Arno Holz
Sozialaristokraten
Arno Holz

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Fiebig: (der sein Taschentuch gezogen hat, mißbilligend nach der Tür) Wat wah dn det forn Kerl? Wat wolltn deer? Det wah doch keen Spitzl? Ick muß sagn, der Mann hat mir janich jefalln. Der Lokal-Anzeijer is ja n janz jutet Blatt. Bloß det wundert mir doch, detter keene andern Leite hat? Den klebn doch ooch de fünf Finger von Nitschkn noch deutlich in de Jehirnschale?

Gehrke: (geht an den Tisch, setzt noch einen Stuhl an ihn) O, ich meine, Sie könnten dem Herrn im Interesse unserer Sache eigentlich nur dankbar sein. Er hat mich für sein Blatt interviewt.

Hahn: O, Herr Doktor, interviewt?

Fiebig: (aufgeregt, beide Arme mit aufgespreizten Fingern hoch vor sich in die Luft) Dokter! Dets ja jroßahtich! Sehn Se, Ha Hahn? Hab ick't Ihn nich immer jesaacht? An den Mann wern Se noch mal zum deutschn Edison! Nu sind Se ja schon der deutsche Edison! (Hände über die Brust) Ick weeß nich, wenn mir det doch mal passierte!

Gehrke: Oh, meine Herren, wer wie ich im öffentlichen Leben steht . . .

Fiebig: (noch immer in Ekstase) Wissn Se, Doktor? Mit son Lorbeerkranz ufn Kopp könn Se jetz allns machn! Ahlwart is'n Amerika! Den lassn se nich mehr zurück. Jehn Se ufn neien Ahlwart los. T Zeuch zu ham Se!

Gehrke: (überlegen lächelnd) Nun . . . (Geste)

Meischen: (mit Schwabe, welcher ihr einen großen Waschkorb mit Geschirr und Eßwaren tragen hilft) Dä, Herr Schwabe, wenn Se so ghud sein wollen. (setzt den Korb auf einen Stuhl)

Schwabe: Nu, dabei wern wer je nich verhungern.

Hahn: (hilfsbereit aufgesprungen)

Meischen: Danke scheen . . . so . . . das war emal ä Schdicke Arweit bis hierher! (zu Hahn) Nechah! Mir Fraun ham de Last und Ihr Männer habts Vergniejn.

Hahn: Diener, Frau Doktor.

Schwabe: (nimmt das Tuch vom Korb, faltet es sehr sorgfältig zusammen und hängt es über die Stuhllehne) Ja, det stimmt. Sechstet Buch Mosis.

Gehrke: (strahlend) Guten Abend, mein Kind. (sich sofort liebreich, wenn auch noch diskret, ihrer diversen Vorzüge vergewissernd) Nun, du sorgsames Hausfrauchen?

Meischen: Mei Benno! Na morjen biste widder bei die Meischen. (gibt ihm auf Spitzzehen einen Kuß. Er hält sie während des Folgenden um die Taille)

Fiebig: (noch immer in größter Aufregung) Nee, wissn Se, det muß jefeiert wern! Ha Hahn, wo ham Se de Lichter?

Meischen: Lichter? (Hahn versucht das Paket aufzumachen)

Gehrke: Nun, Herr Fiebig, Sie gedenken wohl diesen Abend mir zu einem ganz besonders festlichen zu gestalten?

Fiebig: Ach wat, n Dhaler kann doch bei mir keene Rolle spieln? Sie! Herr Wachtmeester! Dhun Se mir n eenzjen Jefalln und bringen Se mir n paar Ärme voll leere Bierpulln!

Schwabe: Voll leere?

Fiebig: Voll leere, ausjetrunkne Bierpulln! Vor jede Minute, die Se schneller kommn, jippts n Jroschn.

