Paul Keller
Hubertus
Paul Keller

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Sechzehntes Kapitel.

Gewitternacht. – Vom Volkssturm und Balthassars Notizbuch. – Kreuzweg.

Das Gehöft eines Gärtnerstellenbesitzers brannte und die Schmiede. Es ging furchtbar zu im Dorfe. Kopflos hasteten die verängstigten Leute in dem Unwetter hin und her. An geordneten Löschdienst dachte niemand; jeder bangte um die eigene Habe. Das Unwetter tobte weiter. Dazu fing es heftig an zu hageln, mit so starken Eisstücken zu werfen, daß sich jedermann unter Dach flüchten mußte, wenn er nicht verletzt sein wollte.

Balthassar zitterte vor Schmerz.

»Alles, was an Getreide noch draußen ist, drischt nun der Hagel,« sagte er. »Warum kommt doch so schweres Unglück über unsere Gemeinde?«

Diese Frage schien in der Luft zu liegen, schien von Seele zu Seele zu gehen und wurde schließlich überall ausgesprochen.

Und es wurde eine böse Antwort gefunden, von wem zuerst, weiß ich nicht; aber es ging schon bald nach Mitternacht ein Raunen um:

»Elisabeth Ranke ist schuld! Sie wagt es, noch am Kreuz die Lampe anzuzünden, und sie ist keine Jungfer mehr! Unsere Lampenjungfer ist eine Dirne!«

Neue böse Gerüchte kamen; da habe es noch eingeschlagen, dort. Die Gerüchte bewahrheiteten sich nicht; aber die Aufregung wurde immer größer. Jeder wollte zu Hause sein und rannte doch, sobald der Hagel etwas nachließ, wieder wie geistesgestört nach der Straße.

Gegen drei Uhr graute der Tag, Hagel und Regen hörten auf. Viele Leute liefen nun nach den nahen Feldern und kamen jammernd zurück.

»Alles zerschlagen! Alles verloren!«

Die Aufregung des Volkes stieg. Niemand ging schlafen. Alle hatte es allzu hart getroffen, am meisten natürlich die beiden Abgebrannten.

Im ersten Morgenlicht kam ein lärmender Zug die Straße herauf, meist aus jungen Burschen und Weibern bestehend. Voran schritt der Schmied. Ich ahnte, gegen wen sich das Unheil wandte. Daher eilte ich in das Rankesche Haus.

»Elisabeth Ranke, retten Sie sich! Verlassen Sie das Haus. Gehen Sie nach der Schule zu Fräulein Isenloh. Sie soll sie solange verstecken, bis die Leute wieder zur Vernunft kommen. Hören Sie, sie kommen schon!«

Das Mädchen begriff die Gefahr und entwich durch die Hintertür. Da ging auch der Lärm draußen schon los.

»Heraus mit der Dirne! Unsere Lampenjungfer ist eine Hure. Sie ist schuld an allem. Schlagt sie tot! Wir werden gestraft für sie. Schlagt sie tot! Reißt ihr die Haare vom Kopf, reißt ihr die Lumpen vom Leibe!«

In einem dunklen Hauswinkel lauerte gänzlich zusammengebrochen Mutter Ranke. Weinen konnte sie nicht mehr; sie wimmerte nur wie eine Schwerkranke.

Ich riß die Haustür auf und trat auf die Schwelle.

»Herr Hubertus!« hieß es verwundert.

»Das ist der zweite Liebste von ihr!« schrie ein frecher Bursche.

Ich rief:

»Leute! Schweres Unglück ist diese Nacht geschehen. Im Unglück muß der Mensch vernünftig sein, vernünftig denken und handeln, sonst geht alles verloren. Seid vernünftig, Leute! Wir werden Mittel und Wege finden, Rat zu schaffen in der Not. Wo ich selbst helfen kann, werde ich helfen. Das Mädchen, das ihr sucht, ist nicht in diesem Hause. Ich gebe euch mein Wort, sie ist nicht hier. Nur ihre alte Mutter, die ihr als ehrenbrave Frau kennt, ist hier und ist halbtot vor Schmerz und Angst. Schont sie! Geht nach Hause!«

Erst Schweigen. Schwaches Beistimmungsgemurmel. Dann aber wieder der Schrei:

»Sie ist schuld! Sie ist eine Dirne. Sie hat unser Kreuz geschändet. Sucht sie!«

Da verließ mich leider die Geduld, die einer, der zum Volke spricht, niemals verlieren darf.

