Adolf Glaßbrenner
Komischer Volkskalender für 1849
Adolf Glaßbrenner

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++


Raritäte von 1848.

                    Raritäte sein ßu sehn,
Neue Raritäte;
Alles, was da sein geschehn
Zeig sick im Portraite:
Metternick und Republick,
Köniklieke Mißgeschiek,
Lauter schöne Saken.
Eine großße Mordkrakehl
In Pariser Straße,
Könik Viehlieb sick empfehl
Eilik ohne Maaße.
Barrikad' und Peupelwuth,
Groß Courag und Bürgerblut,
'Errlick anzusehen!
'Opsa, eine Weibsperson,
Spring sie mit der Peitzen,
Ludwig sein verlassend Thron
Folgend ihr groß Reitzen,
Mackt in Stille ein Gedicht,
Dieses aber zeig' ich nicht,
Sein nix zum Ergötze.
Raritäte, meine 'Errn,
Wondervoll ßu sehe:
Metternick mit funkelnd Stern
Stürzt von seine 'Oehe.
Galgen stellt man vor sein 'Aus:
Szurke, nu spazier Sie 'raus!
Er geht durch die Gärte.
Schau Sick 'ier petit Portrait
Wie die 'Erzok Cassel
'Inter das Gardine steh,
Glaubt, es gäb ein Spaßel,
Aber Cassler brave Mann,
Rücken mit stark Bitte 'ran
Und mit dicke Fausten!
Präsentir sik Ihn'n Berlin
In das große Kampfer,
Volk postir sick stolz und kien
In die Pulverdampfer,
'Alten Achtsehn Stunden aus,
Bombe- und Kartätsche-Graus:
'Errlicke Natione!
Schau' Sie, wie Berliner hier
Brüderlick die Pole
Mit viel Freud' und Jubilir
Aus die Kerker 'ole.
Ach, danebe blick Sie nick,
Weil da massakriren sick
Bruder Pol' und Deutscher.
Eine riesick Prozession
Mit Zwei'undert Särgen,
Bös Spektakel für die Thron,
Bös für seine Schergen;
Werden in den Fredrick'ain
Gott'en sehr willkommen sein,
Diese schöne 'Elden.
Hier, in Frankfort an den Main,
Großße Parlamente,
Mitten in der Kirchen drein:
Tausend Sackermente!
Maaken deutsche Einickeit,
Sein sehr kluk un sehr gescheidt,
Maaken schöne Rede.
Freie Presse, Association!
Ruft die deutsch Geschlechte:
Das sein, abßolüte Kroon',
Unsre 'eilgen Rechte!
Polißei nix mehr regier,
Der etat sein Volk, sein Wir!
Deutsches Volk will Frei'eit!
Selbstbe'errscher von die Knut',
Kaiser Nikolause,
Find't die deutsche Ding nick gut,
Ueberfällt ihm Grause;
Russen kriegen viel Ukäs',
Wo er schimpft sibirisch bös
Auf die deutschen 'Eiden.
Kaiser Ferd'nant eschappier,
Furcht sick sehr vor Pöbel,
Er verläßt sein 'Auptquartier
Bei die Nacht und Nebel;
Adel auk mit Knecht und Schatz
Maaken schnelle Außikratz,
'Ole sie der Deibel!
Glänzend Fêt' in Köln am Rhein,
Dom sein ausgebauen,
Sieht man laufe Groß und Klein,
Ein'eit anzuschauen;
Reiksverweser kommen hin,
Könick embrassiren ihn,
Maaken Nagelprobe.
Schleswik-'Olstein hat Sie Kriek,
Ist noch mehr umschlunge;
Deutscher Bursch geht hin: der Siek,
'Eißa, ist errunge!
Plötzlick kommt die Diplomat,
Maakt die scheußlickste Verrath:
Schocke-schwere-Noten!
Raritäte excellent:
Sturz von faul Minister,
Offizier, der rückwärts rennt,
Pfaffe und Philister;
Muth und Kraft im Volke doch,
Immer frisch erhalte noch:
Braver, braver Deutscher!


