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(Druckerei von Werner. Kleines, durch ein Tapetenwand vom Maschinenraum abgetrenntes Kontor. Durch die Glastür im Hintergrund rechts sieht man zwischen Setzerstände. An der Hinterwand ein altes, abgerissenes Ledersofa, über dem, eingefaßt von einer schmalen Goldleiste, ein schlechtes Porträt Bismarcks hängt. Außerdem noch eine Konsole, auf welcher eine Bibelattrappe steht. Davor ein Tisch, der mit Wachsleinwand überzogen ist. Zwei Stühle. In der Ecke links ein kleiner, eiserner Ofen, in dem ein Feuer brennt. Nicht weit davon ein Regal mit verschiedenen, offenbar nur zufällig zusammengekommenen Büchern, Zeitungsstößen, Packpapieren und dergleichen. An der Seitenwand rechts ein hoher Stoß von Gehrkes »Lieder eines Übermenschen«. Mehrere Ballen in Latten und Blechstreifen, sowie eine leere Kiste. Auf dem Boden unordentlich Papier verstreut. Das Ganze sehr schmutzig.
Werner: (liegt lang auf dem Sofa. Aus der Druckerei gedämpftes Geräusch. Auf dem Tisch eine Weiße und die Reste einer Käsestulle. Außerdem Zigarren. Hebt sich halb auf und nimmt eine von diesen) Ach ja! (steckt sie an und legt sich wieder zurück. Ungeheurer Gähner) Uaah!
Setzerlehrling: (steht in der Tür)
Werner: Na, wat is dn nu schon widder? Keen Oogenblick hat man Ruhe. Nischt jenn'n se een. Nich mal det biskn Fressn lassen se een runterwirjn.
Junge: Is keen Manuskript mehr.
Werner: All widder nich? Na, da wah doch noch son Stuß von Ibermenschn?
Junge: Steht schon in de Kolumne.
Werner: Wieviel fehlt dn noch?
Junge: Annerthalb Spalten Korpus.
Werner: Na, denn laß Müllern so lange ablejn. De Meesters komm gleich.
Junge: (dreht sich um und stößt in der Tür auf Fiebig, hinter dem Herr Hahn auftaucht)
Fiebig: Moin! (packt den Jungen bei den Schultern) Na, Junge?
Junge: Wat'n?
Fiebig: Biste Familjenvater?
Junge: (offenes Maul)
Fiebig: No, neulich hab'k dir doch mit son Vollbaht jesehn?
Junge: (schnell gefaßt) Och, den? Den hab'k ma jestern abrasiern lassn.
Fiebig: Junge, dafor krichst n Jroschn! (langt in seine Billettasche) Da, koof dir n Ritterjut vor.
Junge: (militärisch grüßend) M. W., Herr Dokter, wird jemacht!
Fiebig: (zu Werner und Hahn zugleich) N juter Schlach. Hat Ehnlichkeit mit dn Fürstn Reuß. Kleen, aber (erstes o lang, zweites kurz) oho!
Junge: (fidel ab) Hohohoho!
Werner: (vom Sofa her. Anerkennend) Ja . . . Den hab'k schon lange rausschmeißn wolln.
Fiebig: Na, Wilhelm, wat saachste nu zu Han Hahn? Ick finde, bloß n bißkn ne rote Neese hatter noch von die Kälte.
Hahn: (in seinem Kostüm, unglaublich verlegen)
Werner: (noch immer lang, auch während des Folgenden) Jott, wat soll son Proletarjer wie ick zu son Kapitalistn sagn? Ick wah schon zwee Jahre nich mehr bei Weltmann.
Fiebig: Wenn du man mit dein olln Judenjankl uft Sofa liejn kannst.
Werner: Oska! Du hast jut redn. Wenn du mal Schwieln an de Fingern krichst, denn is't doch man bloß von Kuponabschneiden. Ick kann ma schindn.
Fiebig: So. Un wat ick an de Arjentienjer verloren habe?
Werner: Na, laß man Oska. Ick leide ja jern Not, wenn du man wat hast.
Hahn: (Hat unterdessen abgelegt. Hilft jetzt Fiebig) Bitte, Herr Fiebig.
