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Ich hatte auch Galeiden sofort benachrichtigt, und es kam so, daß sie und Ezard sich an dem Leichnam unseres Vaters zuerst wiedersahen. Dies verursachte mir ein seltsames Empfinden, wenn ich bedachte, wie der Tote nun so still zwischen ihnen lag und ihnen nicht wehrte, sich voll ins Auge zu blicken, was doch im Leben sein bitterstes Weh gewesen war. Es war nicht anders möglich, als daß die beiden ähnliches bei sich bedachten, aber die Betrachtung schien sie nicht zur Scham oder Reue zu stimmen, vielmehr lag in ihren Augen, wenn sie einander ansahen, ein erhabenes Bewußtsein und ein stolzes Leuchten, als hätten sie einen Triumph errungen. Ob sie nun das berauschte, daß sie in ihren Mienen das Bekenntnis einer durch die Trennung nicht gebeugten, vielmehr erhöhten Liebe lasen, oder ob sie den Tod meines Vaters als eine Offenbarung des Schicksals ansahen, womit es für sie entscheiden wollte, getraue ich mich nicht zu entscheiden, doch glaube ich, daß dieses beides im Spiele war. Ich empfand einen tiefen Groll über ihre aufrechte Haltung und sagte mit Bitterkeit indem ich mich zu ihnen wendete: »Es scheint mir, ihr empfindet weniger, daß er uns entrissen ist, als daß er euch im Wege stand und nun hinweggeräumt ist.« Sie ließen diese Bemerkung vorübergehen, ohne sich zu verteidigen, vielmehr schien es, als ließen sie mich reden, weil ich ja doch nicht wissen könne, was in ihrem Innern vorgehe. Hingegen hatten meine Worte einen Gedankengang in Ezard angeregt von so merkwürdiger, ja unheimlicher Art, daß ich auch jetzt nicht davon schreiben kann, ohne mich zu fragen, ob dies nicht ein Traum oder sonst eine Ausgeburt meiner eigenen Phantasie sei. Er sagte nämlich, nachdem er eine Weile meinen Vater angestarrt hatte, als ob er sich auf etwas besänne oder sich an etwas erinnerte, halb vor sich hin und halb zu Galeiden: »Es ist der erste!« Ich wartete, ob er diesen zunächst unverständlichen Worten noch etwas hinzufügen würde, was er aber nicht tat, so daß ich nicht anders denken konnte, als er habe gemeint, mein Vater sei der erste von mehreren, die sterben müßten, bis irgend etwas, das er im Sinne hatte, geschehen müßte oder geschehen könnte. Ich forschte in seinem Gesicht, ob das mir etwas gestände oder verriete; wie war es ebenmäßig und von edelster Harmonie! Zugleich aber lag der Ausdruck einer Entschlossenheit darin, die ich bald übermenschlich, bald unmenschlich nennen zu müssen glaubte. Ich hätte ihn gern gefragt, ob ihn etwa ein Traum oder ein anderes vermeintliches Vorzeichen dazu verführt habe, auf das Hinsterben seiner Blutsverwandten zu lauern, damit seine verdammliche Leidenschaft sich voll ausrasen könne? Aber ich gewann es nicht über mich, gerade weil es mir immer gewisser wurde, daß es so war. Auch Galeide war über Ezards Worten, deren Sinn sie vielleicht besser als ich verstand, erblaßt und sah ihn mit großen, bangen Augen an; sie schien ein plötzliches Grauen zu empfinden, aber wohl ebenso sehr vor sich selber wie vor ihm.
