Anastasius Grün
Nibelungen im Frack
Anastasius Grün

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Hier wird Spielzeug verfertiget.

              O Fürst, dein Dichter könnte, da eben du auf Reisen,
Mit seinem Stab die Pforten zu unterirdschen Gleisen
Dir öffnen und dich führen in deines Geschickes Schmiede;
Doch will kein Glück er stören, – oft mit dem Wissen flieht der Friede. –

In der kristallnen Grotte tief im Verließ der Berge
Da wohnen gute Geister, die Kobolde, die Zwerge,
Die einst mit Menschen lebten, dem Knecht die Lasten trugen,
Dem Ritter die Rüstung schleppten, den Streithengst ihm mit Gold beschlugen;

Die seinen Töchtern spannen das feinste Haar vom Rocken,
Die Kindern Spiele lehrten und kämmten die gelben Locken;
Ach, daß wir sie erzürnten mit Spott, unedlem Necken!
Ach, daß wir sie verscheuchten mit Kreuzeschlagen und Weihbrunnbecken!

Wie Liebe, unerwiedert, noch heißer glüht im Brand,
So lieben sie Menschenkinder noch treu, wenn auch verbannt,
Für die nur schafft und rasselt die Werkstatt in dem Berge
Und hämmern, brau'n und raspeln, poliren und feilen Kobold' und Zwerge.

Der schneidet Talismane, der schmilzt im Tiegel Metalle,
Der schnitzelt köstlich Spielzeug aus Gold und Bergkristalle;
Kunstproben ausgespeichert in Kasten rings und Laden,
Ein unterirdisch Nürnberg, ein geisterhaftes Berchtesgaden!

Und sengen Dem und Jenem den Bart die Grubenlichter,
Verzerren sie die häßlich gutmüthigen Gesichter
Doch immer sprüht die Esse und immer donnert die Schmiede,
Doch immer rasseln die Räder und rührig rauscht das Werk zum Liede:

»Weh, daß wir, Geisteraugen, durchschauend Tiefe und Höhe,
Nur dunkeln sehn die Ferne, nur modern sehn die Nähe!
Weh, daß so schlecht die Blumen der Erde Verwesung decken,
Weh, daß so schlecht die Sterne des Himmels Trostlosigkeit verstecken!

»Weh, Mensch, daß du geboren! Vor unsres Auges Strahlen
Liegt bar dein armes Leben, Elend erkauft durch Qualen! –
Daß von des Sein's Entsetzen er ab sein Auge wende,
O Schacht, mit deinen Schätzen, mit deinem Flitter mild ihn blende!«

So singen sie und schaffen; es tosen Speichen und Scheiben!
Die Splitter und die Späne, die von der Drehbank stäuben,
Demantenschutt und Goldstaub, fängt auf im Schurz die Najade,
Genug, zu kaufen alle die Königreiche der Gestade.

Und hat vollendet Einer sein Spielzeug, sein Geschmeide,
Fort trägt er's, selbst unsichtbar, zu köstlicher Augenweide,
Dorthin, wo drauf recht helle die Sonnenstrahlen zielen,
Zur großen Blumenwiese, auf der die Menschenkinder spielen.

Recht wie den Balg ein Jüdlein, weiß er's zu drehn, zu wenden,
Daß Kinderaugen sein Kleinod bald locken muß und blenden,
Bis sich's ein Kind erhaschte! Doch das gibt's nimmer frei:
Indeß das Aug' ihm's fesselt, zieht ungesehn sein Leid vorbei.

Dem schlichten Kindertrosse gemeine Rößlein von Stecken,
Doch manche von Bändern flatternd, und andre bunte Schecken;
Doch alle rennen und springen, – der Reiter sieht im Fliegen
Den Jammer nicht am Wege, bis Roß und Mann im Graben liegen.

Doch schönen, klugen Kindern gibt's schöne feine Sachen!
Dort läßt ein Kobold fliegen Kometen als Rauschgolddrachen,
Ein Kind erfaßt den Faden, schaut immer ihm nach in die Sterne:
Dem Bild graunvoller Nähe entfloh sein Blick in gleißende Ferne.

Von Gold den Apfel schleudert ein andrer unter die Kleinen,
Des Apfels Stiel ein Kreuzbild, die Wangen von Edelsteinen;
Drum balgen sich die Knaben, – ihn faßt ein Königskind:
Der Glanz quillt um sein Auge, für Erdenjammer nun selig-blind!

Der hascht die Silberflöte; ihr Klang ihn süß bezwingt,
Daß ungehört des Schmerzes Wehklagen ihm verklingt;
Der dort sich in des Prisma's Gluthfarbenspiel verschaut,
Sieht nicht des Lebens Töne ringsum erstorben und ergraut.

Ein Kobold wirft in die Lüfte ein goldnes Vögelein,
Rubine sind die Flügel, Demanten die Aeugelein;
Es zwitschert und singt so lieblich das Vöglein Poesie,
Da lauscht und lauscht ein Knabe, – dem eignen Elend horcht er nie.

Auf einem blanken Stahlschild im Traum liegt einer der Knaben,
Triumphe, Kriegerzüge sind kunstvoll drauf gegraben;
Sein Aug' sieht nur im Glanze des Ruhms Gestalten schreiten,
Geschlossen den Trauerzügen, die bleich an ihm vorüber gleiten.

Mit Kichern und mit Lachen heim zu der Brüder Schaaren
Kam von der Blumenwiese ein Kobold einst vor Jahren:
»Goldgeiglein, das ich formte dem Fiedlersohn zur Spende,
Fiel heut im wirren Gedränge in eines Fürstenkindes Hände!

»Doch ihm auch soll's gefallen und nützen bis zur Bahre
Sein Ohr und Aug' bezaubern, daß ihm's zu sehn erspare
Des eignen Stamms Erlöschen, der dunklen Mächte Wallen,
Des deutschen Sternes Sinken, des großen Vaterlands Zerfallen!«


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