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Der Teufel und der Makler. Eine mittelalterliche Sage.

Die Kirchenglocken von San Francisco schlugen zehn Uhr. Der Teufel, welcher an diesem Abend über die Stadt geflogen war, hatte sich gerade da auf das Dach einer Kirche in der Nähe der Ecke von Bush- und Montgomery-Street niedergelassen. Man wird bemerken, daß es mit dem Volksglauben, nach welchem der Teufel heilige Gebäude vermeidet und auf den Schall eines Credo oder Paternoster verduftet, schon lange nichts mehr ist. In der That behauptet moderne Zweifelsucht, daß er jenen rechtgläubigen Vorträgen, die sich vorzüglich auf ihn beziehen und gewissermaßen seine Macht und Bedeutung anerkennen, nicht abgeneigt sei.

Ich neige mich indeß der Meinung zu, daß seine Wahl eines Ruheplatzes zum guten Theile dadurch beeinflußt war, daß der Ort mit einer volkreichen Hauptstraße zusammenhing. Als er sich bequem gesetzt, begann er die Glieder einer kleinen Ruthe herauszuziehen, die er in der Hand hielt, und die sich bald als eine ungewöhnliche Angelruthe mit einer fernrohrartigen Vorrichtung erwies, welche gestattete, sie bis zu einer wunderbaren Ausdehnung zu verlängern. Indem er eine Schnur daran knüpfte, wählte er sich einen Köder von eigenthümlichem Muster aus einer kleinen Schachtel, die er bei sich trug, und indem er die Angel kunstgerecht auswarf, hing er seine Schnur mitten ins Centrum jenes lebenden Stroms, der durch Montgomery-Street auf- und abfloß.

Entweder waren die Leute jenen Abend tugendhaft, oder der Köder lockte sie nicht. Umsonst warf der Teufel seine Schnur in einen Strudel des Stroms gegenüber dem Occidental Hotel, vergeblich zog er sie in die Schatten des Cosmopolitan Hotel, fünf Minuten vergingen, und es knabberte nicht einmal daran.

»Sapperlot!« sprach der Teufel, »das ist doch sehr eigen. Noch dazu eine meiner beliebtesten Fliegen! Wahrhaftig, in ganzen Zügen würden sie in Broadway- oder Beacon-Street nach der heraufgestiegen sein. Na, hier eine andere.« Und indem er aus seiner wohlgefüllten Schachtel eine neue Fliege an den Haken befestigte, warf er seine Schnur anmuthig von Neuem aus.

Ein paar Augenblicke war alle Aussicht auf einen guten Fang. Die Schnur ruckte fortwährend, und es knabberte unten deutlich und befriedigend. Ein oder zwei Mal wurde der Köder offenbar verschlungen und in die obern Stockwerke der Hotels getragen, um dort in Ruhe verdaut zu werden. In solchen Fällen würde die kunstgerechte Weise, in welcher der Teufel seine Schnur handhabte, das Herz Isaac Waltons Verfasser eines berühmten Buches über die Kunst des Anglers. mit Entzücken durchrieselt haben. Aber seine Anstrengungen waren erfolglos. Der Köder wurde jedes Mal fortgeführt, das Opfer aber nicht angehakt, und der Teufel verlor zuletzt die Geduld.

»Ich habe von diesen San Franciscanern vorher schon gehört,« murmelte er, »wartet aber nur, ich werde schon einen kriegen,« setzte er boshaft hinzu, als er wieder einen Köder an seinen Haken steckte. Ein scharfer Ruck und ein Sichwinden wollte seinen nächsten Versuch vereiteln, aber endlich zog er einen dickbäuchigen zweihundertpfündigen Makler auf das Dach der Kirche herauf.

Als das Opfer nach Luft schnappend dalag, war es klar, daß der Teufel mit der Entfernung des Hakens aus seinen Kiemen keine Eile hatte, auch legte er bei dieser eine zarte Hand erfordernden Operation nicht die Höflichkeit in Manier und Manipulation an den Tag, die ihn gewöhnlich auszeichnete.

»Komm,« sagte er grob, indem er den Makler beim Hosenbund packte, »laß das Gewinsel und Gegrunz. Bilde Dir auch nicht ein, daß ich an Dir was Werthvolles erwischt habe. Ich war sicher, Dich einmal zu kriegen. Es war nur eine Frage der Zeit.«

»Es ist nicht das, mein gnädiger Herr, was mich betrübt,« winselte der arme Sünder, indem er schmerzvoll seinen Kopf herumwarf, »sondern weil ich mich mit einem solchen erbärmlichen Köder habe narren lassen. Was werden sie unten von mir sagen? Fettere Bissen haben an sich vorbeigehen zu lassen und auf solch einen wohlfeilen Kniff angebissen zu haben,« fügte er, indem er seufzend auf die Fliege blickte, die der Teufel wieder am Haken anbrachte, hinzu, »das ist's, was – verzeihen Sie, gnädiger Herr – das ist's, was mir zu Herzen geht.«

»Ja,« sagte der Teufel philosophisch, »noch nie hab' ich einen gefangen, der das nicht gesagt hätte; aber sagen Sie mal, wird man hier am Orte nicht ein wenig eingebildet? Hier ist eine von meinen beliebtesten Fliegen, der Grünrücken Greenback, so heißen die amerikanischen Kassenbillets.,« fuhr er fort, indem er ein smaragdgrünes Insect emporhielt, welches er aus seiner Schachtel gezogen. »An diesem, das sonst in der Zeit der Wahlen allgemein für so vortrefflich angesehen wird, hat es nicht ein Mal geknabbert. Vielleicht kann Dein Scharfsinn, an dem trotz dieses unglücklichen Zwischenfalls niemand zweifeln kann,« fügte der Teufel hinzu, indem er anmuthig seine gewöhnliche höfliche Art wieder annahm, »mir den Grund erklären oder einen Ersatz anrathen.«

