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II. Die Gebiete der orientalischen Kirche

1. Das byzantinische Reich.

Das Fortleben eines echten Zweiges des alten römischen Reiches, ohne Unterbrechung seiner Kaiserreihe, auf altgriechischem Boden und mit Annahme der griechischen Sprache, bis gegen das Ende der Periode, die wir das Mittelalter nennen, ist eine hochinteressante Erscheinung in der Weltgeschichte. Das Reich von Byzanz, wie wir es nennen, oder das der Romäer, wie es sich selbst nannte, war Jahrhunderte lang der schützende Wall Europas gegen asiatische Horden, bis die Uneinigkeit des Abendlandes und dessen beschränkter Haß gegen eine »schismatische« Form des Christenthums jenes Reich untergehen ließ, worauf das Abendland allzuspät den Einbruch jener kulturfeindlichen Horden in sein eigenes Gebiet zu beklagen Ursache erhielt. Hatte auch das byzantinische Reich an der Erbschaft der despotischen Kaiser Roms, an seinen endlosen Glaubensstreitigkeiten und an der Nähe des gegenüber der Zerstörung von Menschenleben gleichgültigen Orients schlimme Anhängsel, und war seine Lage zwischen halbcivilisirten und eroberungslustigen Völkerschaften auch auf europäischer Seite keine beneidenswerthe, so hat es dagegen in seiner Heeresverfassung, Diplomatie und Beamtenhierarchie unserem Erdtheile die Muster geliefert, nach denen er, sie lediglich fortbildend, heute noch arbeitet.

Beinahe während der ganzen Existenz des Byzantinerreiches haben Frauen auf dasselbe einen bedeutenden Einfluß ausgeübt. Ihre Zahl ist eine so große, daß wir nur eine beschränkte Auswahl aus derselben hier aufführen können. Ihre Reihe eröffnet eine Heilige, Helena, die Mutter des Gründers von Konstantinopel und ersten christlichen Kaisers. Eine Tochter geringer Leute, wahrscheinlich aus Mesopotamien, diente sie in einem Gasthause zu Naissus (jetzt Nisch in Serbien), als Constantius Chlorus dort in Garnison lag, der sie ehelichte. Obschon Mutter seines später großen Sohnes, verstieß er sie, als er Cäsar wurde, um Theodora, die Stieftochter seines Augustus, Maximian, zu erhalten. Sie lebte zurückgezogen in der Gegend von Trier, bis ihr Sohn sie, die bereits Christin war, zur Augusta erhob. Es ist dies wohl der einzige menschliche Zug im Leben dieses Blutmenschen, welcher, seinem Vater gleich, seine erste Gattin Minervina verstieß, um Fausta, die Stieftochter seiner Stiefmutter, zu freien, die ihn vor den Ränken ihres Vaters Maximian warnte, was ihn aber nicht hinderte, sie (um 326) in einem heißen Bade ersticken zu lassen. Kurz vorher hatte er seinen ältesten Sohn (erster Ehe) Crispus ermorden lassen; es heißt, dieser habe ihn zur Abdankung bewegen wollen, um ihm nachzufolgen, Fausta aber für ihre Söhne gearbeitet und den Stiefsohn ins Verderben gestürzt. Die achtzigjährige Helena pilgerte nach dem heiligen Lande, und die Legende schreibt ihr die Auffindung des heiligen Kreuzes zu. In Wahrheit gründete sie die Marienkirche zu Bethlehem und starb wohl bald darauf.

Constantins Schwiegertochter Eusebia, die Gattin seines Sohnes Constantius, eine anmuthige und vornehme junge Griechin aus Thessalonike, war es, welche das vielversprechende Gestirn des jungen Julian emporsteigen ließ, dessen Schwärmerei für ein selbsterfundenes Heidenthum an Stelle des von ihm nicht begriffenen Christenthums im Blute des Perserkrieges erstickt wurde.

