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Frau Staar. Bald darauf die Magd.
Frau Staar (allein). Sieh, sieh, das Binchen ist auf einmal ganz lebendig geworden. Aber sie hat recht, wir müssen uns tummeln. – Ach du mein Gott! da fällt mir eben bei, es müssen ja auch noch Gäste gebeten werden; der Fremde kann doch nicht ganz allein mit uns essen. Aber wen soll man einladen? – Da sind sie nun alle fort! – Mit wem soll man dergleichen wichtige Dinge beratschlagen? – Margarete! Margarete!
Die Magd (kömmt).
Frau Staar. Lauft doch geschwind hin zu meiner Muhme, der Frau Oberfloß- und Fischmeisterin Brendel, und zu meiner Muhme, der Frau Stadtakzisekasseschreiberin Morgenrot, und sprecht: die Frau Untersteuereinnehmerin lasse sich der Frau Oberfloß- und Fischmeisterin und der Frau Stadtakzisekasseschreiberin ganz gehorsamst empfehlen, und wenn die Frau Oberfloß- und Fischmeisterin und die Frau Stadtakzisekasseschreiberin die Güte haben wollten, die Frau Untersteuereinnehmerin auf einen Augenblick zu besuchen, so würde die Frau Untersteuereinnehmerin solches mit großem Dank erkennen, sintemal etwas sehr Wichtiges vorgefallen sei.
Die Magd (ab).
Frau Staar (allein). Nun muß ich auch noch die geblümte Kontusche anziehn – und eine andere Haube aufsetzen – aber der Perückenmacher! – daß Gott erbarm! – der kömmt nur an Sonn- und Feiertagen – in der Woche geht er auf dem Lande umher und frisiert den Pastoren ihre Perücken. – Was ist anzufangen? – ich könnte mich freilich von der Sabine – aber die jetzigen Moden sind so lüderlich, so pudelmäßig – da ist nichts Geklebtes, nichts Geschniegeltes – weder Pomade noch Kammstrich! – Mein Sohn Niklas denkt auch an gar nichts. Hätte er den vornehmen Herrn noch ein paar Stunden im Steinbruch zappeln lassen, so könnte man ihn mit der gehörigen Gravität empfangen.
Frau Staar und Frau Brendel.
Frau Brendel. Da bin ich, liebwerteste Frau Muhme. Ich bin gelaufen, ich habe keinen Atem mehr – ich war eben erst bei meiner siebenten Tasse Kaffee, aber ich habe alles stehn- und liegenlassen –
Frau Staar. Sehr verbunden, hochgeschätzte Frau Muhme. Wissen Sie schon –
Frau Brendel. Ach, ich weiß alles! Meine Magd war im Fleischscharren, da hat der Fleischer erzählt, sein Nachbar, der Leineweber, habe gehört, wie der Ratsbote zu seiner Tochter gesagt hat: Mieke, hat er gesagt, draußen im Steinbruche liegen ein paar Grafen, die haben Arme und Beine gebrochen und werden gleich hier sein. Der Türmer wird blasen, die Kinder werden Blumen streuen, der Magistrat in corpore wird ihnen entgegenziehn, und die Glocken werden geläutet.
Frau Staar. Es ist nur einer, Frau Muhme, nur einer liegt draußen im Steinbruch, vermutlich ein vornehmer Herr. Bei uns wird er logieren. Der Minister hat selber geschrieben und hat meinen Sohn um Gottes willen gebeten. Nun können Sie denken, Frau Muhme, was für ein Rumor hier im Hause ist. Und alles liegt auf mir! Alles auf mir!
Frau Morgenrot. Die Vorigen.
Frau Morgenrot. Gehorsame Dienerin, meine teureste Frau Muhme! sehn Sie nur, wie ich schoffiert bin. Ich komme doch nicht zu spät? Mit Erlaubnis zu reden, ich war fast noch im Hemde, singe mein Morgenlied und kämme den Mops. Beim dritten Vers stürzt Ihre Magd herein, je du mein Gott! ich denke, das Haus brennt. Da bin ich aufgesprungen, der Mops ist mir vom Schoße gefallen, das Gesangbuch in die Kohlpfanne, wo ich meinen Kaffee wärmte, der Kaffee ist in die Kohlen geflossen, und von dem Liede »Wach auf, mein Herz, und singe!« sind zwei Verse verbrannt.
