Heinrich Hansjakob
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Heinrich Hansjakob

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6.

An einem schönen Septemberabend des Jahres 1752 bot der Stadtknecht Josef Leist dreizehn Burgern zum Frondienste an einem Wegbau beim »geschwigen Loch«. Die »Gebotenen« sollten am kommenden Morgen, wenn das Glöcklein auf dem Rathaus das Zeichen gebe, daselbst antreten mit Schaufeln, Picken und Karren, um dann den Bauern von Mühlenbach, Eschach und Weiler an der neuen Straße nach Hausach weiter bauen zu helfen.

So hatte der Obervogt Hornstein kommandiert und der Schultheiß Schönbein, ehedem Ratschreiber, das Kommando durch den Stadtknecht weitergegeben.

Die also Kommandierten liefen aber sofort aus ihren Häusern zusammen und sprachen: »Was, wir ehrsame, freie Burger von Hasle sollen mit Buren und leibeigenen Leuten fronen und außerhalb unseres Stadtbannes Herrendienste leisten? Seit alten Zeiten haben die von Hasle nur innerhalb ihres Bannes gefront und weder je Buren auf ihrem Gebiet arbeiten sehen, noch viel weniger selbst außerhalb desselben am Wasser oder an Straßen öffentliche Arbeiten verrichtet!«

»Wir bleiben bei unsern alten Freiheiten und Rechten, und die Rathausglocke mag morgen läuten so lang und so früh sie will, wir fronen nicht!«

Wie ein Lauffeuer ging die Kunde von dem Attentat auf die bürgerliche Freiheit und von dem mannhaften Beschluß der Gebotenen am Abend noch durchs ganze Städtle.

In der Weinstube auf dem Rathaus, im Rappen und im Ochsen ging's am gleichen Abend lebhaft zu. Diese drei Wirte, voran der Stubenwirt Dirhold, lärmten am schärfsten mit, trotzdem der Rappenwirt Kleyle Amtsburgermeister und einer der ersten im Ratskollegium war.

»Das kommt wieder von dem Pascha im Schloß her,« meinte der Rappenwirt, »und unser Schultheiß, der Herrenwedler, hat den Mut nicht gehabt, ihm gleich den Fronzettel zurückzuschicken und zu erklären: ›Die Haslacher fronen nicht mit den Buren und leisten keine Fronen außerhalb ihres Bannes.‹«

Beim Stubenwirt saß auch der alte Schultheiß Jakob Stelker, sein Schwiegervater, und erklärte: »Ich war fast zwanzig Jahre Schultheiß, aber so war' mir kein Obervogt gekommen mit solchen Fuchsereien. Das kann sich die Burgerschaft nicht gefallen lassen!«

Damit war der Krieg definitiv erklärt, und als am andern Morgen um sieben Uhr das Glöcklein rief, kamen allerlei neugierige Leute vor das Rathaus, aber keine Froner.

Bestürzt eilte der Schultheiß, ein alter Herrenknecht, zum Obervogt und meldete, was in der Burgerschaft vorgegangen und warum sich die Froner weigerten.

»Die Flausen wollen wir ihnen aus dem Kopf bringen,« meinte der Obervogt. »Die Haslacher krakeelen gern von ihren alten Rechten, aber wenn's ans Strafen geht, werden sie zahm. Ihr, Schultheiß, laßt ihnen heute in meinem Namen nochmals bieten bei einem Reichstaler Strafe: sie kommen dann sicher!«

Der Schultheiß ging, und der Stadtknecht kam bald darauf mit dem neuen Befehl zu den Burgern. Der Stubenwirt Dirhold berät sich mit seinem Schwiegervater, dem alten Schulzen, und gibt am Abend noch die Parole aus, wie morgen gehandelt werden sollte.

Abermals ruft am andern Morgen das Rathausglöcklein. Die Froner brechen auf, aber nicht dem Rathaus zu, sondern hinauf zum geschwigen Loch, Hinter ihnen drein zieht eine Schar Burger, mehr als doppelt so groß denn die Zahl der Froner. An Ort und Stelle angekommen, erklären sie dem herrschaftlichen »Fourier« Bauer, der die Arbeiten leitet: »So lange ein Bur auf städtischem Bann sei, würden sie nicht fronen. Bürger von Hasle lüden keine Burenkarren. Sie würden sich auch wegen Beeinträchtigung alten Herkommens an den Fürsten wenden.« Nach dieser Erklärung zogen sie ab, unter ihnen abermals einer vom Stamme Hansjakob, der Färber Tobias, der Neffe des Webers in der letzten »Revolution«.