Ob die nächste bedeutende Byzantinerin Theodora, die Gattin des Pandektenkaisers Justinian, des Erbauers der Sophienkirche und Besiegers der Vandalen und Ostgothen, einst Cirkusdirne gewesen, oder ob dies neidvoller Klatsch ist, wissen wir nicht sicher. Ihre Erscheinung auf dem Mosaikbilde zu Ravenna ist edel und vornehm. Ihr Einfluß auf den Gatten, den Hof und das Reich war ebenso kräftig und kühn, wie ehrgeizig und skrupellos. Ihren Tod beweinte der Kaiser heiß.

Mehr als zwei Jahrhunderte später finden wir auf dem Throne von Byzanz abermals eine glänzende Griechin, die schöne und geistreiche, aber verwegene und herzlose Athenerin Irene, die Gattin Leos IV. und nach seinem frühen Tode Regentin für ihren Sohn Constantin VI. Offenbar mehr aus Herrschsucht als aus Frömmigkeit nahm sie mit Feuereifer Partei für den Bilderdienst gegen dessen puritanische Feinde. Das Concil von Nikäa, welches 787 die Bilder theilweise wiederherstellte, that ihr nicht genug; sie wollte in allen Dingen Herrin sein. Als sie aber die bewährten Feldherren des Reiches durch Günstlinge ersetzte, mußte sie vor Harun Arraschid, der bis nach Skutari am Bosporos gedrungen war, den kürzeren ziehen und jährlich 70 000 Goldstücke nach Bagdad senden. Dagegen bändigte sie die in ihre Heimat eingedrungenen Slawen und rettete so vielleicht das Neugriechenthum.

Unter ihr tauchte der große Plan einer Verbindung des Morgen- und Abendlandes zu einem Weltreiche auf. Es ist ungewiß, woran derselbe scheiterte, ob die überlegene Persönlichkeit des großen Karl nicht in die Plane der Kaiserin paßte und diese, in Uebereinstimmung mit dem griechenfeindlichen Papstthum, die Heirath ihres Sohnes mit Karls Tochter, Rotrud, hintertrieb, oder ob Karl sie ablehnte. Das Weiberregiment machte aber böses Blut, und das Heer zwang die Kaiserin zu Gunsten Constantins abzutreten. Sieben Jahre lang plante sie ihre Wiedereinsetzung, und der unfähige, schlechterzogene Sohn erleichterte es ihr. Die Rabenmutter verhetzte ihn mit den Popen, wußte ihn in ihre Gewalt zu bekommen und ließ ihn (797) – blenden! Fünf Jahre beherrschte sie noch, in Pracht schwelgend, das durch sie geschwächte Reich, und in diese Zeit fällt die merkwürdige Wiederaufnahme des Gedankens eines christlichen Weltreiches. Entweder entbehrt der Plan einer Verehelichung des bereits sechzigjährigen Karl mit der ebenfalls nicht mehr jungen, blutigen Irene jeder Wahrheit oder der große Kaiser holte sich im Osten einen Korb, – nicht von der Kaiserin selbst, die nach dieser Stütze griff, sondern von ihrer romfeindlichen Hofpartei. Aber Irene erfreute sich der Macht nur noch kurze Zeit, nämlich bis Nikephoros I. sie stürzte und nach einem Kloster der Insel Lesbos verbannte, wo sie schon 803 vergessen starb.

