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So wie man zugibt, daß der Mensch zur Geselligkeit geboren ist, so muß man auch zugeben, daß das Leben im Staate seine natürliche Bestimmung ist. Denn man braucht das Prinzip der Geselligkeit nur festzuhalten, auszudehnen, durch die Wiederkehr ihrer Bestimmungen zur Gewohnheit zu machen, so sind auch alle Anfänge des Staates gegeben, so vertauscht der Mensch seine allgemeine Bestimmung mit der des Bürgers. Noch weniger kann man sich dem Staate entziehen, wenn man mitten in seinen Vorschriften und Wohlthaten geboren ist, wie es denn nichts Vergeblicheres gab, als die Bemühung eines Bekannten von mir, der den Staat gleichsam umgehen wollte. »Sehen Sie,« sagte dieser Mann, als er sich von seinen Bestrebungen den besten Erfolg versprach, »ich halt' es für die größte Thorheit, den Staat zu bekämpfen. Wenn wir schon im gemeinen Leben unsre Verachtung und unsern Haß recht grell und empfindlich ausdrücken wollen, so pflegen wir den Gegenstand dieser Leidenschaften am besten zu ignoriren. Der Zurückgesetzte und Verachtete fühlt sich tiefer gekränkt, als der, welchen man bei aller feindlichen Stellung doch immer noch der Mühe für werth hält zu bekämpfen. Sich um den Gegner gar nicht kümmern, das verbittert ihm das Leben weit mehr, als wenn man es ihm durch fortwährenden Kampf noch so sauer macht.«
Bitter oder sauer, entgegnete ich, wie kommen Sie nur darauf, eine so entschiedene Feindschaft gegen den Staat zu nähren?
»Das gehört nicht zur Sache,« erwiederte er, »ich bin ein entschiedener Anhänger jener Tendenzen, bei deren Vertheidigung Molesworth im Unterhause leider nur über so wenig Stimmen zu gebieten hat. Allein ich halt' es für gänzlich falsch, sich mit einem Staate, dessen Einrichtungen man verachtet, auch noch weitläufig abzuquälen; ich umgehe den Staat. Ich kümmere mich zwar um seine Verbote, damit ich seiner Jurisdiction nicht anheim falle; aber Alles, was er anempfiehlt, Alles, wozu er eine moralische Bereitwilligkeit bei seinen Gliedern voraussetzt, läßt mich kalt und kümmert mich nicht. Weil mir der Zustand der Dinge, wie er jetzt ist, mißfällt, so brauch' ich doch nicht gleich Hand anzulegen, ihn zu verbessern. Zuletzt, mein Freund, Demokratie oder Aristokratie, es bleiben immer dieselben lästigen Zwangsvorschriften, durch welche man uns zu den Rädern einer Maschine oder zu den willenlosen Pflanzen eines Organismus machen will, in welchem ich durchaus nichts Natürliches sehe.«
Damals hätte der Widerspruch diesen Mann nicht einmal erbittert; hätte er Feuer gefangen, er würde geglaubt haben, dem Staat einen Dienst zu leisten. Er schwieg, ich schwieg und dachte, daß, wenn man freilich die Menschen zu einer Uebereinkunft in diesem entsagenden Sinne vereinigen könnte, dadurch den öffentlichen Angelegenheiten ein Nachtheil zugefügt werden könnte, den sie bald empfinden würden. Inzwischen war das, was jener Mann wollte, unmöglich. Man kann den Staat nicht vermeiden, er begegnet uns überall.
Hören wir jedoch, wie es jener selbst im Lande exilirte Patriot einige Jahre über machte. Er sah wohl ein, daß er sich gewissen Ansprüchen, z. B. den Geldsteuern nicht würde entziehen können. Deßhalb machte er mit einem seiner Pächter auf dem Lande den Vertrag, daß er ihm eine bestimmte Summe Geldes überlassen wollte, womit er stillschweigend seine ganze Existenz- und Steuerpflichtigkeit bestreiten könnte. Dieß ließ sich machen. Er entsagte einigen Lieblingsgewohnheiten, deren Ersparniß sich gerade so hoch belief, als die Contribution, die er jährlich an den Staat zu liefern hatte. So konnte er sich überreden, daß er dem Staate nichts leistete, als Entsagung, eine Münze, die auf ihrer andern Seite das Gepräge der Verachtung trug. Er gab auch seine politischen Rechte auf; ob Whig oder Tory in den Gemeinderath kam, kümmerte ihn nicht. Wenn seine Grafschaft den Poll für die Parlamentswahl eröffnete, so belächelte er das Gewühl der sich streitenden Parteien, steckte die Hand in den Brustlatz und behielt seine Stimme bei sich, selbst wenn er damit für die Wahl eines Reformers den Ausschlag hätte geben können. Er ging in keine Kirche, weil er überzeugt war, daß die Religion nur um des Staates willen erfunden wäre. Er wies jede Beziehung zu öffentlichen Dingen zurück, las keine Zeitungen, keine Broschüren und wußte entweder wirklich nicht mehr, welcher Meinung dieser oder jener Staatsmann angehörte, oder affektirte, es nicht zu wissen. Er gestand, nicht mehr zu wissen, ob Wellington für die königliche Prärogative oder für das Volk stimme. Es machte ihm Vergnügen, von Robert Peel so zu sprechen, als hielt er ihn für einen ostindischen Missionär. Lord John Russel wird für die Appropriation auftreten, sagte man ihm einmal. Für die Aneignung? frug er; ist da schon wieder ein Advokat aufgestanden, der den Diebstahl vertheidigen will? Er erklärte in einer Gesellschaft, den Unterschied zwischen dem Ober- und Unterhause vergessen zu haben. Es sey ihm auch so wenig d'ran gelegen, daß ihm weit lieber wäre zu wissen, wie die Herzogin von New-castle ihre große Katze nenne. Kurz, in dieser Weise hatte er sich einen Wahnsinn angeeignet, in welchem eine consequente Methode, den Staat zu verachten, die Oberhand hatte.
Sey es nun aber, daß ihn die lange Weile oder die Nothwendigkeit, seine Zeit zu zerstreuen, trieb; er wurde ein großer Fußgänger, ein Sportsman, der nie Milzstechen bekam. Man machte ihn allmählich darauf aufmerksam, daß ihn gerade die Natur darauf hinführen müsse, den Staat und die Gemeine anzuerkennen, wenigstens die englische Natur, die nicht Gott und der Welt, sondern diesem oder jenem Herzog, diesem oder jenem reich gewordenen Advokaten oder Baumwollenspinnerssohne gehöre. Wie viel Gänge oder Gehäge sind nicht dem Fußgänger verboten; wie viele Inschriften an den Tafeln und Strafandrohungen müssen nicht gelesen werden, wenn man sich nicht einer Pfändung aussetzen will! »Ich lese diese Tafeln nicht,« war die Antwort. »Dann werden sie schon einmal irre gehen.« Er schwieg und einige Wochen darauf erfuhr man, daß ihn der Richter in einer kleinen Gemeinde hatte einstecken lassen, weil er nach vielfachen, die Ruralgesetze beleidigenden Contraventionen doch immer wieder über Wege ritt, die für Menschen schon zu eng waren, oder er sonst den Frieden und die Ordnung des Waldes und des Feldes störte. Der allgemeine Spott über diese Berührung mit dem Staate ärgerte ihn; er verließ England und reist noch gegenwärtig auf dem Continente herum, nachdem er erklärt hat: wenn ihm die Institutionen verböten, ein abstrakter Mensch, und seine Liebe zu England, ein Kosmopolit zu seyn, so glaube er doch wenigstens als Tourist der Unabhängigkeit von politischen Satzungen am nächsten zu kommen.
Der Mensch wird in den Windeln des Staates geboren und mit den Tüchern des Staates wird sein Sarg wieder in die Erde gesenkt. Der Staat schlägt seine liebenden Arme um ihn, seine vorsorgenden, seine schützenden, seine tyrannischen; er gibt ihm und nimmt; er liebkost und demüthigt ihn. Er bietet dir Alles an und versagt dir Alles; der Staat beherrscht nicht blos unsre physischen Kräfte, unsern Arm und unsre Geldmittel, sondern in die feinsten Poren unseres Geistes dringt er ein und läßt uns keinen einzigen Begriff bilden, der nicht durch seine Atmosphäre erst Dauer und praktische Consistenz erhält. Wir können uns mit Gott allein fühlen; allein mit unsrer Liebe. Wollen wir aber an unsren Freuden Genossen finden, so nimmt jede unsrer Bewegungen durch diese Gemeinschaft eine eigenthümliche Beugung an. Alle unsre Vorstellungen sind durch den Staat, welcher uns gefesselt hält, relativ geworden; ja selbst in Nordamerika, wo man so wenig auf den Staat gibt und ihn immer nur als das letzte anerkennt, hat sich doch diese Gleichgültigkeit auch aller sonstiger Gemüths- und Geistesvorstellungen bemächtigt und ihnen ein Gepräge gegeben, welches, wie verschieden es auch von den öffentlichen Thatsachen zu seyn scheint, doch mit ihnen ganz denselben Ursprung und Charakter trägt.
All unser Stolz, alle die großen Ideen, von welchen sich unsre Zeitgenossen jetzt getragen fühlen, all' unsre Debatten sind politischer Natur. Eine merkwürdige Erscheinung! Wenn man im Alterthum vom Fortschritte der Zeiten sprach, so dachte man an die Ausbildung der Philosophie; wenn das Mittelalter eine neue Zukunft predigte, so war es bei Mystikern die kommende Herrlichkeit Gottes, bei Rationalisten der Fortschritt in Bereicherung der Wissenschaften und Wiederbelebung des Alterthums; alles Große, was die Reformation träumte, war auf die Enthüllung himmlischer Geheimnisse gerichtet, auf den Sieg der Vernunft und die Reinigung des Glaubens, kurz, alle vergangenen Zeiten knüpften ihre Bestrebungen an die Eroberung des Himmels an und drangen nach der Enthüllung Gottes und seiner Geheimnisse. Ganz anders ist das Ideal unsrer Zeit. Sie gibt die Ewigkeit preis als etwas, das von selbst kömmt oder auf sich beruhen möge, und sucht sich nur auf die Lösung jener Aufgaben, welche rein irdischer Natur sind, zu beschränken. Der Staat, das Bürgerthum, die Gemeinde, um diesen Gleichmesser der politischen Begriffe drehen sich alle Meridiane unserer Wünsche und Hoffnungen. Während die Vergangenheit alle Dinge zu erfassen suchte, haben wir uns nur eine einzige Aufgabe gestellt, eine solche freilich, zu deren Lösung wir alle Spitzfindigkeiten unsres Verstandes und alle Leidenschaften unsres Herzens aufbieten. Das sind die zwei großen Fragen, welche gegenwärtig im Streit mit einander liegen. Soll der politische Gedanke unsrer Zeit in eine allgemeine, die ganze Menschheit umfassende Vollständigkeit erweitert werden; oder soll dieser Gedanke beschränkt werden auf ein einfaches Axiom der Rechtsgelehrsamkeit? Nicht Revolution, nicht Reaktion, Whiggismus oder Torysmus, linke oder rechte Seite, oder was man sonst für Ausdrücke hat, um die Richtung der Gemüther und Tendenzen unserer Zeit zu bezeichnen, entscheiden die Bestimmung dieser Zeit, sondern nur die beiden Gesichtspunkte: Soll die politische Frage auf eine rein juristische reducirt oder auf eine allgemein menschliche ausgedehnt werden? Freiheit und Tyrannei, Stoß und Gegenstoß, Vor- und Rückwärts kommen hier nicht mehr in Betracht. Denn was will man sagen? Die Ideen von Wahrheit und Recht stehen zu licht am Firmament unseres Himmels, zu deutlich in jedes Menschen Brust, als daß Männer wie Ferdinand der VII., Polignac, Wellington, die ganze Reihe der Liberticiden als etwas Andres betrachtet werden können, denn als Spreu, welche der Wind verweht. Um jene beiden Fragen, welche wir so eben als den Süd- und Nordpol unsrer Zeit betrachtet haben, richtig an sich und tüchtig durch uns zu lösen, bedarf es gleich redlicher Kräfte, bedarf es gleich freier Gesinnungen, bedarf es gleich unbefleckter und bestechungsloser Hände; die Entscheidung jener beiden Fragen ist nicht auf der Wagschale eines bessern oder schlechtern Willens, sondern der richtigen Ueberzeugung auf der einen Seite des Zufalls und der göttlichen Fügung auf der andern gelegen. Sollen wir den jetzt so sehr in Frage gestellten Bürger gänzlich emancipiren, sollen wir ihm alle jene juristische und staatsrechtliche Freiheit geben, nach der er sich sehnt? Oder sollen wir die politische Debatte in dieser engen Abzirkelung für unwürdig erklären, die Ideen eines ganzen Zeitalters auszufüllen, und ihnen eine Erweiterung geben über alle Interessen der Menschheit hin, eine Lösung nur in harmonischer Uebereinstimmung mit allen übrigen Pflichten und Rechten, welche uns nicht nur als Bürger dieser, sondern auch als die Erben jener Welt bezeichnen?
Fragen dieser Art kann man nicht erörtern; man kann sie nicht mit Für und Wider dialektisch hin und her werfen, sie lassen sich nur andeuten und festhalten, wie die fliegenden Momente einer räthselhaften Gemüthsstimmung. Das Unterpfand aller ewigen Ideen liegt in der Unfähigkeit, mechanisch manipulirt zu werden, so und so, mit Vorder- und Nachsatz, mit Anfang, Mittel und Ende. Wir wollen hier nur bei der ersten Wendung des von uns angeregten Gedankens stehen bleiben und das Leben im Staate größtentheils nur als eine Einzelfunktion des menschlichen Daseyns im Auge behalten. Wir betrachten den Staat zuerst in seinen innerlichen und sodann in seinen äußerlichen Beziehungen.
Ein Bürger des Alterthums zahlte Steuern, versah aber auch Kriegsdienste. Die Alten trieben kein Gewerbe und bedienten sich auch für den Ackerbau nur der Sklaven. Sie waren Grundbesitzer, Eigenthümer, Unternehmer, sie widmeten nur den geringsten Theil ihrer Muße ihrer Existenz und den bei Weitem größern den Angelegenheiten des Gemeinwesens. Bald gab es Priester, bald Präfekten, bald Feldherren zu wählen. Sie kannten den Namen des Bürgers nicht ohne ausschließliche Beziehung auf den Staat. Selbst die Religion war ihnen eine politische Pflicht, so daß Sokrates, des Atheismus beschuldigt, auch für einen schlechten Bürger angesehen wurde.
Der Bürger unsrer Zeiten ist vielleicht eben so vom Staat in Anspruch genommen, wie der des Alterthums. Allein er kömmt dem Staat weit weniger entgegen, er fühlt sich weit weniger in seinem Zusammenhange. Er sucht dem Staate nicht selten zu entschlüpfen und hält ihn weit öfter für das Hinderniß seiner Freiheit, als für das natürliche Organ derselben. In Monarchien, welche nach unumschränkten Gesetzen regiert werden, ist der Horizont eines Bürgers kaum über die Lokalität, welche er bewohnt, ausgedehnt. Er ist Unterthan in Beziehung auf den Staat und Bürger in Beziehung auf die Gemeinde. Wenn in solchen Staaten ein dicker Viehmäster ausruft: Herr, ich bin Bürger! so soll das nur so viel heißen, als: Ich zahle meine Steuern, die Schlachtsteuer, die Tranksteuer, die Accise, das Patent, kurz, der Mann findet seinen Stolz darin, andern Leuten zu -- gehorchen. Welcher absolute Staat auch so glücklich ist, eine etwas freiere Munizipalverfassung zu besitzen, der gibt mit dem Bürgerrechte, das man wohlverstanden nicht durch die Geburt, sondern nur durch ein Patent erhält, zugleich damit die Erlaubniß, für sich selbst zu sorgen, die Beleuchtung der Stadt aus eignem Beutel zu bezahlen, die schlechten Straßen pflastern zu lassen, auch wohl eine Kirche, wenn sie zu eng ist, auszubauen. Kurz, dieses Munizipalbürgerthum in den absoluten Staaten soll sehr kostspielig seyn. Dafür ist es aber auch mit einem gewissen Scheine von Freiheit verbunden, von Freiheit über jene Wiesen und Gärten, welche rings das Weichbild der Stadt ausfüllen, Freiheit über die Meilenzeiger auf den Kreuzwegen, nach welchen sich die Reisenden in der Gegend zurecht finden können, Freiheit, die Armen des Ortes zu kleiden und zu speisen, kurz, alles das aus eigenem Antriebe und aus eigenen Mitteln zu thun, was, wenn es der Staat thun sollte, ihm eine Menge Geld und eine Unzahl Beamte kosten würde.
