalmatien gegen Claudius erhob und binnen fünf Tagen von seinen Truppen im Stich gelassen wurde; der zweite war L. Antonius, der in Germanien gegen Domitian rebellierte; und der dritte war Avidius Cassius unter der Herrschaft von Marcus Aurelius. Die letzten beiden herrschten nur ein paar Monate und wurden von ihren eigenen Anhängern beseitigt. Es sei angemerkt, dass Camillus und Cassius ihren Ehrgeiz mit dem Vorhaben der Wiederherstellung der Republik schmückten, welches Bestreben, so Cassius, speziell für seinen Namen und seine Familie aufgespart sei. beendet wurden.

 

BESTIMMUNG EINES NACHFOLGERS

In Wahlmonarchien ist die Erledigung des Thrones ein gefahren- und unheilschwangerer Augenblick. In ihrem Bestreben, den Legionen diesen Schwebezustand wie auch die Versuchung einer ungesetzlichen Wahl zu ersparen, versahen die römischen Kaiser ihre designierten Nachfolger mit derart großen Machtanteilen, dass sie instand gesetzt wurden, nach deren Tod auch den Rest an sich zu ziehen, ohne dass das Reich durch den Wechsel an der Spitze erschüttert worden wäre. Nachdem nun vorzeitige Todesfälle alle seine ihm lieberen Hoffnungen zerstört hatten, ruhten die letzten Hoffnungen des Augustus auf Tiberius, so dass er für diesen seinen Adoptivsohn die zensorische und tribunizische Gewalt erwirkte und zugleich ein Gesetz diktierte, durch welches der künftige Herrscher in die Machtposition eingesetzt werden sollte, wie er sie bereits über Provinzen und Armeen besaß. Velleius Paterculus, 2, 121 und Sueton, Tiberius 20. In gleicher Weise fesselte auch Vespasian den hochfliegenden Geist seines ältesten Sohnes. Titus wurde von den Legionen des Ostens angebetet, welche unter seiner Führung jüngst die Eroberung Judäas vollendet hatten. Seine Macht ward gefürchtet, und da seine Tugenden noch infolge jugendlicher Unbesonnenheit unerkennbar blieben, begegnete man seinen Absichten mit Argwohn. Statt nun solch leeren Einbläsereien Gehör zu schenken, ließ der weltkluge Vespasian ihn an allen kaiserlichen Würden teilhaben; und der dankbare Sohn bewährte sich stets als der demutvolle und getreue Diener eines so einsichtigen Vaters. Sueton, Titus, 6; Plinius, Hist. Nat., Praefatio.

 

DAS HAUS DER IULIER UND FLAVIER

Der umsichtige Vespasian griff nun zu jeder Maßregel, um seiner jüngsten und noch unsicheren Stellung Dauer zu verleihen. Der militärische Eid und die Disziplin der Truppen waren gemäß der Übung von hundert Jahren dem Haus der Cäsaren gewidmet; und obgleich diese Familie eigentlich nur noch durch das symbolische Ritual fortgesetzter Adoptionen am Leben war, verehrten die Römer nach wie vor in der Person Neros den Enkel des Germanicus und direkten Nachfahren des Augustus. Nur unter Widerstreben und Bedauern hatten die Prätorianer die Sache des gestürzten Tyrannen verloren gegeben Dieser Vorstellung geht Tacitus (Hist.1,5, 16; 2,76) oft und mit Gründlichkeit nach. Der rasche Sturz von Galba, Otho und Vitellius lehrte die Armeen, die Kaiser als Kreaturen ihres Willens und als Diener ihrer Zügellosigkeit zu sehen. Vespasian war von geringer Herkunft; sein Großvater war gewöhnlicher Soldat, sein Vater ein subalterner Finanzbeamter, Der gesunde Menschenverstand des Kaisers Vespasians amüsierte sich über die Genealogen, die seine Familie von Flavius, dem Gründer von Reate (seinem Geburtsort) und Gefährten des Herkules herleiten wollten (Sueton, Vespasian 12). und nur seine eigenen Verdienste hatten ihn im vorgerückten Alter an die Spitze des Imperiums geführt. Aber seine Verdienste waren eher nützlich als glänzend zu nennen, und seine Tugenden wurden durch einen strengen, fast schon klebrigen Geiz getrübt. Dieser Fürst handelte durchaus in seinem ureigensten Interesse, wenn er sich einen Sohn beigesellte, dessen leuchtender und ansprechender Charakter die öffentliche Neugierde von der obskuren Herkunft des flavischen Hauses ab- und zu seiner künftigen Größe hinzulenken imstande war. Unter der milden Regierung des Titus durchlebte Rom ein vorübergehendes Glück, und hinter dessen geliebtem Andenken verschanzte sein Bruder Domitian fünfzehn Jahre lang seine Verbrechen.

