Friedrich Hebbel
Herodes und Mariamne
Friedrich Hebbel

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfter Akt

Großer Audienzsaal, wie im ersten Akt.

Man erblickt Thron und Richtertafel.

Erste Szene

Herodes und Salome.

Herodes.
Hör auf, hör auf! Ich habe das Gericht
Bestellt und werde seinen Spruch vollziehn!
Ich, der ich sonst vor jedem Fieber bebte,
Wenn's auch nur ihre Kammerfrau befiel,
Ich selbst bewaffne gegen sie den Tod!
Das sei genug! Wenn dich dein Eifer noch
Nicht ruhen läßt, wird er sein Ziel verfehlen,
Ich werde denken, daß der Haß allein
Aus deinem Munde spricht, und dich als Zeugin
Verwerfen, wenn ich jede Kerze auch
Als solche gelten lasse, die geflammt,
Und jede Blume, die geduftet hat!

Salome.
Herodes! Leugnen will ich's nicht, ich habe
Nach ihren Fehlern einst gespäht und sie
Vergrößert, wie du selbst die Tugenden,
Die du an ihr entdecktest. War der Stolz,
Womit sie mir und deiner Mutter immer
Begegnete, war er ein Grund zur Liebe?
Sie gab sich als ein Wesen höhrer Art,
Das niemals einen anderen Gedanken,
Als den, in mir erregte: wozu ist
Das dicke Buch, das von den Heldentaten
Der Makkabäer uns erzählt, nur da?
Die trägt ja selbst die Chronik im Gesicht!

Herodes.
Du willst mich widerlegen und besiegelst
Den Spruch, den ich gefällt!

Salome.                                         Hör mich nur aus!
So war's, ich leugn' es nicht. Doch wenn ich jetzt
Mehr sagte, als ich weiß und denk und fühle,
Ja, wenn ich nicht aus schwesterlichem Mitleid
Die Hälfte dessen, was ich sagen könnte,
Noch in der Brust verschloß, so soll mein Kind –
Ich liebe es ja wohl? – so viele Jahre
Erleben, als sein Scheitel Haare zählt,
Und jeder Tag ihm so viel Schmerzen bringen,
Als er Minuten, ja Sekunden hat!

Herodes.
Der Schwur ist fürchterlich!

Salome.                                         Und dennoch fällt er
Mir leichter, als das Wort: die Nacht ist schwarz!
Mein Auge könnte krank sein, doch unmöglich
Ist mit dem Auge krank zugleich das Ohr,
Ja, der Instinkt, das Herz und jegliches
Organ, das meine Sinne unterstützt!
Und alle stimmen diesmal so zusammen,
Als könnten sie sich gar nicht widersprechen.
Ja, hätte Gott in jener Festesnacht
Mir aus des Himmels Höhen zugerufen:
Von welchem Übel soll ich eure Erde
Befrein, du hast die Wahl, so hätt' ich nicht
Die Pest, ich hätt' dein böses Weib genannt!
Mir schauderte vor ihr, mir war zumut,
Als hätt' ich einem Dämon aus der Hölle
Im Finstern meine Menschenhand gereicht,
Und er verhöhnte mich dafür, er träte
In seiner eignen schrecklichen Gestalt
Aus dem gestohlnen Leib von Fleisch und Blut
Hervor und grinste mich durch Flammen an.
Auch schauderte mir nicht allein, der Römer
Sogar, der eh'rne Titus, war entsetzt!

Herodes.
Jawohl, und der wiegt schwerer, als du selbst,
Denn, wie er keinen liebt, so haßt er keinen
Und ist gerecht, wie Geister ohne Blut.
Verlaß mich jetzt, denn ich erwarte ihn!

Salome.
Nein, niemals werd' ich diesen Tanz vergessen,
Bei dem sie nach dem Takte der Musik
Den Boden trat, als wüßte sie's gewiß,
Daß du darunter lagst! Bei Gott, ich wollte,
Ich müßte das nicht sagen! Denn ich weiß,
Wie tief es dich, der du ihr Mutter, Schwester,
Und was nicht, opfertest, empören muß!
Allein, so war es! (Ab.)

Zweite Szene

Herodes (allein).             Titus sagte mir
Das nämliche! Auch sah ich selbst genug!
Und die hat recht! Ich habe ihr die Schwester
Und fast die Mutter auch geopfert: wögen
Die nicht den Bruder auf, den sie verlor?
In ihren Augen nicht!

Dritte Szene

Titus tritt ein.

Herodes.                           Nun, Titus, nun?
Bekennt Soemus?