Der Obervogt berichtet an die Landesregierung nach Donaueschingen, und die Burger machen eine Bittschrift an den Fürsten Josef Wilhelm Ernst.

Fast drei Wochen vergehen; dann lädt am 11. Oktober 1752 der Obervogt die gesamte Burgerschaft auf das Rathaus und publiziert ihnen den Bescheid der gnädigsten Herrschaft. Darnach wurde den Haslachern befohlen, bei Strafe von fünfzehn Reichstalern für jeden widerspenstigen Froner mit den Bauern an der Straße beim geschwigen Loch zu arbeiten.

Kaum hat der Obervogt geendet, so tritt der Metzger Philipp Armbruster vor, der Großvater des Nagler-Wendel in meinen »Wilden Kirschen«, und erklärt feierlich: »Des nemme mir (wir) Burger nit a; wir appellieren nochmals an den Fürsten!«

»Es sei strikter Befehl der gnädigsten Herrschaft,« erwidert der Beamte, »dagegen gebe es keine Appellation. Morgen erwarte er zwanzig Burger beim Fronen, und damit basta!«

Der Metzger verlangt Abstimmung der Burgerschaft, und siehe da, alle bis auf drei erklären, nicht gehorsamen zu wollen. Empört und mit Drohungen verläßt der Obervogt den Schauplatz seiner Niederlage.

Die drei Willfährigen sind der Chirurg und Barbier Battier, der Ochsenwirt und Metzger Sartori und der Bäcker Bosch. Der erstere, von einem Savoyarden stammend, der zu Anfang des 18. Jahrhunderts nach langem Versagen endlich als Burger aufgenommen worden war, hieß nur der »wälsch Rasierer«. Der Ochsenwirt war eben erst aus Herbolzheim im Breisgau eingewandert und hatte bereits den Spitznamen »der Brisgäuer«. Daß ein Wälscher und ein Fremder, also zwei »Hergelaufene«, sie verraten, bringt die Haslacher weniger auf als der Abfall eines Sippen aus einer alten Burgersfamilie, des Bäckers Michel Bosch.

Alle drei wurden alsbald mit »Hundeseelen« und »Lumpenkerle« tituliert. Der Metzger-Philipp meinte, sie sollten »ab dem Rathaus« geworfen, während der Färber Tobias Hansjakob beantragte, sie müßten gesteinigt werden. Und wer weiß, was geschehen wäre, wenn der Schultheiß nicht mit der, »starken Strafe des Landfriedensbruches« gedroht hätte.

Die drei Verräter gaben schleunigst Fersengeld. Die Burger aber beschlossen, sie zu boykottieren. Kein ehrlicher Burger läßt sich mehr vom Wälschen barbieren, keiner trinkt mehr einen Schoppen bei dem »falschen Brisgäuer«, und keine ehrliche Burgersfrau holt mehr Brot, Mehl oder Gries beim Becke-Michel.

Ein rechter Haslacher ist Sanguiniker. Drum, als der Sturm vom Morgen sich gelegt hatte, dachten die Verschworenen an die fünfzehn Reichstaler Strafe, und ihr Blut wurde ruhiger.

Der alte Schultheiß Stelker wurde abermals zu Rat gezogen. Infolgedessen gehen in der Nacht noch drei Burger, der Kreuzwirt Fischer, der Gassenwirt Kaspar Sandhas und der Schuster Haser, mit einer Schrift ab an den Fürsten nach Schloß Heiligenberg im Linzgau; ein weiter Weg, der aber dem Freiheitsdurst nicht zu weit ist.

Am andern Morgen treten die zwanzig Froner beim geschwigen Loch an, doch mit eigenen Karren, weil Haslacher Burger keine Burenkarren laden. Sie arbeiten auch nicht neben den fronenden Bauern und Leibeigenen, sondern gesondert für sich.

Das leidet aber der Fourier nicht, und alsbald ziehen die Mannen von Hasle, schimpfend und von alten Freiheiten redend, ab. Schon am Mittag werden sie vor den Obervogt geladen, jeder zu fünfzehn Reichstalern verurteilt und bis zu deren Zahlung im »Schloß«, wo auch der Obervogt residiert, eingetürmt. Doch die Tapfern sind nicht hilflos: eine große Schar Burger, unter ihnen der Färber Toweis, drängt sich ins Schloß und verlangt, weil gleicher Gesinnung mit den Verurteilten, mit ihnen die »Beturmung« zu teilen.

