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Feierlicher Empfang des zum Suhlaufenthalt eintreffenden fürstlichen Hofes. Da sich bei der Besichtigung der Suhle durch die hohen Herrschaften herausstellt, daß Wasserbaudirektor Bockert infolge eines bedauerlichen Mißverständnisses die Suhle trockengelegt hat, fällt er in Ungnade, worauf Regierungsassessor von Malepart den Ingenieur Fiber Edlen von Dobřisch zur Wiedergutmachung des Schadens empfiehlt und dadurch bei Durchlaucht einen Stein im Brett gewinnt.
Wo der östliche Zipfel der großen Waldwiese tief in den siebzigjährigen Fichtenbestand einschnitt, hatten sich schon in aller Frühe die Spitzen der Behörden zum Empfange des fürstlichen Hofes aufgestellt, dessen Ankunft jeden Augenblick erfolgen mußte. Obgleich die Stunde des Eintreffens der durchlauchtigsten Herrschaften geheimgehalten worden war, hatten sich dennoch viele Schaulustige eingefunden, die sich allen Mahnungen des mit der Absperrung des Platzes betrauten Gendarmen Steinmarder zum Trotz immer wieder vordrängten und die Bewegungsfreiheit der offiziell erschienenen Herren nicht wenig einschränkten.
Im Publikum tauschte man Bemerkungen darüber, daß der Kreisdirektor Baron Capreoli fehlte. Man munkelte, er sei plötzlich in Ungnade gefallen und habe einer Duellangelegenheit wegen vor vierundzwanzig Stunden den blauen Brief erhalten. Und die Leute, die das behaupteten, hatten recht: während man hier begeisterten Herzens des Landesvaters harrte, lag Capreoli verstimmt und obendrein völlig abgebrunftet in der Schonung hinter der Oberförstereiwiese und dachte über die Vergänglichkeit alles irdischen Glückes nach.
Der Regierungsassessor von Malepart, der an seiner Statt heute die Honneurs machen mußte, schnürte mit erhobener Standarte auf und nieder, warf ab und zu einen Blick in das Konzept seiner Begrüßungsrede, wechselte mit heiterer Zuversichtlichkeit von Zeit zu Zeit ein paar Worte mit dem Major von Swinegel und schüttelte hie und da einem guten Bekannten im Publikum Vorderlauf oder Flügel. Allgemein wurde bemerkt, daß Wasserbaudirektor Bockert sich zwar ein wenig im Hintergründe hielt, jedoch von einer stattlichen Schar von Leuten umgeben war, die alle offenbar mit seiner Ernennung zum Kreisdirektor rechneten und sich nun die denkbar größte Mühe gaben, seine Aufmerksamkeit zu erregen und sich bei ihm in Gunst zu setzen. Der Assessor, dem es nicht entging, verzog die Lefzen zu einem sarkastischen Grinsen und tauschte mit dem Major einen Blick der Verständigung.
Jetzt ließ sich fern im hohen Stangenholz ein Brechen und Knacken vernehmen: die durchlauchtigsten Herrschaften näherten sich. Ein Zug Gardehornissen in braungelber Galauniform, den blanken Stacheldolch am Hinterleib, schwirrte heran, dann erschienen in metallisch schillernder, reich betreßter Leibjägerlivree sechs Stare, deren Amt es war, von der Decke Seiner Durchlaucht die Dassel- und Lausfliegen abzulesen, und diesen folgten wiederum zwölf Blaurakenheiducken in lebhaft blaugrüner Uniform mit zimtbraunem Dolman.
Als diese rechts und links von den zur Bewillkommnung der hohen Herrschaften erschienenen Herren Aufstellung genommen hatten, fiel in schönem Gleitflug mit wagerecht ausgestrecktem Spiel Hofmarschall von Colchicus ein, trippelte auf Herrn von Malepart zu, setzte ihn von der Ankunft des Fürsten und der durchlauchtigsten Familie in Kenntnis und ließ sich die anwesenden Beamten, soweit sie ihm noch nicht bekannt waren, vorstellen. Darauf lief er in das Stangenholz zurück und kam wenige Minuten später an der Seite der Oberhofmeisterin Gräfin Alttier, einer hageren Dame mit sehr markanten Zügen, wieder zum Vorschein. Die Gräfin äugte jeden der Anwesenden mit prüfendem Blick an, überschaute mit unverkennbarem Mißtrauen das Publikum, holte Wind ein und gab, nachdem sie die Überzeugung gewonnen hatte, daß die Luft rein sei, ein leises Hüsteln von sich. Darauf folgten ein paar weitere Hofdamen, die vorjährige Prinzessin, ein munteres Schmaltier von beinahe noch kälberhaften Formen, in Begleitung zweier etwas stärkerer Basen und endlich Ihre Durchlaucht die Fürstin, eine schon etwas verblühte Frau mit gütigen Lichtern.