Schwabe: (Finger hoch) Aha! Zu de Lichter. (ab)

Fiebig: (rezitierend. Zu Gehrke und Meischen, die sich noch immer umschlungen halten)

Selbst die stolze Putzmamsell Therese
Tritt zu Bimmel-Bollens Fritzen ran;
Erst besieht se sich den alten Käse,
Dann besieht se sich den jungen Mann!

Meischen: I, Sie ham woll ä gleenen Grach? Nu gommen Se schon widder mit Ihre alte Goldne Hundertzehn! (zu Gehrke, sich losmachend) Du nimm doch emal ä bischen deine Schreiberei wech. Mache! Gannst auch emal was dhun.

Gehrke: (packt die Bücher usw. vom Tisch auf eine Etagere; noch immer strahlend) Gern, mein Kind. (Meischen reicht ihm während des Folgenden aus dem Korb die Sachen rüber, die er auf den Tisch stellt)

Fiebig: (zu Hahn, der vergeblich versucht hat, das Paket aufzuknüpfen. Sein Messer ziehend) Zeijn Se mal her, Ha Hahn! (den Bindfaden durchschneidend) An die Strippe soll sich keener mehr dran ufhängn!

Schwabe: (mit den leeren Flaschen) Na, det witt wol langn?

Fiebig: Stelln Se man hier jleich uft Soffa. Ihre fünf Jroschn ham sich verdient. So, un nu machn Se noch scheen de Fensterladn zu. Kost, wat kost!

Schwabe: Ick . . . mach . . . allns. (ab. Später werden von außen die Fensterläden zugemacht)

Fiebig: Un jetz, Kinder, wolln ma mal det fidele Zellenjefänknis n bißkn illuminieren. Musik hammer! Nu noch Blumn. (zu Gehrke) Jott, vielleicht schickt Ihn eener welche? Mir is janz so. (steckt während dieses und des Folgenden mit Hahn die Lichter auf die Flaschen. Gehrke und Meischen leeren noch den Korb)

Gehrke: Das wird ja in der Tat heute hier eine Festlichkeit, Herr Fiebig, wie ich sie selbst in meinen kühnsten Träumen nie erhofft hätte.

Fiebig: Ach wat, Dokter. Sie sin man immer ville zu bescheiden. Wennt nach Ihn jinge, denn käm jetz unser Wachtmeester mit ne Kiepe voll Handschelln rin. Se wissn iberhaupt noch janich, wat Se jetzt forn Mann sind. Mit jedn von die drei Dage sind Se unsterblicher jeworn. Wenn det so weiter jeht, stehn Se in acht Dage ufn Dönhoffsplatz. Da jehn noch ne janze Masse ruff.

Meischen: Nu, gammersch wissn, weeß mersch denn?

Gehrke: Mein bester Herr Fiebig! Ihre lebhafte Phantasie, im Verein mit Ihrem guten Herzen, dürfte hier denn doch wohl ein wenig vorläufig zu meinen Gunsten übertreiben.

Fiebig: Nee nee, Dokter, det kann'k Ihn sagen: Se wern sich janz jut machn in de Mitte. Jloobn Se, ick würde mir ekeln, wenn Se mir bei die Jelejenheit jleich ooch mit aushautn? (unterdessen ist aus dem Korb eine kalte Gans zum Vorschein gekommen)

Gehrke: (seinem »geliebten Frauchen« überrascht-dankbar usw. usw.) Oh, mein liebes Kind! Das hast Du ja mal wieder sehr schön gemacht.

Fiebig: Wat? Ne kalte Jans ham Se ooch? Anjenehmer Leuchnahm! Wissn Se, bei son Selijen bin'k nich vor de Verbrennung.

Meischen: Ja, awer de Äppel kricht mei Benno!

Gehrke: (zärtlichst) Goldchen!

Fiebig: (gegen sein Gewissen) Ach, aus die olln Äppel mach ick mir ooch janischt! Ick halte mir lieber an die korpulente Schattenseite von den Vogl. Na, wat machn Sie denn forn dummet Jesichte, Ha Hahn?