 

ADOPTION DES TRAIAN A.D. 96

Nerva hatte kaum den Purpur von Domitians Mördern empfangen, als er sich eingestehen musste, dass sein vorgerücktes Alter es ihm erschweren würde, die Strudel der öffentlichen Unordnung zu kanalisieren, welche sich unter der Tyrannis seines Vorgängers vervielfältigt hatten. Die Gutgesinnten schätzten seine ruhige Gemütsart; aber die verkommenen Römer verlangten nach einem handfesteren Charakter, dessen große Gerechtigkeit die Schuldigen perhorreszieren sollte. Obgleich er zahlreiche Verwandte hatte, wählte er sich einen Fremden. Er adoptierte Trajan, damals etwa vierzig Jahre alt, welcher ein gewaltiges Heer im Untergermanien befehligte; und unverzüglich ließ er ihn durch Senatsbeschluss zum Kollegen und Nachfolger im Reich ernennen. Cassius Dio, 68, p. 1121; Plinius, Panegyr. Wir müssen aufrichtig bedauern, dass wir durch die ekelhaften Berichte von Neros Verbrechen und Dummheiten ermüdet werden und gleichzeitig die Taten des Trajan nur im Dämmerlicht von Auszügen oder im unbestimmten Glanz einer Jubelrede zu sehen bekommen. Ein Lob jedoch kennen wir, das jenseits aller Schmeichelei angesiedelt ist. Mehr als zweihundertfünfundfünfzig Jahren nach seinem Tode wünschte der Senat bei einem Thronwechsel neben den üblichen Akklamationen dem neuen Herrscher, er möge Augustus an Glück und Trajan an Tugend Felicior Augusto, melior Traiano (Eutrop., 8,5) übertreffen.

 

ADOPTION DES HADRIAN A.D. 117

Wir können getrost glauben, dass dieser Vater des Vaterlandes Bedenken trug, dem zweifelhaften und schwankenden Charakter seines Verwandten Hadrian die Regierungsgewalt anzuvertrauen. Entweder hatten im letzten Moment die Ränke der Kaiserin Plotina Trajans Unentschlossenheit überwunden, oder sie hatte eine Adoption Cassius Dio, 69, p.1249 bekräftigt, dass beides nur eine Erfindung war und beruft sich dabei auf seinen Vater, der Gouverneur in der Provinz war, in der Trajan starb und somit beste Gelegenheit hatte, diesen mysteriösen Handel genau zu untersuchen. Bereits Dodwell (Praelect. Camden 17) beharrt darauf, dass Hadrian sich schon zu Lebzeiten Trajans Hoffnungen auf die Herrschaft machen konnte. erdichtet, an deren Wahrheitsgehalt zu zweifeln unklug gewesen wäre; und so wurde Hadrian friedlich als gesetzmäßiger Nachfolger anerkannt. Unter seiner Regierung erblühte das Reich, wie bereits erwähnt, in Frieden und Wohlstand. Er förderte die Künste, reformierte die Gesetze, hielt auf militärische Disziplin und bereiste alle Provinzen persönlich. Sein großer und umtriebiger Geist zeigte sich geschickt zu den umfassendsten Entwürfen wie den winzigsten Kleinigkeiten der Zivilverwaltung. Aber die eigentlichen Leidenschaften seiner Seele waren Neugierde und Eitelkeit. Wenn sie vorherrschten und von verschiedenen Gegenständen angezogen wurden, dann war er je nach den Erfordernissen ein glänzender Herrscher, ein lachhafter Sophist oder ein eifersüchtiger Tyrann. Sein Verhalten insgesamt verdiente Lob wegen seiner Redlichkeit und Mäßigung. Gleichwohl ließ er in seinen ersten Regierungstagen vier konsularische Senatoren hinrichten, da sie seine persönlichen Feinde waren, sowie weitere Männer, die man des Kaiserthrones für wert gehalten hatte. Gegen Ende seines Lebens machten ihn die Qualen einer schmerzhaften Krankheit starrsinnig und misstrauisch. Der Senat schwankte, ob er ihn zu einem Gott oder einem Tyrannen ernennen sollte; und die Ehrungen zu seinem Gedächtnis erfolgten nur auf Fürsprache des frommen Antoninus. Cassius Dio, 70, p. 1171; Aurelius Victor.