Sylvesterrausch eines Berliner Arbeiters.

Frischer (hat nach beendeter Sylvesterfeier auf einer Bank unter den Linden geschlummert; er erwacht und sieht sich befremdet um). Tiefe, stille Nacht? Unter'n Linden? Sylvester? Punsch? Freiheit? Jlück gewunschen? Aha! (nimmt den Hut ab) Schlafen Sie wohl, 1848! Ich weene Ihnen eine Thräne nach un danke Ihnen vor Allens (aufspringend.) Ich bin bejeistert, bin ich! (fällt wieder auf die Bank) Des kann ich; ich bin frei! Des kann ich so jut wie jeder Andere – Banquier oder Jraf – kann ich des. Ich bin jleich! Ich bin jleich mit Allens, so wie – so wie mir Allens jleich is. Ich bin brüderlich! Ich bin Brüder von Alle, von alle Menschen, blos von die re-ochs-achs-jonähren Theekessels nich. 1848, komm' mal her! Laaß Dir mal in's Jesicht sehen, schönstes – erhabensten-stes Jahr der Menschheit. Du siehst janz jut aus, janz jut! Stirbst mit rothe Backen un mit offne, feurige Oogen. Was is des vor Feuer? Rrrrrrrevoluuzionsfeuer? Freiheitsfeuer? Liebesfeuer? So is es; – schlaf' wohl! Leje Dir janz ruhig bei Eewigkeitens zu Bette: Du hast Deine Schuldigkeit gedahn! Wir werden Dir nich verjessen, werden wir nich: wir lieben Dir! Bist 'ne jute Seele, ju'n Nacht! Ne, hör 'mal, Du, dreh' Dir noch mal um, 1848, ich habe Dir noch was zu fragen, seh' mir noch mal an. So! Was hast Du gedahn? Du hast uns jeweckt, hast Du uns, Uns, Mir, die Menschheit! Stille! abwarten, was ich sagen werde! Du hast die verfluchte Tyrannei den Dolch in die Brust jestoßen, damit sie ausblutet, un damit – wie? was? – rosenrother Frühling wird, für Uns, für's Volk, für's jroße, weite Volk, den die Erde gehört, Himmel un Erde! Des war nett von Dir, war es, un nanu kannste schlummern jehn, un kannst alle die andern Fünf, Sechs oder Sieben Dausend Jahre, die vor Dir waren, sagen: en Compelment von uns, un sie hätten nischt jedoocht, oder jedaucht. Jar nischt nich hätten sie jedaucht! Sie sollten sich was schämen, sollten sie sich! En Compelment von mir, Arbeiter Frischer, Brüderstraße Nr. 49, un sie sollten sich was schämen! (Er schwankt weiter.)

Wer hat die Welt jeschaffen? Jott? Meinswejen! (steht still) Worum hat er ihr geschaffen? Wie, wo? (laut rufend) Entweder, oder! (etwas beruhigter) Entweder die Welt konnte jleich jut jeschaffen sind, oder sie brauchte jar nich jeschaffen zu werden. Denn wär't noch so! Wenn wir nischt von wüßten, wenn wir nischt von alle die Jeschichten, von Himmel un Sterne, von Jeheimeräthe un Leutnams, von Zahnschmerzen un Cabbenetsorders, von Hunger un Könje, von die janze Naturjeschichte un von Durscht nischt nich wüßten, denn wär't noch so! Denn dhäte uns keen Finger weh, un – un't Herz ooch nich. Aber anjetzt, als wie alleweile? Hm? Wenn't alleweile besser wird, denn is et späte! Wenn't alleweile besser wird, wo so? Hm? Des war bei die Schöpfungsjeschichte een Ufwaschen: worum is es früher nich besser jewesen? (er blickt zum Himmel empor) Worum sind wir nicht schon früher frei geworden, hm? (läßt den Kopf sinken) Keene Antwort! Immer un ewig dieselbe Jeschichte: keene Antwort. Det is wahr: eine Frage an't Schicksal hat man frei, aber – et antwort't nich. (Er geht auf einen Constabler los.) Vielleicht antwort't des Schicksal hier, der Kommstaapler. Hör'n Se mal, Herr jeheimer expediernder Kommstaapler, was ich sagen wollte: worum hat Jott die Welt erschaffen? Entschuldjen Sie, ne, ick wollte Ihnen anders interpappel-plapper, peppel-pelliren, interpelliren! (Er legt seine Hände auf des Constablers Schultern.) Warum hat Jott die Welt nich jleich frei jeschaffen, ohne Könje, ohne Kommstaaplers, hm? So wollt' ick Ihnen interpeppelliren. Wozu dieser Umwech, hm? Wie?

