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Seit mehr als zehn Jahren hatte ich mit dem Herrn Hans Imhoff im Briefwechsel gestanden. So wortkarg auch Geschäftsbriefe sind, so hatte ich doch aus der Peinlichkeit, mit der er meine Aufträge wahrnahm, aus den feierlichen Ausdrücken, die hie und da vorkamen, selbst aus der steifen Schrift mir ein Bild von ihm entworfen, das aber nicht im geringsten mit der Person übereinkam. Denn in mein Zimmer trat ein Mann von froher Lebendigkeit, Imhoff, den eigens der Meister Krafft aufgesucht hatte, um von meinem Hiersein ihm Kunde zu geben. Er besuchte mich voll zuvorkommender Freundlichkeit, da es noch früh am Tage war. Die Bitte, in seinem Hause zu wohnen, lehnte ich höflich ab, da ich in der goldenen Rose wirklich sehr gut aufgehoben war. Wir schwätzten viel zusammen. Das Kapitel von Geschäften war bald beendigt. Mir ging das Herz in seiner Gesellschaft auf, da ich an ihm einen gleichgesinnten Freund gewonnen hatte, und wie es uns wohl tut, im Alter ein vergeßnes Jugendlied zu hören, so erwachte mir in seiner Liebe die Erinnerung einer glücklichen Zeit. Ich erzählte ihm von all dem Schönen, das ich gesehen, namentlich von den Werken Vischers. Imhoff lächelte, da ich ihn den ersten Künstler Nürnbergs nannte. Ihr kennt noch nicht unsern Dürer! wiederholte er oft. Was die Natur einzelnen Geistern freigebig gespendet, das seht Ihr in ihm vereint. Er ist der größte Künstler. Er ist der größte Maler, sagte ich. Um der größte Künstler zu sein, dazu gehört viel. Er ist der größte Künstler, der je gelebt hat, fiel er wieder ein. Seine Gold- und Elfenbeinarbeiten, seine Holzschnitte und Kupferstiche, seine Zeichnungen und Gemälde werden ewig unübertroffen bleiben. Meine Mienen drückten Zweifel aus, obgleich ich noch keines von seinen großen Werken gesehen hatte. Beschaut erst Euer Altarblatt, rief Imhoff, und Ihr werdet Dürers Wert erkennen. Ich will es nicht mehr! erwiderte ich, ich will es heute noch abbestellen. Ich habe unsrer Dominikanerkirche als ein frommes Gelübde ein Altarblatt bestimmt, aber darum darf es nicht von Dürer sein. Mit Dürer will ich nichts zu schaffen haben, der sich mir wenig edel gezeigt hat. Es werden wohl in Nürnberg noch andere gute Meister sein, Meister, welche ihr Wort halten. Da Imhoff mir meine Rede zu verargen schien, so zog ich Briefe von Dürer hervor, aus denen ich folgende Stellen vorlas: »Mit dem zugesagten Preis bin ich zufrieden. Wenn Ihr lange warten müßt, so wisset zum Trost, daß, so mir Gott die Kraft verleiht, ich Euch etwas machen will, das nicht viele Leute können. Am Tage Augustin, 1516.