 

ADOPTION DES ÄLTEREN UND JÜNGEREN VERUS

Die Launenhaftigkeit des Hadrian spiegelte sich auch in der Wahl seines Nachfolgers. Nachdem er im Geiste mehrere Männer geprüft hatte, die alle verdienstvoll waren und die er respektierte und zugleich hasste, adoptierte er Älius Verus, einen aufgeputzten und üppigen Patrizier, der sich dem Liebhaber des Antinoos Die Vergöttlichung des Antinoos, die Medaillen, Statuen, Tempel, Städte, Orakel und das Sternbild ihm zu Ehren sind hinlänglich bekannt und verdunkeln noch heute das Andenken des Hadrian. Indessen sollte angemerkt werden, dass von den ersten fünfzehn Kaisern Claudius der einzige war, dessen Orientierung in Liebesdingen der Natur entsprach. Zu den Ehrungen von Antinoos siehe Spanheim, Commentaire sur les Caesars de Julien, p. 80 durch besondere Schönheit anempfahl. Während aber Hadrian sich noch an seinem eigenen Beifall und dem Jubel der Soldaten berauschte – er hatte ihre Zustimmung durch ein gewaltiges Donativ erkauft –, wurde der neue Cäsar Hist. Aug., p. 13, Aurelius Victor in Epitom. seinen Umarmungen durch einen vorzeitigen Tod entrissen. Er hinterließ nur einen Sohn. Hadrian empfahl den Knaben der Dankbarkeit der Antonine. Er wurde von Antoninus Pius adoptiert und bei der Thronbesteigung des Marcus von diesem mit gleichen Anteilen an der Regierungsgewalt bedacht. Unter den vielen Fehlern dieses jüngeren Verus fand sich immerhin eine Tugend, nämlich eine dankbare Ehrfurcht vor seinem weiseren Thronkollegen, dem er bereitwillig die Last des Regierens abtrat. Der Philosoph auf dem Kaiserthron schaute bei seinen Torheiten beiseite, beweinte seinen frühen Tod und deckte über sein Andenken den Schleier des Anstands.

Sobald Hadrians Leidenschaften abgekühlt oder enttäuscht waren, beschloss er, sich den Dank der Nachwelt zu verdienen, indem er das wahre Verdienst auf den römischen Thron brachte. Sein scharfes Auge gewahrte rasch einen Senator von fünfzig Jahren, in allen Geschäften des Lebens untadelig, sowie einen Jugendlichen von siebzehn, der für seine reiferen Jahre die schönsten Hoffnungen erweckte; der ältere der beiden wurde zum Sohn und Nachfolger Hadrians erklärt unter der Bedingung, dass er selbst unverzüglich den jüngeren adoptiere. Die beiden Antonine (denn sie sind es, von denen jetzt die Rede geht) regierten die römische Welt zweiundvierzig Jahre mit stets gleichbleibender Weisheit und Tugend. Obwohl Pius zwei Söhne hatte, Ohne die Hilfe einschlägiger Medaillen oder Inschriften wüssten wir von dieser, das Andenken Pius ehrenden Tatsache überhaupt nichts. war ihm die Wohlfahrt Roms wichtiger als die Belange von Familienmitgliedern: er verheiratete seine Tochter Faustina mit dem jungen Marcus, erwirkte vom Senat die tribunizische und prokonsularische Gewalt für ihn und ließ ihn, unter matter Verachtung oder sogar bei völliger Unkenntnis jedweder Machtgier, an allen Regierungsgeschäften teilhaben. Marcus andererseits verehrte die Art und Weise seines Wohltäters, liebte ihn wie einen Vater, gehorchte Während der dreiundzwanzig Regierungsjahre des Pius war Marcus nur zwei Nächte, und auch dies zu verschiedenen Zeiten, nicht im Palast, Hist. August. p. 25. ihm wie einem Herrscher und führte die Amtsgeschäfte nach dessen Tod ganz nach dem Vorbild und den Grundsätzen seines Vorgängers. Die Regierungen dieser beiden waren möglicherweise die einzige Periode in der Geschichte, in denen das Wohlergehen eines großen Volkes der einzige Zweck der Regenten war.