Constabler (macht sich los von ihm). Gehen Sie zu Hause un verhalten Sie sich ruhig.

Frischer. Siehste, wie De bist! Worum hat Jott die Welt nich jleich frei geschaffen: jehen Se zu Hause un verhalten Se sich ruhig! Des is des alte Lied: jehen Se zu Hause un verhalten Se sich ruhig. Wie se uns noch mit Füßen jetreten haben un wir wollten schreien, hieß es: jehen Se zu Hause un verhalten Se sich ruhig, un jetzt, alleweile, nu wir ihnen einije Barrikaden unter de Nase jerieben haben, un Uns de Krone ufjesetzt haben, un Uns selber an de Rejentschaft gebracht haben, nanu fangen se schon wieder an un sagen: jehen Se zu Hause un verhalten Se sich ruhig. (Zu einem Nachtwächter) Hör'n Se mal, Nachtwächter, hohe obrigkeitliche Person, Sie sind doch ein Mensch, sind Sie, nich wahr? Sie sind doch ein Mensch, der seine fünf Sinne nöthig hat. was sagen Sie zu den Umwech? Wie?

Nachtwächter. Wat vor'n Umwech?

Frischer (sinnend). Wat vor'n Umwech? Von't Schönhauser oder Rosendhaler Dhor durch de Königsstraße nach'n dustern Keller un wieder zurück. Hm? Was sagen Sie zu den Umwech?

Nachtwächter. Sie sind besoffen. (Geht weiter.)

Frischer. Janz richtig, des bin ich, des bin ich an jeden Sylvesterabend: ich danke Ihnen vor de Anerkennung. Des bin ich an jeden Sylvesterabend wegen de Jleichheit. Was die Vornehmen Recht is, is uns Arbeiter billig. Alle sind heute besoffen. In diesen Augenblicke is die janze Welt besoffen! Ein schöner, ein jroßer Mojement: Allens besoffen! (Er geht dem Wächter nach.) Es dhut mir leid, dhut es mir, deß Sie hohe obrigkeitliche Horn-Person, deß Sie eine Ausnahme sind, deß ich Ihnen sagen muß, deß ich es Ihnen nich verschweigen kann: deß Sie nüchtern sind! Man sagt so was seinen Menschenbruder nich jerne nach, aber die Wahrheit jeht über Allens. (schreit) Die Wahrheit jeht über allens! (wieder leiser zum Wächter) Ju'n Nacht, Majistraat! Ju'n Nacht Kommstaapler von vorher! Prost Neujahr! Jott schenke Ihnen ein selijes Ende. Wenn Sie, Sie Nachtwächter! wenn Sie mal bei Dage Zeit haben, denn besuchen Se mir in die Brüderstraße Nummer 49 in Schlafstelle. Von Morjens Viere bis Fünwe jeb' ick Audienz, de überjen Stunden muß ick arbeeten als rechtschaffner Mann. (steht still, heftig:) Wer sagt hier, deß ich keen rechtschaffner Mann wäre? Wer? Esel verdammter, Pappstoffel, Hundekerl, Schafskopp, Pflaumflegel, Bratenflaps, Bummellümmel, Reachsjoneer, Theekessel! (Droht einem Laternenpfahl mit geballter Faust.) Ich bin freundlich zu Ihnen, zuvorkommend, un Sie sind jefälligst ein jrober Esel, wenn Sie erlauben wollen.