Das moderne Europa ist so sehr die Frucht des mittelalterlichen Feudalismus, daß dieser Begriff, welchen man mit dem Bürgerthume verbindet, dieser lokale Geruch, der an ihm haftet, eigentlich überall und selbst in jenen Ländern, deren Zukunft durch Verfassungen gesichert wurde, der herrschende ist. Der Franzose und Engländer verbindet die Vorstellung seiner politischen Rechte weit mehr mit dem Ausrufe: Ich bin Franzose, ich bin Engländer, als mit dem: Ich bin Bürger von Frankreich oder England; der Nordamerikaner dagegen sagt nie anders, als: Ich bin Bürger der Union. Beide, der Europäer und der Amerikaner, sind stolz genug, mit ihrem Ausrufe dasselbe ausdrücken zu wollen. Nur findet der Engländer die Garantie seiner Freiheit weit mehr in dem Ruhm seiner Geschichte, in dem glorreichen Gedanken, einem Stamme und einer gewissen Menschenrace anzugehören, als der Nordamerikaner, welcher wohl fühlt, daß ihm das Gedächtniß an Vater und Mutter entschwunden ist und daß sich sein Ursprung weit mehr auf ein Findelhaus, als auf eine achtbare christliche Familie zurückführt. Der Nordamerikaner ist stolz auf die geschriebene Urkunde seiner Freiheit; der Engländer weniger auf den Buchstaben, als auf die freie lebendige Tradition seiner Rechte, denen zum größten Theil auch in der That keine geschriebene Quelle zu Grunde liegt. Uebrigens ist die Gewöhnung an den schwierigen Kampf, mit welchem sich der Europäer seine politischen Rechte hat erobern müssen, doch bei ihm so überwiegend, daß man wohl sagen kann: Der Engländer ist stolz auf das, was ihm erlaubt ist; der Amerikaner stolz auf das, was ihm nicht verboten ist; jener ist stolz auf alles, was er darf, dieser auf alles, was er kann. Jener pocht auf die vielen Rechte, die er hat, dieser auf die wenigen Pflichten, die man von ihm verlangen darf.
In allen Staaten, welche sich einer geschlossenen Nationalität und eines gewissen Grundstocks von Freiheit, den die Fürsten inne haben mögen, den sie aber nicht antasten werden, weil sie sonst von dem Volke, an welches sie den Grundstock ausleihen, keine Zinsen mehr ziehen, also in allen Staaten, welche sich des Fortschrittes im Lichte des Jahrhunderts bewußt sind, sind mit dem Bürgerthum einige Begriffe verbunden, welche unverjährliche Rechte ausdrücken. Wenn ein Deutscher ausruft, und es mag in dem freisten seiner Bundesstaaten seyn: »ich bin ein Deutscher!« so drückt er damit immer nur eine historische Erinnerung, ein moralisches Moment aus, keinesweges Civil-Ideen, die bei dem Ausrufe: ich bin ein Engländer, ich bin ein Franzose! sich von selbst verstehen. Hier ergibt sich nämlich immer die Nebenvorstellung: ich habe ein mit mir gebornes Anrecht auf jeden Vorzug, den die Oeffentlichkeit im Schooße unsrer Nation dem Einzelnen nur gewähren kann; ich habe das Recht, an den gemeinsamen Angelegenheiten, unter freilich mehr oder minder lästigen Bedingungen, Theil zu nehmen, ich gehöre einem Lande an, wo sich die Folgen jedes Ereignisses, welches ihm durch Gunst oder Ungunst zustößt, auch auf mich erstrecken; ich bin meinem Lande Aufopferung schuldig, kurz, ich besitze Rechte und Pflichten, welche sich wechselseitig die Wage halten. Kurz, dieser Ausruf: ich bin ein Engländer, ein Spanier, ein Norwege, ein Schweizer, ein Ungar! sind an die Stelle jenes antiken Bürgerstolzes getreten, den wir in dieser Schroffheit und Beschränkung nicht mehr verstehen können. Es müssen sich nationale Empfindungen, historische Erinnerungen und ähnliche Elemente jenem Bewußtseyn beimischen, welches jetzt die freien Glieder einer freien Staatsgemeinschaft emporhebt und schwebend trägt.
Ein Begriff, der sich dem antiken Bürger schon bei weitem nähert, ist der des modernen Wählers. Ja, ein Wähler ist ein Mann, der nicht blos, wie wir alle, in dem moralischen Fluidum der Freiheit schwimmt, sondern der sie schon wieder als ein Privilegium für sich auf Flaschen zieht; ein Wähler nähert sich schon bedeutend jener antiken Beschränktheit, die an der Freiheit nicht die Rettung des Allgemein-Menschlichen, sondern die bloße Sicherheit des Bürgerlichen sieht. Ein Wähler will die Freiheit, aber nur für sein Land, für seine Provinz, für seine Stadt, für sich selbst, kaum für den, dem man seine Stimme gibt. So schrumpft der Gesichtskreis immer enger zusammen; das, was Befreiung seyn soll, wird die größte Sklaverei. Ist z. B. die Freiheit in der Hand des französischen Wahlcensus, der kaum dreimalhunderttausend Menschen zu den Constituenten des höchsten gesetzgebenden Körpers der Nation macht, nicht schon wieder ein Despotismus geworden, der, weil er der Despotismus der Leidenschaftslosigkeit, der Apathie und des geängsteten Reichthums ist, weit unerträglicher werden kann, als die frische, vollblütige und gesunde Tyrannei meinetwegen eines Alleinherrschers, der doch in allem, was er thut, Willen und Entschlossenheit offenbart? Wenn man recht fühlen kann, wie die Alten, trotz ihrer grenzenlosen Freiheit, doch recht oft die Sklaven der Begriffe waren, welche sie mit ihr verbanden, so wird man auch fühlen können, wie sehr sich unsre neuen Wähler jenen atheniensischen Bürgern nähern, welche die Tugend des Aristides mit kleinen Schiefertäfelchen zur Stadt hinaus ostracisirten.
Ein Wähler in der Hauptstadt -- ein Wähler in der Provinz -- dieß ist die Aufgabe für einen Sittenmaler. Der erstere kann unmöglich so stolz werden, wie der letztere, weil doch wahrlich die Hauptstadt mancherlei Verhältnisse darbieten wird, gegen welche sich der stolze Wähler doch nur als ein unbeholfenes Organ eines fremden Willens fühlen wird. Die Aristokratie der Geburt, der Verwaltung, der Börse drängt jenen Bierbrauer zurück, welcher dem Staate eine außerordentliche Steuerlast contribuirt, und der auf der einen Seite abhängig ist von dem gemeinen Volk, welches seine Kundschaft bildet, und auf der andern Seite gern seine Frau, seine Kinder und besonders seine Tochter, die französisch spricht, Gedichte und sogar Gemälde macht, und sein Gesinde, seine Pferde mit dem des Staatsmannes oder Banquiers möchte wetteifern lassen. Diese Leute haben selten einen festen politischen Willen oder erhalten ihn erst in Folge einer Zurücksetzung, wo sie sich gekränkt glauben und sich durch den Gebrauch ihrer Stimme für die erlittene Unbill rächen. Sie haben das Gute, daß sie der Bestechung schwer zugänglich sind, wenigstens jener gemeinen, welche einen Boten mit baarem Gelde in das Haus des Wählers schickt und sogar, wenn sie es verlangt, eine Quittung dafür fodern darf. Doch gibt es feinere Arten, auch die Unpartheilichkeit dieser Männer zu untergraben. Man kennt ihre Schwäche, ihren Wetteifer mit der Aristokratie, man grüßt sie im Theater, man läßt seine Kinder mit den ihrigen schön thun. Kein entschieden ehrgeiziger Staatsmann ist so auf die Dehors seiner Würde versessen, daß er nicht wenigstens seinem Ehrgeize zu Liebe zuweilen eine Ausnahme machen sollte und einen kleinen Abend geben, wo man die Familie eines bescheidenen, aber ehrlichen Gentleman zu sich einladen kann, ohne in Verruf zu kommen. Läßt es sich mit den Frauen und Kindern nicht thun, so versucht man vermittelst der Pferde zu Anknüpfungen zu kommen. Man besucht die Ställe Master Porters, man ermuntert ihn diesen oder jenen Apfelschimmel nach dem nächsten Rennen in Haymarket zu bringen; man verspricht sogar auf seinen Hassan oder seine gestreifte Stute Tulipane zu wetten, und sie dadurch in die Combinationen der pferdeliebhabenden Aristokratie einzuführen. Oder Master Porter hat sich einen neuen Wagen angeschafft, oder er hat auf seinen Landgütern eine neue Düngermethode eingeführt; kurz, es gibt hier so viele Anknüpfungspunkte für den, welcher populär seyn will, und den, welcher schwach genug ist, sich düpiren zu lassen, daß der erstere nicht einmal zu studiren braucht, wie er dem letztern auf eine passende Weise beikommen soll.
In London sind diese Annäherungen freilich durch Gewohnheit und Vorurtheil außerordentlich selten; London selbst schickt die freisinnigsten Mitglieder in das Parlament. Dagegen sind die großen Boutiquiers in Paris, die Banquiers und Rentenbesitzer weit leichter erobert. Sie schicken nur Männer, die dem Ministerium ergeben sind, ja oft sogar Deputirte, die noch ministerieller sind, als die Minister selbst. Man kauft in ihren Läden, man schmeichelt ihnen; man ladet sie bei Hofe ein und befördert sie durch Bestechungen, die etwas mehr nach unten gehen, zu hohen Graden in der Nationalgarde. In andern constitutionellen Staaten mag die Bestechung der Wähler in den Hauptstädten nicht minder glückliche Fortschritte machen; wenn dieselbe auch in den kleinen Residenzen Deutschlands schwieriger seyn dürfte, weil daselbst jedes derartige Manövre sehr leicht verrathen würde und überdies die deutschen Souveräne zu viel Schroffheit besitzen, die sie mit der englischen Aristokratie sehr verwandt macht, deren Symbol auch ist: wir bleiben, was wir sind und mag die Welt darüber zu Grunde gehen.
Der Wähler in der Provinz ist je nach dem höhern oder geringern Census des Staates entweder ein Fabrikenbesitzer, oder ein freier Eigenthümer, oder ein Gewürzkrämer, der zu gleicher Zeit auch den Apotheker des Ortes macht. In letzterm Falle besitzt der Wähler eine außerordentliche Rührigkeit. Er hält mit mehrern seines Gleichen in der Stadt zusammen eine Zeitung, welche des Morgens in der Stadt zirkulirt und des Abends im Klubb besprochen wird. Nicht selten, daß diese Gewürzkrämer die freisinnigsten Constituenten sind. Die Lebhaftigkeit ihres Geistes muß Nahrung und einen gewissen Schwung haben. Wo soll diese anders herkommen, als aus liberalen Begriffen, welche auflösen, niederreißen und überhaupt einer dialektischen Behandlung fähig sind! Es bedarf schon einer ganz eignen Wendung der Dinge, wenn unser Gewürzkrämer die Sache der bestehenden Ordnung vertheidigen soll. Er muß dann ein kleines Gut haben, welches er von einem Pair des Königreichs in Pacht nahm; er muß an eine nahgelegene Gutsherrschaft Waarenlieferungen haben oder einen Sohn, der auf dem Colleg mit einem Seitenverwandten Peel's Freundschaft geschlossen hat, und durch diesen dereinst eine Pfründe oder ein einträgliches Richteramt erwartet. In diesem Falle wird unser Gewürzkrämer eben so conservativ, wie im entgegengesetzten reformistisch gesinnt. In diesem Fall hat er gleichfalls seine Klubbs, die ihm blind ergeben sind, und dann noch weit mehr, wenn er mit geheimnißvoller Miene sie grüßen kann und erzählen, er hätte einen Brief aus dem Colleg bekommen und sein Sohn hätte darin etwas fallen lassen, was ein geschickter Wähler wohl aufheben müsse. Kurz, hier geben persönliche Verhältnisse die Entscheidung und können die Gesinnung so lange aufrecht erhalten, bis einige Tage vor der entscheidenden Wahl ein Wagen vor das Haus gefahren kömmt, der Händedruck, Stimmzettel und Geld bringt. Man kann es nicht verschweigen, die Allgemeinheit des Stimmrechts in England hat große Vorzüge vor dem privilegirten Wahlcensus in Frankreich; allein es bahnt der Bestechung in einem Grade den Weg, wie in Frankreich, wo nur Begüterte wählen, dieß wenigstens auf plumpe und ganz materielle Weise nicht möglich ist. Freilich hat auch die französische Regierung in der Provinz Mittel und Wege genug, sich dem Ehrgeiz und Interesse der Wähler auf eine ihren Ehrgeiz gefangennehmende Weise zu nähern. Der Präfekt schlägt diesem oder jenem eine Militärlieferung zu, weiß hier zu begünstigen, dort zurückzusetzen; eine Obergewalt, die die französische Regierung noch so lange wird ausüben können, bis einmal diesem Lande ein gediegenes Munizipalgesetz gegeben ist, welches ihm erlaubt, seine Freiheit von unten herauf, vom Geiste der Lokalität aus, aus eignen Mitteln, ungestört von aristokratischer Einmischung, nach oben hinauf zu bilden.
Wir haben die Bürger und Unterthanen nicht schildern können, ohne auch schon auf die Regierungen hie und da ein erläuterndes Licht fallen zu lassen. Das System derselben kümmert uns hier nicht, weil dieser Abschnitt dem Geist der Zeit nicht gewidmet ist. Wohl dürfen wir uns aber erlauben, hier eine Betrachtung über die Regierungsmethode, welche in Europa herrscht, anzuknüpfen, die Büreaukratie, wo sie noch herrscht, zu zergliedern und jenen Geist zu schildern, der gegenwärtig die hohen und niedern sogenannten Beamten beseelt.
Die Beamte sind nicht mehr die Aeltesten der Gemeinde, wo man sie bald gezeichnet hätte, wenn man die Tugenden und Fehler des Alters aufzählte. Auch sind sie kein einzelner levitischer Priesterstamm mehr, wo man vielleicht nur genöthigt wäre, von angestammten Vorurtheilen und hierarchischen kleinen Tyranneien zu sprechen. Der Beamte bildet sich jetzt aus dem Schooße der Nation herauf und eignet sich, ehe er in die praktische Laufbahn tritt, erst alle theoretischen Begründungen derselben an. Angewiesen, eine einzelne Branche ausschließlich zu betreiben, verliert er oft den Zusammenhang mit der Maschine der Verwaltung im Ganzen und Großen, und nimmt nicht selten, wo der Volksgeist oder die Volksstärke einen solchen Muth unterstützt, sogar gegen das System der höhern Chefs, welche ihn besolden, Partei. Wenn wir in diesem Augenblicke sehen, daß dieser letztere Freimuth immer mehr zu verschwinden droht, so liegt das theils in den Veranstaltungen der Regierungen selbst, theils aber auch in der allmähligen Vergessenheit jenes demokratischen Ursprunges, welchem ein großer Theil der europäischen Regierungen neuerdings seine Einsetzung zu verdanken hat.
