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Burg Zion. Alexandras Gemächer.
Alexandra und Sameas.
Alexandra.
Dies weißt du nun!
Sameas. Es überrascht mich nicht!
Nein, vom Herodes überrascht mich nichts!
Denn, wer als Jüngling dem Synedrium
Schon Krieg erklärt, wer mit der blanken Waffe
Vor seinen Richter hintritt und ihn mahnt,
Daß er der Henker ist, und daß der Henker
Kein Todesurteil an sich selbst vollzieht,
Der mag als Mann – – Ha, ich erblick ihn noch,
Wie er, dem Hohenpriester gegenüber,
Sich an die Säule lehnte und, umringt
Von seinen Söldnern, die im Räuberfangen
Sich selbst in Räuber umgewandelt hatten,
Uns alle überzählte, Kopf für Kopf,
Als stünde er vor einem Distelbeet
Und sänne nach, wie es zu säubern sei.
Alexandra.
Ja, ja, es war ein Augenblick für ihn,
An den er sich mit Stolz erinnern mag!
Ein junger Tollkopf, der die Zwanzig kaum
Erreicht, wird vors Synedrium gestellt,
Weil er in frevelhaftem Übermut
Sich einen Angriff aufs Gesetz erlaubt,
Weil er ein Todesurteil, das von euch
Noch nicht gesprochen ward, vollzogen hat.
Des Toten Witwe tritt ihm an der Schwelle
Mit ihrem Fluch entgegen, drinnen sitzt,
Was alt und grau ist in Jerusalem.
Doch weil er nicht im Sack kommt und mit Asche
Sein Haupt bestreut, so wird's euch schwach zumut;
Ihr denkt nicht mehr daran, ihn zu bestrafen,
Ihr denkt nicht einmal dran, ihn zu bedräuen,
Ihr sagt ihm nichts, er lacht euch aus und geht!
Sameas.
Ich sprach!
Alexandra. Als es zu spät war!
Sameas. Hätt' ich's eher
Getan, so wäre es zu früh gewesen,
Ich schwieg aus Ehrfurcht vor dem Hohenpriester,
Dem stand das erste Wort zu, mir das letzte,
Er war der Alteste, der Jüngste ich!
Alexandra.
Gleichviel! Wenn ihr in jenem Augenblick
Den schlichten Mut der Pflicht bewiesen hättet,
So würde jetzt kein größrer nötig sein!
Doch nun seht zu, ob ihr – – Ei was, euch bleibt
Auch wohl ein andrer Ausweg noch! Wenn ihr
Mit ihm nicht kämpfen wollt, und in der Tat,
Es wär' gewagt, ich rat euch ab, so braucht
Ihr mit dem Löwen oder mit dem Tiger
Den Kampf nur einzugehn, den er befiehlt!
Sameas.
Was redest du?
Alexandra. Du kennst die Fechterspiele
Der Römer doch?
Sameas. Gott Lob, ich kenn sie nicht!
Ich halt es für Gewinn, nichts von den Heiden
Zu wissen, als was Moses uns erzählt;
Ich mache jedesmal die Augen zu,
Wenn mir ein römischer Soldat begegnet,
Und segne meinen Vater noch im Grabe,
Daß er mich ihre Sprache nicht gelehrt.
Alexandra.
So weißt du nicht, daß sie die wilden Tiere
Aus Afrika zu Hunderten nach Rom
Hinüberschaffen?
Sameas. Nein, ich weiß es nicht!
Alexandra.
Daß sie sie dort in steinerner Arena
Zusammentreiben, daß sie ihnen Sklaven
Entgegenhetzen, die auf Tod und Leben
Mit ihnen kämpfen müssen, während sie
Im Kreis herum auf hohen Bänken sitzen
Und jubeln, wenn die Todeswunden klaffen,
Und wenn das rote Blut den Sand bespritzt?
Sameas.
Das hat der wildeste von meinen Träumen
Mir nicht gezeigt, doch freut's mich in der Seele,
Wenn sie es tun, es schickt sich wohl für sie!