Die beiden machten, soviel ich bemerkte, keinen Versuch, sich allein, ohne meine Gesellschaft zu sehen; Galeide erklärte, noch an demselben Tage nach Genf zurückkehren zu wollen, während wir den Toten im Sarge nach unserer Vaterstadt überführten. Die Eisenbahnzüge, die uns nach entgegengesetzten Richtungen bringen sollten, standen einander gegenüber; der unserige ging um einige Minuten eher ab. Ich beobachtete Ezard und Galeiden unausgesetzt, weniger wie ein getreuer Eckart, um sie vom Bösen zurückzuhalten, als aus Eifersucht meines Vaters wegen, den sie mit jedem Gefühl, das nicht ihm galt, um den ihm gebührenden Zoll zu betrügen schienen. Dennoch konnte ich wieder nicht umhin, ihre herbe Kraft bei ihrer Leidenschaft zu bewundern; denn sie reichten sich zum Abschied weder Hand noch Mund (wie sie sich überhaupt während des ganzen Tages nicht mit der leisesten Berührung gestreift hatten), sondern grüßten sich nur mit den Augen und mit einem tröstlichen, guten Lächeln, das mir unter diesen Verhältnissen besonders rührend und auffällig war, wie etwa, wenn einer in dem brennenden Sande einer afrikanischen Wüste ein duftendes Veilchen oder eine Anemone blühend fände.
Als wir zu Hause ankamen, war Anna Elisabeth bereits abgereist, was mich nicht überraschte, mir vielmehr nur die Bestätigung meiner Ahnung oder Berechnung war. Sie hatte einen teilnehmenden, sehr liebevollen Brief für mich zurückgelassen, und ich zweifelte keineswegs, daß sie aufrichtiges und ernstliches Mitleid mit uns hatte. Aber sie konnte die Trübsal nicht ertragen, wie manche Leute die Kirchenluft nicht ertragen können, das wußte ich wohl, und ich konnte ihr deshalb nicht zürnen; sogar gefiel es mir Unglücklichem, daß sie gar nicht anders erscheinen wollte, als sie war.
Sie hatte ganz recht gehabt. Es kamen nun wahrhaft elende Zeiten für uns, denn die allergemeinste Sorge, mit der mein Vater so lange Brust an Brust gerungen hatte, stand nun, da er niedergeworfen war, mit ihrem großen, grauen Leibe vor uns und sah uns dreist ins Gesicht. In dem meinigen konnte sie nicht viel anderes lesen als unendliche Verachtung ihres frechen Dirnenblicks, die noch bei weitem stärker war als meine Angst; dagegen Kampflust und Tapferkeit hatte ich kein Fünkchen in mir, schon deswegen, weil es mich zu sehr vor ihr ekelte. Ungefähr so ging es dem Urgroßvater. Derselbe nämlich hatte den größten Teil seines Vermögens in meines Vaters Geschäft gehabt und dasselbe nun eingebüßt. Aber er ertrug es gelassen und bekümmerte sich nicht sonderlich darum, was nun werden solle, einzig Galeiden und mich beklagte er; denn wir seien, dies sagte er nicht ohne Stolz, durchaus nicht dazu geartet, uns praktisch im Leben umzutun und zu erwerben. Es gehörte ihm aber noch das Haus, das wir bewohnten, und das er stets Galeiden und mir zugedacht hatte, weil er wußte, daß wir es mit andächtiger Liebe hegen würden; seßhafte Geschlechter pflegen ja ihr Wohnhaus einem Tempel gleich zu ehren. Obwohl es für keinen Einsichtigen eine Frage sein konnte, daß das Haus nun verkauft werden mußte, wagte doch anfänglich niemand davon zu reden, bis eines Tages Ezard es uns in ruhiger Weise auseinandersetzte, zugleich auch, daß er bereits Schritte getan habe, um einen vorteilhaften Verkauf zu Wege zu bringen. Er erschien mir im ersten Augenblick hassenswürdig, da er ohne jedes Zurschautragen von Wehmut oder Mitleid sprach; der Urgroßvater hingegen pflichtete ihm sogleich bei und dankte ihm sogar für seine Umsicht, was er denn freilich auch verdiente. Zu meinem unsäglichen Ingrimm mußte ich nun fremde Menschen unser Vaterhaus betasten und bekritteln sehen. Ich haßte und verachtete sie alle zum voraus, schon um des schmählichen Geldes willen, das ihnen ermöglichte, sich in Besitz unserer guten Habe zu setzen und uns von unserer Schwelle zu vertreiben. Es war mein einziger Trost, sie in Gemeinschaft mit dem Urgroßvater, der dazu nicht wenig Talent und Neigung hatte, zu verspotten und lächerlich zu machen, obwohl wir im Grunde gar nichts von ihnen wußten, und sie gewiß auch alle ehrbare und gutartige Leute waren. Stundenlang konnte ich bald in diesem, bald in jenem Zimmer sitzen und mich in Tränen verlieren darüber, wie es früher hier gewesen war, und wie ich gewähnt hatte, daß es einst sein könnte, und wie anders es nun geworden war.