« »Ihr verlangt, daß ich Eure Tafel gut machen soll, das habe ich wahrscheinlich im Sinn. Am Hauptbild soll Euch kein andrer Mensch einen Strich malen. Aber für den bedungenen Preis von 130 Gulden kann ich Euch alsdann die Arbeit nicht stellen. Gebt mir darum 200 Gulden und seid versichert, daß, wenn ich selbst 400 Gulden empfinge, ich keinen Gewinn daran hätte. 1517.« »Ihr beklagt Euch gegen mich in Zorn, daß ich unredlich mit Euch verfahre und von meinen Worten abgehe. Ihr schreibt mir, daß ich Euch zugesagt habe, die Tafel mit dem allerhöchsten Fleiß, so ich kann, zu malen. Das getraue ich mir nicht auszuführen, und wenn ich mein ganzes Leben daran setzte. Denn mit dem größten Fleiß kann ich ein Angesicht in einem halben Jahre kaum machen. Eure Tafel hat aber an hundert Gesichter, abgesehen von den Gewändern, der Landschaft Und andern Dingen, die daran sind. Hätte ich Euch das wirklich zugesagt, so dürftet Ihr es dennoch nicht begehren und meinen Schaden verlangen. 15I7.« »Ihr habt mir Euren Unwillen zu erkennen gegeben, daß ich Euch bis jetzt noch nicht die Tafel geschickt habe, jedoch bin ich mir bewußt, eifrig an derselben gearbeitet und keine andere Arbeit unter Händen gehabt zu haben. Ich möchte nicht eilen, weil ich durch meinen Fleiß Euch zu gefallen und mir Ruhm zu erlangen trachtete. Da Ihr bereut, Euch mit mir eingelassen zu haben, so will ich lieber meinen Schaden, als den Verlust Eurer Freundschaft, und die Tafel zurücknehmen. 1518.«
Als ich dies gelesen, so erzählte Imhoff, daß vor einer Woche Albrecht Dürer zu ihm gekommen wäre, um die empfangenen hundert Gulden zu entrichten, die er aber ohne meinen Auftrag nicht annehmen konnte. Ihr versteht nicht, rief er, was es mit der Kunst für ein Wesen hat. Und da ich meinte, mich im Felde der Kunst ein wenig umgesehen zu haben, wiederholte er: Ihr versteht es nicht in Eurem Frankfurt. Der Künstler, wenn er auch Apollos Schüler ist, vermag nicht vorauszusehen, wann und zu welchem Preise er dies oder jenes Werk stellen werde. Das ist bei uns Handelsleuten ein anderes. Was uns aufgegeben wird, das muß ausgeführt werden. Wenn Ihr Euch bei unserm Dichter Hans Sachs ein Paar Schuhe bestellt, so liefert er sie Euch zur Stunde, aber bestellt Ihr bei ihm ein Gedicht, so vermag er es nicht. Nein – glaubt mir, das versteht Ihr nicht. Damit beruhigte ich auch den wackern Dürer, der über Euer Benehmen empfindlich war. Ich setzte ihm auseinander, daß Ihr davon keine Vorstellung haben könntet. Da nahm er das Geld zurück.
Imhoffs freimütige Rede, die mir nichts weniger als richtig schien, verdroß mich um so mehr, da ich fürchtete, der Maler würde in der Meinung, daß ich nichts verstünde, sich wenig Mühe geben. In seinen Vorschlag, mich zu Dürers Werkstätte zu führen, willigte ich gern, jedoch bat ich ihn, nicht meinen Namen dort zu verraten, da ich vorerst unerkannt seine Gemälde betrachten wollte, um einer Verlegenheit von der einen und von der andern Seite vorzubeugen.