 

REGIERUNGEN DES ANTONINUS PIUS UND MARCUS AURELIUS

Titus Antoninus Pius ist zu Recht ein zweiter Numa genannt worden. Die gleiche Liebe zur Religion, Gerechtigkeit und Frieden war der hervorstechende Zug beider Herrscher. Nur, dass die Verhältnisse dem letzteren weitaus bessere Möglichkeiten eröffneten, diese Tugenden zu üben. Numa konnte lediglich ein paar Nachbardörfer dazu bringen, sich gegenseitig nicht die Ernte zu zertrampeln. Antoninus hingegen verbreitete Ordnung und Frieden fast über die ganze Erde. Seine Regierung ist durch den seltenen Vorzug ausgezeichnet, dass sie fast keine Materialen für die Geschichtsschreibung hinterlassen hat; welche ja in der Tat wenig mehr ist als ein Katalog von Verbrechen, Dummheiten und Katastrophen. Privat war er ein liebenswürdiger, gutherziger Mann und der natürlichen Einfachheit seiner Tugend waren Eitelkeit und Affektiertheit fremd. Er genoss mit Maßen die Vorteile, die ihm seine Vorzugsstellung bot und hatte Freude an unschuldigen Vergnügungen Er liebte das Theater und war nicht blind gegen die Reize des schönen Geschlechtes. M. Antoninus, 1,16; Hist. Aug. 20f. der Gesellschaft; und das Wohlwollen seiner Seele äußerte sich in einer freudigen Heiterkeit seines gesamten Wesens.

Die Tugend des Marcus Aurelius Antoninus war von strengerer und schwierigerer Natur; Die Feinde von Marcus Aurelius warfen ihm Heuchelei vor sowie einen Mangel an Geradlinigkeit, die Pius und sogar Verus ausgezeichnet hatten. Dieser Verdacht, haltlos wie nur einer, mag dennoch die Erklärung liefern für den Beifall, mit dem individuelle Eigenschaften noch vor sozialen Tugenden bedacht werden. Auch Marc Anton hatte man einen Heuchler genannt; aber selbst der verbissenste Skeptizismus hat sich nie dazu verstiegen, dass Cäsar ein Feigling oder Tullius [Cicero] ein Schwachkopf sein könnten. Witz oder Heldenmut werden eher geachtet als Menschen- oder Gerechtigkeitsliebe. sie war die wohlverdiente Ernte vieler gelehrter Unterredungen, vielen beharrlichen Lesens, vieler durchgrübelter Nachtwachen. Mit zwölf Jahren näherte er sich dem strengen System der Stoa, welches ihn lehrte, seinen Körper dem Geist und seine Leidenschaften der Vernunft unterzuordnen; Tugend als das einzige Gut anzusehen, Laster als das einzige Übel und alle Äußerlichkeiten als gleichgültig. Tacitus (Hist.4,5) hat in wenigen Worten die Prinzipien des Portikus [Stoa] charakterisiert: Doctores sapientiae secutus est, qui sola bona quae honesta, mala tantum quae turpis; potentiam, nobilitatem, ceteraque extra animum, neque bonis neque malis adnumerant. [In der Philosophie folgte er den Männern, die die Tugend für das einzige Gut halten und das Laster für das einzige Übel; und welche die Macht, Adel der Geburt und alles übrige, was außerhalb des Bereiches der menschlichen Seele liegt, weder den guten noch den üblen Dingen zurechnen]. Seine Reflexionen, die er im Lärm des Lagers verfasst hatte, sind uns überliefert, ja, er ließ sich sogar herbei, Unterweisungen in Philosophie zu erteilen mit mehr Anteilnahme der Öffentlichkeit, als es mit der Zurückhaltung eines Weisen oder der Würde eines Kaisers vereinbar sein mochte. Bevor er zu seinem zweiten Feldzug gegen die Germanen aufbrach, las er in Rom an drei Tagen dem römischem Publikum Philosophie-Kolleg. In griechischen und asiatischen Städten hatte er dies auch schon getan. (Hist. Aug., Cassius 3). Aber sein Leben war der wertvollste Kommentar zu Zenos Lehrsätzen. Gegen sich selbst war er streng, gegen die Unzulänglichkeiten anderer nachsichtig, gerecht und wohlwollend gegen jedermann. Es war ihm leid, dass Avidius Cassius, der gegen ihn in Syrien eine Rebellion angefacht hatte, ihm durch seinen freiwilligen Tod die Freude genommen hatte, aus einem Feind einen Freund zu machen; und die Aufrichtigkeit dieser Bemerkung bestätigte er dadurch, dass er den Eifer des Senats gegen die Anhänger des Verräters dämpfte. Cassius Dio, 71, 23; Hist. Aug. Avidius Cassius, c 8. Krieg verabscheute er als die Schande und das Unglück der Menschheit. Als aber die Notwendigkeit eines Verteidigungskrieges ihn zu den Waffen rief, nahm er an acht Winterfeldzügen an den gefrorenen Ufern der Donau in Person teil, welche Strapazen endlich für seine schwächelnde Konstitution tödlich waren. Eine dankbare Nachwelt ehrte sein Andenken, und noch einhundert Jahre nach seinem Tode bewahrten viele Menschen sein Bildnis zwischen ihren Hausgöttern. Hist. August. Marc. Antonin. 18.

