August Hagen
Norika
August Hagen

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Dürer erhält einen Besuch von Thomas von Bologna, einem Schüler Raphaels

Es ließ mir keine Ruhe und es trieb mich aus dem Hause, das ich kaum, müde von vielen Geschäftsgängen, betreten hatte. Ist sie eine Waise, fragte ich mich, warum sie mir alsdann vorenthalten, der sie hegen und pflegen will? Und hat sie Eltern, was haben sie an mir auszusetzen? Ich will ja keine Mitgift. Selbst wenn ich ihr Brauthemde bezahlen sollte, ich bin's zufrieden, Unter solchen Betrachtungen ging ich die Treppe hinab und lief schnell durch die Hausflur, damit die Mägde unten in der Küche nicht mein unstätes Wesen gewahr würden. Am Rathause sah ich Leute vor der schwarzen Tafel stehen, an die von Zeit zu Zeit Magistratsbefehle angeheftet wurden. Neugierig, wie ich bin, trat ich hinzu und las an der Tafel unter dem Drahtgitter, wie folgt:

»Ein fremder Mann, so hier Kunstbriefe feil bietet und unter denselben etliche, die Dürers Handzeichen haben, ihm aber betrüglich nachgedruckt sind, ist bei Strafe verwarnet worden, solche zu verkaufen, welches hierdurch zur öffentlichen Kenntnis gebracht wird.«

Schändlich ist es, rief ich, daß man dir, wackrer Freund, so den rechtmäßigen Verdienst verkümmert, daß man deinen Künstlerruhm verunziert, indem man räudige Schafe in deine edle Herde einschwärzt. Gewinnsucht ist der Grund, warum man Dürern Kränkungen zufügt. Ich aber sehe keinen Grund, warum ich leide. Mich kränket Eigensinn, nur um mich zu kränken. Doch bin ich satt des zweifelvollen Harrens. Heute muß Dürer mit der Sprache heraus und mich heute noch des Besitzes der holden Rosenthalerin versichern. So dachte ich und befand mich schon vor Dürers Hause und pochte an. Und heute wird wieder nichts daraus, sagte ich zu mir, da ich einen Augenblick gewartet hatte, denn Herr Dürer ist nicht daheim und mit ihm bleibt mir mein Trost aus.

Allein die Türe ward aufgeriegelt und von ihm selbst. Selig vor Freude, wie ich ihn nie gesehen, küßte und herzte er mich. Willkommen, Freund, rief er mir entgegen, durch Euch wird das Maß der Seligkeit mir voll, das heut in meine Hütte eingekehrt ist. Von Rom erhielt ich, vom göttlichen Raphael Sanzio Brief und Kupferstiche. Feiert mit mir den Feiertag. Ich reise selbst nach der wunderbaren Tiberstadt! Von neuem umarmte er mich mit überwallender Inbrunst, indem ich ihn, wenig geneigt, den Empfang zu erwidern, mich zu hören bat. Vorerst zwei Worte nur. – Nein, tausend, werter Herr, und abermals tausend! Mit diesem Wort stieß er die Türe der unteren Stube auf und mich hinein. Zu meinem größten Verdrusse fand ich hier einen fremden Jüngling, der, wie ich sogleich richtig erkannte, aus dem Alpenlande hinüber gekommen war und dem die italienische Tracht sehr gut ließ. Auf dem Tische vor ihm lag alles voll von Zeichnungen und Kupferstichen und zur Seite stand auf zwei Stühlen das Gemälde – mein Gemälde mit der Jungfrau. Die Rosenthalerin zu sehen und nicht von ihr zu sprechen, war ein Höllenzwang. Jeder andere hätte in des Italieners brennenden Augen Eifersucht geargwohnt, da er unverwandten Blickes zu dem holden Engelbilde schaute. Ich stand ruhig da. Als ich über die Türschwelle trat, meinte ich der Frau Agnes wider Willen einen Besuch abzustatten, jetzt merkte ich wohl (wie es auch wirklich war), daß sie ausgegangen sein müßte, denn auf einem Schenktisch sah ich einen großen Weinkrug nebst Gebäck.

Herr Thomas von Bologna,»Thomas Polonius,« Ebenso wie für Bologna »Polonia« geschrieben ist. Raphaels Schüler, von dem wir ein Porträt Dürers besitzen, war Thomas Vincitore aus Bologna. sagte der Wirt, Raphaels würdiger Schüler, und hier Herr Jacob Heller aus Frankfurt, ein Freund der Künste und Besitzer dieser Tafel. Zutraulich reichte Thomas mir die Hand und sagte: Da habt Ihr einen schönen Kauf getan. Es ist herrlich, überherrlich! Ich wollte in das Lob mit einstimmen, allein Dürer fuhr mit einer Hast, bei der die herabwallenden, zierlich gekräuselten Locken nicht in geringe Unordnung kamen, mir mit einem Brief über die Hand und rief mit freudig zitternder Stimme: Da lest! Diesen Brief brachte mir Herr Thomas aus Rom vom Fürsten aller Maler, vom göttlichen Raphael. Unlängst schickte ich ihm mein Bildnis samt der großen Passion, weiß Gott! nur um ihm meine Verehrung durch ein paar Zeilen zu bezeugen, nur um ihm zu jagen, daß von seinem Ruhm auch unsere Reichsstadt erfüllt sei und seht! er schickt mir diesen Brief und unschätzbare Gegengeschenke. Schaut, aber lest vorher, ich bitte Euch.