Eine bedeutendere Rolle spielten erst wieder im elften Jahrhundert die Kaiserinnen Zoë und Theodora. Diesen beiden Töchtern Constantins VIII. wurde (1028) die Hand des neuen (aber bereits sechzigjährigen) Kaisers Romanos III. angetragen; Theodora lehnte sie ab, Zoë aber nahm sie an, obschon bereits 48 Jahre alt und von den Blattern entstellt, aber kräftig und stattlich. Es begann nun das Widerwärtigste der bisherigen Weiberregimente, indem zwischen den beiden Schwestern glühender Haß und schleichende Ränke walteten. Theodora wurde mit Spionen umgeben, um ihr Verschwörungen zur Last legen zu können, die allerdings zu ihren Gunsten gesponnen wurden. Unter ihrem Hofstaate wurde aufgeräumt, sie selbst verhaftet und in ein Kloster gesteckt. Zoë aber, bald darauf Witwe, nahm mit 54 Jahren einen jungen hübschen Kammerdiener als Michael IV. zum Gatten, der sich aber nicht behaupten konnte, in ein Kloster ging und starb. Nun erhob Zoë seinen Neffen Michael V. zum Kaiser (nicht zum Gatten); als er sie aber aus Byzanz fortschaffen wollte, stürzte ihn das empörte Volk; er wurde geblendet, Theodora aus dem Kloster befreit, und die beiden feindlichen Schwestern als Kaiserinnen ausgerufen (1042). Um Theodora zu beseitigen, wählte Zoë mit 62 Jahren einen dritten Gemahl, den bisher verbannten Constantin IX., der bereits zweimal Witwer war und eine Maitresse mit sich in den Palast brachte, die er mit Geschenken überhäufte, was Zoë mit Geduld ertrug, bis sie (1050) starb. Der neue Kaiser baute Kirchen über Kirchen; aber schon nach vier Jahren machte sein Tod der Theodora Platz, die sich nun, dem Willen des Sterbenden entgegen, des Thrones bemächtigte. Sie regierte äußerst streng, aber glücklich bis zu ihrem Tode, der nach zwei Jahren eintrat.

Maria, eine kaukasische Fürstentochter, die Gattin des elenden Kaisers Michael VII., galt als die schönste Frau ihrer Zeit. Als ihr Gatte (1078) gestürzt wurde, reichte sie ihre Hand, obwohl er (als Mönch) noch lebte, seinem Besieger Nikephoros III., um ihrem Sohne die Herrschaft zu sichern. Als aber der neue Gatte seinen eigenen Neffen vorzog, schloß sie sich an seinen Feind, Alexios, den Gründer des Hauses der Komnenen, den sie adoptirte, mußte aber zusehen, wie der Adoptivsohn die Krone aufsetzte und ihr Sohn nur dem Namen nach Mitregent wurde, aber bald starb. Ihm war des neuen Kaisers Tochter Anna Komnena zur Braut bestimmt gewesen, die dann den Cäsar Nikephoros Bryennios heirathete und sich bemühte, ihm statt ihres Bruders Johannes die Thronfolge zuzuwenden, jedoch umsonst. Umsonst auch plante sie entgegen den Wünschen des Gatten eine Verschwörung zu seinen Gunsten, die indessen nicht geahndet wurde, wohl aus Achtung vor der Bildung und den schriftstellerischen Verdiensten beider Gatten. Die 1137 verwitwete Anna zog sich in ein Kloster zurück und setzte hier das Geschichtswerk des Gemahls in selbständiger Weise fort. Dasselbe schildert die Regierung ihres Vaters und ist eines der besten Werke der byzantinischen Litteratur, von deren Geschmacklosigkeit im Stil es freilich auch nicht frei ist.