Die Regierungen hatten in frühern Zeiten nur die Aufgabe, das, was der Staat besitzt, zusammenzuhalten; so lange noch der Staat die bloße Person des Königs war, dienten sie dazu, die königlichen Interessen zu erhalten und zu mehren; sie standen in unmittelbarer Abhängigkeit von den Rathgebern, welche zunächst den König bedienten. Je mehr sich aber in den Begriff des Staates demokratische Elemente einschlichen, je mehr in den Begriff Staat die Abstraction einer durch gegenseitige Rechte und Pflichten gebundenen Gesammtheit kam, desto populärer wurden auch die bisher nur im einseitigen Haus- und Cameralinteresse der Monarchie verfahrenden Regierungen. Zur Mehrung und Erhaltung des Staates gesellte sich noch die Vorstellung hinzu, daß der Staat als ein ihnen anvertrautes Gut und ein Unterpfand angesehen wurde. Die despotische Einheit der büreaukratischen Methode mußte sich in dem Grade verlieren, als sich der einzelne Beamte als zunächst vom Volke selbst berufen denken konnte. Die großen Unglücksfälle, welche die Regierungen im Zeitalter Napoleons erlitten, lösten vollends alles einheitliche Bewußtseyn derselben auf. Sie wurden die Trümmer gescheiterter Schiffe, hin und hergeworfen auf den Fluthen der mit Glück und Unglück abwechselnden politischen Ereignisse. Heute dem angestammten Herrscher schwörend, morgen dem fremden Usurpator -- wie sollte sich da die Büreaukratie die Achtung des Volkes erhalten? Kaum hatte sich noch das vorlaute Beamtenwesen, als der Feind 20 Meilen vor der Stadt war, mit theils natürlichem, theils bezahltem Enthusiasmus für die alte Ordnung der Dinge ausgesprochen; da folgt die Entscheidung einer Schlacht, der Feind nähert sich den Thoren und wird zunächst von den Huldigungen der in Procession mit den Schlüsseln der Gewalt herankommenden Regierungscollegien, Tribunäle und Munizipalitäten empfangen. Diese in der That von den Umständen gebotenen Verläugnungen und Eidbrüche haben der Büreaukratie, die nur der Continent kannte, daselbst einen empfindlichen Stoß versetzt. Es war dringend nöthig, daß die Beamten, auf welchen der Makel des wortbrüchig nach dem Winde gehängten Mantels lag, allmählig aus der Verwaltung ausschieden und Namen Platz machten, welche in die jüngste Vergangenheit untadelhaft verwickelt waren. Die Beamtenernennungen wurden nun in allen Staaten des Continents und auch in England Huldigungen, die man dem nach Napoleons Sturz so exaltirten Volke schenken zu müssen glaubte. Die alten Rotüriers wurden pensionirt und mußten dem frischen Nachwuchs Platz machen, welchen man in Deutschland, Oestreich, im Norden, in Rußland in der Armee sah, in Frankreich und in Spanien in den Anhängern der Bourbonen, in England unter den Schutzgenossen Wellingtons und seiner politischen Freunde. Dies von den Jahren 1815 bis noch über das Jahr 1820 hinausdauernde Avancement ist eine höchst denkwürdige Erscheinung, und muß auf das genaueste in Betracht gezogen werden, wenn man die Wendung der Ereignisse und des öffentlichen Geistes seit jener Zeit beurtheilen will.
In Frankreich hat der kriegerische Geist das Uebergewicht, und plötzlich erhält es eine Verwaltung, welche in einem behaglichen Exile erschlafft war! Im übrigen Europa sehnte man sich nach Frieden und endlicher Begünstigung bürgerlicher Freiheit, und erhielt eine Verwaltung, die durch und durch militärisch war. Nur einige wenige glänzenden Ausnahmen kommen vor in der Geschichte der Restauration, wo sich friedliche Beobachter der Geschichte, Gelehrte, die mit Ludwig XVIII. in Mitau und Gent gewesen waren, doch den beredten Stimmführern eines Volkes anschlossen, welches eine so glorreiche Vergangenheit nicht deßhalb gehabt haben wollte, um unter die Kutte der Jesuiten zu kriechen. Eben so fanden sich auch im übrigen Europa nicht wenige Beispiele, wo die, welche den Regierungen ihren Glanz so eben hatten erkämpfen helfen, doch von der Ansicht beseelt waren, daß derselbe vom Volke selbst ausgehen, nicht auf das Volk blos zurückstrahlen müsse. Allein im Ganzen und Großen behauptete sich leider diese Richtung, daß in Frankreich der feige, bigotte, höfische Servilismus überall das Beamtennetz spann, welches das Volk umstrickte, und im übrigen Europa der schroffe, bramarbasirende, schnurrbärtige Militärservilismus, der geradezu in einen Fluß hineinmarschirt, wenn der General nicht Halt! sagt, mit den Regierungen sich innig verschwisterte. In Frankreich wurden Priester Staaatsmänner, im übrigen Europa Generäle sogar zu Diplomaten gewählt. Dort schritt die Beamtenhierarchie mit andächtigen Blicken in Form einer Procession einher, wobei sogar Marschall Soult die Kerze trug; hier in der Form einer Parade, wo die verschiedenen Chargen immer gröber werden, je mehr sie von oben nach unten absteigen. Ja, der Sieg über Napoleon war ein denkwürdiges Ereigniß, welches mit Flammenschrift in der Geschichte fortbrennen wird; aber der Triumph, der diesem Siege folgte, der ist es, welcher Europa allmählig mit einer so durchgreifenden Unbehaglichkeit erfüllte, daß ein solches Ereigniß, wie die Julirevolution, ich will nicht sagen ausbrechen, sondern die Folgen haben konnte, die es hatte und die es noch nährt. Glückliche Zeiten der Vergangenheit, wo es der Beamten nur halb so viele als jetzt gab, wo ihre Gehalte keine Verschwendung und keinen Uebermuth zuließen, wo sie sich für den Diener des Publikums hielten und von Sporteln, meinetwegen auch von Bestechungen lebten! Diese Mißbräuche hat man auf der einen Seite abgeschafft und auf der andern eine desto größere Anzahl erzeugt. Nun die Beamten des Publikums nicht mehr bedürfen, geizen sie auch nicht mehr nach der Gunst desselben. Was hab' ich von einem Beamten, der eingesetzt ist, mir zu dienen und der inzwischen die Miene gewonnen hat, mich beherrschen zu wollen? Ehemals kam der Rathsschreiber zu mir auf das Zimmer, jetzt werde ich vor ihn citirt und ersticke in dem Qualm eines Saales, wo man Pässe ausstellt, Lebens- und Sterbegebühren bezahlt, Gewerbescheine lösen muß und so fort. Man glaubt Wunder, was man gethan hat, daß man allen Beamten eine vollkommene Existenz sicherte und ihnen ein vornehmes Pli gab. Man hat hierdurch aus Staatsdienern Staatsherren gemacht, und fängt an sich durch die Maschinerie der Beamten mehr als erträglich belästigt zu fühlen.
Glücklicherweise hat hier nicht allein der neuere Aufschwung für politische Freiheit, sondern auch die Natur in so fern genützt, als es nur auf das Aussterben dieser Generation ankam. Die bigotten Geistlichen hat Figaro mit der grünen Gerte, die er vom Baume der Freiheit brach, vertrieben, und die schwarzen Schnurrbärte der Civilbeamten sind allmählich weiß geworden und wurden pensionirt. Die Beamten, welche wir jetzt in England und auf dem Continente sehen, haben doch wenigstens akademische Studien gemacht und sind etwas mehr, als bloße Registratoren. Es sind vielleicht auch comptoiristische Elemente in die Staatsverwaltung übergegangen, seitdem sich die Finanzverwaltung Europas so außerordentlich complicirte. Ich will nicht sagen (das allgemeine Rennen nach Anstellungen würde mich widerlegen), daß die Regierungen in ihren Angestellten jetzt weniger entschiedene Freunde hätten, als ehemals in den Jesuiten und den Husaren; allein, wenn das zugeknöpfte, trokne puritanische Benehmen der heutigen Büreaukratie auch durchaus nicht liebenswürdig ist, so sind wir doch sicher vor Verketzerung, Intoleranz, militärischem Fanatismus und dem für Civilisten so unanständigen Sporenklirren. Seit 6, 7 Jahren hat sich die Schlange des Beamtengeistes in Europa in der That ganz neu gehäutet und es gibt keinen größern Contrast, als z. B. einen Beamten zu zeichnen, welcher früher Offizier war und dann Titular- oder wirklicher Rath wurde, und einen Juristen, der 10 Jahre lang als Advokat fungirte, das ganze Für und Wider der politischen und civilen Dialektik durchmachte und, ermüdet vom Vertheidigen, als Generalprocurator endlich die Rolle eines Anklägers übernimmt.
Die Beamten sind in England zu dünn gesäet, als daß sie eine eigne sehr fest zusammenhängende Kaste bilden dürften. Sie sind genöthigt, wenn sie Unterhaltung, Umgang, Schwiegersöhne und Töchter haben wollen, sich mit dem größern Publikum zu vermischen. Anders ist dieß Verhältniß in Frankreich und soll es auch in Deutschland seyn. Dort bilden die Beamte ihre eigenen Cirkel und geben da, wo ihnen von begüterten Privaten nicht das Gleichgewicht gehalten wird, sogar den Ton an. Ganz entgegengesetzt ist diese Stellung der Beamten in Nordamerika. Dort sind sie wirklich die Diener des Publikums, und werden selbst in den höheren Chargen doch nur gleichsam als Commis in dem großen Staatscomptoire angesehen. Während man z. B. in Europa oft findet, daß Geschäftsmänner in die Verwaltung treten, so geschieht es in Nordamerika nur bei denen, welche schlecht spekulirt haben und sich vor dem Bankrutt retten wollen. Sonst sieht man im Gegentheil nur, daß diejenigen, welche eine Zeitlang Beamte gewesen sind, auf der Stelle ihre öffentlichen Functionen verlassen, so bald sie Aussicht haben, ihre Zeit in einem andern Wirkungskreise besser bezahlt zu bekommen. Ja, sogar das Militär in Amerika scheut sich nicht, nach Vollendung einer gewissen Dienstzeit sich umzusehen, ob nicht irgend ein Privatverhältniß ihm ein besseres Fortkommen gestatte. In Europa duckt sich Alles, was sich versorgt sehen will, unter die Flügel des Staates, in Amerika glaubt man grade am verlassensten zu seyn, wenn man nach dem Tarif leben muß, nach welchem dort der Staat öffentliche Dienstleistungen vergütet. Auch herrscht in Nordamerika die weise Einrichtung, daß verhältnißmäßig die Unterbehörden weit besser und die Obern weit schlechter bezahlt sind, als bei uns. Dieß ist durchaus im republikanischen Sinne gedacht und soll allem ehrgeizigen Streben nach Gewalt vorbeugen. Auch haben die untern Behörden bei einer guten Besoldung nicht nöthig, sich den oberen mit allzugroßer Hingebung anzuschließen. Deßgleichen kann der Beamte auch seine Unabhängigkeit gegen das Publikum behaupten, weil man selten Jemanden besticht, den man unbedürftig sieht.
Treten wir jetzt in einen andern Kreis des innern politischen Lebens ein, so fragen wir: was kann der Unterthan, der Bürger jetzt der Regierung entgegensetzen? Das Repräsentativsystem ist keine neuere Erfindung, sondern zieht sich in uralte Zeiten der germanischen Freiheit zurück, ja, es liegt auch den griechischen Staatsverfassungen und der römischen zum Grunde. In allen antiken Staaten finden wir, daß, wenn vielleicht auch alle Behörden gewählt wurden, doch die kürzere Zeitdauer gegen die längere als Garantie dienen mußte. Die Behörden, welche 10 Jahre in der Gewalt waren, bildeten einen festen Wall gegen diejenigen, in welche einjährige Bevollmächtigte der großen Volksversammlung immer Bresche zu legen suchten. Das Prinzip des Alten und Neuen, das Interesse der Dauer und das der Wiedergeburt hielten sich immer das Gleichgewicht. Rom führte bald ein vollständiges Repräsentativsystem in seine Gesetzgebung und Staatsverwaltung ein. Die Patrizier waren die Pairs, die Tribunen die Volksdeputirten. Es gab Behörden, besonders solche, welche von Priesterkollegien gewählt wurden, welche eine dauernde Gewalt vorstellten. Die Aristokratie erhielt sich ohnehin in ihrer festen Konsistenz und verwandelte, was die Wogen der Volksgunst an ihr Gestade schwemmten, bald in ihren eigenen Stoff. Ja, als sogar später alle Bollwerke der Volksfreiheit eingerissen schienen und auch die Aristokratie von der Alleinherrschaft der Cäsaren vernichtet wurde, blieb immer noch eine gewisse, wenn nicht Gesetzgebung, doch öffentliche Meinung übrig, durch welche der Despotismus gezügelt wurde. Die schmähliche Existenz des römischen Staates unter den ersten und letzten Kaisern lag weit weniger in dem Verlust der politischen Freiheit, als in dem wilden Toben der leidenschaftlichen Charaktere, von welchen jene Geschichte berichten konnte. Es war weit mehr als Uebermuth und schlechte Gesinnung, Furcht vor der Rache des Volkes, Geiz und Habsucht, lauter rein persönliche Laster, welche allmählig das Bewußtseyn des Gleichgewichts der politischen Gewalten untergruben. Man konnte bei den fürchterlichen Ausschweifungen der Kaiserherrschaft zuletzt nur noch daran denken, sein persönliches Eigenthum zu sichern, und trug demnach allen so fein gewesenen Kombinations- und Unterscheidungssinn auf die Ausbildung der Civilgesetze über. Leider artete die römische Jurisprudenz in eitel Haarspalten aus, und ließ, obwohl im Grunde ihres Ursprungs gegen den Despotismus sehr feindselig gestimmt, ihm dennoch zuletzt allen Schein des Rechtes, ein Zugeständniß, welches durch das gehorsame und der Fürsten höchst benöthigte Christenthum ein wahrhaft öffentliches und historisches Unglück wurde.
Dieser zur Sklaverei führende Impuls der Geschichte hielt das germanische Staatsleben auf, welches allmählig in Deutschland, in Skandinavien, in England und durch Deutschland und England auch in Frankreich sich bis zu klaren Vorstellungen über die Berechtigungen zu politischer Gewalt ausbildete. Die Könige, aus der Mitte gleichberechtigter Pairs gewählt und oft weit geringfügigern Ursprungs, als die, welche ihre Vasallen wurden, mußten sich durch Verträge in den Stand setzen, ihre Würde behaupten zu können, mußten die Mittel, die sie zur Herrschaft brauchten, durch Zugeständniß ständischer Rechte erkaufen, und hatten, um nicht von den ihnen zunächst stehenden Würdeträgern erdrückt zu werden, immer nöthig, die Macht der Einen gegen die der Andern zu stärken. Erst, als im Zeitalter der Richelieu und Mazarin die souveräne Gewalt der Fürsten den Feudalismus bändigte, erst da verwandelte sich diese Politik, die Einen gegen die Andern zu stärken, in die entgegengesetzte, die Einen gegen die Andern zu schwächen. Die Parlamenter verloren, seitdem Ludwig XIV. mit der Reitpeitsche in sie kam, ihre Wirksamkeit, und das Wesen der konstitutionellen Staatsverfassung konnte überdieß bei der isolirten Stellung Englands so sehr in Vergessenheit gerathen, daß man die Grundsätze erst wieder ganz neu aus der Theorie entnahm, welche einer uralten Praxis angehörten, und, wenn zwar verschimmelt und bemoost, in England noch immer galten. Dieser alte und neue Duft jedoch, der auf dem sogenannten Repräsentativsysteme liegt, hat es wohl für die Zukunft am dauerndsten gesichert; denn wenn die Einen alles Neue anbeten und die Andern nur das Veraltete für erprobt halten, so konnten sie sich hier in ihren beiderseitigen Sympathien begegnen. Dasjenige ist wahrlich siegreich, was zu gleicher Zeit die glänzende Form einer neuen Erfindung und den kernhaften Probegehalt einer alten Bewährung in sich vereinigt.