Auch ich hatte vom Urbinaten Raphael gehört, wie er mit dem Florentiner Michel Angelo durch Wunder der Kunst den Sitz der heiligen Väter Julius und Leo verherrlichte, und es war mir anziehend, seine Handschrift zu sehen: Zu deutsch lautete der Brief also:

»Die Freude, die Ihr durch Eure lieben Sendungen mir bereitet habt, mag Euch mein Freund Thomas schildern und ergänzen, was diese Zeilen, wodurch ich Euch meinen Dank zolle, nicht auszusprechen vermögen. Euer Name war lange Gegenstand meiner Verehrung, und fortan ist es Euer Bild voll patriarchalischer Würde. Ihr wißt die Farben so kunstreich zu handhaben, daß ich das Tempera-Gemälde für ein Ölgemälde zu halten geneigt war, bis meine jungen Freunde mich meines Irrtums überführten. So viel Lebensglut, als hier die Farben zeigen, habt Ihr den Erfindungen auf den Holzschnitten einzuhauchen gewußt. Den Reichtum der Darstellungsgabe betrachtet, fürchte ich, daß die Zeichnungen und Kupferstiche, die ich Euch hierdurch verehre, bei ihrer Einfachheit von Euren Blättern nicht vorteilhaft abstechen werden. Auch mir selbst, wiewohl sie allen genügt haben, wenn nicht alle meine Schmeichler sind, genügen sie nicht. Ihr empfangt hier unter andern den Kopf einer Madonna, den ich zu einem Altarblatt für die Sirtuskirche in Piacenza benutzt habe. Da gute Anweisungen und schöne Frauen gleich selten sind, so folge ich einer gewisse Idee, die meinen Geist durchdringt. Ob diese in etwas der Hoheit der Kunst entspricht, weiß ich nicht. Hört nicht auf mich zu lieben, wie ich Euch von ganzem Herzen liebe.

Euer zu Euren Diensten stets bereitwilligster

Raphael Sanzio.«

Die Zeichnungen waren wahrhaft göttlich, vor allen das Bildnis des Malers mit dem schmucklosen Barett. Dem Engel Raphael könnte kein Meister eine höhere Unschuld verleihen. Die Kupferstiche waren sämtlich nach Werken Raphaels von seinem Schüler Mark Anton aus Bologna.

Wir setzten uns jetzt auf die Ermunterung Dürers, der ein so aufmerksamer Wirt war, daß im Weinkruge keine Nagelprobe übrig blieb. Von dem Lande, das ewig des Künstlers Sehnsucht sein wird, ward viel gesprochen, und ich hörte aufmerksam zu, um so mehr, da durch Dürers Lehnstuhl mir jeder Blick zur Rosenthalerin verwehrt war.

Auf meine Frage, warum sich Herr Thomas zu der Reise aus dem Blütenlande nach unsern Eisgefilden entschlossen habe, belehrte mich dieser, daß er seinen ehemaligen Mitschüler Bernhard von Orlay, anjetzt Hofmaler der Statthalterin der Niederlande, da er das Verlangen nach ihm nicht länger beherrschen könnte, in Brüssel besuchen wollte, und daß Meister Albrecht, wenn er heimkehrte, ihn nach Rom begleiten würde.Dieser Plan kam nicht zur Ausführung, da Raphael am Charfreitage 1520 starb. Statt der beabsichtigten Reise machte Dürer in Begleitung seiner Frau und der Magd Susanna im genannten Jahre eine Kunstreise nach den Niederlanden. Der Zweck derselben, durch Bildnismalerei und den Verkauf seiner Kupfer- und Holzschnitte etwas zu gewinnen, wurde verfehlt. Ja – das will ich, rief Dürer begeistert. Raphaelen muß ich von Angesicht zu Angesichte sehen, und meine Freunde in Venedig, in Padua und in Bologna muß ich wieder begrüßen. Ihr waret schon einmal in unserm Lande? fragte Thomas.

Ja, damals war ich dreizehn Jahre jünger, als die deutsche Gemeinde in Venedig mich einlud, die Bartholomäuskirche, die ihr zuständig ist, gemäß der Heiligkeit ihrer Bestimmung und dem Ansehen, das die Deutschen dort behaupten, zu verzieren. Drob waren die wälschen Maler neidisch und taten mir manches zum Ärger an, was ich aber gutwillig trug. All das Schöne, das ich täglich sah, sonderlich auf dem Markusplatz, gab mir hinlänglichen Ersatz, und ich vermißte dort nicht meine Vaterstadt, nicht meine Freunde und meine Frau. Ja, Venedig ist gewiß nächst Rom die wunderbarste Stadt und sie scheint fast einem Feenreich anzugehören. Niemand würde es bereuen, dahin gereist zu sein, der auch nur die Markuskirche sähe, die ganz mit vergoldetem Glase bekleidet, von Edelsteinen zusammengesetzt scheint, mit den prächtigen Eingängen, mit den Bronzepferden und den Goldkuppeln.