(Mit erhobenen Händen.)
Herr, du bist groß! Wenn du dem Heiden auch
Das Leben gönnst, so muß er dir dafür
Doch einen gräßlichen Tribut bezahlen,
Du strafst ihn durch die Art, wie er es braucht!
Die Spiele möcht' ich sehn!
Alexandra. Der Wunsch wird dir
Erfüllt, sobald Herodes wiederkehrt,
Er denkt sie einzuführen!
Sameas. Nimmermehr!
Alexandra.
Ich sagt' es dir! Warum auch nicht? Wir haben
Der Löwen ja genug! Der Berghirt wird
Sich freuen, wenn sich ihre Zahl vermindert,
Er spart dann manches Rind und manches Kalb.
Sameas.
Vom übrigen noch abgesehn, wo fände
Er Kämpfer? Sklaven gibt es nicht bei uns,
Die ihm auf Tod und Leben pflichtig sind.
Alexandra.
Den ersten – seh ich vor mir!
Sameas. Wie?
Alexandra. Gewiß!
Du wirst, wie jetzt, dein Angesicht verziehn,
Du wirst vielleicht sogar die Fäuste ballen,
Die Augen rollen und die Zähne fletschen,
Wenn du den großen Tag erlebst, an dem
Er feierlich, wie Salomo den Tempel,
Die heidnische Arena weihen wird.
Das wird ihm nicht entgehn, und des zum Lohn
Wird er den Wink dir geben, einzutreten
Und allem Volk zu zeigen, was du kannst,
Wenn du dem Löwen gegenüberstehst,
Der tagelang vorher gehungert hat.
Denn, da es uns an Sklaven fehlt, so sollen
Die todeswürdigen Verbrecher sie
Ersetzen, und wer wär' noch todeswürdig,
Wenn der nicht, der dem König offen trotzt!
Sameas.
Er könnte –
Alexandra. Zweifle nicht! Es wäre schlimm
Wenn ihm zu früh der Kopf genommen würde,
Es würden Pläne mit ihm untergehn,
Die selbst Pompejus, der doch heidenkeck
Ins Allerheiligste zu treten wagte,
Vielleicht –
Sameas (ausbrechend). Antonius, wenn du ihn packst,
So will ich dich ein Jahr lang nicht verfluchen!
Und tust du's nicht, so – – Nun, wir sind bereit!
Alexandra.
Er meint, wenn unser Volk sich mit den andern
Nicht mischen sollte, würden wir den Erdball
Von Gott für uns allein erhalten haben!
Sameas.
Meint er?
Alexandra. Da dem nun aber nicht so sei,
So tu es not, die Dämme zu durchstechen,
Die uns, wie einen stehnden See vom Meer,
Von allen übrigen noch immer trennten,
Und das geschehe dadurch, daß wir uns
In Brauch und Sitte ihnen anbequemten.
Sameas.
In Brauch und – (Gen Himmel.) Herr! wenn ich nicht rasen soll,
So zeig mir an, wie dieser sterben wird!
Zeig mir den Tod, der jedem andern Tod
Die Schrecken abborgt und verkünde mir,
Daß es Herodes ist, für den er's tut!
Alexandra.
Mach du den Todesengel!
Sameas. Wenn an ihm nicht,
So an mir selbst! Ich schwör's! Wenn ich den Greuel
Nicht hindern kann, so will ich meine Ohnmacht
Durch Selbstmord strafen,
(Mit einer Bewegung gegen die Brust)
eh' der Tag noch kommt,
Den er zum ersten Mal beflecken soll!
Das ist ein Schwur, der eine Missetat
Mir abdringt, wenn ich einer Heldentat
Nicht fähig bin. wer schwur noch Größeres?
Alexandra.
Wohl! Nur vergiß nicht: wenn der eigne Arm
Nicht stark genug ist, um den Feind zu stürzen,
So muß man einen fremden nicht verschmähn!
Samea.
Und diesen fremden?
Alexandra. Waffnest du dir leicht!
Sameas.