Hahn: (vom Klavier her) Ich?

Fiebig: Nu, ick doch nich! An watt Se widder gedacht ham, weeß ick! An Annan! Brauchn Se janich rot zu werden. Nu sagn Se't man die olle Dame! Det mit Löbndhaln müssn Se ausnutzn. Hochzeitskladdradatsch mach'k Ihn jratis. Jott, n Schwiejersohn kann'k jeden Dach kriejn. An jeden Finger eenen. Abber der eene sauft, der andre is hinter de Meechns her, wie det so is. Bei Ihn bin'k ja sicher. So wah'k ooch mal . . . Se habn doch noch keene Dummheitn jemacht? (Hahn erschrocken) Sonst, det verplempert sich bald! Uf det Klavier könn Se ruh'ch zweee ruffsetzn. Klappn Se man ooch jleich dn Deckel uf. Niemann singt Joldstangn. Sie ham Lerchenkehlen in de Fingerspitzn. Spieln Se nachher n bißken wat Vierhändjet. Sowat hör ick an liebstn.

Meischen: (zu Gehrke) Mähre doch nich so. Wie de widder bist. Jeden Auchenblick missen se gommen. Awer so isser allemal, mei Benno. Frieh gann er auch immer nich rausfinden. Siehste, wärschte vorgestern aufgeschtanden, wie ich geweckt habe, dann ghämste morchen schon um Achte heeme, und so lassen se dich erscht um Elfe widder naus! Awer de heerscht je nich.

Gehrke: Aber liebes Kind, das muß sich doch wohl nach meinen Bedürfnissen richten.

Fiebig: (ablenkend) Sonst, na . . . Bellermann kommt erst mit dn nächstn Zuch. Wissn Se, ick habe den Kerl orntlich lieb jewonn. Der Mann hat doch wenichstns n bißkn wat. De Annarchistn sin schon ins Französche ibersetzt. In de Königliche Bibliothek hier, hab'k jeheert, wern se nich ausjeliehn. Da stehn se in Jiftschrank! Aus den olln Kasimir, offn jestandn, kann'k mir nich ville machn. Mir hatter ooch anjeschnorrt.

Gehrke: Immerhin, lieber Herr Fiebig, Sie vergessen vollständig die, wenn vielleicht auch etwas einseitig literarische, so doch unleugbar geniale Persönlichkeit unsres Freundes.

Fiebig: Ach wat, schenjale Persönlichkeit! Ick bin ooch schenjale Persönlichkeit. Ick möcht wissn, wat jeht dn den meine Privatschatulle an? Pinke muß eener ham! Sehn Se Hahn an. Hahn hat beedet!

Hahn: (der gerade eine Flasche mit einem Licht in der Hand hat, läßt diese fallen; das Licht rollt heraus. Hebt es verlegen wieder auf) Oh!

Fiebig: Sehn Se, der is ooch man zu bescheiden. Abber der pellt sich doch wenichstns so sachte aus't Ei. Schnuppn dut e schon, wie n Oller.

Hahn: (schnaubt sich still die Nase und stellt weiter auf)

Fiebig: Jaja, ja! In Ihn irr ick mir nich. Aus Ihn witt noch mal wat. Ick wer Ihn sagen: machn Se n Stick aus Annan! Amor an Scheideweje. Der Naturalismus hat doch jetz abjewirtschaft. Erst de Stimper, denn wir Olimper! Machn Se Wildenbruchen dot. Leichner hat sich mit sein Fettpuder n Namen jemacht!

Meischen: Und daß der Herr Werner ooch noch nich da is! Der gennte ein doch wenigstens ä bißchn was helfn.

Fiebig: Ach, da kenn Se Wilhelmn schlecht. Der kommt erst, wenn se alle schon umn Disch sitzn. Der hat't ja man am neechstn!