Indessen ließ ich Ezard für uns sorgen und handeln, was er auch, ohne ein Wort zu fragen oder zu sagen, tat, und ich glaube, daß er es in seinem einfachen Herzen voll Kraft und Güte wirklich für selbstverständlich hielt und mich kaum der Trägheit zieh, oder daß ich mich in meinem Gram allzusehr gehen ließe. Er ordnete auch die Angelegenheiten meines Vaters und fertigte den einzigen Gläubiger, der aus den Ergebnissen des aufgelösten Geschäftes nicht ganz befriedigt werden konnte, mit einer Summe ab, die für seine damaligen Umstände sehr bedeutend war. Denn um diese Zeit begann der Gang der Dinge in Hinsicht auf die Wasserwerke bereits sehr unsicher und bedenklich zu werden, so daß er sich mit ernstlichen Sorgen deswegen trug, wovon er uns aber nichts sagte, wie ich denn auch von dem eben erwähnten Opfer, das er uns und dem Andenken meines Vaters brachte, erst viel später etwas erfahren habe.
Wir brauchten so notwendig Geld, daß das Haus in Eile und unter seinem Werte verkauft werden mußte. Der Urgroßvater, der stets sehr wechselnd in seinen Stimmungen und Auffassungen war, überhäufte nun Ezard, welcher alles besorgt hatte, mit gereizten Vorwürfen. »Es versteht sich von selbst,« sagte Ezard, ohne Empfindlichkeit zu zeigen, »daß ich nicht zum Verkaufe gedrängt haben würde, wenn ich in der Zwischenzeit aus eigenen Mitteln für euch alle hätte sorgen können. Aber ich stehe selbst schlecht. Die Wasserwerke arbeiten nicht, wie sie sollten; wenn nicht bald eine neue Kraft eintritt, die uns ermöglicht, die notwendigen Verbesserungen vorzunehmen, so wird eine Stockung in der Arbeit eintreten müssen, und ich weiß noch nicht, was dann werden soll.« Wir begriffen den schlimmen Stand der Dinge noch besser aus Ezards niedergeschlagenem Gesicht als aus seinen Worten. Des Urgroßvaters Stimmung schlug sogleich um, und er redete auf meinen Vetter ein, er möge den Erlös des Hauses für sich verwenden, obschon, da man ihn selbst doch nicht aussetzen und dem großen Geiste anvertrauen konnte wie einen Indianergreis, nicht viel damit geholfen gewesen wäre. Auch wußte er in seinen Trostreden der Sache eine solche Wendung zu geben, daß alle Schuld auf Onkel Harre fiel, der ja, wie jeder wisse, Ezard zu einer so waghalsigen, rasenden Unternehmung veranlaßt habe. Ezard schüttelte traurig den Kopf. »Das ist es gerade,« sagte er, »was mich am meisten peinigt. Ich kannte ja meinen Vater! Ich hätte ihn gewaltsam zurückhalten, es nie so weit kommen lassen sollen. Anstatt dessen begab ich mich mit ihm in die Gefahr, so daß nun keiner dem andern die Hand zur Rettung bieten kann. Handelte es sich jetzt nur um mich, so wäre mein Herz leichter, da ich für meine Familie allein schon sorgen könnte, selbst wenn ich auf einmal wieder von vorn anfangen müßte. Aber mein Vater, der eine junge Frau und ein kleines Kind hat, altert mit jedem Tage; er fühlt es und ich sehe es, wie seine Kräfte abnehmen. Wenn er jetzt alles verliert, wie könnte er daran denken, es wieder einzubringen in der kurzen Frist, die er noch vor sich haben mag? Ich muß ihm täglich schlimme Nachrichten bringen; er erschrickt bei dem bekannten Klang meiner Schritte. Ich bin oft so müde, daß ich sagen möchte: ich kann nicht mehr! wenn ich mir nicht rastlos vorspräche: ich muß!«