Was Ihr von Venedig berichtet, höre ich um so lieber, da ich wöchentlich Geschäftsbriefe von der Stadt des heil. Markus erhalte. Aber erklärt mir, was sollen die Pferde an der Hauptkirche, da dem Evangelisten Markus ja der Löwe geheiligt ist?

Herr Fugger aus Augsburg, der der Oberälteste der deutschen Gemeinde ist und der sich meiner väterlich annahm, erwiderte Dürer, deutete mir das Rätsel. Der Kaiser Rothbart, der mit dem ganzen Oberitalien in Hader lebte, schwur, sobald er das ihm feindliche Venedig unterjochen würde, die Hauptkirche daselbst in einen Pferdestall zu verwandeln. Venedig mußte sich der Macht des Kaisers beugen und dieser hielt sich verpflichtet, seinem Gelübde nachzukommen. Er ließ wirklich Pferde in das Gotteshaus führen, aber Pferde von Bronze, Meisterstücke des Lysippus. Herrlich prangt das Viergespann über dem reich verzierten Eingangsbogen.

Nach der Markuskirche, unterbrach ich seine Rede, ist das Merkwürdigste wohl die Rialtobrücke, auf der sich der Tuchladen Fuggers, meines Geschäftsfreundes, befindet.

Alles mehr oder minder, fuhr jener fort, ist merkwürdig in der Lagunenstadt. Wie bei uns vornehme Wagen halten, so dort schaukelnde Gondeln, wie man bei uns Bären und Affen für Geld zeigt, so dort Pferd und Esel. Jeder Tag erscheint dort als ein Fest, überall hört man Pfeifer und Lautenschläger, die so lieblich spielen, daß einem die Augen naß werden. Aber was soll ich von den Malern sagen, deren es nirgend so viele und so ausgezeichnete gibt? Es gelang mir nur mit Mühe, die Freundschaft dieser Männer zu gewinnen, die mir gram waren, noch ehe sie mich gesehen. In des Herrn Fuggers Hause war meine Werkstatt und ich entwarf allerlei Visierungen, wonach die Bartholomäuskirche geschmückt werden sollte. Dies und jenes ward ausgeführt, aber die wälschen Maler wollten es nicht leiden und heimlich verdarben sie meine Bilder und taten mir Schimpf an. Sie nannten mich Duro (Hart) und meinten, daß alles, was ich machte, hart und grob sein müßte. Sie hielten mich selbst für grob und gar für einen Wilden, der aus Deutschland, aus dem tiefsten Norden gekommen wäre, wo die Menschen von den Bären Manieren und von den Wölfen die Sprache erlernten; wo in die Häuser Licht nur durch klare Eisschollen fiele, sobald sie nicht bis an die Dächer in Schnee steckten; wo man auf Flüssen spazieren ginge u. s. f. Mich kränkte solches und ich nahm mir vor, die feine wälsche Weise mir anzueignen. Fleißig lernte ich ihre gar liebliche Sprache und, schrieb an meinen Freund Pirckheimer italienische Briefe, die ihn wundernahmen. Ich tat meine Tracht üb und vertauschte sie mit der dortigen Kleidung, ich gab einem Tanzmeister einen Dukaten, um den rechten Anstand zu erlernen. Aber nur zweimal ging ich in die Tanzschule, da hatte ich das Ding satt. Ich sah ein, das wäre nicht die rechte Art, mir Ansehen zu erwerben, und kehrte zur Staffelei zurück. Auf ihr stand jetzo ein angefangenes Gemälde, das den Hauptaltar der genannten Kirche schmücken sollte und das die Martern des heiligen Bartholomäus darstellte. Mögen die Wälschen lachen, dachte ich bei mir, wenn diese Tafel fertig ist, so sollen auch selbst die Gegner den Deutschen ehren. Daneben malte ich noch kleine Bilder und stach allerlei in Kupfer und alles gelang mir wohl. Früher haßten mich die Maler darum, daß ich ihnen Arbeit entzog, jetzt, da sie sahen, daß ich es besser machte als sie, verfolgten sie mich aus Neid. Bösewichte, wie dort, glaube ich, leben nicht auf dem ganzen Erdreich, die Ihr aber dennoch, wenn Ihr sie nicht kennt, für die artigsten Leute halten würdet. Ein tüchtiger Meister, Pordenone, der nachmals mein Freund wurde, malte nie anders, als mit einem gezogenen Schwert zur Seite, weil ihm ein Nebenbuhler nach dem Leben stellte. So warnten mich viele, die ich unter den Venetianern mir zu Freunden gewonnen hatte, in der Herberge mit ihren Malern zu essen und zu trinken. Sie urteilten jetzt von meinen Arbeiten, wie mir dies meine Landsleute steckten, daß ich im Stechen wohl etwas leistete, mit Farben aber nicht umzugehen wüßte und nichts von der Antike verstünde.

Jetzt, Herr Albrecht, rief der Fremde, würden sie beschämt ihr Urteil zurücknehmen. Welche Farbenglut in dieser Auffahrt Mariens und welche erhabene Einfalt, der Stempel der Antike ist dieser Madonna aufgeprägt. Unvergleichbar schön!