Unter diesen Burgern ist auch eine Heldin, die Witwe des Metzgers Michel Köbele, Luitgard Fischinger. Sie ist am meisten empört über die Antastung burgerlicher Freiheit und hetzt und schimpft, was Zeug hält.

Der Obervogt hat kaum Platz für die widerspenstigen Froner in seinem Turm; er muß von ihnen noch einige in dem fürstlichen »Haberkasten« unterbringen. Der Wunsch ihrer Gesinnungsgenossen, ebenfalls eingesperrt zu werden, bleibt also unerfüllt.

Der Schneider Jakob Hils »im Winkel«, dessen Enkel mein Nachbar war in meiner Knabenzeit und der einst in Paris gearbeitet hatte, war auch unter denen, die eingesperrt werden wollten, aber nicht konnten. Er gab beim Abzug aus dem Schloß der braven Metzgerin aus der Vorstadt den Titel »Jungfrau von Orleans«, weil sie als einzige unter den Wibern sich auf seiten der Männer gestellt in Tagen, da die Freiheit in Gefahr war.

Die Heldin treibt das Geschäft ihres Mannes und hat eine der acht Metzgerbänke. Sie wohnt in der Vorstadt, wo auch in dieser Revolte die feurigsten Volksredner leben, der Färber Tobias Hansjakob und der Metzger Philipp Armbruster.

Die acht Metzger mußten jedes halbe Jahr losen, welche von ihnen Rindfleisch und welche »Bratis« verkaufen durften. Zur Zeit der Revolte war die Jungfrau von Orleans am Bratis, und sie versprach jedem Burger der Vorstadt, wenn er feststünde, einen Gratisbraten.

Nach acht Tagen kamen die drei Deputierten mit wundgelaufenen Füßen von Heiligenberg zurück. Sie hatten die Petition dem Fürsten überreicht und erhielten den Hoftrost, die Antwort werde nachkommen.

Sie kam und zeigte, wie sehr der fürstliche Absolutismus gewachsen war in den dreißig Jahren, die seit der letzten Haslacher Revolte verflossen. Sie lautete schauerlich für die Abgesandten und für alles Volk von Hasle. Die drei braven Männer, so sich die Füße wund gelaufen, sollten eingetürmt werden, weil sie dem Fürsten eine Gegenschrift abzugeben gewagt hätten!

Alle sonstigen Rädelsführer sollten ebenfalls eingesperrt und die andern » manu militari«, d. i. mit militärischer Gewalt zum Arbeiten angehalten werden.

Die ganze Friedensarmee des Fürsten, eine Kompagnie Grenadiere unter einem Oberleutnant von Solati, rückte alsbald in Hasle ein.

Jetzt fiel der ganze Stadtrat, der Burgermeister Kleyle ausgenommen, von der Sache der Burger ab und der gnädigsten Herrschaft zu Füßen. Unter den abgefallenen Ratsfreunden war auch der Schwarzfärber Johannes Hansjakob, der Bruder des Tobias, was diesen und die andern so aufbrachte, daß sie ihn alsbald zu den drei Verrätern, dem wälschen Rasierer, dem Brisgäuer und dem Becke-Michel, warfen.

Daß ein Vorstädtler der Volkssache untreu wurde, war noch nie dagewesen und der Schwarzfärber der erste, der dieser Schandtat sich schuldig gemacht.

Der Obervogt Harnstein hatte Kirchweih, nachdem die Grenadiere eingerückt, und kommandierte am gleichen Nachmittag noch zwanzig Froner. Und siehe da! Sie kommen und arbeiten, wie Lämmer, worauf die drei Sendboten nach Heiligenberg aus dem Gefängnis entlassen werden.

Alles wankt und schwankt im Mute, nur die Jungfrau von Orleans nicht. Wenn die Männer zu Schneidersgesellen werden, kommt der Heldensinn in die Weiber. Die Luitgard ruft aus ihrer Metzig dem Leutnant Solati, der mit einer Patrouille an ihrem Haus vorüberzieht, zu: »Die Kerle fürchten wir nicht!«

Sie predigt und agitiert, bis achtzehn Burger sich entschließen, nochmals den Fürsten aufzusuchen. Unter ihnen sind der Stubenwirt Dirhold, der Gerber Isenmann, die Metzger Decker und Geiger, der Färber Tobias Hansjakob, der Schuster Gotterbarm, der Schlosser Herrmann u. a.