Es ist hier nicht der Ort, den Werth der verschiedenen Wahltheorien gegen einander zu vergleichen. Der Hauptgrundsatz ist immer der: es soll gemäßigt werden theils die angeborne Gewalt der Fürsten und der Aristokratie, theils die übertragene Gewalt der Beamten und der Regierung überhaupt. In den meisten jetzt üblichen Wahlmethoden ist weit mehr das letztere als das erstere Gegengewicht berücksichtigt. Es hat weit mehr den Anschein bei den neuen, auf dem Continent eingeführten Verfassungen, daß die Regierung die Verantwortlichkeit von sich abwälzen wollte, als sich ihr unterwerfen. Man ruft eine Deputirtenkammer zusammen, weil man weiß, daß zwei Leute sichrer gehen, als Einer, weil, wenn die Verantwortlichkeit auf Viele vertheilt wird, sich die Gefahr mindert. Gesetzt, eine neue Anleihe ist zu machen; statt sich selbst als Minister oder Herrscher mit dem Risiko derselben zu beladen, wirft man es auf die Vertreter des Volkes, auf das ganze Land. Fügt man nun noch hinzu, wie vor einigen Jahren von deutschen Regierungen der Satz aufgestellt worden ist, daß die Stände nicht einmal das Recht hätten, die Steuern zu verweigern, dann wird das ganze Repräsentativsystem eine lächerliche Illusion und kann dem Despotismus auch nicht das kleinste Härchen krümmen. Allein, wenn man, wie in Frankreich geschieht, auch die Repräsentation des Volkes ein wenig mehr ausdehnt und ihr eine größere Wahrheit zugesteht, so ist das Prinzip derselben doch immer nur noch halb, wenn es blos das seyn soll: de tempérer le pouvoir. Hier wird immer der Gesichtspunkt der Maschine beibehalten und in der Repräsentation nichts gesehen, als das Gegengewicht gegen die Minister, gegen die Beamten und sofort. Allein, wenn man bedenkt, daß fast alle Benachtheiligungen der Freiheit weit mehr daher rühren, daß sich die Aristokratie der Geburt und die Gotteingesetztheit des Königthums zu viel herausnimmt, so kann man in diesen Repräsentationen noch immer kein Bollwerk gegen die Willkür anerkennen. Man nehme z. B. das gegenwärtige Frankreich! Die Pairskammer ist freilich nicht auf das Prinzip der Geburt gegründet; ja die Dynastie ist nicht einmal großgezogen in der Tradition angestammter, aus unmittelbarer Gotteshand erhaltener Urrechte. Allein beides ist noch schlimmer, als wenn das Gegentheil der Fall wäre; denn besäße die Pairskammer Macht, wäre Louis Philipp legitim, so würden sie im Bewußtseyn dessen, was sie haben, und was man ihnen, da es angeboren ist, doch in der Hauptsache nicht nehmen dürfte, eher eine Concession machen, als jetzt, wo sie wissen, daß sie nicht mehr haben, als was sie sich anzueignen den Muth besitzen. Man hat den Grundsatz der Unverletzbarkeit des Königs in Frankreich so entsetzlich oft wiederholt, daß man die Ohnmacht eines Landes beklagen muß, welches eine Verfassung hat, schattenähnliche Minister und einen Premierminister in der Person des Königs, der Alles selbst nach eigenem Gutdünken leitet und sich in jenen Nimbus der Unverletzbarkeit hüllt, welcher nicht nur die Schmeichler, sondern auch aufrichtige Theoretiker um seine Person ziehen muß. Die Deputirtenkammer dient nur dazu pour tempérer le pouvoir, c'est-à-dire le pouvoir des ministres, und doch ist der leitende und Alles nach eignem Gefallen ordnende Gedanke der französischen Politik kein andrer, als die Willkür Louis Philipps selbst. Man kann hier freilich sagen: Louis Philipp ist ein Heuchler, er hintergeht ein Volk, das ihn mit so vielem Großmuthe zum König gemacht hat; allein noch richtiger wär' es, wenn man zugäbe, daß die ganze Grundlage der französischen Charte unpraktisch und keineswegs ein Unterpfand der Freiheit ist. Die Deputirtenkammer ist selbst aus aristokratischen Elementen zusammengesetzt. Wie kann sie gegen Angestammtes, gegen Privilegien oder wie dieß jetzt der Fall ist, gegen die Usurpation Stich halten! Die englische Verfassung hat große Fehler; allein sie hat ein wahrhaft volksthümliches Element in sich; das Haus der Gemeinen temperirt nicht blos die Gewalt der Minister, sondern auch die Uebergewalt des Privilegiums. Kein englischer König würde glauben, ungestraft seine Finger so vorwitzig in die Maschine des Staates stecken zu dürfen, wie dieß Louis Philipp thut. Er würde immer fürchten, nicht etwa vom Volk dafür heimgesucht zu werden oder etwa eine Revolution zu veranlassen, sondern nur ganz einfach sich der Beschämung auszusetzen, keine Minister mehr zu bekommen. Welcher englische Staatsmann besäße wohl einen solchen cynischen und gewissenlosen Ehrgeiz, daß er ein Portefeuille übernähme, in welchem sich keine Gewalt befindet? Welcher englische Staatsmann dürfte es wagen, sich so blos zu stellen, wie es die Doktrinärs mit der Freilassung des Prinzen Louis Bonaparte und der Spionage des Conseil thaten? Wellington, Grey, wer von euch würde den Schimpf ertragen, daß er einen Brief aus der Tasche zöge, welchen der Präfekt des königlichen Palastes geschrieben, der Mignon der königlichen Abendgesellschaften, Herr von Montalivet, und öffentlich den Repräsentanten der Nation vorlesen müßte: »Ich habe die Ehre, Ihnen hiermit anzuzeigen, daß die Affaire des Conseil mit der persönlichen Sicherheit des Königs zusammenhängt.« Sela. Die Kammer schweigt, die Minister schweigen und Frankreich kehrt zur Tagesordnung zurück.
Die Wahlsysteme und Lokalitäten sind zu verschiedenartig, als daß man wagen dürfte, einen allgemeinen Deputirtencharakter aufzustellen. Hier ist es ein Geschäftsmann, dort ein Gelehrter, der entweder ganz die Eigenschaften des Wählers besitzt oder wenn er erst die Wahl überstanden hat, diesen täuscht und seinen eigenen Weg einschlägt. Die nordamerikanischen Deputirten sind Kaufleute, die den Staat in jedem Augenblicke fühlen lassen, welch' großes Opfer sie ihm bringen, indem sie ihren Comptoirtisch mit der Bank des Gesetzgebers vertauschen. Dazu gehören sie nicht einmal der vornehmen und gebildeten Klasse an, werden von der Würde des Senats an Haltung bei weitem übertroffen, besitzen weder Fähigkeit für die Rede noch die Debatte, wissen über vieles nichts zu sagen und hören über manches einem Vortrage zu, der zwei Tage dauert, ja erlauben sich sogar Thätlichkeiten gegen ihre Gegner, zu welchen es nicht kommen würde, wenn die Hamilton'sche Warnung, sich während der Sitzung keiner geistigen Getränke zu bedienen, besser befolgt würde. In England sind die Deputirten meistentheils wirklich Kenner des Gesetzes oder doch sonst einer Bildung theilhaftig, die auf klassischen Grundlagen gebaut ist und sich in den Zusammenhang unsrer Staatsverfassung und Geschichte hineindenken kann. Unsere Deputirten beginnen damit, auf der Schule lateinische Verse zu machen und sich besonders durch die Lektüre des Cicero alle Vortheile der öffentlichen Rhetorik anzueignen. Nach Vollendung des juristischen Cursus und einer Praxis, die wenigstens so lange gedauert hat, daß man vor einer größern Versammlung sprechen lernt, ohne sich zu versprechen, pflegen die Wege, um zuletzt in das Gleis der Staatskarriere zu kommen, verschiedener zu seyn. Man präsentirt sich bei einer Wahl und kann von außerordentlichem Glück sagen, wenn man auch nur einige Stimmen für sich hat. Man wiederholt es öfter und trifft endlich wirklich durch Gönnerschaft, Bestechung oder außerordentliches Rednertalent den Vogel von der Stange; oder man muß sich entschließen, seiner Bewerbung um die Volksgunst eine neue Unterstützung zu geben. Man wird Journalist, unterschreibt seine Namenschiffre (denn sich nennen, heißt die Autorität verlieren) in verschiedenen gestempelten oder ungestempelten Blättern, bei leitenden oder je nach Ueberzeugung oder Absicht geleiteten Artikeln. Man läßt von sich reden; man greift eine Handlung der Regierung oder eine Handlung der Opposition an. Man schreibt nicht für England, für die Welt, sondern nur für jenen kleinen Flecken auf dem Lande, wo man seine Stimmenzahl vermehren will. Man braucht Provinzialismen, die nur dort üblich sind, man nimmt die Naturbilder aus der Umgegend des kleinen Ortes her, man spricht von Volksinteressen und zählt dabei nur die Chancen jener Produkte auf, die zufällig dort in der Gegend erzeugt werden. Ein paar Freunde wird man schon haben, welche an jenen Orten den Debit von einigen hundert Freiexemplaren solcher Zeitungen übernehmen. Der junge Politiker schmeichelt sich dem Ehrgeize des Ortes so ein, daß man ihn an irgend einem günstigen Kalendertage zu einem öffentlichen Diner einladet; er kömmt, er spricht, alle Zeitungen erstatten Bericht über das, was er gesprochen und die Gesundheiten, die er ausgebracht hat, seine Wahl fängt an entschieden zu werden, selbst wenn er sich einem andern Ort vorstellte, als dem, welcher bisher ihn für die Stütze aller seiner Hoffnungen hielt. Und auch dieß Manoeuvre kann mißlingen, er kann einen zu mächtigen Mitbewerber haben, er hat vielleicht Ideen, aber er weiß sie nicht populär genug auszudrücken. Dann hilft es nichts mehr, er muß ganz entschieden eine Partei wählen und die Stimmführer derselben auf sich aufmerksam werden lassen. Diese ziehen ihn in die Verwaltung, sie lassen ihn einen Bericht aufsetzen über ein Eisenbahnprojekt, über einen verwickelten Posten des Büdgets, sie brauchen ihn zu einer auswärtigen Mission, er soll nach Berlin reisen, um den Zollverein zu studieren, er muß nach Lissabon, um die Gegner der englischen Monopole zu sondiren, er begleitet alle seine Depeschen an das Ministerium oder die Häupter der Opposition mit Correspondenzartikeln für die Journale der Partei; er ist noch Journalist und Diplomat ein's ins andere, man kann ihm noch keine offiziellen Kreditive mitgeben. Endlich kömmt er nach England wieder zurück, bringt die wichtigsten Thatsachen mit, er ist für die Verwaltung oder die, welche sich darum bewerben, unentbehrlich, und sein Sitz im Unterhause ist beinahe schon eine Kleinigkeit geworden, denn nun bekömmt er ihn ohne Weiteres durch die gemeinsamen Anstrengungen der Partei. In Frankreich hat die Vorbereitung, um in die Deputirtenkammer zu kommen, mancherlei Aehnlichkeit mit dem englischen Verfahren, nur ist die Oeffentlichkeit bei weitem mehr beschränkt. Die Sitte öffentlicher Reden findet nicht statt, die Provinz weiß auch nicht jene Selbstständigkeit zu behaupten, welche das platte Land in England der Hauptstadt gegenüberstellt. Der größte Theil der französischen Deputirten wußte diesen gänzlichen Mangel aller zur politischen Freiheit vorbereitenden Sitten und Institutionen zu benutzen. Es sind die Beamten und die Wähler selbst, die sich unter einander poussiren und sich in die Kammer schicken, wo sie entweder für das Ministerium stimmen, oder, sollten sie unabhängig seyn, doch nicht reden können. Die Parteien legen deßhalb überall, wo sie sich günstiges Terrain versprechen, ihre Minen an; es bilden sich Wahlcomitees, welche den Wählern Listen achtbarer Namen übersenden, aus welchen sie zum Wohle der Menschheit die beliebige Auswahl treffen mögen. Selten, daß ein Deputirter, der in irgend einem Arrondissement gewählt wird, bei der Wahl selbst zugegen ist; ich erinnere mich bis jetzt nur eines einzigen Falles, wo der Wahlakt nach englischer Weise vorfiel. Thiers und Salverte standen sich gegenüber und entwickelten einer nach dem andern vor den versammelten Wählern ihre Grundsätze und Bestrebungen. Doch fiel auch dieß nur in Paris selbst vor. Die Centralisation ist in Frankreich so groß, die Provinzen verfahren der Hauptstadt gegenüber so unsicher, daß sich nicht selten der Fall ereignet, man wird zu gleicher Zeit vier- oder fünfmal an verschiedenen Orten gewählt. Man muß gestehen, es liegt hierin eine große Anhänglichkeit an das Talent, aber auch ein sehr ohnmächtiger Gebrauch seiner politischen Rechtsame.
Wenn die Hälfte der französischen Deputirten aus gewählten Wählern und Beamten besteht, so kann man nur die andere Hälfte wahrhaft des hommes politiques nennen. Diese müssen eine gewisse Berühmtheit besitzen, sie müssen sie sich auf irgend eine Weise zu erwerben suchen. Man wurde entweder ein Name durch die Unbill der Zeiten, man ist Legitimist oder Republikaner und wird verfolgt; man weiß nur auf seinen Charakter zu fußen, man hat Beharrlichkeit, Consequenz, Tugenden genug, die von dem ehrgeizigen Instinkte der Franzosen bald ausgewittert und gepriesen sind. Oder man ist Gelehrter, man besitzt diese wunderliche Eigenschaft der französischen Gelehrten, zu gleicher Zeit Beförderer der Wissenschaften zu seyn, und Politik zu treiben, wie der jakobinische Chemiker Raspail, der republikanische Physiker Arago. Auch in diesem Falle ist man unter der Masse leicht bekannt oder kann sich durch einige bedeutungsvolle Winke für die Wahl leicht kenntlich machen. Der letzte Wink ist der, als Journalist anzufangen. Frankreich hat Beispiele, wie man in diesem Falle als Premierminister aufhören kann. Die Laufbahn des Herrn Thiers ist eine glänzende Genugthuung, die eine Nation dem Talente gegeben hat; aber leider auch ein Beispiel, von dem ich nicht glauben kann, daß es günstig auf Frankreichs Zunkunft wirken wird. Thiers war nicht einmal Advokat, er war nur das, was man in Frankreich homme de lettres nennt, ein Magister der sieben freien Künste, der Geschichte, Poesie, Beredsamkeit studirt hatte. Um sich bekannt zu machen, wählte er einen Stoff, wo es keine staubigen Archive zu untersuchen gab, wo man weder Sprachen noch Wissenschaften brauchte, sondern mit konsequenter Gesinnung, mit scharfer Verstandeskombination und vor allen Dingen mit einem guten Style grade das Erwünschte erreichen konnte. On ne reussit que par le succès, sagt ein französischer Schriftsteller und der Erfolg war für Thiers glänzend genug. Er wurde anfangs homme d'état du journalisme, grand diplomate des vierten Stocks, bis ihn die Julirevolution auf das Niveau seines Ruhmes hob und ihm in kurzer Zeit das Hotel eines Ministers zur Behausung gab. Dieß Streben liegt allen jenen ehrgeizigen Federn zu Grunde, welche sich so viel Kenntnisse gesammelt haben, um einen hübschen Artikel redigiren zu können. Hat Guizot einen andern Ursprung als Thiers? Nein, sein Geizen hat nur länger gedauert, bis es von einem Erfolge gekrönt ist. Er kennt die Schwächen aller dieser an den Journalen sich hinaufrankenden Staatsmänner in spe, er wirft ihnen Pensionen, Beamtenstellen, akademische Sitze zu; denen, welche er zunächst brauchen kann, Portefeuilles, Unter-Staatssekretariate und ähnliche Gunstbezeugungen, die keine Lockspeisen mehr sind, sondern schon sehr reelle Sättigungen des Ehrgeizes.
Spanische Deputirte sind bis jetzt zum größten Theil noch Kaufleute und Kapitalisten, zum kleineren ehemalige Exilirte und Politiker; die portugiesischen sind sogar Monopolisten wie Pinto Bastos, der Tabaksregent des Landes. Die Schweizer Tagsatzungsgesandten sind gewöhnlich die Beamten der kleinen Cantone und vertreten die Ereignisse, durch welche sie selbst in neuerer Zeit an das Staatsruder gekommen sind, oder die Mittel, durch welche sie sich trotz stürmischer Begebenheiten auf ihren alten Stellen behaupten konnten. Deutsche Deputirte gehören größtentheils dem Beamten- und Gelehrtenstande an, Advokaten und Professoren bilden nicht selten die Opposition. Was ist aber eine ständische Verfassung, wo man über die Befugnisse der Deputirten nicht einmal im Reinen und es noch immer nicht bestimmt ist, wie die einzelnen Staaten souverain seyn können und doch die Majorität in der Frankfurter Bundesversammlung anerkennen müssen! Dänemark hat in alten Zeiten seine ständischen Rechte freiwillig aufgegeben. Jetzt jammert es, daß sie ihm wieder gegeben werden möchten. Es muß sich einstweilen mit kleinen Provinzialversammlungen begnügen. Schweden und Norwegen sind in einem Gährungsprozesse begriffen, dessen erste Stadien auf den Charakter der letzten noch nicht schließen lassen.