Imhoff geleitete mich auf einem Umweg zu Dürers Hause, um mich mit einer Arbeit Peter Vischers bekannt zu machen, dessen Werke ich nicht genug zu erheben wußte. Auf dem Gänsemarkt, einem Teil des großen Marktes, sah ich nämlich am Röhrbrunnen die Bronzegestalt des Gänsemannes, eines Bauern in schlichter, aber geschmackvoller Tracht, der zwei Gänse unter den Armen hält, aus deren Schnäbeln Wasserstrahlen herniederplätschern. Ein preiswürdiges Werk, das wahrlich meine Achtung für den Rotgießermeister noch erhöhte. Dürer, dachte ich, du tust mir leid, da ich deine Arbeiten sogleich nach einer des großen Vischer sehen soll. Gespräche über mancherlei kürzten den Weg bis zu Dürers Hause. Ich erkannte sogleich, daß dasselbe nicht weit von dem Tore liegen müßte, durch welches ich in Nürnberg eingezogen war, denn leicht weiß ich mich in fremden Orten zurecht zu finden. Dürers Haus ist ein ziemlich großes Eckgebäude von Fachwerk mit drei Stockwerken. Ein Erker, der ganz aus Glasfenstern zu bestehen schien und der aus der Ecke des zweiten Stockwerkes vorsprang, fiel mir am meisten auf und wohl mit Recht, denn hier war es, wie mich Imhoff unterrichtete, wo der Maler für beständig arbeitete. Wir waren noch ziemlich weit vom Hause entfernt, als mich mein Begleiter um Erlaubnis bat, vorangehen zu dürfen, um ihn auf den Besuch eines Fremden, den er nicht nennen wollte, vorzubereiten. Denn, fügte er hinzu, Meister Albrecht hält viel auf ein schmuckes Ansehen. Neulich zürnte er wie lange, weil ich mit einem Gaste unerwartet in seine Stube trat und er, da es noch früh am Tage war, sein langes Haar noch nicht sorgfältig gekräuselt hatte. Herr Imhoff lief voran und ich folgte langsam. Da er die Haustüre offen gelassen, so trat ich in die Flur, um hier auf ihn zu warten. Hier hörte ich in der naheliegenden Stube folgendes Gespräch. Es war nämlich Dürers Gattin Agnes, die mit Imhoff sehr eifrig sprach und in kreischenden Tönen oft beinahe keifte.
Ja, lieber Herr Imhoff, Ihr bringt immer Fremde zu meinem Mann, die ihn von der Arbeit abhalten und am Ende nichts kaufen. Was will daraus werden? Die ganze vorige Woche war Albrecht krank und hat Euch fast keinen Pinsel angerührt. Jetzt muß er es nachholen und sich nicht stören lassen. Für zwanzig Dukaten hat er neulich Ultramarin gekauft. Ja – wo will das hin, wenn er aus reinem Eigensinn immer die kostbarsten Farben wählt und seine TafelnTafel wird wie tavola für ein Gemälde auf Holz gebraucht. nicht einmal, nein zehnmal untermalt. Niemand bezahlt die Arbeit. Ja, die andern Maler hier, die verstehen es, aber deren Frauen leben auch wie Fürstinnen. Da malt Euch Albrecht jetzt eine Tafel, andere hätten in der Zeit zehn Tafeln gefertigt, für einen in Frankfurt, Heller heißt er – wahrlich, er malt die Tafel für Kupfer-Heller, denn nicht Salz zum Brote verdient er dabei. Und Ihr glaubt es nicht, was es heißt, so viele junge Leute zu unterhalten, die alle stark und kräftig sind und die essen wollen, wenn sie arbeiten sollen. Nicht wahr – Ihr gingt über den Milchmarkt? Ist die Butter nicht wieder aufgeschlagen? Es ist entsetzlich! Man wird sich das Essen abgewöhnen müssen. Obgleich Imhoff ungeduldig sie manchmal in der Rede unterbrechen wollte, so war dem Zuge erst jetzt Einhalt zu tun. Sie gewährte seine wiederholte Bitte, mit einem Liebhaber der Kunst wenigstens die Gemälde besehen zu dürfen.