Frau Staar. Ich bedaure unendlich, wertgeschätzte Frau Muhme –
Frau Morgenrot. Hat nichts zu bedeuten. Ich weiß schon alles. Draußen im Steinbruche liegen drei oder vier Prinzen, der eine ist tot, der andere schnappt nur noch ein bißchen. Der Kutscher hat den Hals gebrochen, und die Pferde strecken alle viere von sich. Der Herr Amtsadvokat Balg ist mir auf der Straße begegnet, der hat es von seiner Köchin, die weiß es von der Frau Lotterieinspektorin, der hat ihres Mannes Balbier alles umständlich erzählt.
Frau Staar. Nun, nun, so gar gefährlich ist es doch nicht. Vor einer kleinen Weile kam ein Bauer von Rabendorf –
Frau Brendel. Ich weiß, der hat einen harten Taler zum Trinkgeld bekommen.
Frau Morgenrot. Nicht doch, Frau Gevatterin, ein Louisdor soll es gewesen sein.
Frau Staar. Der war gelaufen, was er konnte –
Frau Brendel. Er soll das Milzstechen bekommen haben.
Frau Morgenrot. Auch Nasenbluten.
Frau Staar. Ein vornehmer Herr hat den Wagen gebrochen –
Frau Brendel. Ein Graf –
Frau Morgenrot. Etliche Prinzen.
Frau Staar. Das wissen wir noch nicht. Vornehm muß er sein, denn er logiert nicht in der »Goldenen Katze«, sondern bei uns, auf ausdrückliches hohes Begehren. Nun, da mein Sohn, der Bürgermeister, auch Oberälteste, die Erste Person in der Stadt gleichsam repräsentiert, so begreifen Sie wohl, liebwerteste Frau Muhme, daß er seinem Range Ehre machen muß.
Frau Brendel. Ein Schmaus auf dem Rathause –
Frau Morgenrot. Ein Tanz auf der Schützengilde.
Frau Staar. Morgen ist das große Fest, wie Sie wissen.
Frau Brendel. Ach ja, das Weib, das vor neun Jahren die Kuh stahl –
Frau Morgenrot. Morgen steht sie am Pranger. Ich freue mich ungemein darauf.
Frau Brendel. Ich habe mir eine ganz neue Roberonde dazu machen lassen.
Frau Staar. Da ist nun ohnehin schon allerlei zu dieser Feierlichkeit veranstaltet. Aber heute ruht die Ehre der Stadt auf uns allein; heute müssen wir traktieren, und das wollen wir denn auch mit Gottes Hülfe. Die Tische sollen sich biegen unter Gottes Segen. Meine wertgeschätzten Frau Muhmen sind auch dazu eingeladen.
Frau Brendel. Ist mir eine große Ehre –
Frau Morgenrot. Werde nicht ermangeln.
Frau Staar. Nun wünscht' ich aber doch den fremden Herrn mit den Honoratioren unserer Stadt bekannt zu machen. Da hab ich mir denn nun Ihren guten Rat erbitten wollen, wer etwa noch einzuladen wäre?
Frau Brendel (nachdenkend). Je nun, ich dächte –
Frau Morgenrot. Sie könnten etwa –
Frau Brendel. Den Herrn Geleits- und Landakziskommissarius Kropf –
Frau Staar. Nein, Frau Muhme, der hat neulich an seiner Mutter Geburtstage einen Schmaus gegeben und hat uns nicht dazugebeten.
Frau Brendel. Ah so!
Frau Morgenrot. Etwa den Herrn Supernumerarius-Rentkammerschreiber Wittmann?
Frau Brendel. Nein, Frau Muhme, mein seliger Mann hatte eine Prozeß mit seinem Schwiegervater wegen einer Dachrinne.