Um nun alle diese Betrachtungen über innere Politik abzurunden, wollen wir ihnen die Krone der Souverainität aufsetzen. Das Capitel von den Fürsten ist eines der am häufigsten erläuterten und doch immer wieder in Frage gestellt. Wir halten hier nur den moralischen Gesichtspunkt fest und vermeiden es, von den Rechten der Monarchie zu sprechen. Welches sind die Pflichten der Fürsten? Hören wir, was unsere Vorfahren von ihren Herrschern verlangten.
Montaigne sagt: Das härteste und schwierigste Geschäft von der Welt ist, meiner Ueberzeugung nach, die würdig durchgeführte Rolle eines Königs. Ich entschuldige an ihnen sogar weit mehr Fehler, als man gewöhnlich sich zu Schulden kommen lassen darf, in Betracht des furchtbaren Gewichtes ihrer Aufgabe, die mich erschreckt. Es ist schwer, bei einer so ungemessenen Macht Maaß zu halten. Montaigne fügt hinzu, die größte Schwierigkeit bei Tugenden und Lastern der Fürsten läge in der Menge, die sie beurtheilt. Montaigne meinte es vielleicht zunächst nur von der Tugend, die auf dem Throne nur kenntlich, wenn sie ganz besonders ausgezeichnet ist. Aber um so verderblicher ist auch das Gegentheil. Die Laster der Fürsten, fließen sie aus dem Irrthume und bösen Willen (also nicht aus der Schwäche), werden immer unmäßig seyn, weil ihnen die Vorstellung angeboren ist, daß sie Millionen Menschen mit ihrem Daumen und Zeigefinger umspannen müßten.
Die Weisheit der alten und neuern Zeit ist reich an Maximen über Fürstenerziehung und Fürstenpflichten. Ja bei römischen Schriftstellern hat man oft nur nöthig, an die Stelle der dem souverainen Gemeindewesen gegebenen Rathschläge eine Personification zu unterschieben. So enthält Virgils Aeneide einen für Fürsten leicht anwendbaren Spruch: Mag der ein Erzgießer, der ein Bildhauer seyn, der ein Advokat, der ein Astronom: Du, o Römer, sey nur zu herrschen eifrig beflissen! Die Alten hielten nämlich Regierungskunst für ein besonderes Studium, und ihre Weisen stritten gegen den dem natürlichen Menschen innewohnenden Glauben, als sey Herrschen etwas Angeborenes. Auch glaubten sie, daß einem Könige nicht zieme, zu wetteifern mit Frauen, als ob er nämlich schön seyn solle, mit Advokaten, daß er gut zu reden nöthig hätte. Als Philipp von seinem Sohne Alexander hörte, daß er bei einem Festmahle trotz der besten Musiker gesungen hätte, machte er ihm Vorwürfe und sagte: Pfui der Schande, so gut zu singen!
Wir wollen die moralischen Vorschriften, welche man Fürsten gegeben hat, hier nicht wiederholen. Sie sind langweilig, weil wir sehen, daß Priester, Beichtväter und Erzieher die Thatsachen selten gekannt haben, auf welche ihre Lehren angewendet werden sollten. Kann der Unterricht z. B., der in den Abenteuern des Telemach versteckt liegt, für ein anderes Prinzenalter passen, als das zarteste! Die wahre Königsweisheit liegt tiefer als auf der Oberfläche der moralisirenden Rhetorik. Macchiavell hat die praktische Tendenz dieser Weisheit übertrieben, aber der unumstößliche Satz seines Fürsten bleibt doch der: Ein Fürst, der nur Herzensgüte besitzt, kann einen Staat sehr unglücklich machen. Macchiavell hat das Gegentheil beschrieben (daß ein verschlagener Fürst den Staat glücklich mache), aber er hat nur an jene negative Behauptung selbst geglaubt. Die wahre politische Weisheit datirt von jenem persischen Axiom: Eine schnelle Ungerechtigkeit ist oft besser, als eine langsame Gerechtigkeit. Aber wie soll man jungen Fürsten dergleichen Prinzipien einflößen, ohne fürchten zu müssen, mißverstanden zu werden? Wie soll man ihnen Weisheit sagen, ohne der Schlauheit sich zu verdächtigen? Das ist eine schwierige Aufgabe und läßt annehmen, daß gute Fürsten weit leichter geschildert als gezogen sind. Man wird immer am besten thun, sie auf die Geschichte anzuweisen und ihnen in einiger Entfernung die Mittel an die Hand zu geben, sich selbst die Grundsätze, auf welche sich etwas Tüchtiges bauen läßt, zu abstrahiren.
Wenn gegenwärtig die königliche Autorität schon wieder auf Grundsätze der Legitimität oder wenigstens der Quasilegitimität gegründet ist, so war man im vorigen Jahrhundert allerdings weiter vorgeschritten. Die Macht der Könige war damals eine Autorität, die ihnen der Anstand überließ und die sie selbst durch persönliche Ausbildung zu verdienen sich befleißigten. Auch jetzt lernen die Prinzen, suchen sich populär zu machen und sehen es gern, wenn man einen Zug ihres Herzens oder ein Wort ihres Mundes verbreitet. Allein die Fürsten des achtzehnten Jahrhunderts hatten die Entsagung, sich selbst unter das Volk zu mischen, gleichsam verkleidet wie Harun al Raschid. Sie wallfahrteten nach den damaligen Mekka's der Literatur, nach Ferney, Montmorency, Düsseldorf und Weimar. Sie waren nicht so sehr Beschützer der Wissenschaft, als ihrem Dienste selbst mit ganzer Seele hingegeben. Kurz daß im achtzehnten Jahrhundert der Eine Fürst, der Andere Privatmann war, schien mehr eine unschuldige Etiquette, als ein Privilegium zu seyn. Die französische Revolution hat dagegen alle Ansprüche wieder auf die Spitze gestellt; die Herrschaft, von der Revolution bestritten, wurde nur desto leidenschaftlicher festgehalten. Die Fürsten drangen selbst auf Verfassungen, selten, um die Nation zu emancipiren, sondern um ihre eigenen Rechte Schwarz auf Weiß zu haben. Ihr Benehmen wurde schroff und ausschließlich; die Tendenzen des Liberalismus, welche sie fürchteten, machten sie unmuthig und mißtrauisch. Sie zogen sich auf den Umgang nur derjenigen zurück, welche mit ihnen zu gleicher Zeit auf der Hut seyn müssen, der Aristokratie. Die Fürsten vernachlässigten allmählig, weil sie sich doch durch die Verfassung in einen bloßen Begriff verwandelt hatten, ihre persönliche Ausbildung.
Ein König, der nicht mehr unumschränkt in seinem Kabinette verfährt, darf schon wagen, jenen großen Umfang von Kenntnissen, welche Friedrich II., Joseph II., Gustav III. auszeichneten, für einen unnützen Ballast zu halten. Der wahre Probierstein der Könige unsers Jahrhunderts ist der: Fällt uns bei Nennung ihres Namens nur blos ihre politische Stellung ein, oder knüpft sich sonst an sie eine außerordentliche Bestrebung an? Hier wird man immer finden, daß sich die Fürsten unsrer Tage außerordentlich tief in die inneren Gemächer ihrer Paläste zurückgezogen haben.
Es ist mißlich, den Versuch zu machen und irgend einen auch nur ganz allgemeinen Fürstentypus der Gegenwart zu zeichnen. Man würde immer sagen: ich hätte selbst bei der einfachsten Schilderung eine Satire schreiben wollen. Auch ist man gegenwärtig so unempfänglich für die Persönlichkeit der Fürsten, daß ein Versuch die damit verknüpfte Mühe und Gefahr gar nicht belohnen würde. Unsre Zeit will die fürstliche Gewalt abgegrenzt sehen, dann mag sie getragen werden von Usurpatoren, Spielern oder Wollüstlingen; sie wird immer ein Auge für die Tugenden und Laster der Könige haben, aber von den erstern weit weniger begeistert und von den letzern weit weniger erzürnt werden, als ehemals. Wir in England sehen den König nicht einmal am Ruder des Staatsschiffes, er ist nur der Schutzpatron desselben. Wäre das letztere nicht der Fall, wären unsere Begriffe über die Befugnisse des Staates nicht so klar ausgebildet, welche Liebe zur Monarchie hätten uns wohl die zügellosen Ausschweifungen und die Rohheiten des Gemüthes, durch welche Georg IV. bekannt ist, einflößen sollen? Das größte Unglück an einem leichtsinnigen Fürsten ist jetzt wohl nur noch dieß, daß sein Vorbild auf die ihm zunächst stehende Aristokratie und Beamtenwelt verderblich wirkt; der persönliche Charakter des Fürsten ist heutiges Tags, wo keine Garantie für die Freiheit, wenigstens eine Garantie für die Moral des Landes.
Wir sind auf ein persönliches Gebiet gerathen, wir sind nicht mehr in der heitern und erhebenden Perspektive, jener großartigen, das ganze Leben unserer Zeitgenossen umfassenden Anschauung; enteilen wir einem Bereiche, wo der Tadel für Aufwiegelung und das Lob für Schmeichelei angesehen wird. Kehren wir in den Schooß der Nationen zurück, verlassen wir die Einseitigkeit, mit welcher sie sich unter einander abschließen, und gestehen wir uns aufrichtig, ob bei den Fortschritten unserer Humanität, bei der Gemeinschaftlichkeit aller der Schicksale, welche die Völker mitsammen seit 50 Jahren erlebt haben, noch immer jene öffentliche Empfindung in den Herzen der Völker herrscht, welche man Nationalhaß nennt?
Der größte Haß, der zwischen Nationen stattgefunden haben kann, war der zwischen Spanien und England. England strebte nach jener Seemacht, welche an Spanien, wie zufällig, durch die Entdeckung von Amerika kam. England reformirte seine Kirche, es bekam eine Herrschaft, die katholisch geblieben war, und mußte mit Schmerz sehen, wie diese sich an die spanische Macht anlehnte. Seither wurde ein Spanier in England ein Wild, das man verfolgte; konnte man es nicht treffen, so machte man es lächerlich, als Hasenfuß, Charlatan, Don Quixote. Die Spanier wurden im sechzehnten und siebenzehnten Jahrhundert auf die Bühne gebracht, John Bull, der gemeine und der vornehme, freuten sich, wenn zuletzt der Spanier dem Teufel anheim fiel, oder mit einer tüchtigen Tracht Prügel die poetische Gerechtigkeit befriedigen mußte.
Was ist nun aber von diesem Hasse übrig geblieben? Nichts, als die Notiz davon. Der Engländer behandelt den Spanier nicht exklusiver, als den Holländer und Franzosen, er ist ihm, weil er ihm nicht mehr gefährlich ist, auch gleichgültig geworden. Wenn Moreno, der Verräther und Henker des Torrijo's, in London seines Lebens nicht mehr sicher war und aus Furcht, vom Pöbel zerrissen zu werden, heimlich sich davon machte, so dachte kein Mensch mehr an den Papisten und Spanier, sondern nur an den feigen Mörder und Henker, der einen Engländer hatte hinrichten lassen.
Engländer und Franzosen sind zwar gegenwärtig zu einer Allianz zusammengekoppelt, die das Merkwürdige hat, daß sie statt den Einen durch den Andern zu stärken, nur Einen durch den Andern schwächt; doch gelten sie im Uebrigen für die schlechtesten Nachbarn, die neben einander wohnen können. Als der englische Nationalhaß gegen Spanien erkaltete, entzündete er sich gegen Frankreich. Man hätte glauben sollen, Frankreich, mit England früher weit öfter im Kriege als später, wäre längst ein Gegenstand der englischen Flüche gewesen; allein dem widerspricht auffallender Weise die Geschichte. Vielmehr war bei den Engländern die Anwartschaft auf das nördliche Frankreich und die Verwandtschaft mit dem Blute der Normannen stets für sie in so lebhaftem Andenken, daß für sie der Pas de Calais nicht existirte, daß jene Meerenge in ihrer Idee nicht größer war, als der Bach, der England von Schottland trennt. Erst im Anfang des achtzehnten Jahrhunderts finden sich Spuren eines grimmigen Hasses zwischen England und Frankreich. Allein, wie wir oben bei Spanien gesehen hatten, daß die Interessen diesen Haß schürten, so wäre die Rivalität vielleicht noch zu ertragen gewesen; doch Frankreichs unkluge Politik nahm die vertriebenen Stuarts in Schutz, unterstützte die Bestrebungen des Prätendenten, eine Herrschaft wieder einzusetzen, in deren Gefolge der Katholicismus kam. In englische Sitte und Leben kam im vorigen Jahrhundert ein gleich starker Schwung, wie in die französische Kultur. Die Revolution und Napoleon hintertrieben vollends jede Annäherung. Und was folgt hieraus? Daß es immer nur die Interessen und Umstände sind, keineswegs die angebornen Antipathien, welche die Nationen gegeneinander in Harnisch bringen. Die Deutschen haben zur Zeit ihrer Befreiung vom französischen Joche ihren Haß gegen Frankreich fast zur Carrikatur gemacht, dieselben Deutschen, welche 50, 30 Jahre früher bekanntlich die größten Affen der französischen Bildung und Sitte waren.
Nach den Eingebungen des Nationalhasses wird es wenigstens in unserer Zeit unmöglich seyn, noch die auswärtige Politik irgend eines Staates einzurichten. Oesterreich und Rußland haben Jahrhunderte lang mit der Türkei im Kampf gelegen und jetzt nimmt Rußland die Miene des intimsten Freundes der Pforte an, und Oesterreich, obschon weniger zudringlich, hat es vielleicht wirklich ernst damit. Gelingt es wohl Preußen und Rußland, ihre auswärtige Politik noch länger auf den Haß gegen Frankreich zu begründen? Haben sich nicht schon in Deutschland alle Spuren des Franzosenhasses in dem Grade verwischt, als auch in Frankreich, selbst auf der äußersten Linken, sich die Ansprüche auf das linke Rheinufer milderten! Eine solche Wahrheit, daß Nationen nicht durch Flüsse getrennt, sondern nur verbunden werden, daß also auch der Rhein keine Grenze zwischen Frankreich und Deutschland bilden könne, ist stärker und siegreicher, als Vorurtheile, wenn sie auch noch so tief in den Gemüthern wurzelten.
Ja, was die auswärtige Politik betrifft, so befinden wir uns sogar schon in diesem Augenblicke auf einem Uebergange, welchen man sich für die Prinzipien derselben vor 10 Jahren noch nicht möglich dachte. Die politischen Systeme sind in zwei Feldlager getheilt; hier ist Fortschritt, dort Stillstand das Losungswort. Jeder geht mit seiner Partei; auch die Staaten, die ein und dasselbe System haben, sollte man glauben, müßten Hand in Hand gehen, müßten durch Bündnisse sich stark machen, um den gemeinschaftlichen Feind zu werfen, müßten überall nach einer vorher getroffenen freundschaftlichen Verabredung einschreiten. Finden wir diese Politik befolgt? Vor einem Decennium hatte es das Ansehen. Jetzt sehen wir wieder, daß sich die Sympathien ganz anders bestimmen und die Interessen sogar da begegnen, wo man im Uebrigen nicht zum besten aufeinander zu sprechen ist. So ist zum Beispiel die heilige Allianz durchaus nicht mehr so eng verschwistert, wie damals, als sie zum erstenmal beschlossen wurde, und England, der einzige Staat, sich weigerte, ihr beizutreten. Oesterreich ist durch die Napoleonische Zeit so sehr gewöhnt, sich an die Politik unsrer Staatsmänner anzuschließen, daß wir für gewiß annehmen können, es wird jeden einzelnen Titel seiner Interessen allen Paragraphen der heiligen Allianz vorziehen. Eben so gut, wie wir jetzt Frankreich mit Rußland konspiriren sehen, um die Bestimmungen des Quadrupelvertrags zu hintergehen, eben so könnte Oesterreich vorziehen, sich mit konstitutionellen Staaten zu verbinden, wenn es sich darum handelte, Rußlands Macht im Osten oder im Westen durch Armeen oder durch Portfolio's zu bekämpfen.