Der Makler blickte sich den Inhalt der Schachtel mit hochgehobnen Augenbrauen lächelnd an. »Zu altmodisch, gnädiger Herr, haben längst schon ausgespielt. Indeß,« fügte er mit aufleuchtendem Interesse hinzu, »für eine Erkenntlichkeit könnte ich – hm! wohl etwas anbieten, was einen packenden Ersatz für diese werthlosen Sächelchen abgeben würde. Geben Sie mir,« fuhr er in lebhaftem Geschäftstone fort, »eine kleine Commissionsgebühr und eine Prämie baar, so stehe ich zu Diensten.«

»Nennen Sie Ihre Bedingungen,« sagte der Teufel ernst.

»Meine Freiheit und ein Procent von Allem, was Sie fangen, und die Sache ist abgemacht.«

Der Teufel streichelte sich nachdenklich den Schwanz für ein paar Augenblicke. Er war des Maklers in jeder Weise sicher, und das Risico war unbedeutend. »Topp!« sagte er.

»Halt, einen Augenblick,« sagte der geriebne Makler. »Es giebt gewisse Möglichkeitsfälle. Geben Sie mir Ihre Angelruthe und lassen Sie mich den Köder selbst daran befestigen. Es bedarf einer geschickten Hand, gnädiger Herr, selbst Ihrer wohlbekannten Erfahrenheit könnte es mißglücken. Lassen Sie mich eine halbe Stunde allein, und wenn Sie Grund haben, sich über meinen Erfolg zu beklagen, so will ich mein Depositum – ich meine meine Freiheit – verwirkt haben.«

Der Teufel ging auf seine Bitte ein, verbeugte sich und zog sich zurück. Indem er sich anmuthig auf Montgomery-Street niederließ, sprach er in Meade und Compagnies Kleiderladen ein, und nachdem er sich hier vollständig nach der Mode equipirt, eilte er, auf sein persönliches Vergnügen bedacht, von dannen. Entschlossen, seinen berufsmäßigen Charakter abzustreifen, mischte er sich in den Strom menschlichen Lebens und erfreute sich mit jener seiner Natur eigenthümlichen ungeheuren Befähigung für Aufregung an dem Gewirbel, der Geschäftigkeit und dem fieberhaften Wesen der Leute, ein rein ästhetisches Behagen, welches keine Beimischung von Geschäftssorgen hatte. Was er diesen Abend that, gehört nicht zu unsrer Geschichte. Wir kehren zu dem Makler zurück, den wir auf dem Dache zurückließen.

Als er sich versichert, daß der Teufel sich zurückgezogen, nahm er aus seinem Taschenbuch sorgfältig ein Stück Papier und steckte es an den Haken. Die Schnur hatte kaum die Strömung erreicht, als er schon fühlte, wie es anbiß. Der Haken wurde verschluckt. Sein Opfer rasch heraufziehen, es vom Haken losmachen und seine Schnur wieder in Ordnung bringen, war das Werk eines Augenblicks. Wieder biß es an, und siehe da, dasselbe Resultat. Noch ein Mal und noch ein Mal. In wenigen Minuten war das Dach mit seiner nach Luft schnappenden Beute bedeckt. Der Makler selbst konnte unterscheiden, daß viele von ihnen persönliche Freunde waren, ja einige waren häufige Besucher des Gebäudes, an dem sie jetzt kläglich gestrandet waren. Daß der Makler eine gewisse Genugthuung empfand, das Werkzeug zur Verleitung seiner Collegen von der Börse zu sein, wird kein Kenner der Menschennatur auch nur einen Augenblick in Zweifel ziehen. Aber ein stärkerer Ruck an seiner Schnur bewog ihn, alle seine Kraft und Geschicklichkeit aufzubieten. Die Zauberruthe bog sich wie eine Kutscherpeitsche. Der Makler hielt fest, indem er sich an die Zinnen der Kirche stemmte. Wieder und immer wieder wurde sie ihm fast aus der Hand gerungen, und wieder und immer wieder rädelte er langsam einen Theil der straffer werdenden Schnur ein. Endlich schwang er mit einer einzigen mächtigen Anstrengung einen zappelnden Gegenstand auf das Dach. Ein Geheul wie die ganze Hölle widerhallte durch die Luft, als der Makler erfolgreich zu seinen Füßen – den Teufel selbst landete.

Die Beiden warfen einander grimmige Blicke zu. Der Makler bezeigte, vielleicht der Behandlung eingedenk, die er vorher erfahren, keine Eile, den Haken aus der Kinnlade seines Gegners zu entfernen. Als dies schließlich bewerkstelligt war, fragte er ruhig, ob der Teufel mit ihm zufrieden wäre. Dieser Herr schien in die Betrachtung des Köders versunken, den er ihm soeben aus dem Munde genommen hatte. »Ich bin zufrieden,« sagte er endlich, »und vergebe Dir. Aber wie nennt man das hier?«

»Beugen Sie sich nieder« erwiderte der Makler, indem er, bereit, zu gehen, sich den Rock zuknöpfte. Der Teufel neigte sein Ohr. »Ich nenne es Wildkatzen-ActienWild Cat hieß ein Bergwerk, mit dessen Kuxen vor einigen Jahren in Californien viel Schwindel getrieben wurde.


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