Titus.                           Was du weißt! Nicht mehr!

Herodes.
Nichts von –

Titus.                   O nein! Er fuhr, wie rasend, auf,
Als ich von fern nur darauf deutete!

Herodes.
Ich konnte es erwarten!

Titus.                                     Niemals hätte
Ein Weib, wie deins, gelebt, und niemals sei
Ein Mann des Kleinods, das ihm Gott beschieden,
So wenig wert gewesen –

Herodes.                                   Als ich selbst!
Ja, ja! – »Er wußte nicht, was Perlen sind,
Drum nahm ich ihm sie weg!« So sprach der Dieb.
Ich weiß nicht, half's ihm was?

Titus.                                                 Ihr Herz sei edler
Als Gold –

Herodes.           So kennt er es? Er ist berauscht
Und lobt den Wein! Ist das nicht ein Beweis,
Daß er getrunken hat? Was schützte er
Denn vor? Warum verriet er meinen Auftrag
An sie?

Titus.           Aus Abscheu, wie er sagt!

Herodes.                                               Aus Abscheu?
Und diesen Abscheu sprach er mir nicht aus?

Titus.
Wär' das ihm wohl bekommen? Hättest du
Den starren Diener leben lassen können,
Der den Befehl einmal von dir empfing
Und ihn zurückwies?

Herodes.                           War's in solchem Fall
Denn nicht genug, ihn unvollführt zu lassen?

Titus.
Gewiß! Doch wenn er weiter ging, so tat er's
Vielleicht, weil du ihm schon verloren schienst,
Und weil er nun die Gunst der Königin
Auf deine Kosten sich erkaufen wollte,
In deren Händen seine Zukunft lag.

Herodes.
Nein, Titus, nein! Soemus war der Mann,
In eigener Person den Griff zu wagen,
Der uns die fremde Gunst entbehrlich macht!
Nur darum übertrug ich's ihm, ich dachte:
Er tut's für sich, wenn er's für dich nicht tut!
Ja, wär' er ein Geringrer, als er ist,
Und hätt' er nicht in Rom die vielen Freunde,
So wollt' ich's glauben, aber jetzt – Nein, nein!
Es gab nur einen Grund!

Titus.                                       Und dennoch räumt
Er den nicht ein!

Herodes.                     Er wär' nicht, was er ist,
Wenn er es täte, denn er weiß gar wohl,
Was folgen wird, und hofft nun, durch sein Leugnen
In meiner Brust noch einen letzten Zweifel
Zu wecken, der, wenn nicht sein eignes Haupt,
So doch das ihrige, vorm Tode schützt!
Allein er irrt, dem Zweifel fehlt der Stachel,
Denn hätt' ich nichts zu strafen, was sie tat,
So straft' ich, was sie ward, und was sie ist!
Ha! Wär' sie je gewesen, was sie schien:
Sie hätte so sich nie verwandeln können,
Und Rache nehm ich an der Heuchlerin!
Ja, Titus, ja, ich schwör es bei dem Schlüssel
Zum Paradies, den sie in Händen hält;
Bei aller Seligkeit, die sie mir schon
Gewährte und mir noch gewähren kann;
Ja, bei dem Schauder, der mich eben mahnt,
Daß ich in ihr mich selbst vernichten werde:
Ich mach ein Ende, wie's auch stehen mag!

Titus.
Es ist zu spät, dir warnend zuzurufen:
Gib den Befehl nicht! und ich kenne selbst
Kein Mittel, das zur Klarheit führen kann,
Drum wag ich nicht zu sagen: halte ein!

Vierte Szene

Joab tritt ein.

Herodes.
Sind sie versammelt?

Joab.                                   Längst! Aus dem Gefängnis
Muß ich dir melden, was mir wichtig scheint!
Man kann den Sameas nicht so weit bringen,
Daß er sich selbst entleibt!

Herodes.                                     Ich gab Befehl,
Daß man ihn martern soll, bis er es tut!
(Zu Titus.)
Der hat geschworen, hört' ich, sich zu töten,
Wenn er mich nicht zu seinesgleichen machen,
Den Heidensinn in mir, wie er es nennt,
Nicht brechen könne. Da ihm das mißlang,
So zwinge ich ihn, seinen Schwur zu halten,
Er hat den Tod wohl tausendfach verdient!

Titus.
Ich hätte selbst auf seinen Tod gedrungen,
Denn er hat mich beschimpft und Rom in mir,
Und das kann überall verziehen werden,
Nur hier nicht, wo das Volk so störrig ist!

Herodes (zu Joab).
Nun denn!