Einer der kostspieligsten Ansätze in den Budgets ist noch immer die würdige Repräsentation der Staaten im Auslande. Die großen Reiche finden daher auch für passend, lieber vermögende Staatsmänner für diesen Zweck zu wählen, welche aus eignen Mitteln noch das hinzuthun, was ihnen der Staat nicht geben kann. Wie könnte Oesterreich dem Fürsten Esterhazy die Mittel geben, um von Tatersall ein Pferd zu kaufen, das einen außerordentlichen Preis kostet und dann von ihm erschossen wird! England allein scheint bei seinen auswärtigen Gesandschaften und den Consulaten von der Meinung auszugehen, daß ihm an einer Repräsentation der englischen Wettrenner und Fuchsjäger nichts gelegen ist. Es besoldet und verlangt nur nach dem Maße der von ihm gegebenen Summe die Einrichtung eines passenden Haushalts. England ist aber auch der einzige Staat, der seine Consuln bezahlt und dadurch die Würde unsrer Nation nicht blos in Petersburg und Wien aufrecht erhalten kann, sondern auch in Algier, Tunis, in Alexandria und Damascus. Will einmal eine Nation imponiren, so muß sie es den Reisenden als Zufluchtsort, den Handelnden als Beschützerin, allen Fremden als kosmopolitische Gastfreundin. Was kann es helfen, daß unser Gesandte in Wien eine Wette macht, welche der österreichischen Aristokratie Ehrfurcht vor ihm einflößt? Unsrer Nation kann die Billigung der ungrischen Magnaten sehr gleichgültig seyn; in die Neigung des Volkes, in die Stimmung der öffentlichen Meinung soll ein Staat sein Netz auswerfen und sich eine seinen Interessen gemäße Würdigung zu erobern suchen. Dieß geschieht aber weit besser, wenn wir einem Gesandten statt 20,000 Pfd. nur 10,000 geben und die andere Hälfte an zehn unsere Interessen in entlegenen Gegenden wahrende Consuln vertheilen.
Die gegenwärtige europäische Diplomatie ist theils aus Gentlemen, theils aus Polizeispionen zusammengesetzt. Wenn man nicht gerade ausgezeichnete Staatsmänner zu Gesandten wählt, wie Talleyrand und Pozzo di Borgo, so müssen diese dazu dienen, mit der Aristokratie des Landes, wo sie ihren Sitz aufschlagen, zu wetteifern, bei den Thorheiten des Auslandes die Thorheiten des Inlandes zu vertreten, Wettrennen mitzumachen, glänzende Diners zu geben und wo möglich sich den Prinzipat in der fashionablen Welt anzueignen. Die Ostentation muß sich von der Toilette des bevollmächtigten Botschafters bis zur Livree seiner Dienerschaft erstrecken. Seine Pferde müssen die theuersten, seine Hunde die gewandtesten seyn. Er braucht sich weit weniger mit der Politik der fremden Staatsmänner zu beschäftigen, als mit deren Frauen. Leichtsinn setzt seine Konstituenten nicht in Besorgnisse, oder nur, wenn sie hören, daß ihr Gesandter ein großer Spieler ist. In diesem Falle kann die edelste und fashionabelste Figur nicht mehr für sich einstehen; hat das Spiel einmal erst alle übrigen Leidenschaften in Beschlag genommen, so zieht es allmählig den ganzen Menschen in seine Sphäre herunter, lenkt alle Triebfedern seines Geistes auf die Hoffnung des Gewinnes oder wenigstens den Aerger, daß man verliert; man greift, um das Glück zu betrügen, nicht selten nach verzweifelten Mitteln und kann überhaupt für sich selbst nicht mehr gut sagen. Wenn ein Kabinet hört, daß sein Botschafter ein großer Spieler geworden ist, so sollte es ihn immer von einer Stelle abberufen, die er auf würdige Weise nicht mehr ausfüllen kann.
Nun, wenn die Diplomatie etwas anders wäre, als das Treiben eines Roués in der Gesellschaft, was würde sie zu beobachten haben? Wir wollen annehmen, daß nicht alle Gesandte blos in das Ausland gehen, um ihr Vermögen durchzubringen. Sie sollen auch eine Politik verfolgen, die über diese Dinge hinausgeht, sie sollen wenigstens Instruktionen haben. Talleyrand hat einmal von einem Diplomaten, den Napoleon nach Konstantinopel schicken wollte und der ihm mißfiel, gesagt: » Er versteht ja nicht einmal das Alphabet der Politik.« Ich habe oft über diesen Ausspruch nachgedacht und mir zu sagen versucht, was Talleyrand, dieser verschlagene Ulysses der Diplomatie, unter dem Alphabet der Politik verstanden hatte. Die Grundlage dieses Alphabetes sind jedenfalls Prinzipien Macchiavelli's, jene Politik, die von dem Satze ausging: es ist nicht alles Tugend und auch nicht alles Verbrechen, welches man dafür zu halten geneigt ist; jene Politik, welche sagte, ein ehrlicher Mann unter hundert Schelmen muß entweder selbst ein Schelm werden oder zu Grunde gehen. Man sollte eine neue Anleitung zur Politik unsers Jahrhunderts mit specieller Anwendung auf die Verhältnisse der Gegenwart schreiben und diesem Buche den Titel Talleyrand geben. Es könnte sich darin die feinste Menschenbeobachtung und die bitterste Satire aussprechen. Ein solcher Codex der geheimen Umtriebe unsrer Zeit, der aristokratischen und demokratischen, der monarchischen und republikanischen, der Priester- und Laienschliche könnte allen denen, welche das Meer der Oeffentlichkeit beschiffen wollen, als ein warnender Pharus dienen, so daß die Betrügenden durch diese Offenbarung ihrer Kunstgriffe selber die Betrogenen würden.
Wie würde wohl ein Schüler Talleyrands in London auftreten? Gesetzt, er ist ein Franzose, er ist gewandt, fashionable, vermögend, mehr oder weniger abgenutzt, ein Diplomat, der nicht blos die Stutzer seines Vaterlandes, sondern auch die Stützen desselben repräsentiren will. Daß er Bälle gibt, daß er sich im Umgange, wie man zu sagen pflegt, als bon garçon zeigt, daß er von den Frauen bevorzugt wird und wenigstens die weibliche Seite aller Parteien für sich hat, das mögen die unerläßlichen Vorausbedingungen seyn. Fuchsjagden, Wettrennen, zerschmetterte Kabriolets, todtgeschossene Pferde, Hahnenkämpfe, davon braucht aber bei Talleyrand nicht die Rede zu seyn. Talleyrand wird nöthig haben, zuerst das politische Leben Englands zu studiren, er muß wissen, auf wessen Seite sich die Wage der Parteien neigt, er muß auf die Majorität einen Werth legen, der etwas größer ist, als die Majorität der Deputirtenkammer. In Frankreich wechseln die Ministerien, ohne daß die Systeme verändert werden; in England wechseln nicht nur die Systeme, sondern eine ganz neue Partei mit neuen Prinzipien und Sympathien ersetzt die gestürzte alte. Muß nun Frankreich nicht Interessen haben, welche gegen England unter allen Parteiumständen sich gleich bleiben; oder richtiger ausgedrückt: gibt es in Frankreich ein Interesse, daß so gut den Whigs wie den Tories gegenüber aufrecht erhalten werden müßte? Allerdings! Das ist die Selbstständigkeit beider Nationen, das Handelsinteresse, welches sich niemals den Engländern anschließen wird, Beziehungen zu der Schweiz, Deutschland und Italien, Protektorat über Belgien, die Grenze Spaniens, Algier, die Türkei. Müssen nun diese Interessen schroff gegen die englische Politik hingestellt und immer von dem einseitigen französischen Lichte beschienen werden? Um's Himmelswillen nicht! Die Kunst muß darin bestehen, alle diese Fragen so zu wenden, daß England umwillkürlich an ihnen interessirt ist. Man muß England zwingen können, gegen seinen eigenen Vortheil auf der einen Seite in eine falsche Stellung zu kommen und auf der andern Seite sich durch die Bundesgenossenschaft Frankreichs doch gefördert zu sehen. Suchen Sie alles aufzubieten, heißt die Talleyrand'sche Instruktion, daß England nie außer Athem kömmt; immer muß es im Feuer seyn, da nur der Unthätige sich zu besinnen Zeit hat und ehe er handelt, an Anfang, Mittel und Ende zu denken sich Zeit nimmt, der Thätige hingegen nur daran denkt, den Augenblick zu gewinnen und wenigstens die nächsten Schritte um sich her klar und deutlich zu sehen. Haben Sie England erst so weit in Athem gebracht, daß es zwischen zwei Uebeln das größere oder kleinere wählen muß, so wird es sich zwar immer gegen unsere Interessen zu verwahren suchen, aber sich doch in einer Tretmühle befinden, welche nur dazu dient, jene Maschine in Bewegung zu setzen, auf welche wir unser Korn aufgeschüttet haben. Das erste und Hauptmittel, die französischen Interessen in England zu wahren, ist dieß, sie mit den zunächst nicht gegen Frankreich gerichteten englischen zu kombiniren. England hat der Zielpunkte seiner Bestrebungen vielleicht weniger als Frankreich, weil es durch seine Lage so unendlich begünstigt ist; allein auf jene Passagen, die es sich schützen muß, darf es nicht blos mit dem Finger zeigen, sondern muß die ganze Faust darauf legen. Jetzt ist die französische Politik die, all' den Stützpunkten, die England bedarf, um fest auftreten zu können, in aller Stille französische Interessen unterzuschieben, so daß, wenn Englands stolzestes Linienschiff mit vollen Segeln auf die Höhe einer noch ziemlich entlegenen Zukunft hinausfährt, Frankreichs kleine Schaluppe von ihm in's Schlepptau mitgenommen wird. England ist mit seiner französischen Allianz auf die Zukunft bedacht, Frankreich dagegen weiß davon einen Vortheil für die Gegenwart zu ziehen. So war es in der orientalischen, so in der spanischen Frage. Die Talleyrandistische Politik geht immer darauf aus, den Bundesgenossen in's Feuer zu schicken, daß er die Kastanien hervorhole und dem andern dabei das Verbrennen der Finger erspare. Frankreich mische nur recht viel Bewunderung der englischen Politik und Staatsmänner in seine eignen Umtriebe, so werden diese letztern immer thöricht und eitel genug seyn, sich von ihm düpiren zu lassen. Der Bewunderung seiner großen Institutionen, seiner fashionablen Manieren widersteht der Engländer nicht. Je mehr der Gesandte geizt, in die Klasse der Exklusiven aufgenommen zu werden, desto enger zieht sich das Band der Freundschaft. Spielt er nun gar mit Lord Grey Schach oder trägt er eine Kravatte, von der man glauben könnte, daß sie Lord Palmerston eben abgelegt hat, weiß er seinen Russenhaß weniger nach dem brandigen Moskau, als nach englischem Moschus, der sich vor dem Geruch der Russen schützen will, riechen zu machen, so hat er das Vorurtheil der englischen Aristokratie erobert und kann jenen im Grunde lächerlichen Satz, daß England und Frankreich natürliche Verbündete wären, wie kleine Münze fortwährend aus der Tasche werfen. Die Whigs überdieß kirrt man mit der Deputirtenkammer und die Tories mit jenen Pairs, welche in Paris vornehmeres Blut besitzen wollen, ohne dasselbe vererben zu können. Um den Pöbel mit seinem radikalen Franzosenhasse nicht durch das französische Handelssystem noch mehr aufzureizen, schickt man zuweilen einen Dupin oder sonst einen französischen Dr. Bowring, läßt ihn mit offenem Munde durch unsre Fabrikstädte laufen, die Maschinen und Eisenbahnen anstaunen und mit einer lauten Lobrede der englischen Volksgröße sich in Dover wieder einschiffen. Ist ein solcher Charlatan in Calais angekommen, so lacht er John Bull aus und hebt auch nicht einen einzigen der prohibitiven Ansätze seines Tarifes auf. Man schmeichle den Engländern, man verwirre sie in ihren eigenen Interessen, so wird man dahin kommen, daß sie sich zu einer Quadrupelallianz verstehen, die von Louis Philipp längst an Rußland verrathen ist, die von den französischen Ministern auf der Tribüne selbst lächerlich gemacht wird und die Engländer noch immer so zum besten hat, daß diese nicht einmal wagen, offen die Wahrheit zu sagen und sich einer Verpflichtung zu entledigen, wo die Schmach einzig und allein nur auf ihrer Seite ist.
Weit zusammengesetzter ist die Diplomatie Rußlands. Rußland und überhaupt die nordischen Staaten wollen eben sowohl die Integrität ihrer isolirten Interessen erhalten, als auch jene Grundsätze, über welche ihre eigenen Staatsgebäude aufgeführt sind. Wenn wir oben sagten, daß die Diplomatie nach unten hin sich mit der Polizei verbindet, so ist es hauptsächlich Rußland und sein Anhang, wo die Gesandten nicht blos gegen die Regierung des Landes, wo sie beglaubigt sind, sondern auch gegen die Stimmung des Volkes eine beobachtende Stellung einnehmen müssen. Die Instruktion eines russischen Gesandten in Paris muß außerordentlich verwickelt seyn. Er soll nicht nur jenes Gleichgewicht der allgemeinen europäischen Politik im Auge haben, soll nicht nur den Frieden als erwünscht und den Krieg als keinesweges gefürchtet darstellen, nicht nur über den innern Parteigeist und die Fortschritte der Demokratie seine schwarzen Register führen, sondern soll auch Rußlands moralische Stellung, den Grad seiner Kultur, die sittliche Bildung der Moskowiter, die Aufklärungsbestrebungen der Regierung gegen die Entstellung der polnischen Flüchtlinge und das Gerücht überhaupt, welches Rußland außer dem Bereich der Civilisation setzt, vertreten. Kann es eine feinere Rolle geben, als die, welche Pozzo di Borgo in Paris spielte? Selbst Franzose, selbst Republikaner, opferte er seine Geburt und Ueberzeugung einem Ehrgeize, der mit der Größe Napoleons wetteifern wollte. Er tritt in russische Dienste und schwingt sich allmählig während des Krieges zum Diplomaten des Feldlagers auf. Er wird Günstling und Hauptbeförderer jener politischen Vielseitigkeit, welche sich plötzlich der Staatsmänner Rußlands bemächtigte.
Rußland hat drei Schulen der auswärtigen Politik gehabt. Die erste ist die einseitige der alten Bojarenpolitik, die Politik Pauls und seiner Gemahlin, die als Kaiserin Mutter noch unter Alexander einen großen Wirkungskreis behauptete und die russische Nationalität durch Absonderung, nicht durch Vermischung mit dem übrigen Europa zu heben suchte. Dieser Partei hielten die Sympathien des aufgeklärten und menschenfreundlichen Alexander das Gegengewicht. Alexander suchte seinen Stolz darin, Rußland allmählig auf das Niveau jener Bildung zu bringen, welche die übrigen europäischen Staaten auszeichnet; Alexander gehörte jener Schule der politischen Aufklärung an, welche im vorigen Jahrhundert in Schweden, Oesterreich, Rußland, Portugal, Spanien und Savoyen das Licht der Aufklärung gegen den Zugwind der Aristokratie und Geistlichkeit zu schützen suchte. Alexander klagte, daß die Verkettung der Umstände ihn zwang, gegen einen Helden Krieg zu führen, den er hochschätzte. Die Freundschaft, mit welcher Napoleon in Erfurt von Alexander begrüßt wurde, war keine erheuchelte. Sie beruhte, wenn nicht auf dem Genie des Kaisers, doch in jenem richtigen Blicke, mit welchem Alexander den Lauf der Ereignisse von der Revolution an zu beurtheilen wußte, auf jenem warnenden Kassandrablick, der es für ein Unglück hielt, Frankreich wieder an die Schwäche der Bourbonen zu überliefern und der den ersten besten General, einen Bernadotte, Moreau lieber an der Spitze der Franzosen gesehen hätte, als die verhätschelten Enkel des heiligen Ludwig. In Alexander lagen zwei Seelen, die eine wollte die Freiheit, die andere wollte niemanden bei dem Siege derselben verkürzen. Eine bekannte religiöse Stimmung verknüpfte später beide Richtungen, so daß man sich den Widerspruch erklären kann, wie zur Ehre Gottes Rußland im Süden die Flammen der griechischen Empörung schürte und im Westen zur Ehre Gottes dieselbe Revolution bekämpfte.