Sie marschieren am Nachmittag des 25. Oktober ab. Der Schultheiß Schönbein eilt ihnen nach, trifft sie bei der Stadtmühle am Ende der Stadt und beschwört sie, zu bleiben: es nütze alles nichts. Aber die Jungfrau von Orleans ist auch da, und ihr Zureden gilt mehr als die Worte des alten Verräters und Schultheißen. Die achtzehn Tapferen ziehen talaufwärts, um den Fürsten zu suchen, wo immer er wäre.

Sie kommen am Abend noch bis »Krummen-Schiltach«, wo sie übernachten und lange beim Trunk und bei freiheitlichen Reden sitzen bleiben. Um Mitternacht hören sie einen Reiter vorbeisprengen und erkennen in ihm einen Kontingentsreiter des Obervogts, der ihnen in Donaueschingen zuvorkommen und vor ihnen warnen sollte.

Die zweimal neun Bürger brechen deshalb alsbald ungeschlafen auf, damit der Reiter nicht zu viel Vorsprung bekomme.

Beim »Brog« kommt ihnen der Fuhrmann Hans Michel Armbruster von Hasle nachgeritten. Die Frau des Stubenwirts hat ihn gesandt mit der Meldung, daß und warum der Kontingentsreiter abgegangen sei; die Mannen sollten nicht nach Donaueschingen gehen, sonst würden sie verhaftet.

In der gleichen Nacht noch läßt der Wächter von Villingen die Burger von Hasle in seine Stadt ein. Sie nehmen im »wilden Mann« Herberge, und der Stubenwirt und der Schlosser Herrmann suchen mit dem Färber Tobias Hansjakob einen »Studenten« auf, der ihnen das »Memorial« an den Fürsten aufsetzen soll.

Im Besitz dieses Schriftstückes setzen sie ihren Weg fort, umkreisen vorsichtig Donaueschingen und landen in Geisingen, wo sie erfahren, daß der Fürst im benachbarten Kirchtal jage.

Am andern Morgen geht die Fahrt weiter. Beim Dorfe Kirchen, wo ein Jagdschloß des Fürsten steht, treffen sie den gnädigsten Landesherrn Wilhelm Ernst, der alle fürstenbergischen Lande ererbt hatte und drum doppelt stolz geworden war. Sie werden vorgelassen, sinken auf die Kniee und übergeben fußfällig ihr Memorial, in welchem sie untertänigst bitten, die Burger von Hasle bei den alten Rechten und Freiheiten zu belassen.

Daß die braven Färber, Gerber, Schlosser, Schneider und Metzger von Hasle kniefällig, wie es höfische Sitte war in jener Zeit, ihre Bitte überreichen und auf den Knieen bleiben mußten, bis man sie aufstehen hieß, tut mir heute noch in der Seele weh für die achtzehn Tapfern.

Doch so wurden damals die deutschen Untertanen überall behandelt, und wenn die französische Revolution nicht gekommen wäre, müßten die ehrsamen Burger heute noch kniefällig bei fürstlichen Audienzen erscheinen. –

Man hieß die Leute im Jagdschlosse bei Kirchen aufstehen und draußen auf Bescheid warten, den der Oberjägermeister von Laßberg gleich darauf mit den Worten brachte, »sie sollten sofort heimgehen und dem Befehl des Obervogts nachkommen, ansonst würden sie eingesperrt.«

Betrübten Herzens zogen die Armen ab, übernachteten abermals in Geisingen und kamen am andern Abend ingrimmsvoll heim. Sie hatten unterwegs schwere Beschlüsse gefaßt: »Rache an den vier Abtrünnigen, dem Wälschen, dem Brisgäuer, dem Becke-Michel und dem Schwarzfärber und Absetzung des gesamten Rats, weil er die Sache der Burger ebenfalls verraten.«

In der Nacht der Rückkehr wurden den Abtrünnigen die Fenster eingeworfen und dem Schwarzfärber noch außerdem ein Wackenstein ans Fensterkreuz geschleudert.