Erst als alle Damen ausgewechselt waren, erschien der Regent, ein Mann, der die Höhe des Lebens längst überschritten hatte, jedoch in seinen Bewegungen eine erstaunliche jugendliche Elastizität zur Schau trug. Sein ohnehin ungemein stattliches Äußere wurde durch die lang herabwallende, mit schwarzem Haar reichlich durchsetzte Halsmähne und das kapitale Geweih, dem man ansah, daß es erst vor wenigen Tagen gefegt sein konnte, nicht wenig gehoben; aber auch wenn er eben erst abgeworfen hätte, würde man an der ehrfurchtgebietenden Gestalt, dem rassigen Kopf und dem fest anliegenden kurzen Wedel den erlauchten Sprossen eines uralten Herrschergeschlechts erkannt haben.
Dem Hohen Herrn zur Seite und mit ihm in ein lebhaftes Gespräch vertieft, wechselte Exzellenz Basse aus, auch jetzt wieder von der erfrischenden Formlosigkeit, die ihn vor der Hofgesellschaft nicht eigentlich unvorteilhaft auszeichnete. Er hatte sich den Herrschaften unterwegs angeschlossen, und durch die unbefangene Art, mit der er die Landesmutter gefragt hatte, weshalb sie in diesem Jahre denn kein durchlauchtiges Kalb gesetzt habe, die in allen Angelegenheiten der Etikette unerbittlich strenge Oberhofmeisterin zur hellen Verzweiflung gebracht. Und während Seine Durchlaucht jetzt unter gnädigem Kopfnicken die Ansprache des Regierungsassessors über sich ergehen ließ, versenkte der Staatsminister das Gebrech in den moosigen Boden, wühlte eine fette Käferlarve heraus und verzehrte sie unter so lautem Schmatzen, daß Herr von Malepart seine Rede ein paarmal unterbrechen mußte, um deren Glanzstellen nicht völlig um ihre Wirkung bringen zu lassen. Über die Gesichter der Hofgesellschaft glitt ein kaum merkliches vergnügtes Lächeln, und sogar der Regent selbst rümpfte ein wenig die Oberlippe und streifte den urwüchsigen Staatsmann mit einem mißbilligenden Blick.
Als der Assessor seine Ansprache unter tiefen Verbeugungen schloß, reichte ihm Durchlaucht mit gnädigen Dankesworten den Vorderlauf und ließ sich dann die um ihn versammelten Herren vorstellen. Und wenn man auch annehmen durfte, daß Exzellenz von Colchicus ihn vorher über die Personalien der zu seiner Begrüßung Erschienenen unterrichtet hatte, so erregte es doch allgemeines Staunen, daß der Hohe Herr an jeden einzelnen einige auf seine besonderen Verhältnisse passende Worte zu richten vermochte, wobei ihm nur das gewiß entschuldbare Versehen mit unterlief, daß er den Wasserbaudirektor Bockert und Herrn Fischotter, den Chef der Strompolizei, miteinander verwechselte. Besonders herzlich begrüßte der Fürst den Major Swinegel, der in jüngeren Jahren Flügeladjutant bei ihm gewesen war, diesen Dienst jedoch mit dem weniger aufreibenden eines Bezirkskommandeurs hatte vertauschen müssen, weil es ihm auf die Dauer doch zu große Schwierigkeiten bereitet hatte, bei Paraden und Manövern mit dem Hohen Herrn gleichen Schritt zu halten.
Begreiflicherweise äußerte Durchlaucht großes Verlangen, sobald als möglich die Suhle in Augenschein zu nehmen, von deren Gebrauch er sich den heilsamsten Einfluß auf sein in der letzten Zeit nicht recht zufriedenstellendes Befinden versprach. Als er vernahm, daß es bis dahin gar nicht weit sei, wechselte er einen Blick der Verständigung mit der Oberhofmeisterin, ließ den Damen galant den Vortritt und rief Exzellenz Basse und Herrn von Malepart an seine Seite. Der Hofmarschall folgte mit den Kammerherren vom Dienst und hatte auch nichts dagegen, daß sich ihm der Wasserbaudirektor anschloß, der mit Bestimmtheit darauf rechnete, heute noch einen Beweis allerhöchster Anerkennung und Huld zu erhalten.