In seinem Bestreben, den Unglücklichen zu trösten, fing der Urgroßvater schließlich, da nichts anderes verfangen wollte, von Galeiden zu sprechen an, holte ihre Briefe hervor und las einige Stellen daraus vor, die von ihrer Tätigkeit und ihren Fortschritten handelten. Es hieß da ungefähr folgendermaßen: »Geliebtester Großvater, ich arbeite wie eine Biene und eine Ameise, meine Arme schmerzen mich des Abends, wie wenn ich ein Waschweib wäre. Aber ich sage Dir, ich werde es auch einmal zu etwas bringen. (Verlaß Dich immerhin nicht allzu fest darauf!) Zuweilen weiß ich es so gewiß, daß ich meine Geige in die Ecke werfen möchte vor Wonne. Aber ängstige Dich nicht, mein Herz, in Wirklichkeit tue ich das nicht, sondern lasse den Verstand walten und packe sie jeden Abend in ihren Kasten und lasse Dich zu mir sagen: Was bist du für ein gutes Kind geworden, du böse Galeide.« Der Urgroßvater sah Galeidens Briefe für etwas Kostbares und eine wahre Fundgrube an, legte noch doppelt so viel hinein als eigentlich darin war und erwiderte sie so regelmäßig, als ob es gelte, einen Briefwechsel berühmter Zeitgenossen herzustellen.
Obwohl Ezard gewöhnlich weder von Galeiden sprach, noch von ihr reden zu hören ertragen konnte, übte doch diese Briefstelle sichtlich einen guten Einfluß auf ihn aus. Er stand auf und sagte mit freiem Blick gegen uns: »Ja, ich glaube es, daß sie etwas Großes wird. Es war gut, daß sie fortging. Unterdessen wollen wir auch sehen, daß wir uns oben halten.« Als wir allein waren, bemerkte der Urgroßvater: »Hast du ihn beobachtet, während ich von Galeiden erzählte? Er ist nicht sonderlich erpicht darauf, von ihr zu hören; aber es macht ihm doch Freude, daß es ihr gut geht, und er hält große Stücke auf ihre Begabung, die ja freilich auch für jedermann einleuchtend sein muß. Die krankhafte Leidenschaft wandelt sich unter dem Einflusse der Entfernung und der schweren Schicksalsschläge in eine edle und erlaubte Freundschaft um. So geht es auch ihr. Aus jeder Zeile ihrer Briefe spricht gesunde Fröhlichkeit und die Sicherheit eines mit sich zufriedenen, schuldfreien Gemütes.«
Ich ließ den Urgroßvater seine Gespinste weben, die mir freilich wie Sommerfäden ohne Halt in der Luft zu flattern schienen. So fein der Urgroßvater auch im einzelnen beobachtete, war das Gesamtbild, das er sich von Dingen oder Menschen machte, doch häufig grundfalsch, indem er alle Erscheinungen an sich maß; für die bei aller Zartheit doch höchst derbe und gewalttätige Natur Galeidens hatte er aber gar kein Vergleichmaß in sich. Er vergötterte sie und wußte selbst nicht warum. Ebenso sah er auch von Ezard nur die Seite, die ihm selbst am meisten entsprach, und die sich für gewöhnlich in seinem feinen, liebenswürdigen Wesen ausprägte. Von dem schönen, furchtbar unwiderstehlichen Dämon, der in Ezard war, wußte er nichts; mochte doch mein Vetter selbst lange Lebensjahre hindurch, bis zu einem verhängnisvollen Tage, nicht geahnt haben, was für einen Gesellen er im Busen wohnen hatte.