Meischen: (nachdem jetzt auf dem Tisch alles aufgebaut ist) Gucken Se mal, Hummermajonaise! Chaa! (alle gruppieren sich um den Tisch)

Fiebig: Nee Kinder, wie een dabei zu Mut wird? Und det allns for die lausjn dreißich Mark? Ne kalte Jans, Pumpernickl, Hummermajonaise, Lachs, Rockfor, Uffschnitt von de feinste Sortn, n halbet Viertl Cavjar, Mixpickl, Selleriesalat un Appelsinen! Det sag'k ooch: sowat kann der ärmste Mensch essn. (zu Gehrke) Sehn Se wohl? Wah det nich ne jute Idee von mir? Det ham Se nu allns zusammjehungert mit Ihr Martirjum. Uf den Standpunkt steh ick ooch: Essen is't scheenste Verjniejen. So, Ha Hahn, un nu steckn Se de Lichter an! (Hahn steckt an, Fiebig beaufsichtigt das Ganze und schnuppert ab und zu nach dem Speisen- und Lichtergeruch)

Schwabe: (der während der Rede von Fiebig das Bier gebracht hat) No, un hier det Reellste. (wieder ab)

Meischen: Ja, das saacht mei Benno auch immer. An Essen und Drinkn därf mersch n nich abgehn lassen. So ä großer schdarker Ghärper verlangt auch was.

Gehrke: Lassen Sie sich nichts weismachen, Herr Fiebig. Meine kleine Frau weiß sehr gut, daß ich im Grunde genommen für eine mehr vegetarische Lebensweise sein würde. (zu Meischen; sie wieder verdächtig tätschelnd) Nur in einem starken Körper, liebes Kind, wohnt der Wille zur Macht.

Meischen: (ihn verschämt-selig auf die Hand schlagend) Ach, du!

Fiebig: (warnend den Finger hebend) Dokter?

Gehrke: Nun, nun.

Meischen: (verliebt zu ihm rüber) Ja, so isser! (zu Fiebig) Ohne mich kann der garnich mehr ausgommen!

Fiebig: (während Hahn die letzten Kerzen ansteckt) Nee, Kinder, nu sehn Se doch bloß, Ha Hahn: der reene Kristallpalast! Da, hier ham Se ooch noch eens verjessn. Wenn ick nich bin! (hat sich, die Hände vorm Bauch, vor den Lehnstuhl gestellt. Humoristisch-elegisch) Jetz wißt ick hier so een, der uns noch fehlte. Wieviel Daler isser mir doch noch schuldig? (nickt mit dem Kopf) Der stille Mann von Friedrichsruh . . . Die olle Raketenkiste in Sachsenwald. Na, un uft Soffa Firrchohn. Da wirdn wir wat erlebn! (es hat eine Zeit lang geklopft, ohne daß jemand darauf geachtet hätte)

Dienstmann: (tritt ein mit einem Riesenbukett auf einer Stange, die er auf den Fußboden stellt. Das Bukett besteht aus: Weintrauben, Rosinen, Mohrrüben, Meerrettich, Sellerie, roten Rüben usw. Zwischen diesen eine Menge Blumen, darunter Rosen und andere farbig hervorstechende. In der Mitte, oben aufgespießt, ein mächtiger roter Hummer. Außerdem ist eine Büchse Stangenspargel, eine Tüte Bonbons, Äpfel und Tomaten zu unterscheiden. Das Ganze zunächst noch umhüllt von einem weißen Seidenpapier, das unten mit ein paar Stecknadeln zusammengesteckt ist. Alle stehen um den Dienstmann. Fiebig abseits, aber gleichfalls heftig teilnehmend) Nahmd die Herrschaftn! Ick hab hier schon ne janze Weile jekloppt. Bin ick hier recht bei Dokter Jehrkn?

Gehrke: (zögernd, verwundert) Ja . . . Was ist denn das wieder? . . . Was wünschen Sie von mir?