Frau Morgenrot. Ah, das ist ein andres.
Frau Staar. Ich denke den Herrn Generalpostgüterbeschauer Holbein?
Frau Morgenrot. Um Gottes willen nicht, Frau Muhme! der hat eine unausstehliche Frau! fast alle Sonntage ein neues Kleid. Das rauscht an den Kirchenstühlen vorüber –
Frau Brendel. Das trägt die Nase so hoch –
Frau Morgenrot. Und man kennt sie doch noch recht gut –
Frau Brendel. Jawohl, wie sie das graue Leibchen mit der grünen Schürze trug.
Frau Morgenrot. Man munkelt auch allerlei, woher sie es nimmt.
Frau Brendel. Nein, da möcht' ich lieber den Herrn Kreistrank-, Schock- und Quatembersteuer-, auch Imposteinnehmer Runkel vorschlagen.
Frau Staar. Mit dem bleiben Sie mir vom Leibe, Frau Muhme; der ist ein Grobian! Glauben Sie wohl, daß er uns ordentlich besucht hat? Der Naseweis! eine Karte hat er abgegeben, eine Visitenkarte. – Eher könnte man den Herrn Floßstrafbefehlshaber Weidenbaum bitten.
Frau Brendel. Ja nicht, Frau Muhme, um 's Himmels willen nicht! Sie wissen doch, daß der böse Mensch dreimal mit meines Schwagers Stieftochter gesprochen hat und daß er sie folglich heiraten wollte? Nun ist er weggeblieben und hat das arme Mädchen ins Gerede gebracht.
Frau Staar. Ja du lieber Gott! wen sollen wir denn aber bitten?
Frau Morgenrot. Da kömmt der Herr Vetter Sperling.
Sperling mit einem großen Blumenstrauß. Die Vorigen.
Sperling. Frau Untersteuereinnehmerin – Frau Oberfloß- und Fischmeisterin – Frau Stadtakzisekasseschreiberin – allerseits gehorsamster Diener! Ich war in meinem Garten – der Herr Vizekirchenvorsteher hat den Ratsboten nach mir geschickt – ich bin gelaufen wie ein Sonnenstrahl! Kaum hab ich mir soviel Zeit genommen, diese Kinder des Frühlings zu pflücken.
Die drei Frauen. Wissen Sie schon?
Sperling. Alles weiß ich. Ein berühmter Gelehrter umgeworfen – das Nasenbein gequetscht – Empfehlungsschreiben vom Minister –
Frau Staar. Ein Gelehrter, sagen Sie?
Frau Brendel. Nur ein Gelehrter?
Frau Morgenrot. Ei du mein schöner Kaffee! der in die Kohlen lief.
Frau Staar. Glauben Sie's nicht, Frau Muhme. Ich habe alle mein Lebstage gehört, daß die Minister sich wenig um Gelehrte bekümmern. Nein, nein, es hat eine andere Bewandtnis.
Sperling. Und ich bleibe dabei, der Mann mit der gequetschten Nase ist ein Gelehrter, kömmt aus Ägypten oder aus Weimar; hat die Säule des Pompejus gemessen oder doch Wieland aus dem Fenster gucken sehn. Kurz, wir haben keine Zeit zu verlieren. Hier sind die Blumen, schaffen Sie mir nur geschwind die Kinder herbei. Kinder muß ich haben! dann mag er kommen und sehn, was in Krähwinkel geschieht!
Frau Staar. Nun, nun, sie sollen gleich hier sein. (Ab.)
Sperling (steht seitwärts und probiert pantomimisch den Empfang).
Frau Morgenrot. Haben die Frau Gevatterin wohl bemerkt, wie lächerlich die alte Frau Muhme sich gebärdet?
Frau Brendel. Jawohl, Frau Gevatterin, sie bläht sich wie ein Teig am Ofen.
Frau Morgenrot. Lieber Gott! ihr Mann war doch nur Untersteuereinnehmer.
Frau Brendel. Wie er starb, blieb er einen Rest in die Kasse schuldig.