»Ihr redet Blödsinn! Seht ihr nicht ein, daß das Blödsinn ist? Gott straft niemand um der Sünde anderer willen. Christus ließ sich von Maria Magdalena die Füße salben, und er sollte nicht einmal zugeben, daß das simple Lämplein eines Waldkreuzes von einer Sünderin bedient werde? Hütet euch! Das Recht ist wider euch.«

Tumult. Die Volksjustiz wollte ihr Opfer.

»Oho, oho, er hält es mit ihr. Er ist auch ein Städter. Gerade wie der Lump, der Maler, der alle Mädel rumkriegt. Los! Los! Nehmt die Kerle!«

Eine Rotte drängte vor. Ich war in Gefahr.

Und wie aus der Erde herausgeschossen, stand plötzlich Balthassar neben mir.

»Ruhe!« brüllte er. »Drei Minuten Ruhe. Dann könnt ihr machen, was ihr wollt! Ich will mir nur in aller Eile für den Staatsanwalt notieren, wer hier an diesem Landfriedensbruch beteiligt ist.«

Stille. – Stockung. –

Balthasar zog sein dickes Notizbuch heraus und fing an, in aller Ruhe zu schreiben. Da begann eine augenblickliche, verblüffend schnelle Zersetzung der revoltierenden Menge. Mit Geknurr und Gemurr, aber fabelhaft schnell wurde der Platz geräumt. Balthassar guckte immer wieder auf ... schrieb ... schrieb ... In weniger als zwei Minuten war das Rankesche Haus frei. Als der letzte fort war, sagte Balthasar:

»So, nun noch einen Strich durch den ganzen Quatsch, den ich mir da notiert habe, und die Sache ist in Ordnung!«

»Das haben Sie großartig gemacht!« sagte ich in ehrlichem Erstaunen.

»Großartig is es nicht – bloß praktisch!« sagte Balthassar. »Diese Leute sind ja Stümper als Revoltemacher. Aber sehen Sie, wenn unser Landrat, der ein Berliner ist, und folglich vom Landvolk absolut nichts versteht, sagt, wir Amtsvorsteher müßten uns mehr in die Volkspsyche vertiefen, da krieg' ich Leibschmerzen von dem sauren Gemäre. Volkspsyche! Das wichtigste Hilfsmittel in solchen Fällen ist ein Notizbuch. Das wirkt viel furchtbarer als ein Säbel. Stellen Sie sich vor, ein Mensch notiert sich was über Sie; Sie haben keine ruhige Stunde mehr, wenn Sie nicht wissen, was der Kerl notiert hat. Nee, nee, Strategie verstehen wir ... Polizeisäbel, das ist höchstens Infanterie; Notizbuch, das ist schwere Artillerie. Wirkt immer! Volkspsyche! Unser Landrat hat keine Ahnung, was das ist. Sie übrigens auch nicht. Mit Verlaub zu sagen!«


Wie hatte ich gesagt? Simples Lämplein vor einem Waldkreuz. War das nicht verächtlich gesprochen? Freilich – ich sagte es im Vergleich zu der Person des Erlösers selbst. Gegen die ist ja auch das beste Kunstwerk eines Kreuzbildes nichts als eine gemalte Sonne gegen die wirkliche Sonne.

Aber die Leute hingen an dem Kreuz und seiner ewigen Lampe. Die Tradition, eine Jungfrau müsse ihr Öl nachfüllen, sonst geschähe Unglück, war uralt und ehrwürdig. Niemand hatte das Recht, da von »Blödsinn« zu reden. Ich hatte es in der Aufregung gesagt, und ich wäre wahrscheinlich mitsamt den Rankeschen verunglückt, wenn nicht Balthassar mit seinem rettenden Notizbuch aufgetaucht wäre. Gerade sehr naives Volk kann leicht gefährlich werden.