 

DAS GLÜCK DER RÖMER...

Sollte jemand aufgefordert werden, diejenige Epoche zu bezeichnen, die für das Menschengeschlecht die glücklichste und schönste war, so würde er ohne Zögern die Zeit zwischen dem Tode des Domitian und der Thronbesteigung des Commodus angeben. Das gigantische Imperium Romanum wurde unter der Führung von Tugend und Weisheit durch eine absolute Macht regiert und das Heer durch die freundliche, aber bestimmte Hand von vier aufeinander folgenden Kaisern am Zügel geführt, deren Charakter und Ansehen ganz von selbst Achtung erheischen. Getreulich hielten Nerva, Trajan, Hadrian und die Antonine alle Formen der Zivilverwaltung ein, da sie das Bild der Freiheit genossen und sich selbst gerne für die verantwortlichen Minister des Rechts ästimierten. Solche Herrscher hätten die Ehre verdient, die Republik wieder herzustellen, wenn denn die Römer ihrer Tage fähig gewesen wären, eine vernunftgesteuerte Freiheit überhaupt noch zu würdigen.

 

...UND SEINE FLATTERHAFTIGKEIT

Die Anstrengungen dieser Monarchen wurden durch den Lohn, der mit ihrem Erfolg zwangsläufig verbunden war, mehr als belohnt; durch dezenten Stolz ; durch die einmalige Freude, den allgemeinen Segen zu schauen, dessen Urheber sie waren. Ein ebenso wahrer wie trübseliger Gedanke jedoch vergällte ihnen diesen schönsten aller menschlichen Genüsse: Oftmals werden sie sich bewusst gewesen sein, dass das Glück unbeständig ist, wenn es vom Charakter eines einzigen Mannes abhängt. Der fatale Augenblick nahte vielleicht schon, dass die absolute Macht, die sie der Wohlfahrt ihres Landes gewidmet hatten, in den Händen eines charakterlosen Jünglings oder eines eifersüchtigen Tyrannen zu dessen Verderben missbraucht werden sollte. – Die theoretischen Beschränkungen durch Senat oder Gesetze konnten wohl hilfreich sein, die Tugenden der Herrscher zu entfalten, aber niemals, ihre Verbrechen zu unterbinden. Die Armee war ein ebenso blindes wie wirkungsvolles Unterdrückungsinstrument; und die Verderbnis der römischen Sitten würde stets für Nachschub an Kriechern oder Sklavenseelen sorgen, die begierig waren, der Furcht oder dem Geiz, der Wollust oder Grausamkeit ihrer Meister Beifall zu jauchzen oder ihnen hilfreich beizuspringen.