Ihr junger Schwager Hans Dürer brachte die Schlüssel und führte uns eine Treppe hoch in einen Saal und an seiner Freundlichkeit erholte ich mich nach und nach von dem Geschrei des bösen Weibes, das mir noch lange in den Ohren gellte. Hans, ein guter Bursche, lebte im Hause seines Bruders und wurde von diesem in der Malerei unterwiesen. Als die Saaltür geöffnet war, kostete es mich wirklich Überwindung, hineinzutreten, da eine ehrfurchtsvolle Scheu sich meiner bemächtigte, indem von allen Seiten her Männer und Frauen in Leben atmenden Bildern mich anblickten. Die Farbenglut blendete, die Wahrheit der Gemälde erschreckte. Nie hatte ich dergleichen gesehen. Zuerst fiel mir ein ehrwürdiges Greisenbildnis mit weißem Haar und vielen Runzeln auf, darunter las ich die Worte: »Dies hat Albrecht Dürer abkonterfeit nach seinem Lehrmeister Michael Wohlgemuth 1516 und er war 32 Jahre.«
Hier hing ein wunderbares Madonnenbild, das, wie Imhoff mich bedeutete, Dürer nach einem italienischen Gemälde gemalt, jenes aber weit übertroffen hatte. Wie züchtig sah die Jungfrau nieder und wie lieblich bewegte sich das Kind mit den Kirschen und dem Schmetterling in den Händen. Ich konnte mich von dem Gemälde nicht trennen. Oft sprach ich Dürers Handzeichen A D Ade! aus und kehrte immer wieder zurück. Dies Gemälde gehört nicht mehr dem Meister, sagte Imhoff. Lange hing es hier, und er wollte es schon für 25 Gulden verkaufen, bis ein Bischof von Breslau ihm 72 Gulden dafür zahlte.
Ein großes Gemälde stellt das jüngste Gericht dar. Wahrlich, wer die Verdammten ansah, der empfand ihre Martern, und wer zu den Seligen blickte, der teilte ihr Gefühl. In einem Abschnitt befand sich unter diesem Gemälde eine Reihe von Betenden, alles Bildnisse von der Art, daß man nicht an der Ähnlichkeit zweifelte, wenn man auch die Personen nicht kannte. Imhoff sagte mir, daß diese Tafel bestimmt wäre, den Hauptaltar der Sebalduskirche zu schmücken. Sie stiftete dahin der gelehrte Ratsherr Pirckheimer, der ein Freund Dürers war. Daher sah man hier sein Bildnis und das seiner Töchter, der Nonne Charitas und der Felicitas, der Gemahlin Imhoffs. Daneben befand sich der bärtige Kopf Dürers. Das war ein Gesicht von patriarchalischer Ehrwürdigkeit, und doch stand Dürer allein, der keine Söhne, keine Kinder hatte. Anziehend erschien es noch durch den mitleidsvollen Blick, gleichsam als wenn es dem Meister leid tat, sich so schön und seinen wohlgenährten Freund so häßlich malen zu müssen. Aber ich glaubte erst Dürers mitleidsvollen Blick ganz zu verstehen, als Imhoff ein Gemälde auf LeinwandHäufig werden Gemälde auf Tuch genannt, d. i, auf Leinewand. zeigte, das mit der Vorderseite an die Wand gelehnt war. Es enthielt eine Skizze und stellte lebensgroß eine nackte Frau dar, und zwar Frau Agnes. Wie sie mit den schwarzen Augen so streng vor sich hinblickte!
Ich wandte von ihr das Auge zu einem kleinen Bilde, auf dem sich Dürer selbst vermittelst des Spiegels gemalt hatte – wahrlich ein Spiegelbild einer großen Seele! Ein solches nebst einer Sammlung von Holzschnitten hatte Dürer neulich dem ersten Maler Italiens Raphael Sanzio gesendet, um ihm seine Verehrung an den Tag zu legen.
Wir bewunderten diese und die andern Gemälde, deren so viele waren, daß man von der Stube eigentlich nur die vor Alter schwarze Balkendecke sah und den getäfelten Fußboden. Außerdem sah man in Rahmen unter Glas silberne Schaumünzen, die nach Dürers Angabe geschlagen waren, und zierliche Elfenbeinarbeiten. An der Decke hingen merkwürdige Naturalien, Kokosnüsse, ein Sägefisch, das Horn vom Einhorn, von Gemse und Büffel.