Fiebig: Sehn Se, Ha Hahn? Man witt immer schahthafter . . .
Werner: (zu Fiebig, der seinen Zylinder noch immer auf dem Kopfe trägt) Du immer mit dein dreistöckigen Düpplerschanzenstürmer!
Fiebig: (während er das Prachtstück ausliefert) Nehm Se'n in acht, Ha Hahn! Der hat mal seine dreizehn Mark jekost! N paar Krampfadern hatter ja schon. (da Hahn mit der Unterbringung jetzt fertig ist) Na, wat sagn Se nu zu Ihr neiet Unternehmn? (zu Werner) Von janzn Bahnhof her! Immer unter de rotn Plakate sind mer jejangn! Wie unter Palmn! Kooft dn Sozialaristokrat! Kooft dn Sozialaristokrat! Schack Raphaeli!
Werner: Jaa, die Reklame, jloob ick, ham mer janz jut jemacht. Ant Schulhaus hat der Amtsdiener de Zettl man immer so mitn Seebl runterjepolkt.
Fiebig: (setzt sich) Setzn sich, Ha Hahn!
Werner: Na, wat for Papiere koofn sich dn nu? Vierdausendachthundert sin abjesetzt. Fünfdausend ham mer jedruckt. (zeigt mit der Zigarre auf einen Pack Nummern, das auf einem Ballen liegt) Da, dets de janze Uflage.
Hahn: Ja, meine Tante hat sich ja auch sehr drüber gefreut. Zuerst war sie ja furchtbar dagegen.
Fiebig: (hat inzwischen sein Taschentuch aus der Tasche genommen, sich umständlich geschnaubt und legt das Tuch nun vor sich auf den Tisch) Och, dets ja ne vernünftje olle Frau. Die hat jetz n scheenen Lebensahmd vor sich.
Hahn: Ja, sie hat gesagt, wenn wir noch was brauchen, wird sie vielleicht auch noch was geben.
Fiebig: Sehn Se? Hab'k Ihn jleich jesaacht! Aus den Asyl witt det nu nischt. Kriejn Se dn janzn Rumml. Habn Se mir ze verdankn! Mir soll eener de Weiber kenn'n lern'n! Machn sich dn wat aus Annan?
Hahn: Oh, Herr Fiebig . . .
Fiebig: Sonst, ick will Ihn da jarnischt in Weech lejn. Die hat mal wat. So pohwer bin'k nich. Jloobn Se nich, det det mal wenjer is, wie von Ihre Tante.
Hahn: (verlegen) O, gewiß nicht, Herr Fiebig.
Fiebig: In de blaue Stube bei uns hat ja mal son Dokter jewohnt. Der is man erst zu Ostern wechjezogen. Den hätt'k se unbesehn jejebn. Is n jutet Meechen. De Fliejen fischt se aus de Milch. Keen'n Vogl kann se an'n Hut dragn. Könn je ooch bei uns wohn'n! Überlehn sich doch mal die Sache. Een'n bei mir könnt'k noch janz jut jebrauchn. Poetsche Ader ham Se ja, machn mer mein Weltunterjank fertich.
Hahn: (vollständig fassungslos)
Werner: Ja, Ha Hahn, um denn bei die Jelejenheit ooch jleich uf den Umstand zu kommn: ick habe mir det berechent. Et is ja für de Sache. De Fraktsjohn hat keen kleen'n Bammel. Bloß, wennt jeht, ick seh nich in, warum solln andre Leute det schluckn?
Fiebig: (der zuerst selbst geschnupft hat und nun seine Dose stumm Hahn rüberhält, der wortlos dankend gleichfalls eine Prise nimmt, worauf Fiebig die Dose vor sich hinlegt) Nu, Ha Hahn will doch von dir nischt jeschenkt habn?
Werner: Ick bin ja hier man Unternehmer sozusagn. Det is nu nich anders in die heutje Jesellschaftsorjanisatsjohn. Ick jebe ja ooch de jekrehnten Heipter raus. So Katterine de Zweete, verstehn Se. Det wirkt ufklärend. Da sieht det Volk, wattet for Monarchn hat. Se jlobn ja janich, wie zurückjebliebn de jroße Masse noch is! Oskan sein Herzblättken druck ick ja ooch. Na, un wenn der Sonnahmd nachher rankommt, wolln se alle von mir ihr Jeld ham. Die Kerls könn je dn Hals nich voll jenuch kriejn. Ick bin in Dilemma.