Ich stieg den Bergweg hinauf nach meinem Hause. Die Sonne stand freundlich am Himmel; sie lachte, als ob sie nach friedsamer Nacht ruhig ausgeschlafene Kinder begrüße. Von allem, was mich im Leben verblüffte, stand das immer oben an, daß die Gegensätze so dicht nebeneinander stehen: Hagelschlag und Sonnenschein, Begräbnis und lachender Gesang auf der vorbeiführenden Landstraße, Weinen und Schalksgelächter, Kirchenorgel und Zechgelage, Ehre und Trug, Liebe und Leid. Fülle das ganze Menschenleben in einen Perlenbecher, du mußt alle Farben und Schattierungen wählen, und es wird alles durcheinander gerüttelt sein, und die Weißesten Perlen werden oft dicht neben den dunkelsten liegen. Deshalb habe ich nie Dichter leiden mögen, die immer ernst oder die immer humorvoll sein wollen. Ich hatte immer das Gefühl, daß diese das Leben nicht erfaßten. Sie haben irgendwo am Rande gestanden, nie mitten drin.

Was sollte ich nur jetzt tun, morgens um halb fünf? Schlafen gehen? Ich konnte nicht schlafen; dafür waren meine Nerven viel zu gespannt. Nach Hause gehen? Die Sturz würde mir den Jammer ihrer Nacht vorheulen, und die Hunde würden mir zu sehr tollen. Ich brauchte Stille.

Willst einmal hinauf nach dem Kreuz, dachte ich; willst ihm Abbitte tun, daß du seine schöne ewige Lampe »simpel« genannt hast. Es wird eine erfrischende Bußfahrt sein an diesem erdduftenden Sommermorgen.

Am Waldrand schaute ich noch einmal über das Tal. Auf allen Feldern waren Leute. Sie hatten da nichts zu tun, als sich den furchtbaren Schaden zu besehen, den das Hagelwetter angerichtet hatte.

Der war wohl groß. Mehr als ein Drittel der Ernte war dahin. Ich hörte es nicht und wußte es doch, wie erbarmungswürdig alle diese Leute klagten. Landleute klagen ja gern; sie nehmen ihre Schicksale gern sehr tragisch. Mir hat einmal ein sonst frommer Landmann gesagt: »Der liebe Gott versteht alles; aber ein tüchtiger Landwirt ist er nicht. Sonst könnten doch solche Sachen wie dies Jahr nicht vorkommen.« Der liebe Gott – meine ich – wird der biederen Haut das abträgliche agrikulturwissenschaftliche Zeugnis nicht allzu übel genommen haben; denn er versteht sicher mehr Spaß als alle Menschen zusammen.

Ich habe früher manchen am verwüsteten Felde stehen sehen: einen Freund, der Selbstmord beging, weil sein erstes Drama, auf das er alle Hoffnungen setzte, durchfiel; Geschäftsleute, die sich nicht nur mit einem Drittel Jahresverdienst, die sich mit all ihrer Habe verspekulierten; Menschen, die durchs Examen fielen und auf keinen grünen Zweig kamen; Übergangene beim Militär, die in trostlose Verabschiedung verfielen – ach, ihr Landleute dort unten, gebärdet euch nicht allzu wild! Hafer und Gerste wachsen wieder – manches andere in der Welt wächst niemals mehr.

Aber doch, ich war an diesem Morgen sehr weich gestimmt, und ich neigte mich vor den Leiden dieser bekümmerten Bauern.


Wie viele Kreuzwege sah ich im Leben! Ich sah Menschen, die unter ihrem Lebenskreuz zusammenbrachen, sah manche unschuldig Verurteilten, sah Frauen, die am Wege weinten, Mütter, die ihrem Sohn auf dem Pfad bitterster Schmach begegneten, blutige Schweißtücher sonder Zahl, Leute, denen die Gier der Welt die Kleider vom Leibe riß, sie zu schänden, Leute, die ans Kreuz genagelt wurden ...

Und ich ging diesen königlichen Leidensweg Jesu Christi, der alles menschliche Leiden umschließt, im Geiste durch.