Joab.                 Man tat getreu nach deinen Worten,
Allein es half zu nichts. Der Henker hat
Fast jede Qual ihm angetan, er hat
Ihm obendrein, ergrimmt ob seinem Trotz,
Den er für Hohn nahm, Wunden beigebracht,
Doch ist's, als hätt' er einen Baum gegeißelt,
Als hätte er in Holz hineingeschnitten:
Der Alte steht so da, als fühlt' er nichts,
Er singt, anstatt zu schrein und nach dem Messer
Zu greifen, das ihm vorgehalten wird,
Er singt den Psalm, den die drei Männer einst
Im feur'gen Ofen sangen, er erhebt
Bei jedem neuen Schmerz die Stimme lauter
Und, wenn er einhält, prophezeit er gar!

Herodes (für sich).
So sind sie! Ja! – Und wird sie anders sein?

Joab.
Dann ruft er aus, als hätt' er für geheime
Und wunderbare Dinge so viel Augen
Bekommen, als er Wunden zählt, nun sei
Die Zeit erfüllt, und in die Krippe lege
Die Jungfrau-Mutter aus dem Stamme Davids
In diesem heil'gen Augenblick ein Kind,
Das Throne stürzen, Tote wecken, Sterne
Vom Himmel reißen und von Ewigkeit
Zu Ewigkeit die Welt regieren werde.
Das Volk indes, zu Tausenden versammelt,
Harrt draußen vor den Toren, hört das alles
Und glaubt, daß sich Elias' Flammenwagen
Herniedersenken wird, um ihn, wie den,
Emporzutragen. Selbst ein Henkersknecht
Erschrak und hielt, anstatt ihm neue Wunden
Zu schlagen, ihm die alten zu!

Herodes.                                         Man soll
Ihn auf der Stelle töten, und dem Volk
Ihn zeigen, wenn er tot ist! – Laß dann auch
Die Richter kommen und –

Joab.                                           Die Königin! (Ab.)

Herodes.
Du, Titus, wirst an meiner Seite sitzen!
Auch ihre Mutter habe ich geladen,
Damit es ihr nicht an der Zeugin fehlt.

Fünfte Szene

Aaron und die übrigen fünf Richter treten ein. Alexandra und Salome folgen. Joab erscheint gleich darauf.

Alexandra.
Mein König und mein Herr, sei mir gegrüßt!

Herodes.
Ich danke dir!

(Er setzt sich auf seinen Thron. Titus setzt sich ihm zur Seite. Die Richter setzen sich dann auf seinen Wink im Halbkreis um die Tafel)

Alexandra (während dies geschieht). Vom Schicksal Mariamnens
Scheid ich das meinige, und spare mich,
Wie eine Fackel, für die Zukunft auf!

(Sie setzt sich neben Salome.)

Herodes (zu den Richtern).
Ihr wißt, warum ich euch berufen ließ!

Aaron.
In tiefstem Schmerz erschienen wir vor dir!

Herodes.
Nicht zweifl' ich! Mir und meinem Hause seid
Ihr alle eng befreundet und verwandt,
Was mich trifft, trifft euch mit! Euch wird es freun'
Wenn ihr die Königin, die – (Er stockt.) Schenkt mir das!
Euch wird es freun, wenn ihr sie nicht verdammen,
Wenn ihr, anstatt nach Golgatha hinaus,
Zurück mir in das Haus sie schicken dürft,
Doch werdet ihr auch vor dem Äußersten
Nicht mutlos zittern, wenn' es nötig wird,
Denn, wie ihr Glück und Unglück mit mir teilt,
So teilt ihr Schmach und Ehre auch mit mir.
Wohlan denn!

(Er gibt Joab ein Zeichen. Joab geht ab. Dann erscheint er wieder mit Mariamne. – Es entsteht eine lange Pause.)

                        Aaron!

Aaron.                                   Königin! Uns ward
Ein schweres Amt! Du stehst vor deinen Richtern!

Mariamne.
Vor meinen Richtern, ja, und auch vor euch!

Aaron.
Erkennst du dies Gericht nicht an?

Mariamne.                                             Ich sehe
Ein höhres hier! Wenn das auf eure Fragen
Die Antwort mir gestattet, werd' ich reden,
Und schweigen werd' ich, wenn es sie verbeut! –
Mein Auge sieht euch kaum! Denn hinter euch
Stehn Geister, die mich stumm und ernst betrachten,
Es sind die großen Ahnen meines Stamms.
Drei Nächte sah ich sie bereits im Traum,
Nun kommen sie bei Tage auch, und wohl
Erkenn ich, was es heißt, daß sich der Reigen
Der Toten schon für mich geöffnet hat
Und daß, was lebt und atmet, mir erbleicht.
Dort, hinter jenem Thron, auf dem ein König
Zu sitzen scheint, steht Judas Makkabäus:
Du Held der Helden, blicke nicht so finster
Auf mich herab, du sollst mit mir zufrieden sein!

