Horaz
Satiren
Horaz

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Zweites Buch.

1. Guter Rat und Erwiderung.

Horaz.
        Einigen dünk' ich zu scharf im satirischen Lied' und gesetzlos
Über die Schranken zu gehn; für entnervt gilt anderen alles,
Was ich zusammengefügt; denn, sagen sie, solcherlei Verse
Könne man tausend am Tage zur Not abspinnen. Wie halt' ich's?
5   Gieb mir, Trebatius, Rat.

Trebatius.
                                          Sei ruhig.

Horaz.
                                                          Mache du, heißt das,
Gar nicht Verse hinfort.

Trebatius.
                                      Jawohl.

Horaz.
                                                    Zeus strafe mich! das wohl
War' am besten gethan; nur kann ich nicht schlafen.

Trebatius.
                                                                                  O dreimal
Schwimme gesalbt durch den Tibris, wer festeren Schlafes begehret;
Wohl auch spül' er vor Nacht sich mit kräftigem Weine: verordn' ich.
10   Oder wofern dich so übel die Schreibsucht ängstiget, wag' es,
Cäsars Sieg' und Trophän zu verherrlichen, sicher der Arbeit
Würdigen Lohn zu empfahn.

Horaz.
                                              Sehr gern, lieb' Väterchen, doch mir
Fehlet die Kraft. Nicht jeder vermag Roms lanzenumstarrte
Ordnungen noch an zerbrochnem Geschoß hinblutende Galler,
15   Noch, wie vom Roß absinkt der verwundete Parther, zu schildern.

Trebatius.
Doch den Gerechten besingen und Rüstigen könntest du, gleichwie
Scipios Sohn der weise Lucilius.

Horaz.
                                                      Nicht mir entstehen
Werd' ich, sobald es sich fügt. Zu gelegener Stunde nur findet
Flaccus Wort Eingang zum horchenden Ohre des Cäsar.
20   Streichelt ihn einer verkehrt, aus schläget er, ringsum unnahbar.

Trebatius.
Wie weit rechtlicher das, denn im mürrischen Verse zu kränken
Pantolab den Schmarotzer und Nomentanus den Wüstling!
Ist um sich selbst jedweder besorgt, ungetroffen auch haßt er.

Horaz.
Was denn thun? Auf tanzet Milonius, so wie ein Räuschchen
25   Hitziger treibt zum Haupte das Blut und die Lichter verdoppelt.
Kastor freut sich der Ross', und der Zwillingsbruder des Dotters
Freut sich der Faust. Wie der Köpfe, so giebt's vielfältiger Sinne
Tausende. Mir nun behagt's, mit dem Fuß abmessen die Worte
Nach des Lucilius Weise, der mehr, denn wir beid', an Geburt war.
30   Jener pflegt', wie dem treusten Verbündeten, jedes Geheimnis
Anzuvertraun dem Papier. Nicht wenn Unglück etwa genaht war,
Eilt' er anderswohin, noch wenn Glück auch. Drum ist des Vaters
Gänzliches Leben genau, gleichsam auf geweihetem Täflein,
Ausgemalt. Ihm folg' ich, ob Appuler oder Lucaner;
35   Denn um Venusium pflügt an beiderlei Grenze der Insaß,
Dazu verpflanzt, nach Vertreibung (die Sag' ist alt) der Sabeller,
Daß kein Feind durch die Öd' einstürmt' in die römische Landmark,
Möchte das Appulervolk, und möcht' aus Lucania Heermacht
Wild anschwärmen mit Krieg. Doch soll mein Griffel von selbst nie
40   Einem der Atmenden drohn und nur zum Schutze mich waffnen,
Gleichwie ein Schwert in der Scheide. Warum doch wollt' ich es ausziehn,
Wenn kein mördrischer Räuber mich anfällt? Vater und König
Jupiter, daß doch verderbe von Rost die geborgene Klinge,
Und nur keiner mir schade, dem so Friedliebenden! Aber
45   Wer mich zuerst anrührt, (Bleib lieber davon! ist die Warnung:)
Weinen wird er und der Stadt ringsum in Gesängen bekannt sein.
Cervius drohet im Zorn mit Gesetz und Urne des Prätors;
Dort Canidia droht, wem sie grollt, mit Albutius Säftlein;
Turius droht Unheil, falls seinem Gericht du was vorbringst.
50   Wie mit der Kraft, wo jeder sich fühlt, er Verdächtige schrecke,
Und wie mit Zwang die Natur das fordere, schließe mir also:
Zahn ist dem Wolf, Horn Waffe dem Stier: woher, denn aus innerm
Anreiz? Laß nur die zäh fortlebende Mutter dem Wüstling
Scäva; ihr thut nichts Leides die kindliche Rechte! Dich wundert's?
55   Wie mit dem Huf nicht schadet der Wolf, mit dem Zahne der Stier nicht!
Nein, frei schafft ihn der Grauen gewürzeter Honig mit Schierling.
Um nicht lang es zu machen, ob mich ein ruhiges Alter
Sanft aufnimmt, ob der Tod mit dunkelen Schwingen umschwebet,
Reich, hilflos, ob in Rom, ob (will's mein Los) in Verbannung,
60   Wie auch gefärbt sei das Leben, ich schreib'!

Trebatius.
                                                                        O Knabe, mich dauert
Deiner Jugend! Wie leicht giebt einer der mächtigen Freunde
Dir durch Kälte den Stoß!

Horaz.
                                            Wie? als Lucilius auftrat,
Um nach diesem Gebrauche zu fertigen strafende Lieder,
Und zu entreißen die Larve, womit man gleißend im Antlitz
65   Wandelte, häßlich darunter; hat Lälius etwa, und jener,
Der den Namen mit Ruhm vom gebändigten Afrika heimtrug,
Je sich gestoßen am Witz und beklagt den gekränkten Metellus
Oder den Lupus, den wund der Satiriker geißelte? Dennoch
Züchtigt' er Volksobwalter sowohl, wie die Zünfte des Volkes,
70   Siehe, der Tugend allein fügsam und deren Genossen.
Ja nachdem von des Staats Schaubühn' in die Stille zurückwich
Scipios geistige Kraft und des freundlichen Lälius Weisheit,
Pflegten sie Tand zu treiben mit ihm und zu spielen im Hausrock,
Bis gar kochte der Kohl. Was ich nun bin, und wie sehr auch
75   Unter Lucilius Stand und Naturanlage, so wird doch,
Daß ich mit Großen gelebt, mir stets einräumen, auch ungern,
Selber der Neid; und indem er Zerbrechliches sucht zu zerknacken,
Müht wohl Hartes den Zahn; wo, gelehrter Trebatius, du nicht
Anders denkst.

Trebatius.
                          Ich weiß nichts anderes hier zu erklügeln.
80   Dennoch sei, mir gewarnt, auf der Hut, daß nicht in Verdruß dich
Und Weitläufigkeit führe die Unkund' heiliger Tafeln:
»Wenn wer böse Gedicht' auf jemand fertigte, dem sei
Recht und Gericht!
«

Horaz.
                                  Ja, böse! doch wenn wer gute Gedichte
Fertigte, nicht ungelobt vom richtenden Cäsar, und wenn wer
85   Einen, der Schande verdient, anbellete, selber unsträflich?

Trebatius.
Dann löst lachender Mut das Gesetz; frei wandelst du heimwärts.

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