Wohl male ich jetzt, sagte Dürer, in einem andern, bessern Stil als ehedem, aber ich genüge mir nicht mehr, wie sonst. Jetzt mißfallen mir jene Jugendgemälde mit Recht, die mir einst Ehre brachten, und die, wenn ich es nicht wüßte, ich kaum für meine eigenen Werke anerkennen würde. Allein mit der bessern Einsicht ist auch die Freude des Schaffens dahin. Ihr seid noch jung, Herr Thomas, denkt an mich, auch Ihr werdet noch diese bittere Erfahrung machen. Ehemals liebte ich das Bunte, ich möchte sagen buntscheckige, und war ein Bewunderer meiner Werke. Da ich älter ward, verstand ich die Schönheit der Statuen zu würdigen und fand, daß Einfachheit die höchste Zierde der Kunst wäre. Jetzt seufze ich, daß ich sie nicht ganz erreichen kann. Jedes meiner Werke ist meiner Schwäche Denkmal.

Überlaßt den Venetianischen Malern, fiel ich ein, ein solches Urteil, die, weil Ihr ihnen das Brot entzogt, sich ereifern. Es ist eigentlich ihr bellender Magen, der Euch angreift. Erzählt, wie Ihr sie stilltet.

Ich malte, fuhr der Erzähler fort, emsig an meinem Bartholomäus, und mit jedem Tage entsprach mir sein Wesen mehr dem Gedanken, der mir vorschwebte. Allein die Blume will gepflegt und getränkt werden, damit sie sich entfalte und durch Duft und Blüte zugleich sich aus ihrer Unscheinbarkeit erhebe, so entbehrte jetzt mein stiller Fleiß schmerzlich des fördernden Rates und Zuspruchs verständiger Freunde. Da nahm ich mir vor, auf irgend eine Weise einzelnen von den Malern, die so unfreundlich mir begegneten, sonst aber ehrenwerte Leute waren, Achtung für mich einzuflößen. Der beste Maler damals war Johann Bellini, ein Greis, der schon längst gestorben sein mag, dessen Geist aber in seinem Schüler, dem gewaltigen Tizian, fortlebt.

Johann Bellini ist zwiefach unsterblich, sagte Thomas. Neulich feierte er seinen dreiundneunzigsten Geburtstag. Vor wenig Jahren hat er nur noch in Gemeinschaft mit Tizian ein herrliches Gemälde für den Herzog von Ferrara gemalt, das in scherzhaften Gruppierungen ein Bacchanal darstellt. Als ich ihn zuletzt besuchte und ihm den Entschluß mitteilte, nach Deutschland und nach Nürnberg zu reisen, erinnerte er sich Eurer mit rührender Teilnahme und meinte, wenn er zehn Jahre jünger wäre, so würde er es gewagt haben, teil an der Fahrt zu nehmen, um Euch durch einen Besuch zu überraschen. Er wies mir ein Gemälde von Euch und bat mich ein über das andere Mal: Grüßt den deutschen Apelles!