Alexandra.
Sei nicht zu trotzig, Mariamne!

Mariamne.                                       Mutter!
Leb wohl! – (Zu Aaron.) Weswegen bin ich hier verklagt?

Aaron.
Du habest deinen König und Gemahl
Betrogen – (Zu Herodes.) Nicht?

Mariamne.                                           Betrogen? Wie? Unmöglich!
Hat er mich nicht gefunden, wie er mich
Zu finden dachte? Nicht bei Tanz und Spiel?
Zog ich, als ich von seinem Tode hörte,
Die Trauerkleider an? Vergoß ich Tränen?
Zerrauft' ich mir das Haar? Dann hätt' ich ihn
Betrogen, doch ich hab es nicht getan
Und kann es dartun. Salome, sprich du!

Herodes.
Ich fand sie, wie sie sagt. Sie braucht sich nicht
Nach einem andern Zeugen umzusehn.
Doch niemals, niemals hätte ich's gedacht!

Mariamne.
Niemals gedacht? Und doch verlarvt den Henker
Dicht hinter mich gestellt? Das kann nicht sein!
Wie ich beim Scheiden stand vor seinem Geist,
So hat er mich beim Wiedersehn gefunden,
Drum muß ich leugnen, daß ich ihn betrog!

Herodes. (in ein wildes Gelächter ausbrechend).
Sie hat mich nicht betrogen, weil sie nichts
Getan, als was das Vorgefühl, die Ahnung,
Wie preis ich sie, die düstre Warnerin!
Mich fürchten ließ – (Zu Mariamne.) Weib! Weib! Dies steht dir an!
Doch baue nicht zu fest darauf, daß ich
Mit Glück und Ruhe auch die Kraft verlor,
Mir blieb vielleicht ein Rest noch für die Rache,
Und – schon als Knabe schoß ich einem Vogel
Stets einen Pfeil nach, wenn er mir entflog.

Mariamne.
Sprich nicht von Vorgefühl und Ahnung, sprich
Von Furcht allein! Du zittertest vor dem,
Was du verdientest! Das ist Menschenart!
Du kannst der Schwester nicht mehr traun, seit du
Den Bruder tötetest, du hast das Ärgste
Mir zugefügt und glaubst nun, daß ich's dir
Erwidern, ja, dich überbieten muß!
Wie, oder hast du stets, wenn du dem Tod
In ehrlich-offnem Krieg entgegenzogst,
Den Henker hinter mich gestellt? Du schweigst!
Wohlan denn! Da du's selbst so tief empfindest,
Was sich für mich geziemt, da deine Furcht
Mich über meine Pflicht belehrt, so will
Ich endlich diese heil'ge Pflicht erfüllen,
Drum scheid ich mich auf ewig von dir ab!

Herodes.
Antwort! Bekennst du? Oder tust du's nicht?
(Mariamne schweigt. – Herodes zu den Richtern.)
Ihr seht, das Eingeständnis fehlt! Und auch
Beweise hab ich nicht, wie ihr sie braucht!
Doch habt ihr einmal einen Mörder schon
Zum Tod verdammt, weil des Erschlagnen Kleinod
Sich bei ihm fand. Es half ihm nichts, daß er
Auf seine wohlgewaschnen Hände wies,
Und nichts, daß er euch schwur, der Tote habe
Es ihm geschenkt: Ihr ließt den Spruch vollziehn!
Wohlan! So steht's auch hier! Sie hat ein Kleinod,
Was mir bezeugt, unwidersprechlicher,
Wie's irgendeine Menschenzunge könnte,
Daß sie den Greul der Greul an mir beging.
Ein Wunder hätt' nicht bloß geschehn, es hätte
Sich wiederholen müssen, wär' es anders,
Und Wunder wiederholten sich noch nie!
(Mariamne macht eine Bewegung.)
Zwar wird sie sprechen, wie der Mörder sprach:
Man habe ihr's geschenkt! Auch darf sie's wagen,
Denn, wie ein Wald, ist eine Kammer stumm.
Doch, wäret ihr versucht, ihr das zu glauben,
So setz ich euch mein innerstes Gefühl
Und die Ergründung aller Möglichkeiten
Entgegen, und verlange ihren Tod.
Ja, ihren Tod! Ich will den Kelch des Ekels
Nicht leeren, den der Trotz mir beut, ich will
Nicht Tag für Tag mich mit dem Rätsel quälen,
Ob solch ein Trotz das widerwärtigste
Gesicht der Unschuld, ob die frechste Larve
Der Sünde ist, ich will mich aus dem Wirbel
Von Haß und Liebe, eh' er mich erstickt,
Erretten, kost es, was es kosten mag!
Darum hinweg mit ihr! – Ihr zögert noch?
Es bleibt dabei! – Wie? – Oder traf ich's nicht?
Sprecht ihr! Ich weiß, das Schweigen ist an mir!
Doch sprecht! Sprecht! Sitzt nicht da, wie Salomo
Zwischen den Müttern mit den beiden Kindern!
Der Fall ist klar! Ihr braucht nicht mehr zum Spruch,
Als was ihr seht! Ein Weib, das dastehn kann,
Wie sie, verdient den Tod, und wär' sie rein
Von jeder Schuld! Ihr sprecht noch immer nicht?
Wollt ihr vielleicht erst den Beweis, wie fest
Ich überzeugt bin, daß sie mich betrog?
Den geb ich euch durch des Soemus Kopf,
Und das sogleich! (Er geht auf Joab zu.)