Hahn: (niest einmal und heftig)
Fiebig: (zu Hahn. Erklärend) Wissn Se, Ha Hahn, wie man det so uffaßt. Zuletzt spielt sich allns ufn Dilemma raus!
Hahn: O bitte, Herr Fiebig! Natürlich. Sehr gern. das ist ja selbstverständlich.
Fiebig: (ihm vermittelnd auf die Schulter klopfend) Jloobn Se nich, Ha Hahn, det mein Freind Werner Ihn da wat ufbrummn will. Det soll man allns bloß so de jewönnlichste Taxe sind. Wilhem is ja janich so. Wilhem is jenau so wie ick. Wenn mir eener n Jroschn jiebt, kricht er ne Mark for. Sie sin ooch so. Wir verstehn uns doch? (andrer Tonfall) Na, Wilhem, wie wär't dn nu jetz mit't Wort Jottes?
Werner: (langt nach der Attrappe) Ja, feifn ma een! Langn wir de Kummerpulle her! (holt die Flasche raus und trinkt halb aufgerichtet einen langen Schluck)
Fiebig: (der, während Werner noch trinkt, auf die Attrappe geklopft hat) No, wie jefällt Ihn dn det, Ha Hahn? Mosis und de Profehtn!
Hahn: O, sehr schön!
Fiebig: Hab ick'n geschenkt. (zu Werner) Na, du bist wol ooch schon beit zweete Buch Samaelis?
Werner: (hat abgesetzt und streicht mit der flachen Hand über die Öffnung. Dumpf deklamierend, während er mit der Flasche den Rhythmus markiert)
Denn auch Niobe, dem schweren Zorn der Göttlichen ein Ziel, Kostete die Frucht der Ähren Und bezwang det Schmerzjefiehl! |
Fiebig: (schlicht) Wilhem, uf Schillern laß'k nischt kommn. Von den Mann is der Jang nachn Eisenhammer. (hebt die Flasche ebenfalls und zitiert seinerseits) Sziehr! Jebn Sie Jedanknfreiheit! (setzt die Flasche ab, streicht auch über die Öffnung und gibt sie Hahn weiter)
Werner: (der sich unterdessen wieder in seine alte bequeme Lage gebracht hat, nachdem er sich kräftig mit dem Handrücken zweimal über den Bart gefahren ist) Det wahn Kuhschluck.
Fiebig: (zu Hahn) Prohst, Ha Hahn! Na? Wat meen Se? Uf Annan? Se wissn ja: fer Ihn opfer ick allns!
Hahn: Prosit, Herr Fiebig. (trinkt) Danke schön, Herr Werner. (reicht ihm die Flasche zurück)
Werner: Jott, wah kenn Jejenstand. (steckt die Flasche wieder in ihre Attrappe zurück und stellt diese an ihren Ort; beides im Liegen)
Fiebig: (zu Hahn) Wilhem tut Sozialaristokrat man so, Ha Hahn. Abber det kann'k Ihn sagn: Dets ne Seele von Mensch! In de Jrinderjahre ham mer in de Stallschreiberstraße zusammn Romane jeschriebn. In de Blaue Jardine. Bei Knackstädtn. Jraf Iriebenow de Paderna, oder der Sektonkel in de Weißbierkneipe. T Urbild von den Ballhausanna! Mit den ham mer dn sozialn Roman bejrindt. Zola un Kretzer kam erst später. Det heeßt, wie Wilhem so is: ick habe se geschriebn, un Wilhelm laach uft Soffa. E wah je ooch bei de Reichsjlocke. Uf den hat Bismarck damals n Ooge jehappt! Abber so isser: meine silberne Uhr, die ick ihn damals versetzt habe, soll'k heute noch ham! (scherzend) Schenk ick Ihn, Ha Hahn! (Hahn verlegen lächelnd) Nu ja! Zu Ihre Verlobung!