Die Gräfin, die während des Umherziehens durch die mehr oder weniger geschlossenen Bestände von Zeit zu Zeit rückwärts gesichert hatte, um sich durch Winke des mit dem Wege ja schon vertrauten Hofmarschalls über die einzuschlagende Richtung belehren zu lassen, machte plötzlich halt, äugte nach allen Seiten um, schüttelte den Kopf und bemerkte mit ihrer etwas scharfen Stimme: »Ich fürchte, wir haben den Wechsel verfehlt. Hier scheint einmal eine Suhle gewesen zu sein.« Und dabei deutete sie auf ein ziemlich tiefes, jedoch völlig leeres Becken, dessen Boden mit einer mißfarbenen und übelriechenden Schicht von angetrockneten Algen und zusammengefallenen dürren Wasserpflanzen bedeckt war.
Dem bedauernswerten Bockert war beim Anblick dieser unerwarteten Bescherung nicht viel anders zumute, als sei ihm beim Langholzschneiden unversehens ein Erlenstamm von mindestens zwei Festmetern auf den Schädel niedergekracht. Keine Frage: bei der allerdings etwas übereilten Ausarbeitung des Planes zu der Entwässerungsanlage mußte ihm ein Rechenfehler mit unterlaufen sein. Der Graben, der nur bestimmt gewesen war, den Wasserspiegel um etwa drei Kellenbreit tiefer zu legen, hatte seine Aufgabe so gründlich erfüllt, daß auch nicht das kümmerlichste Tröpflein des heilsamen Nasses in dem Erdloch zurückgeblieben war.
Der ganze Hof befand sich in tödlichster Verlegenheit. Gräfin Alttier stieß grollende Laute aus, die übrigen Damen standen, einen Zornesausbruch des Fürsten erwartend, mit betroffenen Mienen umher und kratzten sich, um Gelassenheit zu heucheln, mit dem Hinterlauf am Hals; der Hofmarschall, der mit gewohnter Geschäftigkeit um den Hohen Herrn herumtrippelte, schleifte sein langes Spiel am Boden, und Kammerherr von Edelmarder kniff die Rute ein.
Durchlaucht war bis an den Rand der Grube hinangetreten und starrte tiefsinnig hinunter. »Mein lieber Colchicus«, wandte er sich an den zusammenknickenden Hofmarschall, »hatten Sie mir nicht berichtet, man könne in der Suhle ein Vollbad nehmen?«
»In der Tat, allergnädigster Herr, als ich vor zehn Tagen hier weilte, war der Wasserstand so hoch, daß Durchlaucht, wenn Sie geruht hätten, sich in der Suhle niederzutun, bis an die Lauscher naß geworden wären. Mir ist es völlig unerklärlich, daß heute keine Spur von Wasser mehr darin ist.«
»Höchst angenehm, mein Lieber, das muß ich sagen! Scheinen sich doch nicht ausreichend über die hiesigen Verhältnisse informiert zu haben. Kann mir schon denken, daß die Mauser Sie wieder einmal mehr interessiert hat als Ihre dienstlichen Obliegenheiten.«
»Gestatten Durchlaucht allergnädigst die untertänigste Bemerkung, daß Exzellenz nach den uns vom Herrn Stellvertreter des Kreisdirektors zuteil gewordenen Informationen allerdings anzunehmen berechtigt war, die Suhle werde auf absehbare Zeit hinaus eine genügende Menge Wasser enthalten«, sagte Kammerherr von Edelmarder. »Ich habe mich, nebenbei bemerkt, mit eigenen Sehern davon überzeugt, daß sie sogar zahlreiche Teichfrösche enthielt. Wenn ich mich übrigens nicht täusche, dürfte der Graben da drüben, der nach dem Altwasserarm hinunterführt, erst in den letzten Tagen ausgehoben sein. Ich wage gar nicht anzunehmen, daß es in böswilliger Absicht geschehen ist.«
»Was halten Sie von der Sache, mein lieber Malepart?« wandte sich der Fürst an den Regierungsassessor, der sich im stillen an Bockerts Verzweiflung weidete.
»Durchlaucht, ich bin in diesen Dingen zu wenig sachverständig, als daß ich mir ein Urteil erlauben dürfte. Vielleicht ist jedoch der Herr Wasserbaudirektor in der Lage, uns eine befriedigende Erklärung für die allerdings höchst merkwürdige Tatsache zu geben, daß wir hier einen offenbar erst eben angelegten Entwässerungsgraben vor uns sehen«, erwiderte der Assessor mit einer Brantenbewegung nach dem unglücklichen großen Manne hin.
