Nikolai Gogol
Furchtbare Rache
Nikolai Gogol

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Wunderbar ist der Dnjepr bei stillem Wetter, wenn seine reichen Wasser frei und glatt durch die Wälder und Berge gleiten. Kein leises Raunen, kein lautes Rauschen . . . Strömt des Flusses gewaltige Fläche talwärts, oder rührt sie sich nicht? Du schaust, und du kannst es nicht sehen. Dir ist, als wäre sie aus Glas gegossen, als zöge, blank und blau, ein Spiegelweg, breit ohne Maß, lang ohne Ziel, in weitem Bogen durch das grüne Tal. Froh senkt die Sonne ihre Strahlen hinab in die Kühle der gläsernen Flut, froh spiegeln sich dunkelnde Wälder in dem kristallenen Naß. Ihr Wälder, ihr grüngelockten! Ihr drängt euch über den kleinen Wiesenblumen ans Ufer, ihr beugt euch zum Wasser, euch drin zu beschauen, ihr könnt euch nicht sattsehn an euerm verklärten Abbild und lächelt ihm zu und grüßt es und winkt ihm mit nickenden Zweigen. Doch in die Mitte des Dnjeprs dürft ihr nicht schauen. Keiner als die Sonne da oben und als der Himmel, der blaue, blickt dort in die Flut. Selten nur fliegt ein Vogel bis über die Mitte des Dnjeprs. Prangender Strom! Dir kommt auf Erden kein Fluß gleich.

Wunderbar ist der Dnjepr auch in den linden Nächten des Sommers. Mensch, Tier und Vogel sind schlafen gegangen. Gottes gewaltiges Auge allein ruht auf Himmel und Erde; mit gewaltigem Arm schüttelt er seinen Ornat. Seinem Gewand entgleiten die Sterne und brennen und leuchten feierlich über der Welt und spiegeln sich alle, so viele es sind, in den Fluten des Dnjeprs. Dem mächtigen Strom kann keiner der Sterne entrinnen, – er müßte denn auch am Firmamente verlöschen. Die schwarzen Wälder, in deren Zweigen Schulter an Schulter die Raben schlafen, die Berge, die Gipfel aus brüchigem Urgestein in die Lüfte türmen, – sie beugen sich vor und wollen den Fluß mit ihrem breiten Schatten bedecken. Verlorene Mühe! Nichts in der Welt kann den Dnjepr bedecken. In satter Bläue gleitet sein Wasser, wie durch den Tag, so durch schweigende Nächte. Du siehst ihn, soweit das Auge des Menschen den Blick zu schicken vermag. Wo er sich, bang erschauernd vor der nächtigen Kühle, dicht an das Ufer schmiegt, da fährt er jäh aus dem Traum, da schießt er Blitze, grell silbern wie die Klinge des Türkensäbels. Gleich aber wiederum schläft er ein und sinkt zurück in sein stilles Blau. – Wunderbar ist der Dnjepr bei Nacht. Es ist auf Erden kein Fluß, der ihm gleichkommt.

Doch wenn sich blaue Wolken zu Bergen türmen, wenn die schwarzen Wälder bis in die Wurzeln wanken, wenn Eichen zur Erde krachen, wenn Blitze vom Himmel stürzen und die Welt mit jähem Licht überflackern, – furchtbar ist dann der Dnjepr! Donnernd stürzen die Wasserberge gegen die Felsen, schäumend und ächzend prallen sie zerbrochen zurück, bitterlich schluchzend werden sie sterbend zu Tale gerissen.

Dort, wo die Felsenzunge weit in den Dnjepr ragt, brandet das Wasser voll Wut um verkohlte Balken und feuergeschwärzte Steine. Dort bäumt sich mächtig ein Kahn in den Wellen und kracht beim Landen hart an das Gestade. – Wer ist es von den Kosaken, der sich getraut, im Kahn hinauszufahren, wenn Vater Dnjepr zürnt? Weiß er denn nicht, daß der Strom die Menschen in sich hineinschlingt wie Fliegen?

Der Kahn liegt fest. Der Zauberer springt auf den Strand. Umwölkt ist sein Gesicht, – ihn reuen die Opfer, die das Kosakenschwert dem toten Führer zum Totenfest geschlachtet: es fielen der polnischen Junker in kostbaren Röcken und Panzern vierzig und vier, dazu von ihren Knechten noch dreißig und drei. Die das Leben behielten, sind alle gefangen und wandern als Sklaven zu den Tataren.

Zwischen Schutt und verkohltem Gebälk führen steinerne Stufen tief in die Erde. Der Zauberer steigt eilend hinab. Dort hat er seinen heimlichen Unterschlupf. Lautlos dreht sich die Tür in den Angeln. Der Zauberer tritt an den Tisch, der mit weißem Linnen bedeckt ist. Er stellt eine irdene Schale darauf. In die wirft er mit dumpfem Murmeln Kräuterwerk. Dann faßt seine Hand einen Krug, der aus fremden Holze gedreht ist, schöpft Wasser und sprengt es zur Erde.

Ein sanftes Rosenlicht strömt still durch das Gemach und streift des Alten greuliches Gesicht. Das ist wie überströmt mit Blut, die tiefen Falten graben schwarze Rinnen hinein, und aus den Augen sprüht ein grünes Feuer.

Verruchter Sünder! Dein Bart ist grau, gefurcht von Runzeln ist dein Antlitz, verdorrt dein Leib, und sinnst doch Tag und Nacht auf lästerliche Taten!

Und sieh: inmitten des Gemachs schwebt brauend eine weiße Wolke. Ein Freudenstrahl bricht aus des Zauberers Augen . . .

Doch plötzlich steht er wie versteint, mit aufgesperrtem Munde. Was sieht er, daß er kein Glied bewegen kann. Warum sträubt sich sein Haar vor sinnlos wildem Schrecken?

Bannend schaut ein nie gesehenes Antlitz durch die Wolke zu ihm her. Ungebeten, ungerufen hat er sich zu Gast geladen. Diese Stirn und diese Brauen, diese Augen, diese Lippen sind ihm fremd. Nie ist ihm dies ernste Antlitz auf dem Lebensweg begegnet. Nichts, was Menschen schrecken könnte, liegt in diesen Zügen, – dennoch schüttelt ihn das Grauen. Reglos sehn die fremden Augen durch die Wolke. Und die Wolke schwindet. Immer schärfer, immer klarer zeichnen sich des Geisterhauptes bleiche Züge, seine strengen Augen bohren durch die Brust bis in die Seele.

Weiß wie ein Laken ist der Zauberer. Aus seiner Kehle bricht ein Schrei. Hat er geschrieen? Nein, die Stimme dünkt ihn fremd . . . – Zitternd stürzt seine Hand die Schale um, – er ist allein; leer lastet im Gemach die Dunkelheit.

 


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