Hahn: (vollständig perplex)
Fiebig: Wilhelm! Mein Humor und Bleichrödern sein Jeld! . . . (sich umblickend) Na, wo bleibt dn heut der Dokter? Wir komm hier aus Bellin, und von die Jesellschaft is noch nischt zu sehn! Un Styczinski is ooch noch nich da. Wozu ham mer dn n zweetn Redaktöhr! (zu Werner) Wat is dn det iberhaupt fern Kerl?
Werner: Ach, det Luder is je noch fauler wie der Dokter.
Gehrke: (durch die Glastür. Hinter ihm Styczinski) Moin, die Herren.
Styczinski: Guten Tack.
Hahn: (aufgesprungen) Guten Tag, Herr Doktor.
Fiebig: (sitzen geblieben, halb umgedreht) Na, det hat abber lange jedauert!
Werner: (faul vom Sofa aufstehend) Na, denn will ick man hier die Jelehrtn rufflassn. Ick bin ja man son eenfacher Ahbeeter. Nu is't aus mit die Friehstickspause. (streift die Zigarre ab und legt sie in den Aschbechere. Dann schleift er die leere Kiste an den Tisch und setzt sich drauf, Fiebig gegenüber)
Gehrke: (setzt sich, nachdem er Fiebig und Hahn die Hand gegeben, aufs Sofa, das knackt) Hier Herr von Styczinski.
Werner: (während er sich setzt) No, denn man zu!
Styczinski: (setzt sich, die Handschuhe ausziehend, stumm aufs Sofa, links von Gehrke)
Gehrke: (geschäftsmäßig) Die Sitzung ist also eröffnet. Den großen Erfolg unserer ersten Nummer, Herr Hahn, haben Sie wohl bereits durch Herrn Werner erfahren?
Hahn: Ja, Herr Werner war so liebenswürdig . . .
Fiebig: (schnell) In de Friedrichstraße hamse sich je drum jerissen!
Gehrke: Nun ja. Derartiges war ja wohl auch nur vorauszusehn. Also, was ich Ihnen noch zuerst mitteilen möchte. Sie kennen alle Herrn Frederick S. Bellermann, den Verfasser der Anarchisten.
Fiebig: Nu, versteht sich? Der hat doch Stirnern entdeckt!
Gehrke: Ganz richtig. Gewiß. Er hat an dessen Hause eine Gedenktafel anbringen lassen. Ich habe das Vergnügen, Ihnen mitzuteilen, daß Herr Frederick S. Bellermann uns heute die Ehre seiner Anwesenheit schenken wird. Es ist Hoffnung, ihn dauernd in unsern engeren Freundschaftskreis zu ziehn.
Fiebig: Den haltn sich wahm, Ha Hahn. Neechst Ihn'n is det der Scheenjahlste! (zu Gehrke) Ihn, Dokter, natierlich ausjenommn!
Gehrke: (etwas ungeduldig) Er stellt den Antrag, fürs erste seine grundlegende Untersuchung über die Autonomie des Individuums abzudrucken. Natürlich in Fortsetzungen. Die Arbeit ist freilich schon vor Jahren bei Schabelitz erschienen, aber darüber wird sich ja noch Beschluß fassen lassen.
Fiebig: Ja, nu, no, wie . . . wie steht det nu mit mein Weltunterjank? Von den is ja nich mehr de Rede.
Gehrke: Ja, wie Sie schon gelesen haben werden, Herr Fiebig, die erste Nummer brachte bereits den Anfang meiner Philosophie der Befreiung durch das reine Mittel. Und Sie werden mir zugeben, daß man nicht recht zwei umfangreiche Werke gleichzeitig bringen kann.
Fiebig: Ja, ick seh janich in, wozu det mit det reine Mittel iberhaupt neetich wah? Det Publikum macht sich janischt aus die olle Filosofie. In sowat bin'k nu komisch: in mein Kopp is't ooch nich jejangn!
Gehrke: Ich verstehe. Sie machen mir den Vorwurf der Phrasenhaftigkeit. Nun, man hat ihn mir schon öfters gemacht. Ich denke indessen Gott sei Dank objektiv. Ich fühle mich nicht durch ihn getroffen. Unser Intellekt differiert eben.
Fiebig: Natierlich! Un Han Hahn seine Jedichte bringen Se ooch nich! Schmetterlings Tod! Scheenste Jedicht von de junge Jeneratzjohn jetz!