Es kam nun die Zeit, wo wir aus unserem Hause ausziehen mußten. Nicht vieles in meinem Leben hat mir so nachhaltigen Schmerz bereitet, wenn auch manches einen größeren. Man sagt mit Recht, man solle niemand über den Tod eines Geliebten zu trösten suchen, solange noch die Leiche unbegraben vor den Augen des Verwaisten daliegt. Das Haus, in dem ich meine Jugend verbracht hatte, der steinerne Leichnam meiner Kinderträume, den trug niemand fort und begrub ihn in die Erde hinein, damit mein Herz vergessen und sich beschwichtigen könne. Stattlich und gut stand es an der alten Stelle und schien der verlorenen Kinder zu harren, die es verlassen hatten. Ich habe mir vorgenommen, noch einmal vor meinem Tode, wenn anders derselbe mich nicht unversehens überrascht, in meine Vaterstadt zu reisen, nicht um irgend einen Menschen, nur um das alte Haus wiederzusehen. Ich will den breiten Weg unter den vielästigen Linden entlang gehen, bis ich das eiserne Gartentor erblicke und durch das Gitter das runde Beet mit dem Kranz weißer Lilien und den üppigen Rasen von gelbem Löwenzahn, vielleicht auch das Fenster geöffnet, aus dem so manches Mal Spiel und Gesang, wie wir es liebten, süß und herrlich in die stillen Sommernächte hinaustönte.
Es war ein feuchter Tag im Vorfrühling, als wir auswanderten. Der Schnee glitschte unter unseren Füßen, und der Urgroßvater, ohnehin des Gehens ungewohnt, hing sich fest an meinen Arm. Er versuchte aber auch jetzt noch, sich das Leben interessant zu machen. »Sieh,« sagte er zu mir, »nun versetzt man uns wie Bäume aus unserem alten Garten in ein neues Erdreich. Du bist noch jung und kannst wieder Wurzel fassen; aber welche Absicht der Gärtner dabei hatte, mich morschen Stamm auszugraben, das weiß ich nicht; es ist ein Wagestück.« Ich sagte grollend und ohnehin stets geneigt, den Urgroßvater in seinen religiös-philosophischen Meinungen anzugreifen: »Ja, es ist so unüberlegt, daß ich nicht einsehe, warum du dem Gärtner eine Absicht zutraust; er heißt Zufall und rauft aus, was ihm zwischen die Finger gerät.« Zum ersten Male, solange ich denken konnte, griff der Urgroßvater diese Herausforderung nicht auf, weniger wohl, weil er durchaus nichts zu entgegnen gewußt hätte, als aus allgemeiner Betrübnis und Müdigkeit. Gleichzeitig bemerkte ich, wie er so dicht neben mir ging, daß er um ein gutes Stück kleiner geworden war in den letzten Jahren; denn er erreichte kaum noch meine Schulter. Ich fühlte mich gerührt und beschämt, bedenkend wie er sein hohes Alter weder geltend machte, um uns durch die Menge seiner Erfahrungen zu überstimmen, noch um uns durch seelische oder leibliche Gebrechlichkeiten, Trübsal und Todesahnungen eine ehrerbietige Wehleidigkeit aufzunötigen. Da wir unterdessen an der Ecke des Weges angekommen waren, wo wir in eine andere Straße einzubiegen hatten, blieb er stehen und wandte sich noch einmal nach unserem Hause um. »Nun will ich diesen Weg nicht wieder gehen, Ludolf,« sagte er. »Das Leben ist aus für mich, und ich beziehe den Garten der Erinnerung, in dem die Pflanzen mit Tränen begossen werden.« Ja, dachte ich, wer wird sie weinen müssen? Du oder ich? Denn ich traute ihm nicht zu, daß ihm der Aufenthalt zwischen besagten Friedhofskräutern auf die Dauer zusagen würde. Ich sagte aber nichts dergleichen, weil ich gleichwohl in diesem Augenblicke sehr ergriffen war und mir außerdem soeben vorgenommen hatte, der Person des Urgroßvaters nicht mindere Ehrfurcht entgegenzubringen, als sie der Gebildete vor Altertümern anderer Art: Ruinen, Pergamenten oder sonstigen Zeugen der Vergangenheit zu haben pflegt.
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