Zu der alten Bojarenpolitik gesellte sich eine zweite Tendenz, die von Nesselrode repräsentirte verschlagene Unterhandlung und diplomatische Schachspielerei mit dem Westen und die an den Namen Capo d'Istria sich anschließende Politik der Befreiung des Orients und der europäischen Türkei. Als diese Richtungen sich zum erstenmale in Bewegung setzten, gab ihnen nicht blos der Egoismus den Stoß, sondern im Anfang in der That Ideen von Völkerwürde und Rechten der Geschichte, um welche sich ein Heiligenschein religiöser Empfindungen zog; doch später erlosch dieß glänzende Feuer in den Augen, diese jugendliche Röthe auf den Wangen der russischen Diplomatie und es blieben nur zurück die Handgriffe einer Routine, welche ungemein vielen Esprit verräth, aber entschieden nur auf die retardiven Interessen gegründet ist. Der Graf Nesselrode, der gegenwärtige Staatskanzler des russischen Reiches, ist der Schöpfer jener russischen Diplomatie, welche in Erstaunen setzt, wenn man ihre Feinheit und Gewandtheit mit dem Charakter und Bildungsgrade jenes Volkes vergleicht, dessen Interessen sie zu vertreten hat. In der That geht aus dem Kabinet von St. Petersburg eine Fülle von geistreichen Wendungen, von Routine und Talleyrandistischer Originalität hervor. Nesselrode schuf diese Diplomatie, indem er die von uns oben berührten halb bojarischen, halb jakobinischen Extreme, in welche die russische Politik hätte ausarten können, überflügelte und namentlich durch seine Berührungen mit dem Fürsten Metternich jenes ruhigen und gemäßigten Gleichgewichtes Herr zu werden suchte, welches die Diplomatie zu einer wechselseitigen Abwägung von mehr oder minder Klugheit gegen mehr oder minder Aufrichtigkeit macht. Die Schule Nesselrode's zeichnet sich durch das Talent der Unterhandlung aus, zu welcher sich der leidenschaftliche Partikularismus der Bojarenpolitik niemals würde herbeigelassen haben. Es war nach dem Winter von 1812, wo Pozzo di Borgo in die russische Diplomatie eintrat und bis auf die neueste Zeit ein Versteckensspiel mit Frankreich zu unterhalten gewußt hat. Die erste Bedingung dieser Repräsentation war die vollkommene Gleichstellung mit den Vorzügen und Virtuositäten des französischen Lebens. Pozzo di Borgo kannte das Terrain, die Menschen und die Verhältnisse, und hat mit außerordentlicher Begabung Rußlands Interessen gegen die Undankbarkeit der Restauration, gegen die Feindseligkeit der Parteien, gegen die Julirevolution und die Umtriebe der polnischen Flüchtlinge zu vertreten gewußt. Pozzo di Borgo fiel, vielleicht weil er den Begriff der russischen Diplomatie zu fein, vielleicht aber auch, weil er ihn zu formell aufgefaßt hatte. Pozzo di Borgo hatte sich so weit in die pariser Tagsdebatte eingelassen und dadurch Rußland in so nahe Berührung mit dem Gewirr der Parteien gebracht, daß sich Petersburg nach Paris versetzt glauben mußte, daß man beinahe hätte annehmen sollen, in Paris existirte eine vollkommen organisirte russische Politik und Journalistik. Es kam fast bis zum Scandal. Rußland war immer im Vorgrunde, Rußland war eben so erhitzt, jähzornig, eilfertig, eben so passionirt für die kleine Intrigue, wie Thiers und die Tuilerien. Rußland besticht, Rußland besoldet, Rußland schreibt sogar in pariser Blättern; man mußte dieß glauben, wenn man auch nur die Schatten des Gerüchts und die dabei handelnden Figuren nicht leibhaft sah. Was soll man glauben: wurde Herr Löwe-Weimars, der plötzlich aus den kleinen Streitigkeiten der Journalistik nach Petersburg ging, um von dort eine bessere Meinung über Rußland zu verbreiten und sich zunächst eine steinreiche Gräfin als Gattin mitzubringen, von seinem eignen Ehrgeize dorthin getrieben, oder wurde er von Thiers geschickt, oder wurde er von Nesselrode verschrieben? Das ist ein Räthsel.
Seit Pozzo di Borgo's Quiescirung haben sich in der russischen Politik einige Veränderungen ergeben, die deutlich zu Tage liegen. Die Politik dieser großen Macht hat sich, mit einem Worte zu sagen, vereinfacht. Pozzo di Borgo's Vorliebe war es gewesen, zu trennen, zu vervielfachen und sich zu weit hinaus zu wagen, hinaus selbst in ein Feld, das man nicht betreten sollte, wenn man nichts zu repräsentiren hat, als einen energischen, drohenden und zugleich doch nicht offen feindseligen Willen. Pozzo di Borgo erfaßte Rußland mehr als eine Idee, denn als eine Wirklichkeit, welche er, der Paris nicht verließ, nur aus der Vorstellung kannte. Dieser große Diplomat war vollkommen geeignet, die stumme Größe Rußlands in einer Zeit zu repräsentiren, wo die Autorität, welche in Frankreich herrschen und sich befestigen sollte, so zahllosen Intriguen, einer so minutiös zersplitterten Anfechtung unterworfen war, wie wir dieß an Louis Philipp in den ersten Zeiten seiner Regierung sehen konnten. Späterhin mochten diese verschlagenen Andeutungen, daß Rußland heute dieß wolle, morgen jenes zurückweise, hier drohe, dort warne, diese eigenthümlichen kleinen Intriguen Pozzo di Borgo's wohl mehr Beziehungen zwischen Frankreich und Rußland erzeugen, als dem Kabinet von St. Petersburg erwünscht war. Es ist in der Politik, wie im Gebrauch der physischen Kraft; je mehr Concentration, desto mehr Energie. Ein Fechter, der tänzelt und herumspringt, ermüdet, und muß dann alle seine Vortheile an den, welcher still stand, wieder abtreten. -- So lange Pozzo di Borgo in Paris am Ruder war, konnte die französische Presse mit Recht die Meinung verbreiten, daß sich Rußland fortwährend damit beschäftige, auf jeden ihrer kleinen Umtriebe, auf ihre Verdächtigung in allen Formaten zu achten.
Wir sagten schon, daß die russische Diplomatie eine Bildung besitzt, von der man nicht glauben kann, daß sie an der Newa erlernt ist; allein seit Herr von Pahlen in Paris ist, hat auch die pariser Presse wieder das Vorrecht, auf eigene Hand ihre blauen Geister zu sehen. Seitdem die russische Politik lakonischer und ernster geworden ist und der Umstand wegfällt, daß Pozzo di Borgo durch seine Geburt, Erziehung und Bildung verführt wurde, sich nur innerhalb französischer Manieren zu bewegen, hat sich auch das Balanciren zwischen Paris und Petersburg gelegt und dahin entschieden, daß Louis Philipp weit mehr hervortreten und von sich versprechen, daß er weit mehr seine Hinneigung zum Norden und seine Abneigung gegen die englische Allianz versichern mußte, wenn er Concessionen erlangen wollte, die ihm Pozzo di Borgo bisweilen gestattete, aber nur in solchen Fällen, daß z. B. bei einem Balle in Fontainebleau nur die Aristokratie und kein einziger Bürgerlicher eingeladen worden war.
Es scheint, daß sich die russische Diplomatie, so außer- ordentlich durch das Portfolio kompromittirt, auf eine imposante Trägheit jetzt beschränken will. Sie verläßt sich auf den Schwerpunkt der Größe, welche sie repräsentirt; sie scheint auch nicht einmal die Absicht zu haben, jene andere Politik zu verfolgen, welche sich an den Namen Metternichs anknüpft, und zu welcher sie auch weit weniger Veranlassung hat, da sie zwar wie Oesterreich von konservativen Principien abhängig ist, aber darum noch nicht die Ueberhandnahme der Demokratie allzusehr zu fürchten braucht. Oesterreich hat eine Diplomatie, die entschieden in zwei Theile getheilt ist, in höhere Politik und in Polizei. Die Umstände, die hiebei obwalten, sind sehr eigenthümlicher Natur; da sie bis jetzt zum Theil noch unbekannt blieben, so mag hier ein Versuch über den allerdings dunklen und mehr auf die Divination verwiesenen Gegenstand folgen.
Es kann Staatsmänner geben, welche weit aristokratischer denken als der Fürst Metternich, Staatsmänner, welche aus dem Systeme des Widerstandes eine Leidenschaft machen; allein unübertroffen bleibt Metternich in der Consequenz seiner Bestrebungen und namentlich in den Begriffen vom Gegentheil derselben. Man hat oft gefragt, ob wohl Metternich von seinem Systeme überzeugt wäre und hat damit sagen wollen, ob er es vor Gott und vor seinem eignen Verstande verantworten könne. Wir glauben, daß Metternich fest davon überzeugt ist, sein System könne im Felde der innern Politik durch kein schicklicheres ersetzt werden. Das Maß von Freiheit, welches die Oesterreicher genießen, ist gerade so groß wie das Maß ihrer Bildung. (?) Was nützt ihnen eine Freiheit, die größer wäre als ihr Verstand, um sie zu begreifen? Es kann mir nicht in den Sinn kommen, Metternich's System in so fern vertheidigen zu wollen, als er es auf eine einmal unwandelbare Annahme zu begründen scheint. Ich finde, daß in Oesterreich allerdings auch die Fortschritte anerkannt sind, allein nur als das Resultat des Auslandes, nicht als die organische Blüthe von Bestrebungen, die aus dem Schooße des österreichischen Volkslebens selbst hervorschossen. Wenn Oesterreich zur Freiheit noch nicht reif ist, warum soll es diese Reife nicht aus sich selber erzeugen? Ich finde, daß außerordentlich gut für die Nation gesorgt ist, daß man ihr nichts entgehen läßt, was an neuen wissenschaftlichen Entdeckungen und industriellen Erfindungen die Tiegelprobe der Erfahrung bestanden hat. Allein man kann den Menschen alles schenken und sie werden sich immer, da sie es sich nicht selbst verschafften, für arm halten. Ich glaube, darin wird die Besorgniß der Metternich'schen Politik liegen, daß sie fürchtet, ist einmal erst die Maschine der eignen Gedanken im Lande in Bewegung gesetzt, haben die Gemüther die süße Gewohnheit des Selbstdenkens gekostet, so würden sie vielleicht der Kraft ihrer geistigen Springfedern zu großes Vertrauen schenken und neben dem Nothwendigen und Erwünschten auch vieles Andere bedenken, was überflüssig scheint und bedenklich.
Dieß System, übertragen auf die Berührung mit fremden Staaten, muß allerdings von einem großen Mißtrauen gegen alles geleitet werden, was vom Volke stammt; also nicht blos gegen den Parteigeist, der die Einheit mancher Staaten zersplittert, sondern auch gegen diese Staaten selbst, wenn sie auf das Princip der Volkssouverainität gegründet sind, gegen die königliche Prärogative, wenn diese vom Volke eingesetzt ist. Dennoch schließt diese unwandelbare Theorie der österreichischen Politik die Anerkennung der Geschichte und unwiderruflicher Thatsachen nicht aus. Oesterreichs auswärtige Stellung ist negativ, allein sie negirt die Revolution nicht. Das ist der große Unterschied der österreichischen Diplomatie von derjenigen, welche wir von andern autokratischen Staaten befolgt sehen, daß Oesterreich alle Thatsachen, welche sich in Europa geltend zu machen wußten, anerkannte, daß Oesterreich zwar die Fortschritte der Revolution bekämpft, überall wo es kann, aber sich darum nicht abmüht, die Revolution selbst zu bekämpfen, ihr Princip, ihren Ursprung. Was will man machen? Die Revolution ist einmal da, sie hat Terrain in unsern Gemüthern gewonnen, all' unsre Begriffe sind von ihr geschwängert; sie hat durch Napoleon selbst den meisten autokratischen Staaten als Dünger zu einer neuen Umackerung gedient. Man verliert nur Zeit und Mühe, wenn man die Scherben des zertrümmerten Riesenbildes wieder aufsuchen und tief in die Erde vergraben wollte. Was einmal da gewesen ist, das bleibt, die Geschichte thut nichts umsonst, sie wird sich hüten, irgend eine ihrer großen Thaten, ja selbst irgend eines ihrer großen Verbrechen preis zu geben und zu verleugnen.
Der Zufall hat mich mit jener österreichischen Diplomatie in Berührung gebracht, welche mit der höhern und der polizeilichen Bestimmung derselben in der Mitte liegt. Ich werde sagen, was ich darüber gehört habe und was ich glaubte, darauf antworten zu müssen. Wir denken um keinen Preis daran, hieß es, die Richtungen, welche das Ausland nehmen will, nach unserm Compaß zu lenken. Wir betrachten euer Parlament als die organische Nothwendigkeit einer auf historischem Boden gewurzelten politischen Aufklärung. Wir sehen die Deputirtenkammer in Frankreich, die Journale, die Nationalgarde zum größten Theil als ein Spielzeug an, welches den Leichtsinn der Franzosen beschäftigen muß, welches im Nothfall auch stark genug ist, um nicht gleich durch bloßen Uebermuth zerbrochen zu werden, als Institutionen, welche Vollkommenheit genug besitzen, um nicht der Tadelsucht gänzlich zu verfallen, und auf der andern Seite Fehler genug, um dem unruhigen Neuerungstriebe jener Nation als ableitender Stoff entgegen zu kommen. Was läßt sich gegen Spanien thun? Es vertheidigt mit unbesiegbarer Hartnäckigkeit alles dasjenige, wofür sich der Eigensinn dieses Landes einmal erklärt hat, und Europa kann froh seyn, wenn nur auf der pyrenäischen Halbinsel wenigstens die Ordnung und Humanität herscht, mag sie nun von Don Carlos oder der Königin gehandhabt werden. Wir unterstützen den ersten, wendet man ein, wir schicken ihm über Triest bedeutende Summen; wir verweisen Don Miguel aus Italien nicht, wir nehmen die von der Volksrache gestürzten Könige in unsere Grenzen auf und lassen sie großmüthig sterben und in der Gruft unsrer Fürsten beisetzen. Das sind Dienstleistungen, denen wir uns nicht entziehen können, die einmal von den Anhängern der Reaction eben so bestimmt in Anspruch genommen werden, wie sich etwa politische Flüchtlinge nur an die geheimen Comitees zu wenden brauchen, um existiren oder irgendwo einen verzweifelten Schlag ausführen zu können. Wir retardiren, aber weder im Interesse der Vergangenheit oder der Zukunft, sondern einzig dem status quo zu Liebe. Wir verstehen unter status quo nicht die gegenwärtig vor den Augen verbreitete Weltlage, sondern nur den bei der Flucht der Erscheinungen unbeweglich ruhenden Pol, die Einheit, die Sicherheit des Momentes, den man der Menschheit lassen muß, um zu athmen, der Gesellschaft, um fröhlich zu seyn, den Staaten, um ein gutes Beispiel zu nehmen und sich für das Bessere oder Schlechtere zu entscheiden, den Politikern endlich, um sich nach der Constellation der Umstände einzurichten und die Stellung einzunehmen, welche sie mitten in der Verwirrung glauben behaupten zu müssen. Wir wahren die Interessen der Conservativpartei nur deßhalb, um die Geschichte von dem überstürzenden Fortschreiten abzuhalten. Ohne Gleichgewicht des Für und Wider, ohne die Elasticität der Discussion und des Kampfes wird es keine Wahrheit, wird es keinen Sieg geben; wir sind gewohnt zu unterliegen, ja, selbst wenn wir siegen ist es nur, weil wir später dafür desto mehr wieder abtreten müssen. Warum hat aber von jeher unsere Politik sich an die Englands gehalten? Weil in keinem Lande dem natürlichen Fortschritte der Aufklärung so viel organische Hemmnisse gegenüberstehen, als dort, weil kein Volk seine Gedanken durch so viel Siebe bringen muß, als das englische.