Titus (erhebt sich).       Dies nenn ich kein Gericht!
Verzeih! (Er will gehen.)

Mariamne.     Bleib, Römer, ich erkenn es an!
Wer will's verwerfen, wenn ich selber nicht!

(Titus setzt sich wieder. – Alexandra steht auf. Mariamne tritt zu ihr heran, halblaut.)

Du hast viel Leid mir zugefügt, du hast
Nach meinem Glück das deine nie gemessen!
Soll ich es dir verzeihn, so schweige jetzt!
Du änderst nichts, mein Entschluß ist gefaßt.
(Alexandra setzt sich wieder.)
Nun, Richter?

Aaron (zu den übrigen).Wer von euch den Spruch des Königs
Nicht für gerecht hält, der erhebe sich!
(Alle bleiben sitzen.)
So habt ihr alle auf den Tod erkannt!
(Er steht auf.)
Du bist zum Tod verurteilt, Königin! –
Hast du noch was zu sagen?

Mariamne.                                     Wenn der Henker
Nicht zum voraus bestellt ist und auf mich
Schon wartet mit dem Beil, so möchte ich
Vorm Tode noch mit Titus ein Gespräch.
(Zu Herodes.)
Man pflegt den Sterbenden die letzte Bitte
Nicht abzuschlagen. Wenn du sie gewährst,
So sei mein Leben deinem zugelegt!

Herodes.
Der Henker ist noch nicht bestellt – ich kann's!
Und da du mir dafür die Ewigkeit
Als Lohn versprichst, so muß und will ich auch!
(Zu Titus.)
Ist dieses Weib nicht fürchterlich?

Titus.                                                     Sie steht
Vor einem Mann, wie keine stehen darf!
Drum endige!

Salome (tritt heran). O tu es! Deine Mutter
Ist krank bis auf den Tod! Sie wird gesund,
Wenn sie das noch erlebt,

Herodes (zu Alexandra).         Sprachst du nicht was?

Alexandra.
Nein!

(Herodes sieht Mariamnen lange an. Mariamne bleibt stumm.)

Herodes. Stirb! (Zu Joab.) Ich leg's in deine Hand!

(Schnell ab. Ihm folgt Salome.)

Alexandra (ihm nachsehend).                                   Ich habe
Noch einen Pfeil für dich! (Zu Mariamne.) Du wolltest's so!

Mariamne.
Ich danke dir!

(Alexandra ab.)

Aaron (zu den übrigen Richtern). Versuchen wir nicht noch,
Ihn zu erweichen? Mir ist dies entsetzlich!
Es ist die letzte Makkabäerin!
Wenn wir nur kurzen Aufschub erst erlangten!
Jetzt ging's nicht an, daß wir ihm widerstrebten,
Bald wird er selbst ein andrer wieder sein.
Und möglich ist's, daß er uns dann bestraft,
Weil wir ihm heut nicht Widerstand getan!
Ihm nach! (Ab.)

Joab (nähert sich Mariamnen). Vergibst du mir? Ich muß gehorchen!

Mariamne.
Tu, was dein Herr gebot, und tu es schnell!
Ich bin bereit, sobald du selbst es bist,
Und Königinnen, weißt du, warten nicht!

(Joab ab.)


 << zurück weiter >>