Und als ich an die Gruppe kam:

»Am Kreuze gestorben!«

da fand ich unter dem Kreuz Emil Bönisch und Elisabeth Ranke.

Die zwei von der Welt Verstoßenen.

Gütig neigte sich die herrliche Gestalt des Heilands über sie. Die ewige Lampe flammte in rotem Licht.

Als ich das sah, glaubte ich anfangs an eine Sinnestäuschung, und als ich inne wurde, daß das Wahrheit war, was ich vor mir hatte, daß wirklich Emil und Elisabeth unter dem Kreuze saßen, wollte ich umkehren. Ich konnte es nicht. Dies Bild der Flüchtlinge des Lebens, der Schuldbeladenen, der Mühseligen und Beladenen unter dem Kreuz lähmte in seiner überwältigenden Milde meinen Willen.

Woher solche Milde gegenüber solcher Schuld?

Weil das Menschliche aufhört, das Große, Unendliche, Ewigbefreiende, das Göttliche beginnt!

Wenn ich doch gehen könnte! Aber die Sinne sind wie gefangen; ich glaube, ich kann gar nicht mehr gehen. Schwer vom Schrecken sind die Glieder.

Er hat den Arm um sie geschlungen, sie den Arm um seinen Hals. Beider Augen sind geschlossen, die Stirnen neigen sich aneinander – sie sind eines ... in Reue ... in Schicksal ... in Liebe ...

Ewiges Erbarmen!

Das Bild greift mir so an die Seele, daß ich mich zuerst gar nicht frage: Wie kommen denn die beiden zusammen, wie haben sie sich denn gefunden?

Am Wegrand taste ich von Baum zu Baum. Ich bin ihnen schon ganz nahe. Vielleicht bin ich ein Lauscher, und das ist unwürdig. Aber ich bin unter einem Zauber; ich kann nicht fort. Vielleicht kann ich auch ein Helfer sein. – –

Der Bursche stand auf.

»Wir wollen gehen, Liese!«

Sie sank vor ihm nieder und umfaßte seine Knie.

Emil wandte ein wenig den Kopf und erblickte mich. Er erschrak nicht, sondern sagte ruhig:

»Da ist Herr Hubertus.«

Das Mädchen schnellte erschrocken in die Höhe.

Ich trat näher und nahm den Hut ab.

»Verzeihen Sie! Ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich kam ganz zufällig hierher. Ich möchte Ihnen beiden helfen, wenn es in meiner Macht steht!«

»Er ist gut zu mir!« sagte das Mädchen. »Sie hätten mich totgeschlagen, wenn er nicht gewesen wäre.«

Emil nickte.

»Ich weiß. Aber sehen Sie, Herr Hubertus, da wird nicht mehr viel zu helfen sein. Elisabeth muß fort von hier; man weiß ja nicht, was sonst passiert.«

»Ja, sie muß jetzt fort; das ist notwendig!« sagte ich.

Emil erzählte, und er sprach zu meiner Verwunderung ganz ruhig und ohne Aufregung, so sachlich wie einer, der alles wohl überlegt hat.

»Ich bin zurückgekommen, weil ich's nicht mehr länger aushielt. Die Elisabeth war immer mein Schatz. Das mit der anderen, das war Tollheit. Ist ja auch schlimm genug gestraft worden. Vor vier Tagen bin ich zurückgekommen. Ich habe der Elisabeth hier am Kreuze aufgelauert; ich wußte ja, daß sie wegen der Lampe hierher kam. Sie hat mir dann Essen gebracht, und geschlafen habe ich im Walde. Gestern, Herr Hubertus, haben Sie mich entdeckt. Ich wußte dann nicht, was ich tun sollte. Aber jetzt weiß ich es. Es kann so nicht weiter gehen. Die Elisabeth bringe ich nach der Stadt. Ich werde Ihnen die Adresse geben, Herr Hubertus, die bringen Sie, bitte, der Mutter Ranke. Aber sonst soll niemand wissen, wo Elisabeth ist, auch Herr Balthassar nicht.«

»Ich will das alles gern so tun und auch Stillschweigen wegen Elisabeth bewahren.«

Emil Bönisch wandte sich ab.