Da trat Dürer ehrwürdigen Ansehens und stattlichen Wuchses ins Zimmer. Er hatte eben ein Bad genommen, und das kastanienbraune Haar floß in reichen Wellen wohlgeordnet zu beiden Seiten auf die Schultern herab. So viel Ernst und so viel Milde sah ich noch nie auf einem Gesichte vereinigt. Das blaue Auge war ganz Seele und die Züge des Mundes ganz Sanftmut, aber der Ausdruck der Duldsamkeit verleugnete sich nirgends. Da er mich erblickte, so legte er sein pelzverbrämtes Gewand zurecht, das ihm sehr wohl stand. Dürer bewillkommnete Herrn Imhoff auf das herzlichste und mich nicht minder, der ihm als ein Gönner der schönen Künste vorgestellt wurde. Dürer, dessen Art es war, für gewöhnlich wenig zu sprechen, machte uns mit einzelnen Worten auf manches an den Gemälden aufmerksam und sprach dann mit sichtbarem Wohlgefallen von einem Gemälde, mit dem er jetzt beschäftigt wäre. Imhoff wünschte dasselbe zu sehen, und der Meister war sogleich bereit, nachdem eine Staffelei aufgestellt war, die Tafel herzubringen. Er brachte sie. Es war die Himmelfahrt Mariens, es war das Gemälde, das für mich bestimmt war. Still bewundernd blickte Imhoff zu ihm, wie bezaubert von nie gesehener Schönheit. Ich aber zitterte vor freudigem Erstaunen und offenbarte laut, mich vergessend, die Stimme des Gefühls.
Die Jungfrau, wie sie selig emporblickt und zum Himmel hinaufschwebt! Nicht bedurfte sie der Seraphflügel, da ihr eigner Wert, über menschliche Gebrechlichkeit erhaben, sie zum Urquell des Lichtes emporhebt. Diese Jungfrau mit dem blauen Auge voll heiliger Sehnsucht, mit den blonden Locken, die ungekünstelt niederwallen, sie ist es, die uns mit der Erde und dem Himmel versöhnte! All die Gruppen voll der lieblichsten Engelköpfchen, wie sie spielend das Gewand der Jungfrau halten! Ein Blick in den Himmel ist das Anschauen ihrer Kindesunschuld. Wie die Apostel am Grabe der Jungfrau emporblicken und der Wohlgeruch einer reichen Blumenpracht aus der Gruft sie anweht, statt des Moderduftes! Aber was Apostel, was Engel? Ihre Heiligkeit und ihre Reinheit, heiliger und reiner strahlt sie im Antlitz Mariens wieder. Wie schon das rote Gewand und der dunkelblaue Mantel Würde ausdrücken, aber ihr dunkelblaues Auge, ihre blonden Locken sprechen deutlich, daß in ihrer Bildung die Welt der Schöpfungen erschöpft sei.
So rief ich und klagte mein Auge an, daß es nicht genugsam die Schönheit des Bildes zu erfassen verstünde. Je mehr ich die Jungfrau betrachtete, um so klarer ward es mir, daß sie das treue Bild jener Jungfrau wäre, deren Züge als eine unverlöschliche Schrift in meinem Herzen standen. Ja, Maria Rosenthalerin grüßte mich in der Tafel, und um diese Tafel, hub ich an, sollte ich feilschen und mäkeln! Ja, zweihundert Gulden scheint mir ein geringer Preis für sie. Da ich dies gesagt, war das Geheimnis verraten. Albrecht freute sich, mich von Ansehen kennen zu lernen, und fügte dann hinzu: Herr Imhoff hat Euch, ich muß es nur gestehen, bei mir angeschwärzt. Er sprach Euch allen Sinn für unsre Kunst ab, und ich war im Begriff, die Tafel, da mir um meine Mühe leid tat, zu veräußern. Jetzt aber gehört sie Euch, und gäbt Ihr mir auch nur die Hälfte des Preises. Er drückte mir wie einem alten Freunde die Hand, und alle seine Züge schien Freude zu beleben. Ich entschuldigte mich, nicht immer höflich genug geschrieben zu haben, und gestand, daß Imhoff nicht ganz unrecht gehabt, denn vor seiner Bekanntschaft hätte ich wirklich noch keine Malerei gekannt. Und Malerei gehe doch über alles.