Nachtwächter (kommt wieder vorüber.) Wenn Sie hier noch lange schreien un so viel raisenieren, denn wer'n Se woll diese Nacht 'ne andre Schlafstelle als in de Brüderstraße Nr. 49 haben. (Geht weiter.)

Frischer (bleibt stehen und sieht ihm mit müden Augen nach.) Wie? Was? Ach so, die alte Bürjerwehr stichelt uf de Kommstaaplers. Ach so: diesen feinen Jedanken errath' ick. Er meent, ick könnte, – mit meine – wie heeßt et? – Schlaf-Sonderintressen vor diese Nacht in den Staat ufjehen, mir verallgemeinern, mir mit de Stadtfochtei vereinbaren. (sehr erregt) Wenn mir Eener anrührt, den hau' ick um de Jedankenfreiheit, det ihm en Jensd'arm aus de Nase looft! Wer mir anrührt, der is perdu, perdüü komm Ludwig Viehlipp! (sanft für sich) Ich kann mir benebeln, des is meine Freiheit. Was dhut die Rejierung? Sie benebelt mir meine Freiheit, also kann ick mir meine Freiheit alleene benebeln, kann ick. (sehr lebhaft gestikulierend, laut) Die janze Welt is benebelt, Allens benebelt, so weit die deutsche Zunge reicht. Der Reichsverweser ooch, Alle! (sanfter) Nebel is Nebel, der frägt nach keene Hoheit nich. Wir sind noch alle so benebelt, deß wir den Wald vor lauter Beeme nich sehen. Wir haben noch Alle Bretter vor'n Kopp; wir stehen noch, wie der junge Mensch in de Volksversammlung sagt, unter die Tyrannei von de Vorurtheile, stehen wir. (nachdenkend) Wenn ich jetzt, alleweile ein Jlas Punsch hätte, denn – denn dhät ich, was ich wüßte. (sich verbessernd) Denn wüßt' ich, was ich dhäte. (mit entschiedener Sicherheit) Ich dränke es! (läßt den Kopf sinken) Diese Fähigkeit, diese Jesinnung habe ich. Es sind die Foljen einer zu drocknen Zunge, weil die verschiednen politischen Frajen noch nich jelöst sind. (Er verfällt in eine Art träumerischer Speculation.) Denn Des is Allens Theorie. Die Arbeet muß sich selbst helfen. Der Mensch muß sich ooch selbst helfen. Der Staat muß sich ooch selbst helfen. Jott muß sich ooch selbst helfen. Von die Conschtischtuschtischtu – schtution wer' ich nich satt, weil hier ein König is un ein Volk, welches! Un überjens bleib' ich dabei, deß es ein Umwech is... deß es ein Umwech is... deß wir... deß wir... nanu muß ich mir um Entschuldijung bitten, deß ich vergessen habe, was ich mir habe sagen wollen.

Nachtwächter (pfeift). . . . is die Klock!