»Herr Hubertus, wenn Sie wüßten, wie schlecht ich bin, würden Sie nicht so freundlich mit mir sprechen.«

Das Mädel sank wieder vor ihm nieder und umklammerte wieder seine Knie.

»Er ist nicht schlecht – er ist nicht schlecht!«

Emil wandte sich mir abermals zu.

»Wenn ich das mit der Elisabeth in Ordnung gebracht haben werde, dann werde ich hierher zurückkommen. Und dann werde ich hier auch alles in Ordnung bringen.«

»Du darfst nicht, Emil, darfst nicht!«

»Ich muß!« sagte er. »Lassen Sie mich jetzt ruhig gehen, Herr Hubertus; ich laufe nicht fort, ich komme wieder. Das Eine können Sie Herrn Balthassar sagen: der meinem Vater das Geld gestohlen und die Brettschneide angezündet hat, der bin ich

»Emil Bönisch!«

Das Mädchen schrie und lag lang auf der Erde; der Körper zuckte.

»Es muß heraus!« sagte der Bursche heiser, »es nutzt alles nichts; es ist sonst nicht zum Aushalten. Und da hier das Kreuz ist, ist's ja ein Ort zum Beichten. Die da hat mir auch hier gebeichtet.«

Ich brachte nur mühsam heraus:

»Und – Emil Bönisch – und die Bianka?«

»Nein! Das war ich nicht!«

Seine Stimme war metallhart, als er das sprach.

»Und wer hat die Bianka erschlagen?«

»Das sage ich nicht!«

Schweigen. Nur ein Vogel zirpte.

»Steh auf, Liese, nun gehen wir! übermorgen bin ich wieder da, Herr Hubertus.«

Er nahm das schluchzende Mädchen in den Arm und führte es davon. Ich hinderte sie nicht. Ich stand noch ein Weilchen reglos da, dann setzte ich mich nieder auf die Kniebank, die unter dem Kreuz war.


Langsamer Heimweg. Tausenderlei Gedanken.

Wie das nur schwer gewesen sein mag, wenn das Mädchen mit seinem Ölkännlein zum Kreuze schritt ohne das Jungfernkränzlein, auf das die ganze Gemeinde vertraute!

Ein weißseidenes Brautkleid sollte sie einmal für ihre Dienste bekommen. Aber der, den sie liebte, hatte sie verraten und verlassen, und der andere, an den sie sich wegwarf, hatte nur mit ihr gespielt. Jetzt lief er schon seit Wochen ein Paar Sommerfrischlerinnen nach und kümmerte sich nicht mehr um sie.

Verödete Jugend! Und immer die Furcht vor Schande.

Da, als sie wieder einmal mit zitternden Händen, bleichem Gesicht und niedergeschlagenen Augen das Lämplein füllte, trat der aus dem Gezweig, dem all ihre Liebe galt und dem all ihr Leiden entsproß.

Er war wieder da – war heimgekommen, von alter Liebe und Sehnsucht getrieben, und sie beichteten sich als zwei Schuldbeladene und verziehen sich, und der Heiland streckte die Arme über sie aus.


So war Emil Bönisch der Dinge, deren ihn das Gericht bezichtete, des Diebstahls und der Brandstiftung, wirklich schuldig. Es wird ein harter Schlag für den alten Vater sein, wenn er das hört. Der tobt noch heute darüber, daß sein Sohn steckbrieflich verfolgt wird.

Ich habe Emil laufen lassen – hätte ich das gedurft? Ach, ich bin viel zu benommen, um über solche Dinge nachzudenken. Ich hätte mich auch wirklich an ihm nicht vergreifen können, an der Freistatt da oben.

Er will wiederkommen.

Ich merke, wie rasch ich gehe. Ich fürchte mich allein im Walde. Als ich mein Haus sehe, atme ich auf.

Da kommt die Sturz aus dem Hause, und als sie mich sieht, schreit sie über Garten und Wiese:

»Herr Hubertus, Sie sollen bald nach der Brettschneide kommen. Herr Balthassar hat hergeschickt. Der alte Bönisch hat sich aufgehängt!«


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