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Sht . . .! Leise, Weib! Klopf nicht so laut: mein Knabe schläft! Nun schläft das Kind, – es hat so lang geschrieen. Ich will in den Wald gehn, Weib! O, sieh mich nicht so an! Ich fürchte mich vor dir: aus deinen Augen kriechen Zangen hervor, Zangen von Eisen, glühend rot! Hu, sind die lang! Du bist die Hexe; nicht? Nein, nein, wenn du die Hexe bist, dann mußt du fortgehn, – du stiehlst mir meinen Sohn. Der Oberst ist schön dumm: er glaubt, ich kann in Kiew lustig sein. Nein, hier ist mein Gemahl, hier ist mein Kind. Und wer soll denn das Haus bewachen? Leis', leis' hab' ich mich fortgemacht, – nicht Hund, nicht Katze haben es gehört. Jung werden willst du, Weib? Das ist nicht schwer. Du mußt nur tanzen. Sieh doch, wie ich tanzen kann . . .«
Katherina brach mitten in den wirren Reden ab und tanzte durch die Stube, die Arme eingestemmt, verstörten Blicks. Sie stampfte wimmernd mit den Füßen; doch ohne Takt und Regel klirrten die silbernen Hufeisen an ihren Hacken. Die aufgelösten schwarzen Flechten flogen ihr um den weißen Hals. Gleich einem bangen Vogel huschte sie hin und her und warf die Arme in die Luft. So elend sah sie aus, als müsse sie jeden Augenblick zusammenbrechen und aus dieser Welt entfliehn.
Voll Trauer stand die alte Amme an der Tür. Die hellen Tränen rollten still durch die Runzeln ihrer Wangen. Gleich schweren Steinen lag es den treuen Burschen auf der Brust, da sie die Herrin so erblickten. Und schon war Katherinens Kraft am Ende, sie stampfte nur noch matt den Boden, sie kam nicht mehr vom Fleck, und meinte doch zu tanzen.
»Ich hab' ein Halsband, Burschen!« rief sie zuletzt und ließ die Füße ruhn. »Ätsch, ihr habt keins! – Wo ist mein Vater?« schrie sie dann wild und riß den Türkendolch aus ihrem Gürtel. »Nein, nein, dies Messer taugt mir nicht!« Ein schwerer Kummer trat auf ihr Gesicht, aus ihren Augen schossen Tränen. »Meinem Vater sitzt das Herz tief drinnen, – das Messer ist zu kurz. Aus Eisen ist sein Herz, – die Hexe hat es geschmiedet an der Höllenglut. Warum kommt denn mein Vater nicht? Weiß er denn nicht, daß seine Stunde naht? Ich muß ihn doch erstechen. Er möchte wohl, ich soll ihn suchen und . . .« Sie brach ab und lachte herzzerreißend. »Da fällt mir gerade die lustige Geschichte ein, wie mein Gemahl begraben wurde. Er lebte noch, als sie sein Grab zuschaufelten . . . Haha, hab' ich da lachen müssen! – Hört alle zu, hört alle zu!« Und sie begann zu singen:
»In einem blut'gen Wagen
Fährt der Kosak durchs Land,
Zerschossen und zerschlagen,
Das Schwert in kalter Hand.
Das Schwert schlug scharf und gut,
Drum fließt von ihm das Blut
Als roter Bach zum Sand.
Am Bach, da steht ein Baum,
Ein Rabe sitzt darauf.
Ach Mutter, laß das Weinen,
Du weckst den Sohn nicht auf.
Dein Sohn hat sich erkoren
Ein Fräulein hochgeboren.
Wie eng ist doch sein Haus,
Führt keine Tür heraus.
Kein Fenster in der Wand . . .
Lud einst der Fisch die Krebsin zum Tanz . . .
Und wer mich nicht leiden mag, bleib' mir gewogen!«
So brachte sie allerlei Lieder wirr durcheinander.