2. Das russische Reich.

Die Kreuzzüge, zu denen Alexios I. den ursprünglichen Anstoß gegeben, ohne dessen Folgen zu ahnen, denen aber, als ihre Natur deutlicher zu Tage trat, das byzantinische Reich, im Bewußtsein bessern Rechtes auf das heilige Land als die »Lateiner«, alle Hindernisse entgegensetzte, haben, indem sie aus Rache für dieses Verhalten sich gegen Byzanz selbst wendeten, dessen Reich für immer untergraben und damit, wie gesagt, die Schutzwehr Europas gegen Asien niedergerissen. Seit dieser Zeit bestand das Ostreich nur noch als Schatten; aber es reifte, als Ableger seiner Kultur und Erbe seiner Ansprüche, weiter im Norden das Reich der Russen heran, gestiftet von den Warägern, deren Landsleute einst die zuverlässigsten Wächter des »goldenen Horns« gewesen waren. Die erste Vermittelung jener Verknüpfung zwischen Nord und Süd war einer Frau zu verdanken, der Großfürstin Olga. Diese aus Pskow (Pleskau) gebürtige adelige Skandinavierin, ursprünglich Helga, reichte ihre Hand 903 dem Sohne des Reichsstifters Rurik, dem jungen Igor (urspr. Ingwar), der 912 zur Regierung gelangte. Sie überlebte den Fall des Gatten im Kriege gegen feindliche Stämme und führte bis 964 die Regierung für ihren minderjährigen Sohn Swjätoslaw. Sie nahm Blutrache an den Drewljänen, die den Igor erschlagen hatten, und herrschte höchst kräftig und verständig. Sie bereiste das Reich, schützte den Pelzhandel desselben und unternahm 957 mit großem Gefolge eine Reise nach Konstantinopel, von dessen Patriarchen sie, unter Pathenschaft des Kaisers, sich taufen ließ, wobei sie den christlichen Namen Helena annahm. Folgten auch ihr Sohn und dessen Hof ihrem Beispiele nicht, so hatte doch ihr Schritt die bedeutendsten Folgen für die Ausbreitung des Christenthums byzantinischer Form und der von diesem getragenen Kultur in Rußland. Sie starb 969 und wurde in Kiew nach christlichen Gebräuchen begraben, – gerade als ihr Sohn nach Bulgarien zog, dort ein neues Reich zu gründen, welchen Plan er aber mit dem Leben bezahlte. Olgas Enkel, Wladimir I., hat dann um 990 die Taufe angenommen und dem Namen nach Rußland christlich gemacht, nicht ohne Einwirkung seiner neuvermählten Gattin Anna, der Tochter des byzantinischen Kaisers Romanos II., die sich mit Thränen in diese barbarische Verbindung fügte. Durch dieses Doppelereigniß erhielt aber Byzanz auf die Dauer seines Daseins Ruhe vor den Russen, die es bisher bedroht hatten.

Bis zur Heirath Wladimirs mit Anna hatten die russischen Fürsten und Vornehmen Vielweiberei geübt. Der neue Christ entließ sofort seine 6 oder 7 Frauen und zahlreichen Kebsen. Eine der ersteren, Rogneda, eine Warägerin, hatte ihn nur gezwungen geehelicht, da er der Sohn einer Sklavin war; als sie entlassen wurde, wollte der Großfürst sie einem seiner Großen vermählen; sie ging aber in ein Kloster, als Nonne Anastasia genannt. Ihr Sohn Jaroslaw überwand den feindlichen Bruder Swjätopolk, der Annas Söhne Boris und Gleb hatte ermorden lassen, und wurde schließlich Alleinherrscher. Die neue Theilung des Reiches nach seinem Tode und die spätere Ueberfluthung und Unterdrückung Rußlands durch die Mongolen hat auf die Kultur des Landes und damit auch auf die Stellung und Lage der Frauen in sehr ungünstiger Weise eingewirkt. Statt der Grundsätze des Christenthums, wie man hoffen durfte, kamen orientalische Sitten und Gewohnheiten zur Geltung. Die Frau wurde nahezu Sklavin des Mannes und lebte von ihm getrennt in abgeschlossenen Gemächern. Mehr als echte Christlichkeit herrschte heuchlerische Frömmelei. Fürsten und Fürstinnen traten in Klöster, und diese vermehrten sich in hohem Maße. Selbst Eheleute durften in dieselben aufgenommen werden, was die Ehe auflöste und eine Wiederverheirathung ausschloß.

Erst nach dem Untergange der Rußland so lange mißhandelnden »goldenen Horde« finden wir dort wieder Frauen, die eine hervorragende Rolle spielten. Es war abermals eine Byzantinerin, welche damit den Anfang machte. Großfürst Iwan III. Wassiljewitsch (1462-1505) erhielt nach dem Tode seiner ersten Gattin, Maria von Twer, von Rom aus das Anerbieten der Hand einer Nichte des letzten byzantinischen Kaisers, dessen Bruder nach Rom geflohen war. Es wurde mit der Heirath der Prinzeß Sophie, welche unter dem besondern Schutze des Papstes stand, die Hoffnung auf eine Bekehrung Rußlands verbunden. Schiemann, Th., Rußland, Polen und Livland I (Berlin 1886), S. 340 ff. Die Verlobung in St. Peter geschah nach römischem Ritus; aber Sophie war und blieb griechisch-katholisch, und ihr Gemahl hatte nie an etwas anderes gedacht. Sie übte aber einen sehr verderblichen Einfluß auf den letztern und auf ihre neue Heimath aus. Man schrieb ihr den Tod ihres Stiefsohnes Iwan zu; jedenfalls betrieb sie die Umgehung Dimitris, den derselbe hinterließ, und die Erbfolge ihres Sohnes Wassili. Mißlang auch eine Verschwörung des letztern, der verhaftet wurde, so fielen doch der zum Thronfolger gekrönte Dimitri und seine Mutter Helena bald in Ungnade, und Wassili erhielt die jenem ertheilten Ehren. Im Bewußtsein der Erreichung ihres Zieles starb Sophie 1503.