Sprich deutlicher
Alexandra. Wer setzte den Herodes
Zum König ein?
Sameas. Antonius! Wer sonst?
Alexandra.
Weswegen tat er's?
Sameas. Weil er ihm gefiel!
Vielleicht auch bloß, weil er uns nicht gefiel!
Wann hat ein Heide einen bessern Grund?
Alexandra.
Und weiter! Was erhält ihn auf dem Thron?
Sameas.
Des Volkes Segen nicht! Vielleicht sein Fluch!
Wer kann es sagen?
Alexandra. Ich! Nichts, als der Pfiff,
Den Zins, den wir dem Römer zahlen müssen,
Alljährlich vorm Verfalltag einzuschicken
Und ihn sogar freiwillig zu verdoppeln,
Wenn sich ein neuer Krieg entzündet hat.
Der Römer will nur unser Gold, nicht mehr,
Er läßt uns unsern Glauben, unsern Gott,
Er würde ihn sogar mit uns verehren,
Und neben Jupiter und Ops und Isis
Ihm auf dem Capitol den Winkel gönnen,
Der unbesetzt geblieben ist bis heut,
Wär' er nur auch, wie die, von Stein gemacht.
Sameas.
Wenn dem so ist, und leider ist es so,
Was hast du von Antonius zu hoffen?
In diesem Punkt, du selber sprachst es aus,
Versäumt Herodes nichts. Noch jetzt – ich habe
Ihn ziehen sehn! Dem einen Maultier brach
Der Rückgrat, eh' es noch das Tor erreichte!
Für jeden Tropfen Bluts in seinen Adern
Bringt er ihm eine Unze Goldes dar:
Glaubst du, er weist es deinethalb zurück?
Alexandra.
Gewiß nicht, führt' ich meine Sache selbst!
Allein das tut Cleopatra für mich,
Und hoffentlich tut's Mariamne auch.
Du staunst? Versteh mich recht! Nicht in Person,
Da kehrt sie sich wohl eher gegen mich,
Nur durch ihr Bild, und nicht einmal durch das,
Nein, durch ein andres, das ihr freilich gleicht.
Denn wie ein wilder Wald nicht bloß den Löwen
Beherbergt, auch den Tiger, seinen Feind,
So nistet auch in dieses Römers Herzen
Ein ganzes Wurmgeschlecht von Leidenschaften,
Die um die Herrschaft miteinander ringen,
Und wenn Herodes auf die erste baut,
Ich baue auf die zweite, und ich glaube,
Daß die der andern überlegen ist.
Sameas.
Du bist –
Alexandra. Kein Hirkan, wenn auch seine Tochter!
Doch, daß du nicht mißdeutest, was ich tat:
Ich bin auch Mariamne nicht! Und wenn
Antonius den Gemahl, der sie besitzt,
Vertilgt, um sich den Weg zu ihr zu bahnen:
Sie bleibt die Herrin ihrer selbst und kann
Sich hüllen in ein ew'ges Witwenkleid.
Des aber halt ich mich gewiß, schon hat er
Die Hand ans Schwert gelegt, und wenn er's noch
Nicht zog, so hielt ihn nur die Rücksicht ab,
Daß dieser glückliche Soldat Herodes
Den Römern für den Ring von Eisen gilt,
Der alles hier bei uns zusammenhält.
Schaff du ihm den Beweis des Gegenteils,
Erreg Empörung, stör den schlaffen Frieden,
So wird er's ziehn!
Sameas. Den schaffe ich ihm leicht!
Schon schlug das Volk ihn in Gedanken tot,
Es wird erzählt –
Alexandra. Drück du dein Siegel drauf,
Und dann eröffne rasch sein Testament!
Den Inhalt kennst du jetzt, die Fechterspiele
Stehn obenan, und wenn ein jeder sich
Durch seinen Tod um hundert Rutenstreiche
Verkürzt glaubt, oder um das Marterkreuz,
So glaubt ein jeder, was er glauben darf.