Bockert, der sich bisher im Hintergründe gehalten hatte, trat zitternd und zagend näher. Er schien gleichsam in eine animalische Aspe verwandelt. »Durchlauchtigster Fürst und Herr, den Graben habe ich angelegt«, stammelte er.
»So so! Den haben Sie angelegt! Charmant, mein Lieber! Aber würden Sie uns nicht auch freundlichst verraten, was Sie sich eigentlich dabei gedacht haben?« fragte Hubertus XII., mühsam seinen Unmut beherrschend.
»Der Herr Kreis –, ich wollte sagen: der bisherige Kreisdirektor meinte, Durchlaucht wünschten Schlammbäder zu nehmen –«
»Dieser unselige Capreoli hat doch nichts als Unheil angerichtet! Unglaublich, ganz unglaublich! Und Sie, Herr, haben natürlich nichts Eiligeres zu tun gehabt, als den perfiden Einflüsterungen dieses – dieses durch und durch illoyalen Mannes nachzugeben und die Suhle einfach trockenzulegen. Bilden sich wohl ein, ich beabsichtige in pulverisiertem Schlamm zu suhlen? Wäre übrigens etwas für Sie, mein lieber Colchicus. Schwören ja auf Staubbäder. Mögen ganz gut fein, aber nicht mein Geschmack.« Und den völlig gebrochenen Bockert noch einmal mit einem Blick höchsten Unwillens messend, sagte der Fürst: »Sie werden dienstlich zu tun haben, Herr Wasserbaudirektor; da will ich Ihre kostbare Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Ich danke Ihnen!«
Der Unglückliche begriff, daß Durchlaucht nicht gesonnen war, sich seiner Dienste noch weiter zu bedienen, verneigte sich stumm, verschwand in dem Graben, mit dem er sich selbst eine Grube gegraben hatte, und der das Grab seiner Hoffnungen geworden war, und stürzte sich wenige Minuten später kopfüber in das Altwasser. Das tat er nicht etwa, um sich das Leben zu nehmen – dazu war er zu sehr Philosoph! – sondern um auf dem kürzesten Wege seine Burg zu erreichen, die vom Wasser aus mehrere Zugänge hatte. Und daß er, obwohl seelisch gebrochen, körperlich noch durchaus auf der Höhe war, das erfuhr bald darauf der kleine Kastor, dessen Rückseite heute zum erstenmal die Bekanntschaft mit einer sauber geschälten Weidenrute machte.
Als Durchlaucht den genialen Mann so ungnädig entlassen hatte, kam ihm zum Bewußtsein, daß er klüger gehandelt haben würde, wenn er Bockert, bevor er ihm den Laufpaß gab, veranlaßt hätte, den von ihm angerichteten Schaden wieder gutzumachen. Aber dazu war es nun zu spät, und da Hubertus XII. scharfsinnig genug war, einzusehen, daß sich der Tümpel bei der herrschenden Trockenheit schwerlich von selbst wieder mit Wasser füllen würde, bemerkte er ergeben: »Unter sotanen Umständen werden wir wohl auf das Suhlen verzichten und uns auf den Genuß von Ruhe und guter Luft beschränken müssen.«
Da sagte der Regierungsassessor: »Darf ich mir die Freiheit nehmen, Durchlaucht alleruntertänigst darauf aufmerksam zu machen, daß wir hier ganz in der Nähe neuerdings eine andere Kapazität auf dem Gebiete des Wasserbaues haben, den Ingenieur Fiber Edlen von Dobrisch?«
»Charmant, charmant, mein lieber Malepart! Habe von dem Manne zwar noch nichts vernommen, aber wenn Sie mir ihn als befähigt rekommandieren, so könnte man's ja einmal mit ihm versuchen. Ist wohl Ausländer?«
»Euer Durchlaucht, er stammt aus Böhmen. Die Familie soll jedoch amerikanischer Herkunft sein. Sonst ist mir nichts Nachteiliges über ihn bekannt geworden.«
»Oh, in Amerika versteht man sich auf Wasserbauten. Mein lieber Colchicus, wie heißt doch die große Suhle, von der Sie mir neulich sagten, daß sie höchstwahrscheinlich von den Amerikanern angelegt worden sei?«
»Durchlaucht geruhen gewiß den Atlantischen Ozean zu meinen?«
»Ganz recht – den Atlantischen Ozean. So etwas hätte man hier in Europa gar nicht fertig bekommen. Muß ein erstaunlich großer Tümpel sein. Bin überzeugt, zu dessen Trockenlegung würde nicht einmal die Dummheit unseres guten Bockert ausreichen. Aber, um bei der Sache zu bleiben, mein lieber Malepart, könnten Sie den fremden Ingenieur nicht einmal holen lassen?«
»Durchlaucht brauchen nur zu befehlen.« Der Assessor winkte, ohne sich umzuäugen, mit der Standarte. Da kam der Forstwart Markolf, der auf die Weisung seines Gönners der Gesellschaft in einigem Abstande gefolgt war, herbeigeflogen und erhielt den Auftrag, Herrn Fiber schleunigst davon zu benachrichtigen, daß ihn der Fürst zu sprechen wünsche. Und während sich auf dessen gnädigen Wink der ganze Hof niedertat, flog Markolf davon.
