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Hadamar, in d. neuen Gel. Buchhandlung: Der Geburtstag, eine Jägeridylle in vier Gesängen, 1803. 107 S. 8.
Dieses kleine Gedicht kann man als ein gedrucktes Konzept ansehen, und in diesem Sinne erregt es Interesse. Der Vf. hat einen idyllischen Blick in die Welt, in wiefern er original sei, läßt sich schwer entscheiden: denn vorzüglich die zwei ersten Gesänge erinnern im Ganzen wie im Einzelnen durchaus an Vossens Louise.
Die Welt seiner Jäger und Förster kennt der Vf. recht gut, doch hat er manche Eigentümlichkeiten derselben nicht genug herausgehoben und sich dafür mit den kleinen Lebensdetails, welche diese Klasse mit allen anderen gemein hat, Kaffeetrinken, Tabakrauchen u.s.w., wie auch mit allgemeinen Familienempfindungen, die allenfalls im Vorbeigehen berührt werden können, zu sehr aufgehalten. Überhaupt möchte man sagen, er sei nur mit den Augen und nicht mit dem Herzen ein Jäger.
Das Hauptmotiv, daß am Geburtstage eines Försters der Geliebte seiner Tochter einen Wolf schießt und dadurch zur Versorgung gelangt, ist artig und durch Retardationen interessant gemacht; doch bleibt immer die Charakteristik der Behandlung zu schwach. Der Vf. hätte durchaus bedenken sollen, daß es in der Familie des Försters Waldheim lebhafter und rascher zugehen müsse, als bei dem Pfarrer von Grünau. Lobenswürdig ist übrigens die Darstellung und Benutzung des felsigen Locals mit den Niederungen am Fuße und der bergigen Umgebung. In den zwei letzten Gesängen, wo das Gedicht handelnder wird, ist ein gewisser epischer Sinn und Schritt, eine glückliche Darstellung dessen, was geschieht, nicht zu verkennen. Auch ist über das Ganze eine gewisse gemütliche Anmut verbreitet.
Aber – und leider ein großes Aber – die Verse sind ganz abscheulich. Der Vf., indem er seine Vorgänger in diesem Fache las, hat sich von der inneren Form eines solchen Kunstwerks wohl manches zugeeignet, über die letzte äußere Form aber und deren Vollendung weder gedacht, noch mit irgend einem Wissenden sich besprochen. Was ihm von den Versen im Ohr geblieben, hat er nachgeahmt, ohne sich eines Gesetzes, einer Regel bewußt zu sein.
Sollen wir also die in der Vorerinnerung getane Frage, ob seine Muse Freunden der Dichtkunst wohl ein ästhetisches Vergnügen gewähren könne, aufrichtig und freundlich beantworten, so sagen wir: er lerne zuerst Hexameter machen, welches sich dann wohl jetzt nach und nach wird lernen lassen; wie viel Zeit es ihm auch kosten sollte, so ist es reiner Gewinn; er arbeite alsdann das Gedicht nochmals um, vermindere den beschreibenden Teil, erhöhe den handelnden, ersetze das gleichgültige Allgemeine durch bedeutendes Besondere; so wird sich alsdann deutlicher zeigen, ob er in diesem Fache etwas leisten kann: denn jetzt muß man den besten Willen haben, und eine Art von Sonntagskind sein, um eine übrigens ganz wohlgebildete Menschengestalt durch eine von Warzen, Flecken, Borsten und Unrat entstellte Oberhaut durchzusehen.