Gehrke: Ja, lieber Herr Fiebig, redigieren Sie die Zeitung, oder ich?
Fiebig: No, erloobn Se mal!
Druckerjunge: (in der Tür) Een Herr is da.
Gehrke: Ah, Herr Bellermann. Es dürfte wohl niemand dagegen sein? Wir lassen den Herrn bitten.
Werner: Na, Ha Hahn, denn könn Se sich ja man jleich hier mit uf de Kiste setzn.
Hahn: Oh, mit Vergnügen, Herr Werner! Herr Bellermann muß doch n Platz haben. (steht auf und stellt sich erwartungsvoll neben die Kiste)
Gehrke: Bitte, Herr von Styczinski. (Gehrke und Styczinski sind aufgestanden. Gehrke vor ihm nach der Tür)
Bellermann: (eingetreten; in der Hand den Zylinder. Zeremonielles Kopfnicken)
Gehrke: (ihm entgegen, seine Hand mit beiden Händen fassend) Es ist uns eine lebhafte Genugtuung, Herr Bellermann, den Verfasser der Anarchisten in unsrer Mitte begrüßen zu dürfen. Darf ich Sie den Herren vorstellen? Herr Schriftsteller Taddäus von Styczinski, unser Redakteur, Herr Fiebig . . .
Fiebig: (unterbrechend) Herr Schriftsteller Fiebig, Herr Doktor. Ooch Schriftsteller! (Setzt sich wieder)
Bellermann: (Verbeugung. Spitz) S . . . sehr wohl!
Gehrke: (fortfahrend) Herr Hahn, Herr Wilhelm Werner.
Bellermann: I . . . ich muß bemerken . . . ich habe mir erlaubt . . . Ihnen noch einen w . . . weitern Gast mitzubringen: H . . . Herrn Sprödowski! I . . . ich darf den Herrn wohl bitten, näher zu treten?
Fiebig: Spredowskn? Wat will dn der hier? (zu Hahn, geheimnisvoll) Det is der Herr Hahn. (allgemein) Jott, ick habe nischt jejen!
Bellermann: V . . . verzeihn Sie, mein Herr! E . . . es käme wohl darauf an . . . ob auch die . . . andern Herrn nichts dagegen haben.
Fiebig: (sich umsehend) Nu, se wern doch nich?
Gehrke: Nicht im mindesten, Herr Bellermann. Es wäre sogar höchst interessant, auch eine abweichende Meinung zu hören.
Bellermann: A . . . also, ich führe den Herrn rein. (ab)
Fiebig: (zu Hahn) Spredowski is man Schneiderjeselle. Abber vor den nehmn sich in acht, Herr Hahn. Bebel un Liebknecht, det is bloß auswendich. Der Mann, wissn Se, tut jahnischt. Det is der Jefährlichste von alle. Der erwart allns von de Entwicklung. Na, un Bellermann, offn jestandn, hab'k mer ooch janz anders vorjestellt!
Werner: (ausspuckend) Rewolutzjonähr in Jummischleicher!
Gehrke: Sie dürfen von einem gewissen bourgeoisen Äußern nicht immer gleich auf ein kongruentes Innre schließen.
Werner: Ach, wat, dets n janz jewöhniglicher, nachjemachter Mensch!
Fiebig: Ick weeß nich, Wilhelm, watte von den Mann wist? Ick habe jeheert, der hat sechsdausnd Mark Zinsn!
Styczinski: (erstaunt. Fragend) Sechs . . .?
Bellermann: (mit Sprödowski) B . . . bitte schön, Herr Sprödowski. Herr D . . . Doktor Gehrke, Herr R . . . Redakteur von Styczinski, Herr Hahn.
Fiebig: Mir kennt e schon. Wilhelm ooch.
Bellermann: (wie vorhin) V . . . verzeihn Sie! (legt ab. Gehrke ist ihm behilflich. Alle setzen sich, außer Sprödowski)
Gehrke: Bitte, Herr Bellermann. (Bellermann setzt sich auf Hahns Stuhl)
Sprödowski: (langsames Umsehn im Raum. Konzentriert sich allmählich nach dem Ofen hin, wo er sich die Hände wärmt. Rücken gegen die Zuschauer, das Hütchen unter den rechten Arm geklemmt)
Werner: (nimmt seine Zigarre) No, mein Ziehjahn kann ick mir ja denn wohl widder ansteckn? (steckt sie an)
Gehrke: Ja, Herr Werner, ich weiß nicht, aber vielleicht rauchen auch die andern Herren?