Frischer (horchend). Eens? Erscht een Uhr? Jott, wo wird man heute seinen Abend hinbringen! Ick jloobe überjens, jloob' ick, deß es mehr is, als hier jepfiffen wird. Ick jloobe, der Majistraat hat sich verpfiffen, hat er sich. Die Magisträte un die Obbrigkeiter un die Rejierer haben des oft an sich, deß sie nachjehen un stillstehen, wenn man sie nich immer jehörig ufzieht. (steht still) Die Zeit eilt. (er gähnt) Die Stunden fliehen. Wenn ick man wüßte vor wem? Vor uns? Wir haben ihnen ja jar nischt jedhan! Ach ja so, nu weeß ick, vor wem die Stunden fliehen. Vor de Rentiers un de Vornehmen un de Leutnams. Die schlagen de Zeit dodt, det sind Helden, aber die Zeit, die Stunden sind feige, un darum kratzen se aus. Wenn die Morjenstunde alleene flöhe, denn könnt' ick mir det noch anders erklären, denn die hat Jold im Munde, det is ne Capitalistin, wenn die jetzt hier in det bewegte Berlin Pech gibbt, det is keen Wunder. Aber... ick merke überjens, deß sich meine Jedanken verwirren. Wenn ick man blos Ein Jlas Punsch hätte, denn... (zu einem vorübergehenden Herrn) stille! jetzt sprech' ick!... (wieder ruhig fortfahrend) ... denn würd' ick mir wieder sammeln, würd' ick mir. (Zu einem andern Herrn) Hör'n Se mal, deutscher Bruder, haben Sie nich zufällig ein Jlas Punsch bei sich, womit Sie mir unter die Aerme jreifen könnten? Wo?

Der Herr (lächelnd). Nein, deutscher Bruder. Aber wenn Sie mich mal besuchen wollen, will ich Ihnen eine ganze Bowle vorsetzen.

Frischer. Wo sind Sie'n zu Hause, hm?

Der Herr. In Stuttgart. Gute Nacht! (Geht weiter.)