Es wurde noch viel über das Gemälde gesprochen, das beinahe vollendet vor mir stand, als Frau Agnes eintrat, die wohl an der Türe gehorcht und meinen Namen gehört haben mochte. Sie war wirtschaftlich, aber sehr gut gekleidet, und in ihre Mienen, die sonst ihr mißtrauisch habgieriges und zanksüchtiges Gemüt ausdrückten, suchte sie so viel Milde und Freundlichkeit zu legen, als es ihr möglich war. Sie machte einen tiefen Knicks vor mir, und nach allerlei freundschaftlichen Fragen wollte sie hören, wie mir das Gemälde gefiele, an dem ihr Mann schon so lange, beinahe drei Jahre, und mit so vieler Liebe arbeitete. Ich rühmte ihr bald die Farbenglut, bald die Erfindung, bald den Ausdruck einzelner Köpfe, worauf sie sich also fast beteuernd vernehmen ließ. Ja – glaubt, hier seht Ihr das kostbarste Ultramarin mit dem reinsten Nußöl aufgetragen. Für fünfundzwanzig Gulden Ultramarin ist hier verbraucht. Alles ist damit unter- und übermalt und mehr als einmal. Wenn Ihr sie sauber haltet, so wird die Tafel noch nach fünfhundert Jahren frisch aussehen. An diesem Mittelbilde hat Albrecht ganz allein mit eigner Hand gearbeitet, außer dem Zubereiter. Ja, der hat für das Weißen und Vergolden der Tafel ein schönes Stück Geld erhalten, denn für den reichen Herrn Heller, da mußte alles aufs beste gemacht werden. Neulich waren Künstler hier, die haben das Gemälde auf dreihundert Gulden geschätzt, aber es ist mehr wert.
So verkümmerte die Frau mir den Genuß. Imhoff sah sie unwillig an, und Dürer klopfte sie leise ans die Schulter mit den Worten: Liebste, störe nicht den Herrn im Sehen. Will man wirklich sehen, so kann man nicht viel sprechen. Allein, sie war lange nicht zum Schweigen zu bringen. Endlich rief sie: Der Herr wird deine Holzschnitte und Kupferstiche zu sehen verlangen. Ich will alles heraufbringen, die große und kleine Passion, Mariä Leben, den heil. Hieronymus in seinem Häuslein, den heil. Anton und Eustachius, die Apokalypse, ja – das ist so etwas für solche Kenner. Vergeblich bat ich sie, sich nicht zu bemühen, da ich heute des Schönen schon genug gesehen zu haben meinte, aber sie ließ sich keine Widerrede gefallen. Es dauerte auch kaum ein Viertelstündchen, so war sie wieder oben mit Mappen, Heften und Büchern, so daß sie kaum alles mit beiden Händen umfassen konnte. Sie zeigte mir unvergleichlich schöne Sachen und verfehlte nicht, bei jedem Blatte mir den Preis zu nennen, und mir blieb nichts anderes übrig, als einen großen Teil der Holzschnitte und Kupferstiche zu kaufen. Doch Freund Imhoff, dem die Sache ärgerlich war, zwang mich endlich zum Aufbruch, Ich empfahl mich, und schwerer noch, als von Dürer, ward es mir, von meinem Bilde zu scheiden, das er mir bald zu vollenden versprach.
Auf dem Rückwege vertraute mir Imhoff, daß ich die gekauften Blätter viel billiger hätte erhalten können und daß Frau Agnes mit sich handeln ließe. Doch tat es mir nicht um mein Geld leid, denn die Sachen waren gar zu schön.