Diesen Gruß, rief Dürer, bis zu Tränen gerührt, diesen Gruß zähle ich zu den Geschenken, die Ihr mir brachtet, und bleibe Euer Schuldner lebenslang. Also der alte Herr lebt und denkt noch mein? Sein ehrwürdiges Ansehen ließ in mir beim ersten Anblick einen unverlöschlichen Eindruck zurück und der Wunsch, ihm zu gefallen, stieg in mir um so lebhafter auf, da ich ein Bewunderer seiner Gemälde ward. Meister Bellini empfing kalt meine Liebesäußerungen, und ich erfuhr mit bitterm Ingrimm, daß mich mehrere junge Maler, ich mag sie nicht nennen, bei ihm angeschwärzt und mein künstlerisches Bestreben ihm nur als eine Geldschneiderei dargestellt hatten. Ich zagte so lange seine Werkstatt zu betreten. Jetzt wuchsen meinem Mute die Flügel und ich eilte zu ihm. Zufällig war die Werkstatt offen und niemand in ihr. Auf der Staffelei stand ein angefangenes Bildnis des Dogen Loredano, das schon im Entstehen Vollendung zeigte. Vergeblich wartete ich auf den Meister und Langeweile bewog mich, da ich nicht stillsitzen kann, zumal wenn ich vor mir Pinsel und Palette sehe, zum Scherz auf die Stirne des Kopfes eine Fliege zu malen. Wie ein Dieb schlich ich mich darauf, Verrat fürchtend, von dannen und jetzt war ich ebenso erfreut, niemand anzutreffen, als es mich früher verdrossen hatte. Als Johann Bellini zur Staffelei zurückkehrte, so scheuchte er, wie ich mir nachher erzählen ließ, die Fliege hinweg; er blickte empor und sah sie wieder an derselben Stelle und scheuchte abermals vergeblich – die Fliege wollte und konnte nicht weichen, denn sie war gemalt. Indem trat Tizian in das Zimmer. Kaum betrachtete er das Bildnis, so bließ er und rief: mit den Fliegen ist im Sommer nicht zu geraten, die für ihren Vorwitz oft die Füße zurücklassen müssen. Meister Johann lachte laut auf, als dieser sie abzunehmen versuchte, und erzählte ihm nun, wie er selbst getäuscht worden wäre. Tizian, der von seinen landsmännischen Kunstverwandten meist sehr verächtlich dachte, erklärte etwas keck, daß kein venetianischer Maler imstande wäre, eine solche Fliege zu malen, und daß der Scherz ohne Zweifel von dem Fremden herrührte, von dem er ein göttliches Bild in der Bartholomäuskirche gesehen hätte. Der Fremde wäre ein Deutscher, aber das Sinngrün unter den Haidekräutern, Albrecht Dürer. Johann fragte ihn, wo Albrecht wohnte, und Tizian bot sich ihm zum Führer an. Einsam und mit mir selbst zufrieden malte ich an dem Kopfe des heil. Bartholomäus und pfiff dazu ein Lieblingsstückchen. Ich merkte es nicht, daß hinter mir die Tür geöffnet ward, daß Fremde eintraten, und erst als sie eine Weile hinter meinem Stuhle gestanden, hörte ich den einen sich räuspern. Schnell drehte ich mich um und sehe Tizian, auf der andern Seite tritt einer vor, es ist Johann Bellini, die beiden gefeiertsten Meister der ruhmvollen Venetia. Schnell springe ich auf, reiße die Kappe vom Kopfe und suche nach einem Stuhl umher; da fand sich aber keiner, als den ich eben verlassen hatte. Ich rücke denselben zum alten Herrn, der dem unbekannten Fremdling zu Liebe die hohe Treppe bis zu meiner unordentlichen Kammer hinaufgestiegen war. Meine Verlegenheit steigt aber aufs Höchste, da ich den Stuhl ganz besudelt sehe, denn bei der Überraschung hatte ich die Palette auf die Lehne fallen lassen. Während ich den Sitz für den greisen Meister säuberte, hatte Tizian sich schon eine Lade zum Thron erkoren und bat mich, keine Umstände machen zu wollen. Geliebte Herren, begann ich, Ihr erweist wohl auf Bitte des Herren Fugger (denn Tizian war ihm sehr befreundet) mir die Ehre des Besuches, gegen den ich äußerte, daß ich dieses Altarblatt vor seiner gänzlichen Ausführung und Aufstellung gern dem Urteil gewiegter Meister unterworfen sähe, denn ich bin noch jung und unerfahren. Ich bin noch jünger, sprach Tizian, und möchte mich wahrlich nicht zu Eurem Lehrmeister aufwerfen. Auch ich, fiel Johann ihm in die Rede, bin keineswegs gekommen, wie Ihr meint, um Euer Lobredner zu sein, vielmehr um Euch wegen des Schimpfes zur Rede zu stellen, den Ihr mir angetan habt. Man hat Euch heute gesehen aus meiner Werkstatt entschlüpfen, und leugnet nicht, Ihr seid es, der mir das Bildnis verdorben. Wie sollte ich das, sagte ich darauf, da ich hier genugsam des Neides Schadenfreude erfahren, indem die wälschen Maler, bevor für strenge Aufsicht gesorgt war, in der Bartholomäuskirche meine Malerei zerstörten, meinen Engelköpfen mit den Nägeln die Augen auskratzten, wie sie es mir gern getan hätten. Um so weniger werdet Ihr es unbillig finden, nahm Johann wieder das Wort, wenn ich dergleichen Übeltäter bestraft wünsche, und Euch wird es nicht befremden, wenn ich Euch sofort bei der Signoria anklage, teils wegen Verletzung des Hausrechtes, teils wegen mutwilliger Zerstörung meiner Arbeit. Aber bedenkt, flehte ich beinahe, daß der Kopf nur untermalt war. Also Ihr wäret es wirklich, rief der gute Greis mit wohlwollendem Lächeln, der die Fliege malte? Glück auf! Es wird was Großes aus Euch werden. Die Kralle verrät den Löwen schon. Aber dieses Prachtgemälde bietet mir den Ruhm eines unfehlbaren Sehers um gar zu wohlfeilen Kauf. Ihr seid schon groß, Ihr seid schon dahin gekommen, wo ich aufhöre. – Ich senkte verlegen das Haupt, da sowohl Johann, als Tizian mich mit Lobeserhebungen überströmten, mir die Hände drückten und mir ermutigend auf die Schultern klopften. Junger Deutscher, hieß es, Ihr seid zu uns gekommen, um uns zu lehren, da Eure Landsleute sonst von uns nur lernen. Mit innigem Wohlgefallen betrachteten beide das Märtyrertum des heil. Bartholomäus und machten nur geringe Ausstellungen, denen ich sogleich zu begegnen versprach. Johann lobte über die Maßen den Kopf des Heiligen, dessen Auge lebhaft ausdrückte, daß ihm für all die Martern der Lohn nicht ausbliebe, und vornehmlich die zarte Behandlung der Haare und fragte mich, mit was für Pinsel es mir möglich wäre, dergleichen Haare so sein und locker darzustellen. Da reichte ich ihm einen ganzen Bund von Pinseln der verschiedensten Art und legte ihm eine Probe ab, selbst mit den gröbsten Pinseln die feinsten Haare zu malen. Nicht wenig waren darob die wälschen Maler erstaunt. Sie schieden jetzt von mir mit den aufrichtigsten Freundschaftsversicherungen und Johann bat mich, da ich bald Venedig zu verlassen willens wäre, ihm für jeden Preis ein Gemälde zum Andenken zu malen, und ich versprach es ihm. Wer war seliger als ich?