Dienstmann: Ick bring hier n kleenet Bukettkn.

Meischen: Wo denn, von wem denn?

Dienstmann: (aufklopfend) Nu, hier!

Fiebig: Um Jottswilln, Mann! Kloppn Se nich noch mal mit uf! Det witt doch nicht explodiern?

Dienstmann: Nöh! Dets janz wat Friedlichet. Damit bin'ck schon bis aus Bellin jefahrn.

Gehrke: Da scheint sich jemand einen merkwürdigen Scherz erlaubt zu haben.

Fiebig: (beleidigt) Jott, nu wickeln Se't doch erst mal uf. Wissn ja noch janich, wat drin is!

Meischen: (zieht die Stecknadeln raus und wickelt das Papier ab) Nee, was das bloß widder sein wird? . . . Nee, Benno, gucke doch, is das awer mal hibsch!

Hahn: Ach!

Gehrke: Ja aber, wer hat Sie denn damit hergeschickt?

Dienstmann: (immer noch den Strauß haltend, schnaubt sich die Nase, indem er das Taschentuch halb in der Tasche behält und sich danach bückt, wodurch er der Antwort überhoben ist)

Meischen: Gucke, mei Benno, gucke, enne Bixe Schbargel is ooch derbei!

Fiebig: No, Ha Hahn, leuchtn Se doch mal n bißkn zu die Bescheerung!

Meischen: Un Riebn un Weindraum un Domadn, un der scheene, große Hummer obn druff, un die vielen, scheenen Blumen!

Gehrke: Ja, aber, das ist alles ganz schön. Bloß wer hat Sie denn eigentlich geschickt?

Fiebig: Nu, sehn Se doch mal nach! Vielleicht steckt n kleenet Biljeduh drinne?

Meischen: (hat die Karte sofort entdeckt, gefaßt, und das Kuvert abgerissen) Da schdeckt was derhinder. So was hat mer doch gleich geahnt?

Gehrke: Aber, liebes Kind, ich bitte dich. Schließlich ist doch wohl die Karte an mich.

Meischen: Ja, eich Mannsleite soll eender dhraun!

Gehrke: Ich wünsche, daß du mir die Karte gibst! Diese lächerliche Eifersucht immer! Ich begreife dich nicht!

Meischen: Dann soll se wenigstens der Herr Hahn vorläsen!

Hahn: (hält die Karte unschlüssig in der Hand)

Fiebig: Ach wat, schmeißn Se dn schon lieber det olle Dings in dn Papierkorb! Son Sums!

Gehrke: Meinetwegen, schön, Herr Hahn. Lesen Sie, was auf dem Wisch steht.

Hahn: (mit schüchterner Stimme. Liest) Von (Pause) Von zarter Hand.

Meischen: Meine Ahnung! So ä verfluchtes Weibssticke! Ich saache ja, mei Benno . . .!

Gehrke: Es ist doch aber unerhört, solche Scherze!

Fiebig: Jott no, Frau Dokter! Vielleicht is det ooch blooß n juter Freund jewesn! Mir schickn Se ooch immer sowat. Da rej ick mir doch nicht weiter bei uf?

Meischen: Die ghuden Freinde! Die ghuden Freinde . . . die genn mer, (schnell) die mit die lange Zeppe!

Fiebig: (langsam näher gekommen) Ja, nu, wenn Se't dn durchaus wissn wolln, ick habe gedacht, ick mach Ihm hier ne kleene Iberraschung, un nu verderbn Se mir't janze Verjniejn.

Gehrke: Nun, siehst du, mein Kind. Eine Aufmerksamkeit von unserm lieben Freunde! (zu Fiebig. Ihm die Hand schüttelnd) Meinen herzlichsten Dank, Herr Fiebig.

Fiebig: Jott nu, det hat mir doch selber Spaß jemacht?