Ihre ungewöhnlich schöne Tochter Helena wurde die unschuldige Ursache politischer Verwickelungen. Kaiser Maximilian I. und andere Fürsten warben um sie; aber Alexander, Großfürst von Litauen (später auch König von Polen) erhielt den Vorzug. Er sollte sie jedoch bei ihrem Glauben lassen, ja sogar ihr in seinem Palaste eine griechische Kirche bauen. Aber er kehrte sich nicht daran und suchte seine Gattin zum römischen Glauben zu bekehren, und die Folge war der Krieg zwischen Schwiegersohn und Schwiegervater, in welchem Rußland und das Griechenthum obsiegten; aber Iwan starb bald darauf, und Alexander ein Jahr später. Als Witwe fuhr Helena fort, durch ihren Glauben ein Zankapfel zu sein, und die polnischen und litauischen Bischöfe suchten die übrigens geistig unbedeutende, auch putz- und habsüchtige Königin fortwährend zu bekehren, doch umsonst. Sie starb 1512.

Eine andere Helena, Nichte des Michael Glinski, erst polnischen, dann russischen Feldherrn, wurde die Gattin des Großfürsten Wassili Iwanowitsch (1505-1533) und nach dessen Tode Regentin für ihren Sohn Iwan (IV.), den nachher mit Recht so genannten Entsetzlichen, die erste Frau, die seit Olga über Rußland herrschte. Schiemann a. a. O. II S. 231 ff. Sie folgte aber dem tugendhaften Wandel der letztern nicht, sondern trieb Buhlschaft mit dem Fürsten Iwan Telepnew Obolenskij, der sich das ärgste Willkürregiment erlaubte und selbst den Oheim seiner Geliebten, der ihr über dieses Verhältniß Vorwürfe machte, beseitigte. Helena half ihm alle Personen aus dem Wege schaffen, die dem Erbrechte ihres Söhnchens hinderlich waren. Ihr Tod (1538) riß auch ihn ins Verderben; er verhungerte im Kerker.

Es bestand am Ende des russischen Mittelalters die eigenartige Einrichtung, daß für den Thronfolger eine Brautschau abgehalten wurde. Mit andersgläubigen Frauen wollten und konnten sich die russischen Großfürsten nicht vermählen, und griechische Prinzessen gab es seit der Auflösung der Theilfürstenthümer und seit dem Falle von Byzanz nicht mehr. Den russischen Adel aber wollten sie nicht sich ebenbürtig machen, und so entschloß sich Iwan III., für seinen Sohn Wassili aus allen Theilen des Reiches angeblich 1500 Jungfrauen nach Moskau kommen zu lassen, und wählte für ihn Salomonia Saburow aus. Dieselbe Ceremonie wurde für den heranwachsenden Iwan IV., den Schrecklichen, den 1547 gekrönten ersten Zaren von Rußland, veranstaltet, und er wählte selbst Anastasia, die Tochter des Kammerherrn Roman Jurjewitsch Ssacharin. So lange sie lebte, die er liebte, herrschte er noch verhältnismäßig mild; seit ihrem Tode aber (1560) brach, befördert durch seine zweite Frau, eine völlig rohe Tscherkessin, die ganze Bestiennatur dieses Unmenschen hervor, mit dessen Tode (1584) Rußlands byzantinische Zeit vorbei war und eine Annäherung an Europa sich vorbereitete.


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