 

DAS ANDENKEN AN TIBERIUS, CALIGULA, NERO UND DOMITIAN

Diese pessimistischen Überlegungen waren aufgrund früherer Erfahrungen durchaus gerechtfertigt. Die Annalen der Kaiser liefern ein eindrucksvolles und variantenreiches Bild der menschlichen Natur, welches man unter den buntscheckigen und fragwürdigen Charaktermasken der jüngeren Geschichte wohl vergebens suchen würde. In den Lebensgeschichten dieser Monarchen können wir die äußersten Grenzen der Tugend und des Lasters finden, die höchste Vollendung und die niedrigste Entartung unseres Geschlechtes. Dem Goldenen Zeitalter des Trajan und der Antonine war ein Eisernes vorausgegangen. Fast ist es zwecklos, die unwürdigen Nachfolger des Augustus aufzuzählen. Ihre beispiellosen Laster und die grandiose Bühne ihrer Inszenierung haben diese Herrscher vor dem Vergessenwerden bewahrt. Der finstere, starrsinnige Tiberius, der wahnsinnige Caligula, der einfältige Claudius, der ausschweifende und gewissenlose Nero, der animalische Vitellius, Vitellius verschwendete durch bloßes Essen in sieben Monaten wenigstens sechs Millionen Pfund. Seine Laster auch nur mit Würde oder Anstand zu beschreiben, wäre ein schwieriges Unterfangen. Tacitus nennt ihn ein Schwein; aber er setzt für ein grobes Wort ein sehr schönes Bild: At Vitellius, umbraculis hortorum abditus, ut ignava animalia, quibus si cibum suggeras, iacent torpentque, praeterita, instantia, futura, pari oblivione dimiserat. Atque illum nemore Arcino desidem et marcentem, etc. [Vitellius zog sich in den Schatten seiner Gartenlaube zurück, um wie träges Rindvieh, das nach der Fütterung träge dahindumpft, vor der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft Vergessen zu suchen. Und wie er nun im Hain von Aricia faul und schlapp dämmerte...]. Tacit. Hist. 3,36, 2,95; Sueton. Vitell. 13; Dion Cassius, 65,3. der feige und unmenschliche Domitian: Sie sind zu ewiger Schande verurteilt. Während fünfzig Jahren (ausgenommen nur die kurze und zweifelhafte Regierung Vespasians Die Hinrichtung von Helvidius Priscus und der tugendhaften Eponina verdunkeln Vespasians Regierungszeit. stöhnte Rom unter immerwährender Tyrannei, welche die alten republikanischen Familien auslöschte und auf beinahe jede Tugend und jede gute Anlage tödlich wirkte, die in dieser unglücklichen Zeit etwa noch aufblühten mochten.

 

ROMS LAGE UNTER DEN TYRANNEN BESONDERS SCHLIMM

Unter der Herrschaft dieser Monstren wurde die Sklaverei der Römer noch durch zwei besondere Umstände erschwert, von denen der eine seinen Ursprung in ihrer früheren Freiheit hatte, der andere in ihren ausgedehnten Eroberungen; dies machte ihre Lage elender als die aller anderen Opfer von Tyrannei aller anderen Zeiten und aller anderen Länder. Aus jenen Ursachen folgte: 1: Die außerordentliche Empfindlichkeit der Dulder; 2: Die Unmöglichkeit, den Unterdrückern zu entkommen.

 