Dienstmann: Ja, dadruff kann'k n Meineid schwörn. Der Herr is't jewesen. Ick bin der dickste Dienstmann. Ick stehe an de Wilhelm- und Kochstraßen-Ecke. Ick hatte man bloß nich de Traute, mir mank de Ölichkeiten zu mischn. Ick bin ja ooch Familjenvater.

Fiebig: Da ham wer't. Der Mann ooch! Wissn Se, denn ham Se schwer zu leiden. Familjenvater sin mer alle. Jebn Se mir de Hand! Det is die jroße Krankheit des Jahrhunderts. (Dienstmann drückt ihm die Hand)

Meischen: Nee, Herr Fieb'ch, was Sie auch egal fer Gaksch machen! Denn war das awer wirklich sehr scheen von Sie. Da ham Se uns auch eene recht große Freide gemacht.

Fiebig: No, hab'k 't nich jleich jesaacht? Nu so fünvunzwanzich Jahre jinger! Det kann'k Ihn sagn: Ihrn Dokter jink't jetz schlecht. Wissn Se, wir beede? Mir unterschätzen se man alle!

Meischen: Nu, mei Benno, de bist mer doch nich mehr beese?

Gehrke: Behüte mein Kund. Der neuen Seelenkunde ist das antithetische Fühlen des Weibes längst bekannt, und ich müßte ja ein Tor sein, wenn ich gegen ein Naturgesetz revoltieren wollte. Zumal heute! Wo mir das Herz . . . so voll ist.

Meischen: (an seiner Brust) Mei Benno! Haste mich lieb, mei Schätzchen, biste glicklich?

Gehrke: (sie küssend und an sich drückend) Wenn du wüßtest!

Fiebig: Sehn Se, so is recht! Da nehm sich n Beispiel, Ha Hahn! Un jetz will'k Ihn ooch sagn, wat det Dingrichs hier iberhaupt zu bedeutn hat. De janze Welt, wissn Se, is mir ne eenzje Blumensprache. Det is det jroße Banner der Sozialaristokratie! Ha Hahn, nehm Se Ihre Neese wech! E beißt Ihn! (Herr Hahn, der sich nahe an den Strauß gebückt hat, schreckt zurück; schnelles, hastiges Anklopfen, die Tür geht sofort auf) Nanu?

Bellermann: (der die Tür aufgerissen hat und jetzt diese noch, weit offen, am Drücker hält) E . . . entschuldigen Sie, meine Herrschaften! E . . . eine kleine w . . . wohlverdiente Ovation!

Styczinski: (der jetzt ebenfalls in der Tür aufgetaucht ist und sich zur andern Seite plaziert) Bitte, Herr Werner!

Werner: (mit einem großen, roten Kranz auf einer Stange, die er schwer vor den Bauch gestemmt trägt. Inmitten des Kranzes, auf weißem Karton, deutlich die Inschrift. Werner sie rezitierend. Pathetisch) »Dem Kämpfer für Wahrheit, Freiheit und Recht! Die vereinichtn Schuhmacherjeselln von Friedrichshagen und Umjejend!« Nu bin ick ooch Sozialaristokrat!

Fiebig: Sehste Wilhelm? Det haste sauber jemacht. Sozialaristokraten sind mer alle. Der Kaiser is ooch Sozialaristokrat. Völker des Ostens wahrt eire heilichsten Jieter! Los, Ha Hahn! Ran!

Hahn: (setzt sich und spielt)

Fiebig: (der schnell eine Bierflasche vom Tisch genommen, öffnet den Patentverschluß und schwingt sie. Singend) Hoch . . . soll . . . er . . . le . . . ben!

Alle: (singend) Hoch . . . soll . . . er . . . le . . . ben! (dreimal mit Musik)

Amtsvorsteher: (während des zweiten Hochs in der Tür auftauchend. Mit verzweifelter Gebärde, die Hände im Bogen durch die Luft gerungen und vor den Bauch zurück, während die übrigen noch singen) Aber meine Herren! Meine Herren!


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