Wohl hatte Johann Bellini recht, sprach Thomas, wenn er meinte, daß die Wälschen bei Euch in die Schule gehen würden. Die Erfindungen Eurer Holzschnitte, die vielleicht nirgend mehr, als in Italien geschätzt werden, haben viele Nachahmer gefunden. Ich nenne nur Joachim Pontormo, der einen landschaftlichen Hintergrund von Euch entlehnte, und dessen Meister Andrea del Sarto, der viele Figuren Euch nachzeichnete. Und jetzt fällt mir ein, daß, als ich in Ferrara das genannte Bacchanal von Bellini und Tizian beaugenscheinigte, mir eine gewisse fremdartige Eigentümlichkeit auffiel, und daß ich dieselbe am Altarblatt der Venetianischen Bartholomäuskirche wieder wahrnahm. Die Ähnlichkeit, die mir zufällig schien, war es also nicht. Euer Ideenreichtum überraschte sogar, wie die Sage geht, den gewaltigen Michel Angelo und aus Arger und Eifersucht verbrannte er Eure Kupferstiche.

Wenn jener sie vertilgte, brach ich mein langes Schweigen, so sorgt, Herr Dürer, ein anderer wieder für Vervielfältigung Euer Blätter. Auf dem Wege Hieher erfuhr ich, daß ein Fremder es wagt, Holzschnitte mit Eurem Handzeichen zu verkaufen die unecht sind.

Ich weiß darum, sagte Dürer. Zu der Vaterschaft hat mir der böse Schalk Mark Anton verholfen, der Euer Landsmann und Mitschüler ist und dem ich diese Kupferstiche nach Raphael verdanke. Nicht genug, daß er die große Passion mir nachgestochen hat, läßt er jetzt sogar Nachstiche von den zwanzig Blättern das Leben Maria verschachern, denn ohne Zweifel sind auch sie von ihm, und da er die Urbilder aus übergroßer Genauigkeit sogar bis auf mein A D wiedergegeben hat, so fehlt es ihm nicht an Gewinn. Ohne einen Vergleich anzustellen, mag wohl ein ungeübtes Auge seinen dürren Kupferstich für meinen markigen Holzschnitt halten. Schändlich ist es, daß man die unechte Brut in Deutschland vertrödelt und sogar in meiner Vaterstadt bei meinem Leben, und daß der Magistrat nicht die Unverschämtheit des Bilderhändlers durch Beschlagnahme der Bastardblätter bestraft! – Allein in Venedig nimmt der Staat nicht besser Künstlereigentum in acht. Als ein neunzehnjähriger Jüngling kam Mark Anton nach Venedig, der aus Dankbarkeit seinen Geschlechtsnamen mit dem Namen seines ersten Lehrers Franria vertauschte. Er hatte sich durch mehrere Versuche in der Kupferstecherkunst rühmlich empfohlen und schloß sich mit Herzlichkeit an mich, da er hörte, daß ich ein Meister derselben wäre. Ich lieh ihm zum Studium Vorzeichnungen, Kupferstiche und Holzschnitte und bat ihn mehrmals, mir eine Probe seines Fleißes zeigen zu wollen. Einst gab er mir zur Antwort, daß sich in meinen Händen bereits Kupferstiche von ihm befänden. Rasch durchblätterte ich die Sammlung, die er von mir geliehen und dann zurückgebracht hatte, aber ich fand nichts. Wie groß war da sein Triumph, als er mir zeigte, daß einzelne Holzschnitte Nachbildungen in Kupfer wären, von ihm nur der Übung wegen gefertigt. Wenn ich auch viele Fehler jetzt bei genauerer Ansicht bemerkte, so lobte ich ihn wegen des rühmlichen Eifers. Aber wir zerfielen, da wir die besten Freunde waren. Mit kleiner Barschaft kam Mark Anton von Bologna nach Venedig, dennoch war ihm kein Preis zu hoch für gute Abdrücke von meinen Holzschnitten, die ich dort feil bieten ließ. Er besaß bald eine hübsche Sammlung, aber keinen Pfennig im Säckel, um seinen mahnenden Magen zu befriedigen. Um mit ihm Ruhe zu erhalten, meinte er, es wäre erlaubt, an meinem Brot zu nagen, und mit wenigen Strichen setzte er auf die eben vollendeten Kupferplatten H, D und rief: Gehet hin und lehret alle Heiden! Er verstand darunter die Verräter meiner Kunst. Ich kann nicht leugnen, daß ich die Verbreitung meines Ruhms in Italien vornehmlich den Trüglichkeiten Mark Antons zu verdanken habe, da er die Blätter für einen Spottpreis verkaufte. Ich war aber dennoch wenig damit zufrieden und verklagte ihn bei der Signoria, konnte aber ein Verbot gegen den Verkauf der Blätter nicht bewirken, sondern nur soviel, daß man dem Mark Anton aufgab, mein Handzeichen von den Platten zu tilgen. Wie alle halbe Maßregeln zur Abstellung eines Übels unwirksam sind, so auch diese. Ohne mir ein Lebewohl zu sagen, ging Mark Anton nach Rom und ward Raphaels Freund. Nur um diese Freundschaft beneide ich ihn, nicht um das erworbene Geld.