Im Verdacht der Täterschaft stehen der Rabenwirt, der Stubenwirt, der Metzger Geiger und der Schlosser Herrmann. Der letztere, von Offenburg eingewandert, hat den Freiheitsdrang der Haslacher in sich vertieft und ist der Wütigsten einer.

Er ist am Abend spät beim Stubenwirt gewesen und gleich nach der Tat auf der Gasse gesehen worden. Ihn holen am andern Tage die Häscher und Grenadiere Solatis, und sie patrouillieren fortan allnächtlich in den Gassen.

Da erhebt sich die Jungfrau von Orleans abermals und erscheint mit einer Rotte Vorstadtweiber, unter denen die Frau des Schusters Melchior Näf am meisten räsoniert, im Rathaus, und alle erklären, sie wollten ihren Männern helfen, die Freiheit zu wahren.

Das Resultat war, daß die tapfere Metzgerin einstweilen »vier Tage lang beturmt« wird.

Indes fronen die Burger ruhig, und die Grenadiere ziehen wieder ab.

Im November werden nochmals alle Rädelsführer vom Obervogt verhört. Die Männer, unter ihnen der Färber Tobias, gestehen unumwunden alles, was sie gesagt und getan. Die Jungfrau von Orleans aber verlegt sich auf die Hauptwaffe der Wibervölker; sie leugnet und weiß von all ihren Reden und Taten nichts mehr, als daß sie über die Verräter geschimpft habe, wie andere auch. Im übrigen sei sie nur auf gesetzlichem Boden gestanden und habe die Burger an den Fürsten gewiesen.

Mit diesem Protokoll endigte die zweite Revolution in Hasle. Der verhaftete Schlosser wurde nach langer Beturmung entlassen, weil ihm nichts bewiesen werden konnte. –

Diese zweite Revolte ist vor allem merkwürdig durch den zarten und empfindsamen Freiheitssinn der Bürger, die keine Knechtsdienste leisten wollten auf fremdem Boden und sich dagegen erhoben, daß andere auf ihrem Gebiet solche verrichten sollten.

Daß auch die Weiber von Hasle für die Freiheit ihrer Männer eintraten, ehrt sie; sie wollten keine Knechte zu Männern haben. Und daß eine alte Witwe, die keines Mannes Rechte zu wahren hatte, ihre Führerin war, macht der Jungfrau von Orleans in der Vorstadt zu Hasle doppelte Ehre. Daß sie zum Schluß ihren Hauptfeind, den Obervogt, angelogen hat, ist weiblich und menschlich, wenn auch nicht christlich.

Die heutigen Weiber in Stadt und Städtle sind in alleweg zahmer. Sie ahmen die Männer höchstens im Rauchen und im Trinken und in allerlei dummem Männersport nach. In Revolten machen sie nicht mit; sie sind zu kultiviert dazu. Mir ist es aber lieber, wenn die Weiber zu Hyänen werden als zu Universitätsprofessoren! –

Ich frage zum Schluß: Was würden jene Männer und Frauen von Hasle erst erduldet und wie würden sie gekämpft haben, wenn höhere Güter auf dem Spiel gestanden und größere Freiheiten gefährdet gewesen wären, wenn sie schon über solche Lappalien rebellisch wurden?

Aber auch die fürstliche Regierung verdient Lob, denn sie nahm keine weitere Repressalien und begnügte sich mit dem einfachen Gehorsam.

Wer die Folgen am längsten spürte, das waren die drei ersten Verräter. Der wälsche Rasierer hatte Jahr und Tag nur noch Buren zum Balbieren, Schröpfen und Aderlassen, der Brisgäuer nur solche zum Schoppentrinken, und dem Becke-Michel blieb sein Brot noch lange Zeit liegen.

Doch einer dieser drei wurde im Laufe der Zeit trotzdem der erste in der Burgerschaft. Und das war der – Brisgäuer Sartori. Er trieb später einen schwunghaften Weinhandel, versorgte ganz Hasle und die Umgegend mit dem besten Wein, und 1760 wird er für ein Vierteljahrhundert herrschaftlicher Schultheiß von Hasle. Seine Tauglichkeit zu einem solchen hatte er in der zweiten Revolution erstmals gezeigt, und er bewährte das Vertrauen der gnädigsten Herrschaft in der dritten Revolte.

Er wurde durch seine Tochter Marianne einer meiner Urgroßväter, von dessen Knechtseligkeit ich aber nichts geerbt habe.


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