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1. Dann sah ich oben an der östlichen Kante des Gebäudes, wo die zwei Mauern, jene leuchtende und steinerne, aneinander stoßen, sieben leuchtende weiße Marmorstufen; diese krönten den Stein, auf welchem der im Glanze Thronende saß, wie ein Schutzdach. Über den Stufen saß ein Jüngling mit edlen männlichen Gesichtszügen und dunklen Haaren, die ihm lang herunterfielen. Ein purpurnes Gewand hüllte ihn ein. Bis zur Körpermitte konnte ich ihn sehen, der übrige Teil jedoch war verdunkelt.
2. An jener östlichen Stelle sah ich dann noch vor dem genannten Jüngling drei Gestalten stehen, die ihn hingebungsvoll ansahen. Nach Norden zu, zwischen dem Gebäude und dem großen Kreis, der von jener Lichtgestalt auf dem Throne sich verlängerte, bemerkte ich ein in der Luft hängendes Rad und in demselben eine menschliche Gestalt, die bis zur Brust sichtbar war und aufmerksam ihre Blicke zur Welt aussandte. Vor der Südecke des Gebäudes aber sah ich noch eine andere Gestalt, die sich mit großer Heiterkeit zu dem Jüngling wandte. Wie die übrigen Tugenden, die ich gesehen hatte, waren auch sie mit weißen Gewändern bekleidet. Alle trugen weiße Kopfschleier, außer der zur Rechten, deren entblößtes Haupt weiße Haare erkennen ließ. Nur die mittlere trug einen weißen Mantel, denn die beiden anderen hatten keinen. Zwei von ihnen hatten weiße Kleider an, bis auf die im Rade hängende, welche ein schwärzliches trug. Die linke Gestalt hatte ein mattfarbenes an ihrem Körper. Die linke und die rechte Gestalt waren mit weißen Schuhen versehen, die mittlere trug welche von schwarzer Farbe, die mit anderen Farben durchwirkt waren. Auf der Brust der mittleren sah ich zwei kleine Fenster und über ihr einen Hirsch, der sich zur rechten Seite der Gestalt hindrehte, so daß seine Vorderfüße über dem rechten Fensterchen und die Hinterfüße über der linken Öffnung lagen, gleichsam als schickte er sich zum Lauf an.
3. Die Gestalt nach Norden im Rade trug in ihrer rechten Hand ein grünendes Reis. Trotzdem das Rad sich beständig drehte, blieb sie selbst unbeweglich. Rings um das Rad stand: »Wenn mir jemand dient, soll er mir nachfolgen, und wo ich bin, da wird auch mein Diener sein.« Und in die Brust der Gestalt war folgendes eingemeißelt: »Ich bin die Gabe des Lobes in den Landen.«
4. Die Gestalt an der südlichen Stelle erscheint so mit glänzendem Antlitz, daß ich sie nicht recht sehen konnte. Ich sah jedoch, daß sie an jeder Seite einen weißen Flügel hatte, deren Breite die Länge der Gestalt überragte.
5. Dann sah ich, wie der ganze Boden des Gebäudes wie von heiter glänzendstem Kristall erglühte. Auch der Glanz des auf dem Throne Sitzenden blitzte auf dadurch bis zum Abgrund. Im Kreise um den Thron herum und rings um die Gebäude wurde die Erde sichtbar und ließ das Gebäude wie auf einem Berge liegend erscheinen. Wiederum sprach der auf dem Throne Sitzende: »Der Sohn des lebendigen Gottes ist der Eckstein, den jene verwarfen, die im Gesetze Gottes zu ihrem Heile bauen sollten, aber dieses verschmähten und mehr die Finsternis als das Licht, den Tod mehr als das Leben liebten.«
6. In der Höhe der östlichen Gebäudeecke, wo die leuchtende und steinerne Mauer sich miteinander verbinden, siehst du sieben ganz helle Marmorstufen. Dies bedeutet, daß in der Höhe der Gerechtigkeit vom wahren Aufgang, der der Eckstein nach Gottes Plan ist, die beiden notwendigen Verbindungen entspringen, nämlich das schauende Wissen und das menschliche Werk in einmütiger Ruhe einander gehören. Der siebenfache Aufstieg der strahlendsten Kraft hilft dabei, der voll der gerechten Hoffnung ist, welche Gott im Menschen wirkt und vollendet, wie er auch in sechs Tagen erschuf und am siebten ausruhte. Die Stufen erscheinen nach Art eines Schutzdachs über dem großen Steine, auf welchem die leuchtende Gestalt thront, passend gewölbt, weil alles Handeln, das in Glaube und Werk in gläubigen Menschen zur Vollendung kommt, in der Furcht des Herrn geschieht.