Frau Morgenrot. Und was wird das für ein Traktament werden? wissen Sie noch vor acht Wochen den Braten? er war ja ganz verbrannt.
Frau Brendel. Und wie sie aussieht! was wird sie anziehn?
Frau Morgenrot. Sie hat ja nur drei Kleider.
Frau Brendel. Ganz recht, das braune –
Frau Morgenrot. Und das weiße –
Frau Brendel. Und das stoffene –
Frau Morgenrot. Das hat sie machen lassen, wie der Bürgermeister zum ersten Male taufen ließ.
Frau Brendel. Um Vergebung, Frau Gevatterin, das wurde gemacht, als der Vizekirchenvorsteher seine zweite Frau heiratete.
Frau Morgenrot. Die auch eine Närrin war.
Frau Brendel. Jawohl, jawohl.
Frau Staar mit zwei Kindern, die große Butterbröte essen. Die Vorigen.
Frau Staar. Da sind die Kinder.
Sperling. Her damit!
Frau Staar. Verneigt euch erst vor den lieben Frau Muhmen. So! – Nun gebt eine Patschhand. So!
Frau Brendel (indem sie sich die Butter von den Fingern wischt). Allerliebste Püppchen! Gott behüte sie!
Frau Morgenrot (ebenso). Der lieben Frau Muhme wie aus den Augen geschnitten.
Frau Brendel. Haben doch die Pocken schon gehabt?
Frau Staar. Noch nicht. Mein Sohn wollte sie immer inokulieren lassen, aber das leid ich nicht. Man muß dem lieben Gott nicht vorgreifen.
Frau Morgenrot. Jetzt will man die Kinder gar unter das Vieh stecken.
Frau Brendel. Man nimmt die Materie von den Bestien.
Frau Staar. Es ist ein gottloses bestialisches Wesen.
Sperling (der sich indessen mit den Kindern beschäftigte). Kinder, legt die Butterbrote beiseite.
Die Kinder. Ne, ne,
Sperling. So nehmt wenigstens die Blumen in die eine Hand,
Herr Staar. Der Bürgermeister. Sabine. (Einer nach dem andern.) Die Vorigen.
Herr Staar (eilig). Eben fährt er zum Tore herein. Die ganze Straße ist voll Jungen. Sie laufen neben dem Wagen her und gaffen ihm ins Gesicht.
Bürgermeister (eilig). Er kömmt! er kömmt! Der Türmer steht auch schon unten mit seiner Trompete.
Sperling. Du lieber Gott! die Kinder sind noch so dumm –
Herr Staar. Streut nur Blumen und werft sie ihm ins Gesicht.
Sabine (eilig). Olmers! Olmers! er ist da!
(Ein verstimmter Trompetenstoß.)
Bürgermeister. Allons! ihm entgegen!
Herr Staar. Die Kinder voraus!
Sperling (reißt ihnen die Butterbröte aus den Händen und wirft sie auf den Tisch). Laßt die Butterbröte solange hier.
Herr Staar (schiebt die Kinder zur Tür hinaus). Fort! fort!
Die Kinder (schreien). Mein Butterbrot! mein Butterbrot!
Bürgermeister (ihnen folgend). Wollt ihr die Mäuler halten!
Sperling und Herr Staar (folgen).
Sabine (steht am Fenster und wirft Küsse hinab).
Frau Staar. Frau Oberfloß- und Fischmeisterin, Sie werden die Güte haben voranzuspazieren.
Frau Brendel. Das wird nimmermehr geschehn. Frau Stadtakzisekasseschreiberin, ich bitte gehorsamst –
Frau Morgenrot. Frau Untersteuereinnehmerin, Ihnen gebührt die Ehre.
Frau Staar. Bewahre der Himmel! ich bin in meinem eigenen Hause.
Frau Brendel. Ich kenne meine Schuldigkeit –
Frau Morgenrot. Ich gehe nicht von der Stelle.
(Alle drei fangen plötzlich an zu reden und zu komplimentieren.)
(Der Vorhang fällt.)