Denn Dinge stehen Israel bevor,
Die manchem Herzen den Verzweiflungswunsch
Abdringen werden, daß das Rote Meer
Das ganze Volk, die heiligen zwölf Stämme,
Verschlungen hätt', und Moses selbst zuerst.
Sameas.
Ich geh! Und eh' der Mittag kommt –
Alexandra. Ich weiß,
Was du vermagst, wenn du den Sack ergreifst
Und Wehe! rufend, durch die Gassen ziehst,
Als wär' dein Vorfahr Jonas wieder da.
Es wird sich zeigen, daß es nützlich ist,
Zuweilen bei dem Fischer vorzusprechen,
Und mit dem Herrn Gevatter zu verzehren,
Was er sich selbst gönnt, weil es niemand käuft.
Sameas.
Es wird sich zeigen, daß wir Pharisäer
Die Schmach, die wir erlitten, nicht vergaßen,
Wie du zu meinen scheinst. Vernimm denn jetzt,
Was du erst durch die Tat erfahren solltest:
Wir sind schon längst verschworen gegen ihn,
Wir haben ganz Judäa unterwühlt,
Und in Jerusalem, – damit du siehst,
Wie fest wir auf das Volk zu zählen haben, –
Ist selbst ein Blinder mit in unserm Bund!
Alexandra.
Was nützt euch der?
Sameas. Nichts! Und er weiß es selbst!
Doch ist er so von Haß und Grimm erfüllt,
Daß er das Unternehmen mit uns teilen
Und lieber sterben, als in dieser Welt,
Wenn es mißlingt, noch länger leben will.
Ich denke doch, daß dies ein Zeichen ist! (Ab.)
Alexandra (allein).
Schon schlug das Volk ihn in Gedanken tot!
Ich weiß! Ich weiß! Und daran kann ich sehn,
Wie sehr man's wünscht, daß er nicht wiederkehrt.
Es traf sich gut, daß ihn der Heuschreckschwarm.
Bedeckte, als er fortzog, denn das gilt
Als Omen, daß man's nicht vergebens wünscht.
Auch ist es möglich, daß er wirklich jetzt
Schon ohne Kopf – – Das nicht! Sprich, wie du denkst,
Der Pharisäer lauscht nicht vor der Tür!
Antonius ist zwar Antonius,
Doch auch ein Römer, und ein Römer fällt
Das Urteil langsam, wie er's schnell vollzieht.
Gefangner mag er sein, wenn er auch nicht
Im Kerker sitzt! Und wenn man das benutzt,
Kann's weiter führen. Darum ist es gut,
Wenn jetzt ein Aufstand kommt, obgleich ich weiß,
Was es an sich bedeutet, und nicht minder,
Was es für Folgen haben wird, wenn er
Doch noch zurückkehrt. Wenn! Es kann geschehn,
Bedenk es wohl! Er schickte, als er ging,
Dir einen abgeschlagnen Kopf zum Abschied,
Das zeigt dir – pfui, ich sprech ja, wie mein Vater!
Es zeigt mir, daß er rasch ist, wie Tyrannen
Es sind, und auch, daß er mich schrecken möchte.
Das eine wußt' ich längst, das andre soll
Ihm nicht gelingen! Wenn das Schlimmste käme,
Wenn alles mir mißglückte, und wenn er,
Trotz seiner Leidenschaft für Mariamne,
Die eher steigt, als fällt, und die mich schützt,
Sobald sie selbst nur will, das Ärgste wagte –
Was wär's? Um Rache setzt' ich alles ein,
Und Rache würde mir im Tode noch,
Rache an ihm, der's täte, und an ihr,
Die es geschehen ließe, nimmer sähe
Das Volk, und nimmer Rom, geduldig zu.
Und was mich selbst betrifft, so würde ich
In diesem blut'gen Fall nur um so besser
Zu meinen Ahnen passen! Mußten doch
Die meisten meines Stamms, die Ältermütter,
Wie Älterväter, ohne Kopf die Welt
Verlassen, weil sie ihn nicht beugen wollten,
Ich teilte dann ihr Los, was wär' es mehr?