Fiebig: Ja, na, ick prise ja man bloß. Roochn Se doch, Ha Hahn!
Hahn: Oh, danke schön, Herr Fiebig. Ich habe wirklich keinen Appetit momentan.
Styczinski: (sucht auffällig in allen Taschen) Ich weiß nicht . . .
Bellermann: (reicht ihm höflich ein silbernes Etui mit Zigaretten rüber) D . . . darf ich bitten, Herr von Styczinski?
Styczinski: Ja, ich suche, ich suche, ich weiß nicht, ich . . . hatte doch noch die Zigaretten?
Bellermann: B . . . Bostanjoglo, Herr von Styczinski.
Styczinski: Ich bin so frei, Herr Bellermann.
Hahn: (seine Zigarrentasche zu Sprödowski) Dürfte ich mir vielleicht erlauben, Herr . . . von Sprödowski?
Sprödowski: (zuckt die Achseln, dreht ihm verächtlich den Rücken, tritt ans Regal, liest Büchertitel, greift einen Band heraus und wirft ihn nach flüchtigem Ansehen wieder hin. Lehnt sich dann irgendwo passend an die Wand. Starrt, die Hände hinterm Rücken, nachdenklich an die Decke und drückt dabei ab und zu die Knie durch. Niemand achtet auf ihn)
Fiebig: Ja, Herr Dokter, wat ick sagen wollte. Det hat mir ja in Ihre Filosofie mit det reine Mittel jefalln. Roochn dun Se nich, un aus det ville Drinkn mach'k mir ooch nischt. Bloß mir wundert, det Se nich ooch wat ibern Hiptonismus jejebn habn?
Gehrke: Ja, Herr Fiebig, der (betont) Hypnotismus ist eigentlich gar kein Mittel. Meine Philosophie begreift ihn lediglich als Erscheinung. Sie werden mir zugeben, daß er also nicht recht unter mein System gebracht werden konnte. Ich betrachte ausschließlich die Phänomene der Politik, der Religion, der Medizin, der Hautpflege und der Pädagogik.
Fiebig: Ja, un denn, denk ick, sin wir doch ooch für de Naturheilkunde! Mir hat mal ne olle Frau n Häring untert linke Been jebundn. Wissn Se, ick bin ja n jebillter Mann. Wenn'k ooch uf keene Unniversitätn wah. Ick jloobe an sowat nich. Abber, wat wolln Se? T Fieber hat nachjelassn!
Gehrke: Nun, Herr Fiebig, daran wird wohl Ihr Herr Hausarzt auch nicht ohne alle Mitschuld gewesen sein.
Fiebig: Hausarzt, ick? Ick, Hausarzt?
Styczinski: Oh, Herr Doktor, lesen Sie du Prel!
Fiebig: Nu versteht sich. »Unter Tannen und Pinien« meen Se? Hab'k zu Hause. Hab'k mal mit in Ramsch jekooft.
Bellermann: I . . . ich möchte mir die B . . . Bemerkung erlauben, dergleichen dürfte doch heute unter W . . . Wissenschaft doch wohl kaum mehr verstanden werden!
Fiebig: Ach wat, verstehn Se, ick jloobe an de Wissenschaft un ick jloobe an du Prel. Ick jloobe an bedet.
Bellermann: U . . . und überdies, g . . . gestatten Sie, ziert die sogenannte Naturheilkunde . . . schon längst das Raritätenkabinett unsres Jahrhunderts.
Fiebig: Na, det witt mir doch keener weismachn, det Schwenninger Bismarckn mit Bromkali jeheilt hat?! Den konnt er wat jebn!
Werner: (in die Höhe nach dem Bilde) Da, kiek'n dir mal an, Oska, dn Vater vont Sozialistnjesetz. Feinet Kunstblat. Hat mer mein Personal zu de letzte Maifeier jeschenkt.