7. Auf dem Sitz sehe ich einen Jüngling ruhen. Er ist ein Sinnbild der unerschütterlichen Herrschaft in aller Gerechtigkeit. Er hat ein männliches edles Antlitz, weil er als der tapferste Löwe den Tod vernichtete. Er erscheint bleich, weil er nicht wie die Menschen die irdische Ehre suchte, sondern in tiefer Demut, Bescheidenheit und Armut einherging.
8. Du siehst die Gestalt bis ungefähr zur Körpermitte, weil jene Taten, die er von der Menschwerdung bis auf den heutigen Tag in der Kirche wirkte, den Gläubigen offenbar sind. Sein übriger Körper ist jedoch zu sehr verdunkelt, als daß du ihn erkennen könntest, weil man das weder weiß noch sehen kann, was von nun an bis zur Vollendung der Zeiten in der Kirche geschieht, außer wenn es durch göttliche Offenbarung oder durch den katholischen Glauben erfaßt wird.
9. Gen Osten siehst du im Gebäude vor dem Jüngling drei Gestalten beieinander stehen, die ihn mit großer Andacht anschauen. Sie wenden ihren Blick ihm zu, weil sie ihn in den gläubigen Menschen erkennen und suchen. Dann siehst du auch gegen Norden im großen Kreise, der sich von der leuchtenden Gestalt auf dem Throne ausbreitet bis zum Gebäude, ein Rad in der Luft hängen und in demselben eine Menschengestalt. Sie ist für dich sichtbar bis zur Brust. Sie schaut scharfen Blickes zur Welt, weil Gottes umhergehende Barmherzigkeit gegen teuflische Künste innerhalb der geheimen Macht Gottes und geistlicher Erbauung in den Menschenseelen wie in der Luft hängt und bald die Macht göttlicher Gerechtigkeit berührt, bald sein Werk in ihnen tapfer bestärkt und dreht.
10. Vor der südlichen Ecke des Gebäudes erscheint noch eine andere Gestalt im Gebäude, die sich mit heiterer Miene zum Jüngling wendet, denn, damit der Fall des Menschen durch die Güte des himmlischen Vaters in glühender Fruchtbarkeit zum Leben wieder hergestellt wird, zertritt diese Tugend in der Fülle göttlichen Werkes das Zeitliche und gibt sich in der Süße seiner Liebe zu erkennen und eilt zum Sohne Gottes in englischer Gemeinschaft unter dem Jubel der gläubigen Menschheit.
11. Die mittlere Gestalt ist die Beharrlichkeit, welche als Säule und Schutz der andern Tugenden gilt. In den Menschen offenbart sie sich durch beständige gute Werke.
12. Die zweite Gestalt zur Rechten versinnbildet die Sehnsucht nach dem Himmel.
13. Die dritte Gestalt steht auf der linken Seite; sie ist voll Herzenszerknirschung und beweint heftig ihre Verbannung.
14. Die gegen Norden im Rade hängende Gestalt zeigt die Vollkommenheit Christi und die Verachtung der Welt. Durch den Sohn Gottes wurde klar gezeigt, daß die Fülle der Tugenden nur bestehen kann, wenn das Weltliche abgetan wird. In der rechten Hand hält sie ein grünendes Reis, weil in der Seligkeit der Seelen das Hervorsprossen der schönsten Tugenden enthalten ist, wenn der hl. Geist solches eingab. Obgleich sich das Rad bewegt, ohne je stille zu stehen, bleibt aber die Gestalt selbst unbeweglich, weil die Barmherzigkeit Gottes sich in gütigem Mitleiden zu den Menschen neigt und mit ihrem Elend Erbarmung zeigt.
15. Die im Süden liegende Gestalt bedeutet die Eintracht; sie flieht die Wut der boshaften Geister und umarmt die Gemeinschaft der seligen Engel.
16. Den Boden des Gebäudes aber siehst du ganz wie funkelndes Kristall aufleuchten, aus welchem sich heiterster Glanz ergießt, weil die Stärke des wahren Glaubens das Werk und die Stadt Gottes trägt und erklärt.