Es ist einmal der Lauf der Welt, sagte ich, daß der Arme vom Reichen lebt, und Eure Nürnbergischen Kunstgenossen treiben es nicht anders mit Euch. Ich habe bei meiner Anwesenheit hier schon mehrere Holzstöcke gesehen, auf denen das Handzeichen des Verfertigers hinweggeschnitten und das Eure in die Stelle gesetzt war. Doch Ihr habt uns noch von Venedig, von Johann Bellini und vielem andern zu erzählen. Täglich aß ich jetzt mit Bellini, Tizian und Giorgione zusammen. Einzelne Gemälde von diesem wurden, rücksichtlich der Farbenklarheit, denen seines Meisters Bellini vorgezogen. Fuggers Tuchladen, den die Venetianer den Deutschen hatten aufbauen lassen, da er im Kriege mit Max eingeäschert war, war von Tizian und Giorgione zusammen von außenher gemalt. Da sah man biblische, sinnbildliche und landschaftliche Vorstellungen und herrliche Verzierungen. Die Landschaften waren Tizian sehr wohl gelungen, der sich des Rates deutscher Maler dazu bediente. Aber Giorgiones Gemälde, wenn ich gleich den Sinn nicht verstand, waren ohne Zweifel die vorzüglichsten. Diese Maler, sodann Palma und Pordenone, waren mir gewogen und, obgleich sie früher gesagt, daß ich die Farben nicht zu behandeln wußte, so gestanden sie jetzt, nie schönere Farben gesehen zu haben. Oft nötigten sie mich zu Schmausereien und nahmen mich in ihre Malerschule auf, wohin ich manchen Gulden geben mußte. Mein Ruf ward mit jedem Tage größer, und die Großen und Vornehmen machten mir häufig ihre Aufwartung, und ich mußte mich zuletzt verbergen und verleugnen lassen, denn sonst wäre vor Besuchen wenig aus dem Arbeiten geworden. Meine heimischen Freunde drangen jetzt in mich, nach Nürnberg zurückzukehren, und um so fleißiger malte ich am Bartholomäus und an einem Madonnenbilde, das ich als Liebesgabe für Johann Bellini bestimmt hatte. Vom Tische stand ich jetzt früher auf und brach mir manche Stunde vom Schlaf ab. Endlich war das Altarblatt fertig und ward mit vielem Gepränge in die Kirche getragen und aufgestellt. Ich erntete großes Lob, aber wenig Nutzen, denn ich erhielt fünfundachtzig Dukaten und hätte wohl zweihundert in der Zeit verdienen können, so viel Bestellungen erhielt ich, die ich glatt ausschlug. Aber wahrlich, mich reut es nicht, und noch eine große Ehre stand mir bevor. Se. herzoglichen Gnaden der Doge ließ mir sagen, daß er an einem bestimmten Tage das Gemälde sehen wollte, von dem so viel Rühmens wäre. Ich ging dahin und stehe, an der Brücke standen die herrlichsten Gondeln, und in der Kirche war ein Haufe Volkes und darunter viele Maler. Man empfing mich mit vieler Ehrerbietung und führte mich zu dem Altar, wo ich den Dogen Loredano und den Großkanzler fand, diesen in einem schwarzen, jenen in einem goldenen Talar mit den lang herabhängenden Ärmeln, außerdem den ehrwürdigen Patriarchen. Der Doge, ein Kenner, erklärte öffentlich, daß in keiner Kirche Venedigs ein schöneres Gemälde wäre, und überreichte mir diesen kostbaren Ring, den er sich vom Finger zog. Ich wußte nicht, wie mir geschah, und sprach kein Wort. Als ich die Kirche verlassen, sagte ich mir, die Ehre ist zu groß und es ist hohe Zeit, daß du die Markusstadt verlässest, denn sonst müßte auch ich neben dem Pinsel den Degen führen. In zwei Tagen hatte ich eingepackt und fuhr nach Padua, von dort aber nicht den geraden Weg nach Mantua, sondern vorerst nach Bologna, wohin der wackere Francia mich einlud, der sich von Raphael überflügelt weiß und ihn ehrt, denn derselbe wollte mich in die Geheimnisse der Perspektive einweihen, die er ganz ergründet zu haben meinte. Er nahm mich mit väterlicher Liebe auf, aber ich lernte nichts Neues. Das Ansehen, das ich mir in Venedig erworben, kam mir auf der ganzen Reise zu nutz, und ich kehrte nach Nürnberg, wie das Kind, das von seinen Spielsachen losgerissen und in die Schule geschickt wird. Wie war ich so schwermütig! Wie fror mich daheim nach der Sonne. Dort war ich mein Herr und hier – –

Mich dauerte der wackere Künstler, und der Fremde teilte mein Gefühl. Drum kommt nach Rom, rief er, wenn es Euch hier nicht gefallt, und bleibt dort Euer Lebelang.