Zwei Tage sind es, daß sie wieder in ihrer Hütte haust. Sie will nichts mehr von Kiew hören. Sie betet nicht, sie flieht der Menschen Angesicht und streift vom Morgen bis in die Nacht unruhig durch den finstern Wald. Die scharfen Zweige ritzen ihr das Antlitz und die Schultern, die aufgelösten Haare wehn im Wind, das Herbstlaub raschelt unter ihren Tritten, – sie hört nichts, sieht nichts, fühlt nichts. Zur Dunkelstunde, da das Abendrot verlosch und noch kein Stern am Himmel leuchtet, fürchtet sich jeder Christenmensch, allein im Wald zu sein. An allen Bäumen kratzen, auf allen Zweigen schaukeln die Seelen der kleinen Kinder, die ungetauft gestorben sind, sie wimmern und sie kichern, sie wälzen sich in Knäueln auf den Wegen und im Gestrüpp. Und aus den Dnjeprwellen hebt sich ein lichter Reigen. Das sind die Jungfrauen, die ihre eigene Seele getötet haben in der Sünde Sold. Um ihre Schultern wehen grün die Haare. Und Wasser trieft aus dem Gelock zur Erde. Der Leib der Nixe schimmert durch das Wasser wie durch ein Hemd aus Glas. Betörend lacht ihr Mund, die Wangen glühen, die Augen locken und umgarnen dir das Herz, – sie brennt in Liebe, ihre Lippe lechzt nach deinem Kuß . . . Entflieh, getaufter Christ! Wie Eis sind ihre Lippen, ihr Hochzeitsbette ist die kalte Flut. Sie kitzelt dich zu Tod und zieht dich in das nasse Grab!
Doch Katherina schenkt den Gespenstern keinen Blick. Ihr irrer Geist hat keine Furcht vor Nixen. Sie streift zur Nachtzeit durch den Wald und sucht, die Hand um ihres Dolches Griff gekrampft, nach ihrem Vater.
In aller Morgenfrühe kam hoch zu Roß ein Fremdling auf den Hof. Es war ein stattlicher Kosak in rotem Rock. Der fragte gleich nach Herrn Danilo und bekam von seinem Tod Bericht. Dann wischte er die Augen mit dem Ärmel und ließ betrübt die Schultern hangen. Der selige Burulbasch und er, sie hätten gegen Türken und Tataren zusammen manchen blutigen Strauß gekämpft. Ja, damals hätte niemand daran gedacht, daß es mit Herrn Danilo gar so früh ein Ende nehmen könnte.
Noch mancherlei aus jener Zeit erzählte der Fremde und begehrte zum Schluß, auch seines toten Freundes Gemahlin zu begrüßen.
Frau Katherina ließ ihn im Anfang reden und hörte gar nicht zu. Doch plötzlich hob sie den Kopf, so hell und wach, als sei sie bei Verstand.
Der Gast erzählte, wie er mit Herrn Danilo Blutsbruderschaft geschlossen, und wie sie beide sich einmal hinter einem Damm vor den Tataren hätten bergen müssen . . .
Frau Katherina lauschte und wendete kein Auge von seinem Mund.
– Ja, sie kommt wieder zu sich! dachten die Kosaken. – Der Fremde macht sie gesund. Sie hört ihm zu, als wäre sie bei Verstand.
Nun aber erzählte der Gast, es hätte einst in einer vertrauten Stunde Danilo Burulbasch zu ihm gesagt:
»Hör, Koprian, mein Freund und Bruder: wenn es einst Gottes Wille ist, und ich bin nicht mehr auf der Welt, dann führe du mein Weib in deine Hütte und laß sie deine Gattin sein . . .«
Da brach ein jäher Strahl von Haß aus Katherinens Augen und traf den fremden Mann.
»Ja!« schrie sie. »Ja, er ist's! Es ist mein Vater!« Sie riß das Messer aus dem Gürtel und stürzte sich auf ihn.
Es war ein schweres Ringen, bis er den Dolch aus ihrer Faust gelöst. Dann hielt er ihn, er holte aus, und – grauenvolle Tat! – der eigene Vater stieß seinem irren Kind den spitzen Stahl ins Herz.
Der bleiche Schrecken hatte den Kosaken die Kraft gelähmt. Nun sprangen sie herzu und wollten den Mörder greifen. Jedoch der Zauberer saß schon zu Roß. Und er war fort, – sie sahen ihn nicht mehr.