UNEMPFINDLICHKEIT DER ORIENTALEN

1. Aus der Zeit, da Persien von den Nachkommen des Sefi regiert wurde, einem Fürstengeschlecht, deren unkalkulierbare Grausamkeit häufig ihren Divan, ihre Tafel, ihr Bett mit dem Blute ihrer Favoriten befleckte, wird eine Bemerkung eines jungen Edelmannes überliefert, dass er sich niemals aus der Gegenwart des Sultans entferne, ohne sich zu vergewissern, ob ihm sein Kopf noch auf den Schultern sitze. Die tägliche Erfahrung könnte den Skeptizismus des Rustan Voyage de Chardin en Perse, Band 3, p. 293. wohl rechtfertigen. Dennoch hat das fatale Schwert, das an einem einzigen Faden über ihm hing, offenbar den Schlummer oder die Gemütsruhe des Persers nicht gestört. Ein Stirnrunzeln des Königs konnte ihn zu Staub zermalmen, das wusste er wohl; aber ein einziger Blitzschlag oder ein Gehirnschlag vermochte das gleiche; einem Weisen geziemte es, während des Genusses flüchtiger Stunden das unausweichliche Unglück menschlichen Lebens zu vergessen. Er trug den Würdentitel eines königlichen Sklaven, Es ist mehr unter Türken als unter Persern die Übung, Sklaven zu hohen Staatsämtern zu erheben. Die armseligen Länder Georgien und Circassia liefern Machthaber für den größten Teil des Ostens. war vielleicht unbekannten Eltern abgekauft worden in einem Lande, das er nie gekannt hatte, und war von Kindesbeinen in der gestrengen Disziplin des Serails erzogen worden. Sein Titel, sein Reichtum, seine Ehrenstellung waren ein Geschenk seines Herren, welcher sich ohne jedes Unrechtsbewusstsein wieder nehmen konnte, was er verschenkt hatte. Falls Rustan irgendwelche Kenntnisse besessen hatte, dienten sie ihm nur dazu, mit Hilfe des Gewohnten seine Vorurteile zu festigen. Seine Sprache kannte kein anderes Wort für ›Regierung‹ außer ›absolute Monarchie‹, und die Geschichte des Orients belehrte ihn dahingehend, dass dies seit Menschengedenken Chardin berichtet, dass europäische Reisende unter den Persern die Idee von Freiheit und milder Regierung verbreitet hätten. Sie hätten ihnen damit einen üblen Dienst erwiesen. so gewesen war. Der Koran und die Ausleger dieses göttlichen Buches schärften ihm ein, dass der Sultan der Nachfahre des Propheten und der Statthalter des Himmels sei; dass Geduld eines Moslems erste Tugend sei und unbedingter Gehorsam die wahre Pflicht des Untertanen.

Die Seelen der Römer waren auf die Sklaverei völlig anders vorbereitet worden. Obwohl sie von der Last ihrer eigenen Korruption und Militärmacht schier niedergedrückt wurden, so hielten sie dennoch für lange Zeit die Gesinnungen oder doch wenigstens die Ideen ihrer freigeborenen Ahnen lebendig. Die Erziehung eines Helvidius oder Thrasea, eines Tacitus oder Plinius war die gleiche wie die von Cato oder Cicero. Aus der griechischen Philosophie hatten sie die zutreffendsten und freisinnigsten Ideen von der Würde der menschlichen Natur und dem Ursprung der menschlichen Gesellschaft entnommen. Die Geschichte ihres eigenen Landes hatte sie gelehrt, vor allem anderen eine freie, integre und siegreiche Republik zu schätzen; die Verbrechen von Cäsars oder Augustus auch dann zu verachten, wenn sie erfolgreich waren; und innerlich besonders die Tyrannen zu verabscheuen, die sie mit der widerwärtigsten Schmeichelei anbeteten. Als Magistratspersonen und Senatoren hatten sie nach wie vor Zutritt zu jenem großen Ratsgremium, welches einst der Welt die Gesetze vorgegeben hatte, dessen Name noch immer die Handlungen des Kaisers heiligte und dessen Autorität nun so oft zu den kriminellsten Handlungen der Tyrannei missbraucht worden war. Tiberius und alle die Herrscher, die nach seinem Vorbild arbeiteten, versuchten durchaus, ihre Morde durch juristische Formalien zu decken, und vermutlich haben sie noch klammheimliche Freude dabei empfunden, wenn der Senat nicht nur ihr Opfer, sondern auch noch ihr Komplize war. Diese Versammlung verurteilte die letzten noch lebenden Römer wegen erlogener Verbrechen und tatsächlicher Tugenden. Ihre elenden Denunzianten sprachen die Sprache aufrechter Patrioten, die ein gefährliches Subjekt vor den Richterstuhl ihres Landes brachten; und dieser Dienst an der Öffentlichkeit wurde mit Geldgeschenken und Ehrenstellen honoriert. Angeblich nach dem Beispiel von Cato und Scipio (Tac. Ann. 3,66). Marcellus Epirus und Crispus Vibius hatten unter Nero zwei und eine halbe Millionen an sich gebracht. Ihr Reichtum, der zu ihren Verbrechen noch erschwerend hinzukam, schützte sie unter Vespasian (Tac. Hist. 4,43; de Orat. 8). Für eine Denunziation erhielt Regulus, eine rechte Zielscheibe für eine Satire des Plinius, vom Senat konsularische Ehren zugesprochen und sechzigtausend Pfund. Servile Richter gaben vor, die in der Person des ersten Staatsdieners Das Majestätsverbrechen war ursprünglich ein Verbrechen des Verrats am Römischen Volk. In ihrer Eigenschaft als Volkstribunen bezogen Augustus und Tiberius auch ihre eigene Person mit ein und dehnten seinen Anwendungsbereich ins Unendliche. beleidigte Majestät der Republik zu rächen, dessen Milde sie besonders innig dann beklatschten, wenn sie vor weiteren unerbittlich heraufziehenden Grausamkeiten Nachdem die tapfere und unglückliche Witwe des Germanicus hingerichtet worden war, empfing Tiberius den Dank des Senates für seine Milde. War sie doch nicht öffentlich erdrosselt worden, noch wurde ihr Leichnam, wie bei gewöhnlichen Verbrechern üblich, mittels eines Hakens nach Gemoniä geschleift (Tac. Ann 6,25; Sueton, Tiberius 53). am heftigsten zitterten. Der Tyrann beurteilte ihre Erbärmlichkeit mit der angemessenen Verachtung und erwiderte ihre heimlichen Gefühle des Abscheus mit aufrichtigem Hass für die ganze Körperschaft des Senats.