Der Ingenieur aus dem schönen Böhmerland mußte wohl von dem ihm bevorstehenden Glück eine Ahnung gehabt haben, denn er befand sich beim Eintreffen des Boten zu Hause und hatte sich gerade einer so gründlichen Säuberung unterzogen, daß das lange Grannenhaar seines tabakbraunen Anzugs nur so glänzte. Und da er als kluger Mann auf den Hohen Herrn, der seiner Dienste bedurfte, in jeder Beziehung den günstigsten Eindruck zu machen gedachte, parfümierte er sich noch ein wenig stärker als sonst.
»Sagen Sie mal, mein lieber Herr Fiber von Dobrisch, Sie sollen ja ein ausgezeichneter Fachmann auf dem Gebiete des Wasserbaues sein. Habe viel Rühmliches über Sie vernommen«, begrüßte ihn Fürst Hubertus XII. Und mit dem ihm eigenen herzgewinnenden Lächeln setzte er, auf Fibers seitlich zusammengedrückten langen Schwanz deutend, hinzu: »Sehe schon. Sie haben Ihr Lineal gleich mitgebracht.«
»No, mit der Ausgezeichnetheit is' s nit gor so weit her, Eire Durchlaucht. Man tut holt, wog man kann«, erwiderte der Böhme geschmeichelt. »Wo fehlt's denn? Wos kann i für Ihnen tun?«
»Mir liegt daran, daß diese Suhle hier sobald wie möglich wieder mit Wasser gefüllt wird. Ich würde Ihnen verbunden sein, wenn Sie diese technisch gewiß nicht ganz leichte Aufgabe in möglichst kurzer Zeit lösen könnten.«
»Schaun ma uns dos Lochel amol an! Durchlaucht wollen's gewiß zum Baden benitzen? No ja, hob' i mir holt schon g'dacht. A Suhlen ohne Wosser, das is freilich nix G'scheits fir an Herrn, der mol baden möcht'. No jo, alsdann missen ma zuerst mol den Malefizgrobn do zuschmeißen und alsdann, no jo, do is holt die Frog', woher ma an neies Wosserl bekummen. Sogen's, Eire Durchlaucht, fließt do oben nit a Bacherl?«
»Ich sollte denken, Herr Fiber«, sagte der Fürst, den die Unbefangenheit des Mannes außerordentlich belustigte. Und sich an den Hofmarschall wendend, fragte er: »Nicht wahr, mein lieber Colchicus, Sie haben doch auch den Eindruck gehabt, daß das kleine Gewässer, das wir vorhin passieren mußten, ein Bach war?«
»Unzweifelhaft ein Bach, durchlauchtigster Herr!«
»No, schaun's, Eire Durchlaucht, do hoben ma schun gewunnen Spiel. Missen holt an Grobn vun do oben nunterziehn. Dos wird Ihnen zwor an schweres, sogor an sehr an schweres Stick Orbeit werden, oder alsdann i denk', meine Leite werden's schun schoffen.«
»Sie dürfen meines Dankes sicher sein, mein lieber Herr von Fiber!« versicherte Hubertus XII. erfreut.
»Do is nix zu danken, Eire Durchlaucht, dos is holt mein G'schäft. Und i mein'. Sie werden Ihnen schun nit lumpen lossn.«
»Der Mann gefällt mir«, bemerkte der Fürst, nachdem sich der Edle von Dobrisch mit dem Versprechen, das Werk so zu fördern, daß Durchlaucht die Suhle schon am Abend des nächsten Tages benutzen könne, verabschiedet hatte, »er hat etwas Freimütiges und Selbstsicheres in seinem Wesen, was mich ungemein anspricht.« Und dann rief er den Regierungsassessor von Malepart an seine Seite und unterhielt sich so angelegentlich und gnädig mit ihm, daß die Hofkavaliere die Köpfe zusammensteckten und die Meinung äußerten, die Ernennung des neuen Kreisdirektors werde wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen.