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Auf dem Hügel

Hält man sich in den Ferien auf dem Lande auf und läßt sich, Sommer auf Sommer, Zeit, seine Seele der Natur zu öffnen, nicht gerade darum bemüht oder als schweres Studium, sondern so, wie die Natur – Wetter und Wind, Pflanzen und Tiere – einem von selbst entgegenkommt, und bringt man ein bißchen zoologisches Wissen mit, ist man gereist und kann man aus dem, was man unmittelbar sieht, auf andere Stätten auf Erden, und aus dem, was man darüber gelesen und was man sonst weiß, auf andere Erdperioden schließen, hat man alle zu Gebote stehenden Mittel benutzt, kurz, einen allgemeinen geistigen Horizont aus unserer Zeit geschöpft, so entrollt sich zwanglos ein Gesamtbild vom Zusammenhang der Natur, von den Tieren und ihrem Platz im Verhältnis zueinander, ihrem Ursprung, wie sie Tiere wurden und wie der Mensch aus ihnen entstand; wie die Seele, die Fähigkeit, unsere Stellung in der Natur zu betrachten, sich langsam erweitert hat, gleich einer Aussicht beim Besteigen eines Berges; wie Tiere und Menschen das Dasein miteinander geteilt haben, welche Umstände es zu bewahren scheinen und welche nicht, ein Problem, das in die Moral hineinführt.

Die Beobachtungen an sich sind anfangs eigentlich auch nur eine Form für Leben, für die Umgebung eines Menschen, für Raum und Zeit, womit man sich in seinen Mußestunden sättigt, ein Teil eines Wachstums, das sich geltend macht; aber aus der Freude und Erholung muß denn auch, da man Künstler ist, zum Schlusse ein Buch werden.

Die Stätte, wo man sich aufhält, ist Dänemark, kann ein Hügel mit der Front gegen ein Moor sein, das in der Vorzeit Nebenfjord eines Fjordes war, eine Landschaft, typisch für so viele Stellen in Dänemark, die durch Entwässerung geformt worden sind, in diesem Falle die Tibirke-Hügel, wo ich mich eine Reihe von Jahren im Sommer aufgehalten habe.

Durch das Moor mit den vielen Torfgruben läuft ein jetzt fast zugewachsener Bach, der sich im Arresee verliert; jenseits des Moores Ackerland, früher eine Landzunge, als das Moor Fjord auf der einen und der Arresee eine Meeresbucht auf der anderen Seite war; die Hügel und das Land dahinter sind einmal, vor der Erhebung in der Steinzeit, eine Insel gewesen. Hinter den Hügeln liegt der Wald, der Tisvilde-Hag, und hinter dem Wald die Küste, das blaue Kattegatt vor Seeland, mit der Aussicht auf das ferne Felsprofil Kullens gen Norden. Auf dem Hügel wachsen Heidekraut und Wacholder, ein kleiner Rest Heide, Urvegetation, bis ganz in die Tundrazeit zurück; der Hügel ist eine Moräne mit Flugsandwehen darüber; der Kies ruht, wie man weiß, auf Kreide, dem Meeresboden in einer ungeheuer fernen Erdperiode; es ist also kein Zweifel, wo man steht.

Auf den Hügeln und wo man in der Umgebung hinkommt, kann man hie und da einen Feuersteinscherben auf den mageren Flugsandäckern oder einen Mahlstein finden, der sich in der Hand eines weiblichen Wesens befunden hat, das hier einmal zwischen zwei Steinen Korn schrotete. Auf der äußersten Spitze der Landzunge, nach Baekkebro zu, hat, nach Funden zu urteilen, eine Bronzezeitstadt gelegen; massenweise Funde von Tierknochen draußen im Torfmoor sprechen von Treibjagden, die vermutlich häufig gewesen sind hier auf der bequemen Landzunge, wo das Wild wie in einem Sack durch den Wald – denn damals hat Wald auf der Landzunge gestanden – gejagt werden konnte, bis die Tiere nicht weiter konnten; einige von ihnen gingen ins Wasser und kamen dort um. So stellt man sich die Jagd vor und glaubt das Gebell und einen Hirsch, die Hunde an der Kehle, mit dem Geweih das Wasser peitschen zu hören. Auf einem lehmigen Hang zum Arresee, dem stets opalfarbenen, findet man einen Handstein von der Art, wie sie bei der Töpferei gebraucht wurden, um Glimmer zu zermalmen, den man in den Ton mischte, ja gewiß, hier gibt es Ton und Wasser, hier haben die Frauen gehockt, sich die Nase gewischt und ihre Töpfe gemacht – vor nicht so schrecklich langer Zeit – so wie Negerinnen in Afrika es noch heute tun.

Anderen Spuren des Vorzeitmenschen begegnet man, wenn man den Blick den Horizont entlang auf die andere Seite des Moores schweifen läßt, das von Hünengräbern in derselben Richtung wie das Moor die Landzunge entlang gekrönt wird, gerade in die Kimmung und ins Land hinein, gen Helsinge, wo ein Dolmen bei Skjaeröd und die sieben alten prachtvollen Steinkammern im Valby-Hag von Steinzeitbebauung reden. Als der Fjord bis an den Fuß der Hügel reichte, lagen die Wohnplätze hier. Ein Bauer, der gerade vor den Hügeln Torf gegraben hatte, konnte mir erzählen, daß er die Knochen von zwei Kreaturen und die Reste eines Wagens mit sehr »breiter Felge« gefunden hatte: ein Fahrzeug, das hier einst zur Zeit Gorms des Alten in den Schlamm geraten war?

Zu innerst in der jetzt ausgetrockneten Wieck befindet sich eine Quelle: am Rande des Hags, nahe der Tibirker Kirche, zum Wege hin; manche meinen, sie sei die eigentliche »Helenenquelle«, und die Lage spricht dafür, gerade hier könnte man sich irgendwann im Altertum eine heilige Kultstätte denken. Das ursprüngliche Heiligtum sind der Wald und die Quelle gewesen, später ist wohl Tir verehrt worden, und wo sein Opferstein gestanden hat, steht jetzt der Altar in der Tibirker Kirche. So legen Kult und Kultur eine Schicht auf die andere; aber die Quelle, ja, die ist doch noch da. Wollen wir sie aufsuchen? Ein Trunk Wasser hier eines Sommertags, völlig unsymbolisch, wenn man mit einem Kind vorbeikommt und wir die Quelle in den Hut laufen lassen und uns laben – nie könnte man dem ältesten und innersten Geschmack des Lebens näherkommen. An der Landstraße des Lebens muß man Süße und Nahrung suchen.

 

Im Vorsommer liegt der Sonnenschein blendend auf dem nach Süden gerichteten Hügel, ein fast unmerkliches Lüftchen weht her vom Moore mit den vielen Wasserspiegeln der Torfgruben, gekühlt von der Grüne drunten, am ersten Tage, da man herauskommt, wenn die Welt wie neugeschaffen ist; Spinnwebfäden schwimmen wie feine Blitze auf der Brise wagerecht durch die Luft, der Himmel zu Häupten ist ein Blenden, und die Lerche läßt sich wie ein Schlüssel im Schloß des Himmelreichs hören.

Nahebei ruht das Roggenfeld in sich, mit kaum spürbarem Atem, grün, seegrün noch, wie gerade geschnittenes Glas im Bruch, und mit Kornraden und Kornblumen in seiner grünen Umarmung, aber lila zu oberst, es wird in diesen Tagen abblühen. Der Löwenzahn ist verblüht, die Daunenbälle fuhren dahin, mit Moorbrauen und hellen Nächten gemischt. Scharen aber des kleinen Habichtskrautes stehen in Feuerbeeten und lichtgelben Inseln im Grase.

Die Vögel brüten noch; man hört den Kiebitz, die Stimme des Frühlings; in den hellen Abenden tummelt sich die Bekassine mit dem vernehmlichen Brummen der Schwungfedern, das wie ein Trommelwirbel tönt, und man sieht den Vogel sich in großen, tiefen Bogen durch die gelbe Abendluft herabwerfen. Den Ziegenmelker hört man aus dem Hag, ein wildes Geräusch, das die Dunkelheit mit Unverstand füllt; aber der vertraute Laut von den Fröschen im Tümpel legt einen Ring wohltuenden Zaubers um die abendliche Welt, während der Tau fällt.

Am Tage, in der Mittagshitze, zeigen sich zwei Eidechsen auf der Stufe vor dem Hause auf dem Hügel, sie wohnen in einem Loch darunter, wie ein kleines Drachenpaar, man sieht sie die Hälse kreuzen und gegenseitige Ergebenheit an den Tag legen, das Männchen ist in dieser Zeit smaragdgrün und schimmert mit seinen Schuppen wie ein Rittersmann in goldener Rüstung; weiterhin im Sommer kann man Eidechseneier, weich wie Pergament, in der naheliegenden Kiesgrube im Sande vergraben finden. Ein sandiges Feld, das in einiger Entfernung vom Hause nach Süden abfällt, lieben die Eidechsen auch; hier ist das trächtige Weibchen eifrig beschäftigt, sich eine kleine Höhle zu graben, um die Eier hineinzulegen, man kann die Arbeit täglich verfolgen. Im Laufe des August beginnt man die Jungen zu sehen, klein und mager, aber ganz fertig, noch blaß vom Liegen im Ei. Für das Auge sind sie nicht von den kleinen Salamanderjungen zu unterscheiden, die wir mit dem Eimer aus dem Brunnen fischen; aber es ist ein sehr bedeutungsvoller Unterschied, der Gedanke geht vom Sommertage und den kleinen Geschöpfen zum Zeitalter der Saurier und Amphibien.

An der Traufe über der Tür hängt ein kleines Wespennest, kugelrund und mit einer Öffnung unten, ein Schirmdach oben drüber, alles feinste Papierarbeit; und in einer Höhlung in einem Eichenpfosten, der als Bank vor dem Hause dient, baut der Blattschneider, er kommt mehrmals am Tage mit einem kleinen rund geschnittenen Blattstück, das er mit den Beinen faßt, und kriecht damit in seinen Bau. Er ist wählerisch, es sind stets Rosenblätter, die er abschneidet. Zuweilen ist er ganz gelb und geschwollen vom Blütenstaub, mit dem er heimkommt, er hat sich in Blumen gewälzt wie ein Wirrer und ist zu Honig und Bienenbrot über den ganzen Körper geworden. Im Bau verfertigt er ja, wie man weiß, aus den Blattstümpfen die feinsten Düten und füllt sie mit Nahrung für die Eier, die er hineinlegt.

Die Hügel sind ein zelebrer Aufenthalt für Insekten, hier findet man den Ameisenlöwen, und ein berühmter Bembex hält sich hier auf, der lockere Sand eignet sich wohl besonders für Ameisenlöwen und Grabwespen; als Folge davon sieht man oft Entomologen auf dem Hügel, rasende Menschen, die Fliegen in Gläsern sammeln und Schätze verachten. Der nahe Hag und das Moor unterhalten eine eigene Insekten- und Pflanzenwelt. Der Hag selbst gleicht nicht anderen dänischen Wäldern, denen die Buche ihr Gepräge verleiht, er ist nordischer, mit Nadelhölzern und Birken, gemahnt an schwedische Wälder, an Brandenburg, ja, an gewisse Stellen in Rußland muß man denken, vornehmlich das bewachsene Terrain, das man den »Sand« nennt. Die Natur hat hier in Nordseeland vieles, das an Jütland gemahnt; landschaftliche Züge, die sowohl den Inseln wie der Halbinsel eigentümlich sind, wiederholen sich hier.

Etwas Ursprünglichkeit ist noch übrig, der Wald, das Moor und die Küste begünstigen ein Vogelleben, Reiher brüten noch am Arresee; der große Vogel in der Luft mit dem zusammengefalteten Hals bietet ein Profil, das man gerne sieht und das man in einem früheren Dasein gesehen zu haben meint. Ein vereinzeltes Storchenpaar kehrt noch alljährlich zum Moore heim und brütet in einem kahlen Baum bei Toftegaard, ganz in der Nähe der Quelle; es gehört hierher. Der Hag hat mit seinen Kiefern ein altes Gepräge, oder, wenn man will, ein junges, er lenkt den Gedanken auf die Kiefernperiode vor alters hier im Lande, dieselbe Periode, die man jetzt noch weiter nordwärts, in Norwegen und Schweden, hat; hier weitet sich denn der Sinn, geht rückwärts in der Zeit, zu allen Grenzen des Landes und über sie hinaus, wie ein Vogelflug durch alle Zeiten und Lande.

Sitzt man im Sonnenschein auf dem Hügel vor seinem Hause, so kommt die Welt von selbst zu Besuch. Die Libellen stäuben wie kleine metallglänzende Aeroplane auf Raub in der erhitzten Luft vor dem Hause vorbei, wo Fliegen zu finden sind. Ihre Larvenhüllen ist man gewohnt auf den Schachtelhalmen über dem Wasserspiegel drunten in den Torfgruben zu finden, wo sie ihr Kellerdasein führen. Unmittelbar vor der Mauer, auf die die Sonne prallt und wo die Hitze vielleicht so auf fünfzig Grad hinaufgeht, surren die Fliegen, sie werden so hitzig und stark im Sonnenbrand und fliegen in heftigen Wirbeln, schlagen rad umeinander wie kleine durchgegangene Motoren, man sieht gleichsam Funken und Entladungen eines Feuers, wo sie ihr Wesen treiben vor der blendenden Mauer, an der Licht und Luft hinaufwogt, das Sonnenfeuer gebiert, wipps, da sitzt eine Fliege! Heiße Erdperioden gehen hier um!

 

Der Ginster blüht und verblüht. Die Blumen des Hochsommers bekleiden den Hügel, Grindkraut und Schafgarbe, auf den mageren Feldern ganze luftige Gärten im kleinen aus Jasionen, Inseln in Blau, in denen es von Bienen summt. Ein Schmetterling von fast derselben Farbe liebt es, sich auf die Jasione zu setzen; sie sind fein angezogen, sagt ein kleiner Knabe verliebt und gerührt, wenn er die Schmetterlinge sieht.

Man hört den Kuckuck mit Widerhall in Tälern, immer noch, und so lange ist die Welt grün, so lange ist das Jahr jung. Aber es kommt ein Zeitpunkt, da einem aufgeht, daß man ihn lange nicht gehört hat, eine negative Beobachtung, ein Loch in der Seele, da schweigt der Kuckuck. Man beginnt junge Schwalben zu sehen. Aber noch hat die Lerche Brut und hängt über ihr im Himmel und singt; man weiß, wo das Nest ist, mitten auf dem bloßen Felde, mit vier Jungen darin, dicht zusammengepackt, die daunigen Rücken geradeswegs gegen das Universum gekehrt – und die Gedanken gehen zur Kreuzotter, von denen man jedes Jahr ein paar hier auf der Grenze zwischen Moor und Heide sieht und gleich umbringt, wenn man sie erreichen kann; die Kreuzotter ist den jungen Lerchen nicht gut.

Am Abend kommt eine Fledermaus und voltigiert lautlos wie ein Teufelchen in der gelben Luft längs der Dachtraufe von einem Ende des Hauses bis zum anderen, Insekten dort locken sie; den Igel trifft man in den Nesseln hinter dem Hause in der Dämmerung und kann das kleine Junge so weit bekommen, daß es Milch aus einer Tasse trinkt; das Wiesel schlängelt seinen Wurmkörper eines Tages frech zwischen Hügel und Moor quer über die Landstraße; der Dachs wohnt nicht fern im Hag, in einem Hügel mit hohen Bäumen wie eine Kirche; wenn man Glück hat, bekommt man ihn bei hellichtem Tage zu sehen – einen einsamen Vertreter seines Geschlechts und Siebenschläfer, der hier im Norden zurückgeblieben ist, aber mit weit verbreiteter Familie in anderen Welten.

Die dänische Fauna ist ja nur eine kleine Restfauna, wenige Tiere von der Hand der Natur, und ein großer Teil von ihnen ausgerottet, der Kultur gewichen. Hier auf den Hügeln oder in ihrer Umgebung sind doch einst Bär und Wolf gegangen; das Land hat Biber, Auerochs, vielleicht Bison gesehen. Selbst damals war das Tierleben indessen nur arm im Verhältnis zu anderen Weltteilen, zu der reichen Entfaltung der Tropen, man denke an die Tierwelt Afrikas, an die äquatorialen Gegenden mit Elefant, Löwe, Giraffe, Flußpferd, gewaltigen Bildern von der Urkraft der Natur, die in der Phantasie sprießen, sobald man sie nur nennt.

Aber selbst die kleine dänische Tierwelt ist ein Glied in der Weltfauna, und von ihr läßt sich auf die Kette schließen. Was man täglich sieht, ohne es zu suchen, setzt den Gedanken in Bewegung durch die ganze Naturgeschichte – ein Aal in der Torfgrube, tief unten auf dem sonnenbeschienenen Grund, weit fort von anderen Gräben und Torfgruben –, wie ist er dorthin gekommen? Über Land, des Nachts legt der Aal weite Strecken im taunassen Grase zurück, er ist keine Amphibie, aber hier ist doch ein Zug, der den Gedanken darauf hinleitet, wie es anfing, als das Geschöpf vom Wasser aufs Trockene stieg. Die Naturgeschichte des Aals, die Wanderungen der Brut im Atlantischen Ozean, ein Epos für sich!

Die Katze, der kleine Tiger, schleicht grimmig durchs Moor und schüttelt die Pfote, wo das Gras naß ist, sie hat das feinste, wählerischste Benehmen wie ein Fräulein und ein entsetzliches Herz, wehe der Maus! Im Moor ergeht sich frei das Vieh, Jungvieh, Färsen, Wiederkäuer – welch ein Unterschied im Temperament: die Katze und die Kuh! Wie freigebig die Natur ist!

Die Knechte auf der Wiese mähen Heu – der Mensch!

Auf dem Felde angebunden steht das Pferd, das Füllen neben sich; die langen Beine und der kurze Leib, wie neugeborene Füllen sie haben, lenken den Gedanken auf das Okapi; in der Jugend sind die Tiere einander verwandter, als wenn sie erwachsen sind.

Die Kohlraupe wogt eifrig auf einem Halm dahin in ihrem Geschäft: der Verwandlung der Insekten!

Auf dem Hügel, stets in der Nähe, tummelt sich ein kleiner vierjähriger Knabe – das Dasein von vorn; im Licht seiner dämmernden Einbildungskraft wird alles wieder Beginn, knospend und wunderbar. Gemeinsam studieren wir die Larve, die eifrig wogend ihren Halm verfolgt, er begeistert und ich mit meinem Wissen, er ein kleiner Sturm von Glück über das geringe Tier, ich sehr nachdenklich; was wir so unter der Larve verstehen, gleicht sich aus, wir haben beide recht; gewürdigt wird die Larve.

Die Seerose, die man aus den Torfgruben heimbringt, hat Schleimtiere auf dem Stengel sitzen, sie kommt aus einer bodenlosen Welt, der Kleinwelt des Süßwassers, den ersten mikroskopischen Formen des Lebens, bis hinab zu den frühesten einzelligen Organismen. Viel geben die Torfgruben zu denken.

 

Nach dem Hochsommer liegt der Hügel, etwas verbrannt, in der hohen Mittagssonne, und das Land vergilbt, das Korn beginnt zu reifen; die Vögel sagen nichts mehr.

Es weht, Moor und Land liegen in blendendem Licht unter der Sonne. Der Sonnenwind geht den langen Tag, als ob Wärme und Licht herunterwehten. Die Kornfelder auf der anderen Seite des Moores bewegen sich, aus dieser Ferne gesehen, mit langsam schreitenden Falten, und man meint stets sich dieses Wogens zu erinnern – eine uralte, ererbte Erinnerung, aus der man zuweilen schöpft – so lief der Wind über das Steppengras in einem Lande, aus dem man stammt, über die wilden Grasfelder im Morgen der Zeiten, als der Mensch begann, Mensch zu werden. Eine alte Sehnsucht nach einem früheren Dasein, vor einer Erdperiode, da man sich im Gras versteckte und zu zweit war und einen das Tier jammerte, das ja auch für Junge sorgte, und sich mit Kernen der wilden Gräser begnügte, statt totzuschlagen, und Mensch wurde, weil man liebte ...

Der Wald drüben auf der Auderödspitze im Arresee steht wie eine blaue Mauer: Himbeeren, rote Seen aus Weiderich und mörderisch viele Mücken, wenn man hinkommt! Man zieht durch den Hag zum Meere, ein langer Schweif von Fahrrädern, die Jugend in sorglosen Ferien, und wird empfangen von der großen atmenden Offenheit an der Küste, wo Land und Meer sich küssen. Entkleidet kehrt das Geschöpf zu seinem Element zurück.

Der Himmel verdünnt seine Farbe gegen den Herbst, bleich und schmal steht der Tagmond. Am Abend entzündet sich ein Planet über dem Moore – hoch und geräumig ist die Welt!

Während der Sommer vergeht, steht man täglich unter dem Einfluß oder ist das Opfer des unvermeidlichen, langsamen Fortschreitens in der Natur, das man Zeit nennt. Der Gang des Tages, das Wachsen der Pflanzen, Blühen und Verblühen, die Wanderung der Himmelskörper: alles anders von einem Augenblick zum anderen, ein Geschehen in den Zellen, das nicht wieder zu ändern ist; man ist selbst verändert, gealtert, gerade soundso viel, ob man es weiß oder nicht: die Zeit, die Entwicklung, die arbeitet.

Der Sommer erschlafft. Geblendet und ein wenig matt empfing man die gute Jahreszeit. Mit der ersten Augustkühle aber und den dunklen Nächten kehren die Kräfte wieder, die Initiative, denn das hängt mit der Kälte, dem Widerstand zusammen. Die Jahreszeiten verrichten ihr Werk in uns. Auch hierin liegt etwas Bedeutungsvolles, ein Gesetz, das man mit der Natur gemein hat.

Und mit dem, was der Sommer abgelagert hat, bricht man auf und begibt sich in die Stadt, zu seinem Widerstand dort und seiner Arbeit.


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