 

FEINDE DES KAISERS OHNE FLUCHTMÖGLICHKEIT

2. Die Teilung Europas in eine Anzahl voneinander unabhängiger Staaten, die höchstens durch die allgemeine Ähnlichkeit von Religion, Sprache und Sitte zusammenhängen, hat für die Freiheit des Menschengeschlechtes äußerst wohltätige Folgen gezeitigt. Ein Tyrann unserer Tage, der weder in seinem Gewissen noch in seinem Volk Widerstand fände, würde doch bald dezente Opposition erfahren durch das Beispiel von seinen Standesgenossen, durch die Sorge vor üblem Leumund bei den Zeitgenossen, durch das Widerraten seiner Verbündeten und durch die Angst vor Feinden. Der Gegenstand seines Hasses würde die Enge seiner Heimat bald verlassen, würde in glücklicheren Landen sichere Zuflucht finden, auch ein seinen Verdiensten angemessenes Auskommen, die Freiheit für eine Klage und vielleicht sogar die Mittel zu seiner Rache. Aber das Imperium Romanum war die Welt schlechthin, und als dieses Reich einer einzigen Person in die Hände fiel, da wurde die Welt ein einziges trauriges und gesichertes Gefängnis für des Herrschers Feinde. Der Sklave des kaiserlichen Despotismus konnte nur in stiller Verzweiflung auf sein Schicksal warten, ob er nun in Rom goldene Ketten trug oder im Exil, etwa auf dem öden Felsen Seriphus Seriphus ist eine kleine Felseninsel in der Ägäis, deren Einwohner wegen ihrer Unwissenheit und Bedeutungslosigkeit verachtet wurden. Ovids Exilort ist bekannt aufgrund seiner berechtigten, wenn auch unmännlichen Klagelieder (›Tristien‹). Es sieht fast so aus, als habe er lediglich Order erhalten, Rom binnen einer gegebenen Frist zu verlassen und sich nach Tomi zu begeben. Begleiter und Wachen waren nicht erforderlich. oder an den vereisten Ufern der Donau, seine Tage zählte. Widerstand war der sichere Tod, Flucht war undenkbar. Ringsumher gewaltige Land- und Wassermassen, die er niemals hoffen konnte zu durchqueren, ohne entdeckt, festgesetzt und seinem zornigen Gebieter ausgeliefert zu werden. Jenseits der Grenzen konnte sein suchender Blick nichts finden als das Weltmeer, lebensfeindliche Wüsten, feindliche Barbarenstämme von groben Sitten und unbekannter Sprache, oder abhängige Könige, welche sich des Kaisers Gnade freudig durch das Opfer eines bösen Flüchtlings erkauft hätten. Unter Tiberius versuchte ein römischer Ritter zu den Parthern zu fliehen. Er wurde in der Straße von Messina gefasst; aber in diesem Beispiel lag offenbar ein so geringes Nachahmungsrisiko, dass dieser eifersüchtigste aller Tyrannen sich zu einer Strafe nicht herbeiließ (Tac. Annalen, 6, 14). ›Wo immer du sein magst,‹ so Cicero zu dem exilierten Marcellus, ›bedenke, dass du stets gleichbleibend in der Gewalt des Siegers bist.‹ Cicero, ad Familiares 4,7.


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