Frischer. Schlafen Se wohl, deutscher Bruder! (für sich) Des is ein sehr ein anständjer, bildungsfähijer, plausibler Mensch, der fremde Herr. Ick wollte man blos ein einzijes Jlas Punsch haben, un er biet't mir jleich eine janze Bowle an, wenn ich mal in seine Jejend komme. Des is schön! Des is deutsche Einigkeit, Brüderrüderlüderlichkeit! Sehr schön is es von ihm! Dreifarbig is es von ihm! (nachdenkend) Des einzige Störende dabei is, deß er in Stuttjart lojirt und deß er verjessen hat, mir seinen Namen un Charakter zu sagen. Indessen es bleibt immer liberal von ihm; er hat jejen mir als Nation gehandelt, frankfurtsch am Mainsch, nich würtembergsch oder stuttgartsch, nich jeswietsch, nich sonderbündlersch, un des macht ihm alle Ehre. Davor soll er meine Stimme haben, soll er! (Pause) Wenn ick wieder als Urwähler auftrete. Denn schreib' ick uf den Zettel: der fremde Herr mit de Bowle Punsch aus Stuttjart. (steht still und schreit) Deutsche Brüder wir wollen einig sind! (läßt den Kopf auf die Brust fallen und spricht sehr gemüthlich) Ick bin einig mit mir, also seid auch einig mit Euch. Ich liebe mir, also liebt mir ooch. (energisch auftretend und schreiend) Wo stehe ich hier? (er turkelt und fällt hin) Ach so! (sich aufrappelnd) Des is heute eine betäubende, strenge Winterluft. (wieder sehr laut) Deutsche Brüder, wo stehe ich hier, hm? In Berlin, in Preußen? Jo nich! In... (mit furchtbarer Stimme) Deutschland stehe ick!!! (etwas gemäßigter) Ick bin ufjejangen! Ick bin ein Deutscher, kennt Ihr meine Farben! Ick bin schwarz, ick bin roth, ick bin jold! (nachdenkend) Die letzte Kuleur is man sehr schwach bei mir, aber – des jehört hier nich her. Des sind keene innere Angelegenheiten, des is Finanzmysterjum. (lauter) Ick bin ein reener Deutscher, ein jroßer Vaterländer von'n – von'n – Sundzoll bis an de Appelsinen, von'n Rheinwein bis an de Knute. Allens Preuß'sche hab' ich mir abjepellt, hab' ich mir, un nanu – nanu könnt Ihr mir genießen. (zu einem vorübergehenden Herrn) Stille, wenn ick spreche! (sich umdrehend) Ick bin keene kranke Kartoffel, ick bin ein Berliner. Ein Berliner is sehr jesund! Sehr! Ich sage Euch, deutsche Nationer, ein Berliner is ein sehr jesunder Junge, is er! Kopp un Herz, un Herz un Kopp, un Volk. Von innen un außen Volk, sag' ick Euch: jeder Einzelne Volk. (legt den Finger an die Nase) Wißt Ihr, was des heeßt? (schreiend) Rejierendes Volk heeßt des! Ick bin Souvereen, bin ick! Ick habe mir Anno März die Krone ufjesetzt, un nanu regier' ick. Wart't mal, ich wer' mal jleich rejieren. (er setzt sich sehr langsam auf eine steinerne Treppe) So, des is mein Thron. Nanu stellt Euch mal Alle da hin, Nation. Wie heeß' ich'n nanu? Oberfaul! König Oberfaul von Jottes Jnaden der Erschte. Wie? Ne, wenn ick König Oberfaul bin, denn dhut Ihr am besten, Ihr setzt mir ab. (schreiend) Stille, nich mitreden! (gemäßigter) Ick könnte Euch zwar erscht noch en Paar kleene Jeschichten erzählen, Familienjeschichten, aber es wäre möglich, wäre es, daß sie Euch langweilten, un darum is es am besten, Ihr setzt mir gleich ab. (steht auf) So, nu bin ick abjesetzt, futsch. (sieht sich fragend um) Wie? Is Ihnen sonst noch was jefällig? (sinnend) Wat bin ich'n nanu vor'n König? Frischer? (setzt sich) Des is richtig. König Frischer von Jottes Jnaden der Erschte. Nanu bringt mir mal zuerst ein Hurrah. (steht auf, schwingt seinen Hut und schreit) Hurraaah, König Frischer der Erschte soll leben! (setzt sich und denkt sehr lange nach) Nanu, wat'n nanu? (Pause) Nanu meine Ziehvielliste. Hm? Ne! Ne, jo nich! Wat ick sagen wollte: wie so? Wie so, Ziehvielliste? Wißt 'r was, ich habe mir Des überlegt. Ihr dhut am besten, Ihr setzt mir ooch als Frischer ab. Denn, seht mal, mir fällt es in diesen Oogenblicke nich ein, fällt es mir nich, womit ich Euch nützlich sein könnte. (er legt seinen Kopf auf eine Stufe) Sein könnte. Ich bin heute von den vielen Sylvesterdurscht... (sehr lange Pause) ... des is ein ausjezeichenter Durscht, der Sylvesterdurscht!... bin ich heute... sehr schwach bei Jedanken. (lange Pause) Wenn villeicht Eener von Euch (sich aufrichtend) ... ein Jlas Punsch bei sich hätte, denn! (legt sich wieder nieder, Pause) Denn wäre es möglich... was ich sagen wollte... deß ich Euch den Rath jeben würde, mir abzusetzen. (Pause) Aber anjetzt, deutsche Na... Nation, Frankfort am Mein, Na... Nationalversammlung, Reisverweecher,... wollt' ich sagen Reisverwejner, Ver weser... Centner... Centraljewalt... nu schläfert mir. (Pause.) Jestern war Sylvestern, un heute is Bette, und darum leg' ick mir jetzt zu Neujahr. Proost Neujahr! (halb im Traume) Ich wünsche Euch Alle... eine... Centraljewalt... ein Jlas Punsch... Arbeit... soziale Frage... Zufriedenheit mit Hundertdausend Dhaler... ein festes Leben un eine vejnügte Jesundheit... Liebe... un... un... un keine Pollezei. Proost Neujahr!


 << zurück weiter >>