Der Eingeweihte, von dem ich spreche, fuhr fort: »Oesterreich ist weit mehr dazu aufgelegt, zu unterhandeln, als zu streiten, zu vermitteln, als zu entzweien. Oesterreich will die Revolution nicht unterdrücken, sondern nur aufhalten, und ergreift zu diesem Zweck alle nur mögliche Mittel, die eigner und fremder Witz ihm an die Hand geben. Oesterreich kann, weil es das geistige Princip im Lande nicht wie einen stolzen Baum sich ausbreiten und in dem majestätischen Bewußtseyn seiner fruchtreichen Aeste sich wiegen läßt, nur über wenig Talente gebieten. Oesterreich nimmt gern eine gewandte Feder in Sold, doch unterscheidet sich Oesterreich in der Art, wie es eine solche Feder gewinnt, z. B. von Rußland, auf entgegegesetzte Weise. Rußland läßt sich aus Paris einen Journalisten kommen; dieser tritt in Petersburg mit allen Tollheiten seines romantischen Glaubensbekenntnisses auf, spricht nur französisch, verleugnet nicht eine einzige seiner pariser Gewohnheiten, heirathet eine reiche Erbin und kehrt nach Paris zurück, um ein Buch über Petersburg und Moskau zu schreiben, das drei Monate besprochen wird und dann der Vergessenheit anheim fällt. Rußland hat besoldete Schriftsteller in Paris, London, Frankfurt, in Athen. Sie waren nie in Rußland, sie bekennen sich nicht öffentlich für dasselbe, sie abstrahiren nur ungefähr das russische Interesse bei den verschiedenen politischen Fragen, stehen ohne Controle und kassiren alle Quartale ihre Wechsel ein. Mit solchen Diensten gibt sich Oesterreich nicht zufrieden, Oesterreich verlangt eine entschiedene Hingebung; es will nicht blos die Feder, sondern den ganzen Menschen, es will nicht blos seine Meinungen, sondern auch sein ganzes Leben für sich gewinnen. Rußland weiß zu gut, daß jemand, der als griechisch-getaufter Bojar seine Interessen im civilisirten Europa vertreten will, von niemand würde angehört werden. Oesterreich aber hat es gern, daß seine literarischen Partisane auf's entschiedenste zur Fahne des Habsburgischen Hauses schwören. Sie müssen nicht den Anschein haben, als wollten sie vermitteln, sondern sollen den Gegensatz mit der ganzen enthusiastischen Schroffheit ausdrücken, welche sogar manche ihrer Anhänger bewogen hat, das protestantische mit dem katholischen Glaubensbekenntniß zu wechseln. Sonst freilich ist Oesterreich eifersüchtig auf die richtige Beurtheilung seiner politischen Stellung. Es hat gern, wenn man es von dem gewöhnlichen Dufte absolutistischer Tendenzen befreit, und erfreut sich auch größtentheils durch ein klug angelegtes im Schach Halten vorstrebender literarischer Köpfe und Parteimänner einer weit nachsichtigeren Beurtheilung als mancher andre Staat, der, freier Verfassungsformen ermangelnd, doch in Kunst und Wissenschaft weit vor Oesterreich voraus ist. Glauben Sie, daß Oesterreich rachsüchtig ist, daß es die Revolution im Auslande mit einer durchaus büreaukratischen Beamtenstrenge bestraft wissen will? Ich könnte Ihnen hier Beispiele einer außerordentlichen Toleranz mittheilen, wenn sie nicht dem Horizonte der Politik, an welchen Sie gewöhnt sind, zu fern lägen und durch ihre Veranlassungen zu kleinlich wären.«
Ich erwiederte darauf: »Ihre Enthüllungen sind für mich so neu, daß Sie mich schon darum entschuldigen müssen, wenn ich dagegen nach meiner Erfahrung des Alten einige Bedenken äußere. Ich glaube, daß der Staat, welchen Sie eben so beredt vertheidigt haben, es weit mehr vorzieht, die Revolution zu verwirren, ihre Glieder sich unter einander selbst bekämpfen zu lassen und dann der öffentlichen Meinung davon eine Moral vorzuhalten, die wohl noch etwas weiter zurückgeht, als bis zum status quo. Es ist ein sehr verführerisches Wort: »Wir sind im Grunde so liberal wie ihr auch, wir wollen nicht Vernichtung, sondern nur Hinhaltung! Welches ist zuletzt der Sinn dieser Erklärung? Daß wir nach wie vor die bleiben, die wir sind. Es gibt für die Politik, welche Sie da geschildert haben, vielleicht keine größere Genugthuung, als wenn die gekirrten liberalen Parteianführer durch irgend ein öffentliches Zugeständniß an das so schön dargestellte System sich kompromittiren, wenn sie straucheln, und nun weder bei den Einen noch bei den Andern Zuflucht finden. Die Macchiavellismen gehen immer im Schwange; jeder benutzt seinen Vortheil, wo er ihn wahrnimmt; man kann sich auf keinem Gebiete wechselseitiges Vertrauen schenken, wo nicht eine Partei der andern entschiedene Concessionen macht. Wehe denen, die sich statt auf Werke nur auf Worte verlassen!«
Genug hievon! Ich könnte nun eine Blöße aufdecken, welche beschämend ist; doch sind die vorangehenden Bemerkungen zu ernst und tief begründet, als daß ich z. B. durch die Skizze eines Legationssekretärs diese Betrachtung mit einem Scherze schließen dürfte. Doch von einem Exemplar dieser Gattung kann ich mich nicht enthalten hier einige kurze Pinselstriche hinzuwerfen.
Es war auf dem Continent, wo mich eine verwickelte Angelegenheit zwang, die Behörden der .....schen Legation anzugehen. Es war eine kleine Residenzstadt, weitläufig gebaut, aber dünn bevölkert, breite, lichte Straßen, wo die Menschen so rar waren, wie die Straßenlaternen. Der Gesandte wohnte in einem neu angebauten Ende der Stadt, wo die Straße noch kein Pflaster hatte und man durch den tiefsten Koth waten mußte. Ich finde endlich das Haus und erfahre, daß der Gesandte verreist ist. Man weist mich an den in der Nähe wohnenden Sekretär der Legation. Der Name desselben war so schwer und stolz, wie der eines irländischen Pairs, welcher sich rühmte, »mein Geschlecht stammt in gerader Linie von Adam her.« Ich erwartete, die Bekanntschaft eines jungen, geistreichen Cavaliers zu machen, dem man noch einst bei fortgesetzter Carriere auf den höhern Staatsstellen begegnen könnte. Obschon das letztere gar nicht unwahrscheinlich ist, so bin ich doch von der erstern Annahme auf eine horrible Weise enttäuscht worden.
Ich betrat das Haus des jungen Diplomaten; ein wandernder Krämer mit Herren-Toilettenartikeln begegnete mir schon auf der Treppe; darauf eine alte Wäscherin, die ein kleines saubergelegtes Briefchen trug. Auf dem Vorplatze balgten sich Hunde, ein Bedienter, der sich schnell erst seine Livree überzog, um ein herrschaftliches Ansehen zu erhalten, erwiederte mir, daß sein Herr unwohl sey, doch wolle er ihn fragen, ob ich vorkommen solle. Nach einer Weile erschien er und erklärte, daß es dem Herrn Grafen eine Ehre seyn würde. Diesen traf ich denn auch in einem der entlegenern Zimmer. Ein blutjunger Mann, über und über blond, mit einer leisen und fliegenden Röthe über dem zart geschnittenen Gesicht. Ein leiser Schatten auf der Oberlippe deutete an, daß sich dort eine Moustache befinden sollte. Was mir zunächst auffiel, war die possierliche Tracht des jungen Mannes; er trug einen ganz dünn und enganliegenden kurzen Rock, der kaum die Hälfte des obern Beines bedeckte; er war rings um die Taille herum in die saubersten Falten gelegt, die Beinkleider waren roth und so weitbauschig, wie bei einem Kosaken. Dazu trug er gelbe Stiefel und um den Hals einen Shawl von derselben Farbe. Ich hätte glauben sollen, mit einem Kunstreiter zu sprechen. Von diplomatischen Verhältnissen hatte er vielleicht kaum so viel Kenntnisse, wie in der That vom Reiten. Er konnte mir nicht den unbedeutendsten Aufschluß über die Angelegenheiten geben, über welche ich mit ihm sprach. Er führte ein Französisch im Munde, das er von irgend einem aus dem französischen Krieg zurückgekehrten Korporal gelernt haben mußte, war aber dabei doch so zuversichtlich von seiner Stellung eingenommen, daß er immer mit einer officiellen Miene sprach, ohne auch nur in das geringste Geheimniß eingeweiht zu seyn. Mein Name kam auf das Tapet, er hatte nie von mir gehört und war, da er aus irgend einer Bemerkung schließen mußte, daß ich schon etwas geschrieben haben müsse, so unverschämt, mir zu sagen: es würden heutigen Tags so entsetzlich viel Bücher gedruckt, daß man gar nicht mehr wüßte, was man sich aus einer Leihbibliothek geben lassen solle. Großer Gott! dachte ich, als ich mich empfahl, dieser junge Mann scheint freilich nur bei der Gesandtschaft attachirt zu seyn, damit er sein Vermögen auf eine dem Staat nützliche und auswärts ehrenvolle Weise verzehrt. Allein er nistet sich doch in den Kombinationen der Staatsmänner als eine disponible Größe fest, gelang zu einer höhern Stelle, lernt gewisse Routinen und kann am Ende noch einst dazu kommen, daß er für die Interessen eines ganzen Volkes sorgen muß, derselbe junge Mann, welcher bis jetzt nur noch die Kunst versteht, Hunde zu dressiren und sich ein Kostüm zu erfinden, welches an Kunstreiter erinnert.
Wenn die gegenwärtigen Staaten einzig und allein auf solche Stützen gegründet wären, dann, möchte man glauben, würden sie bald zusammensinken, allein so zäh ist die menschliche Natur, so vorhaltend ist das Gleichgewicht bei jenen alten Gebäuden, welche hier und da schon nachgeben und sich gesenkt haben, daß man den Staat immer noch durch Hülfsmomente zusammenzuhalten hofft, wenn man auch die ganze Maschinerie vom obersten Premierminister bis zum untersten Sheriff und Huissier durchschaut. Würden aufgeklärte Denker ein Gemeinwesen vertheidigen können, das in seiner Zusammensetzung, in den Trägern seiner Begriffe eine so buntscheckige und unzusammenhängende Organisation darstellt, es vertheidigen können, wenn sich nicht über den Staat der Begriff festgesetzt hätte, daß er das nothwendige Organ all' unsres Lebens, unsrer gesellschaftlichen Beziehungen, ja sogar unsrer Wünsche und Hoffnungen ist? Diese Ueberzeugung von der Nothwendigkeit einer geregelten und konstituirten Geselligkeit, schützt unsre Staaten noch vor der allzu schnellen Annäherung ihres jüngsten Tages, und sichert denen, welche bei den Formalitäten des Staates betheiligt sind, die Muße, um für die nöthigen Fälle sich einzurichten und ihr Haus zu bestellen. Die Staaten werden bleiben, die Fürsten werden stets mit Pietät behandelt werden, allein die Maschine selbst könnte mancherlei Reparaturen bedürftig seyn. Vor allen Dingen muß die Intelligenz wieder in die Regierungen so aufgenommen werden, wie sie es früher allein waren, welche die Intelligenz förderten und aufrecht erhielten. Die Regierungen müssen versuchen, sich von der blos juristischen und staatsrechtlichen Einseitigkeit zu befreien, nach welcher sie sich gegenwärtig in der Geschichte geltend machen; sie müssen sich von den unglücklichen Folgen jenes Satzes: daß alle Fragen der Humanität besser gedeihen, je weniger sie von den Regierungen abhängen, lossagen. Denn wohin führt dieser liberale Satz, wohin führt die Unbeholfenheit, mit welcher jeder einzelne sich selbst überlassene Zweig der Humanität sich entwickeln will? Zu nichts anderm, als dazu, daß man eingestehen muß: die Regierungen haben die Intelligenz nicht mehr für sich, sie seyen nicht mehr nothwendig für unsere Religion, Moral, Kunst und Wissenschaft.
Es ist eine ganz eitle Selbsttäuschung, wenn die Regierungen glauben, daß sie jeder freien Thätigkeit in wissenschaftlichen und künstlerischen Gebieten Sonnenschein und Schutz geben, und es würde eben diese Thätigkeit in dem Grade gefördert, als sich der Staat von ihr entferne. Dieser Satz schließt eine Wahrheit in sich, die nämlich, daß der Staat keine Systeme begünstigen und keine schwankenden Meinungen zum Gesetze machen solle; allein um dieß Ziel zu erreichen, darum dieß gänzliche Zurückziehen auf blos polizeiliche und juristische Administration; darum diese Kühle und Entfremdung gegen Alles, was in der Geschichte des Jahrhunderts weit mehr wiegt, als eine diplomatische Note, als ein gutes Gesetz über den Runkelrübenzucker? Wahrlich es steht zu fürchten, daß die Lauheit der freien Geister gegen die politische Welt sich aller Derjenigen bemächtigen könnte, welche die Regierungen sich zugewandt sehen müssen, weil sie sonst wirklich in die Verlegenheit kämen, nur noch als Nebensache zu figuriren.
Unsre Zeit wird als revolutionär geschildert. Ich habe dieses Merkmal oben schon bestritten oder es wenigstens auf eine Bestimmung zurückgeführt, die nicht so gefahrdrohend ist. Ich glaube weit mehr, die Tendenz unsrer Zeit liegt in jener Ideenverbindung, die hier so eben angeregt wurde. Warum konspirirt man gegen den Staat? Nicht um ihn zu verändern, um die alten Eigennamen in den Staatsämtern mit neuen zu vertauschen, sondern weil man Ideen hat, die man durch die laufende Staatsform und Verwaltung nicht mehr realisiren zu können glaubt. Es ist hier nicht die absolute Position oder die absolute Negation, sondern etwas Drittes, das beachtet werden will. Um dieses Dritte seyd besorgt, Staatsmänner, nicht um Revolution, Reaction, nicht um Toriesmus oder Whigismus, nicht um euch oder die Andern, sondern um jene von der Geschichte, dem Nachdenken über Zeit, Verhältnisse und Menschen leicht abstrahirten Thatsachen, welche endlich doch die Faktoren und Coefficienten der Geschichte seyn werden! Da sind Fragen der Moral und Religion, da sind glühende Ideale im Haupte der Dichter und Künstler; da ist eine kleine philosophische Schule, die so gefährlich wirken kann, weil sie sich nicht entfaltet, weil nur einzelne ihrer Sätze mißverstanden und entstellt unter das Volk kommen; da grollt in der Stille eine wichtige Entdeckung in der Wissenschaft, die selbst wieder entdeckt werden muß; da gährt der Kampf alter Vorurtheile mit neuen Schwärmereien -- ja, wenn die Staaten sich erhalten wollen, dann haben sie nöthig, allen diesen Beziehungen eine Seite zuzuwenden, sie in das innere Staatsleben hineinzusaugen, sie mit dem Blut der Administration und der Oeffentlichkeit selbst zu vermischen. Man glaubt Wunder, welche Concession man dem Zeitgeiste gibt, daß nur dem Verdienste im Staate der Vorzug gebühren solle. Ach! diesen Satz hat man schon im achtzehnten Jahrhundert gepredigt; er umfaßt vielleicht so viel, als man gebraucht hätte, um die französische Revolution zu vermeiden, aber bei weitem nicht genug, um jene Auflösung aller von der Tradition überlieferten Beziehungen, die, wenn wir in begonnener Weise fortfahren, eintreten muß, zu hintertreiben. Daß nur das Verdienst bekränzt werde, genügt nicht; auch die Auszeichnungen des Verdienstes bilden eine Aristokratie. Darin liegt es, daß man Jedem Mittel an die Hand und Raum gebe, sich so verdient zu machen, als sein Ehrgeiz darnach glüht und die Kraft dafür da ist. Enthusiasmus muß geboren werden, Freude am Daseyn, jugendlicher Anflug in allem, was unternommen wird. Der Staat soll den ganzen Menschen erfüllen. Er soll nicht blos einen Theil von ihm schützen und die übrigen sich selbst überlassen. Der Staat soll das organische Leben der Nationen und gleichsam die Crême aller unsrer moralischen Gährungen werden. Denkt euch ein Volk, das eine reizende Natur, alle Güter des Herzens und der Philosophie genösse; könnt ihr euch noch einen Augenblick diese Nation denken, wie sie von einer alten, unschönen, staubigen, gepuderten Büreaukratie könne regiert werden? Das scheint mir das Streben unsrer und der kommenden Jahrhunderte, daß wir das rosige Morgenlicht besserer Jahrhunderte in Sitte, Moral, Glauben schon auf unsre Stirn leuchten sehen und nun darnach schmachten, auch euch, ihr Repräsentanten des Krämergeistes, ihr erbgesessenen Pairs, ihr perückenumwallten Oberrichter, ihr scharlachrothen Huissiers in den frohlockenden Fluß der großen mit uns vorgehenden Metamorphose hineinzuziehen. Wir denken nicht daran, uns euch gleich zu machen, sondern bieten euch im Gegentheil nur an, daß ihr euch gleich machet -- uns.