Das sei fern, entgegnete Dürer. Ein Nürnberger verlaßt nicht seine Vaterstadt. In Antwerpen war es, wo man mir dreihundert Philippsgulden als Jahrgehalt und ein schönes Haus anbot mit dem Versprechen, alle Arbeiten gut zu bezahlen, aber voll der Liebe zu der Reichsstadt lehnte ich es ab.

Ja, gönnt Deutschland den deutschen Apell! fiel ich ein. Aber erzählt uns, Herr Thomas, von Rom und dem berühmten Urbinaten. Auf diese Weise gelang es mir, die trübe Laune zu zerstreuen, die Dürern zu beschleichen schien. Ja, von dem Maler aller Maler stimmte er mir mit verklärtem Antlitz bei, erzählte mir Neues oder wiederholt mir, wie er denkt, wie er lebt, wie er geehrt wird.

Ihr nennt Raphael Maler, begann Thomas; nennt ihn Künstler, oder besser sterblichen Gott. Ohne mich zu wiederholen, könnte ich Tag und Nacht erzählen und käme nicht zu Ende. Welche Größe und welche Bescheidenheit! Ihr, Herr Albrecht, ehrtet Euren Lehrmeister, wie Ihr mir gesagt, wie Euren Vater. Nicht weniger der göttliche Raphael. Von Florenz als Jüngling vom heil. Vater nach Rom berufen, sollte er in den Zimmern des Vatikans mit malen, in denen viele florentinische Meister beschäftigt waren. Nur die Gemälde, die er, der Anspruchsloseste unter allen, dargestellt, fanden Beifall und Bewunderung.

Raphael soll alle Zimmer neu malen! so lautete das Geheiß des schnell entscheidenden Papstes Julius. Als nun Raphael einst in die prächtigen Zimmer tritt, so sieht er ein ganzes Heer von Maurern mit fühllosem Eifer den Fleiß wackerer Maler zerstören. Mit Wehmut wendet er die Blicke hinweg und da er erfahren, was geschehen sollte, so eilt er zum Papste, küßt ihm den Fuß Und steht mit Tränen: Heiliger Vater, laßt der Zerstörung Einhalt tun! Noch ist die Decke, die mein Lehrer Perugin mit frommem Fleiße malte, nicht geschändet von den rohen Händen. Erhaltet sie noch einer spätern Zeit und mir ein Denkmal dankbarer Erinnerung. Es sei, erwidert jener huldreich, doch glaube, ich war für den Ruhm deines Lehrers mehr besorgt, da ich sie vernichtet wünschte, als du, der du auf ihre Erhaltung dringst, denn künftig wird man die Arbeiten des Schülers mit denen des Meisters vergleichen.

Dies erzählte Thomas und vieles andere von Raphael und seinem störrischen Kunstgenossen Michel Angelo.

Ich war aufmerksam und doch nicht mit ganzer Seele bei den Künstlern. Das merkte mir Dürer an und hielt mich nicht zurück, als ich aufstand, um mit herzlichem Händedruck mich von beiden Männern zu entfernen. Um so weniger gefiel es mir zu bleiben, als mir Dürer sagte, ich würde daheim einen Brief finden, den seine Magd, kurz bevor ich gekommen, zu mir getragen hätte. Ich schrieb, fügte er hinzu, denn manches ist leichter zu schreiben als zu sagen.

Was ist der Inhalt des Briefes? fragte ich mich. Was kann, dachte ich, Dürer mir für Geheimnisse mitteilen, wenn sie nicht die Rosenthalerin betreffen. Eher ich noch nachts von ihr träume, empfange ich heut den Schlüssel, meines Schicksals geheimnisvolle Schrift zu entziffern. In der goldenen Rose angelangt, konnte ich nicht früh genug den Brief und ein Licht erhalten. Ich las folgendes:

»Meinen willigen Dienst zuvor, lieber Herr Heller. Mit Dank habe ich die letzten 100 Gulden für das Gemälde erhalten und ich glaube, sie wirklich verdient zu haben. Einer in Nürnberg hat mir für dasselbe 300 Gulden geboten und Herr Sebald Schreyer will mir 400 Gulden geben, wenn ich ihm ein Marienbild in derselben Weise male. Das habe ich ihm aber glatt abgeschlagen, denn ich müßte darüber zum Bettler werden. Doch seid versichert, daß ich es für einen hohen Lohn erachte, mir Eure Freundschaft erworben zu haben, die Ihr mir und den Meinigen hinfüro erhalten möget. Meine Hausfrau läßt Euch um ein Trinkgeld bitten, das Ihr ganz nach Eurem Belieben zu bestimmen habt.

Albrecht Dürer

Wie sah ich mich in meiner Erwartung getäuscht! Kein Wort von der Rosenthalerin, aber von Frau Agnes. Indes in Ansehung des herrlichen Bildes nahm ich gern auch auf sie Rücksicht.

In einem andern Brief Dürers ist folgende Stelle enthalten:

»Der köstliche Wein, den Ihr mir geschickt habt, soll als ein Labetrunk mich nach der Arbeit lange stärken und mich an Eure Liebe erinnern. Meine Hausfrau dankt Euch für Eure Verehrung, auch mein junger Bruder für die zwei Gulden, so Ihr ihm zum Trinkgeld geschenkt habt.«


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