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Fünfter Akt.

(Zimmer im Schloß.)

Erste Scene.

Der Graf allein (geht herum und schlägt Fliegen todt)

Ehemals zog ich gegen Menschen zu Felde, nun gegen Fliegen. Beide sind oft ein lästiges Geschmeiß. – Den heutigen Feldzug eröffne ich aus langer Weile – und wie mancher Feldzug wird aus keinem bessern Grunde eröffnet! – Kaiser Domitian schlug Fliegen todt, so gut als ich; darüber lacht die ganze Welt. Aber daß Kaiser Karl Menschen todt schlug, wie Fliegen, weil sie nicht beten wollten, wie Er, darüber lacht Niemand, und es ist doch bei Gott sehr lächerlich? Guter Domitian! deine Asche ruht in Frieden, die Seelen der ermordeten Fliegen können dir nicht fluchen. Selig ist der Kaiser, der fein zu Hause bleibt und Fliegen todt schlägt.

 

Zweite Scene.

Bittermann. Der Graf.

Bitterm. Ew. hochgräfliche Excellenz, die Tafel ist servirt.

Graf. Ich frage den Henker nach seinen Leckerbissen, wenn er mir die Tafel nicht auch mit Menschen servirt. Allein schlafen kann ich zur Noth, aber nicht allein essen. Wo bleibt denn meine werthe Hausgenossenschaft? liegt Madam Müller noch in Ohnmacht?

Bitterm. So viel ich im Vorbeigehen am Schlüsselloch erlauschen konnte, ist sie nun wieder zu sich gekommen. Du lieber Gott! ist das nicht ein Spectakel um so ein Frauenzimmerchen. Die arme hochedle Mamsell Lotte läuft Treppe auf, Treppe nieder, nach Hirschhorn und weißem Pulver. Ich wundere mich nur über die gnädige Frau Gräfin und über den hochwohlgebornen Herrn Major; die sind so ängstlich um die gewisse Person beschäftigt, als ob dieselbe zu Ew. hochgräflichen Excellenz hoher Familie gehörte.

Graf. (lächelnd) Wer weiß.

Bitterm. Bei meiner armen Seele! ich glaube, wenn ein alter, treuer Diener, der seit 20Jahren die Ehre hat, Ew. hochgräflichen Excellenz aufzuwarten, ein Mal das Unglück hätte, in Ohnmacht zu fallen, es würde nicht halb so viel Lärm entstehen.

Graf. Das glaub' ich beinahe selbst.

Bitterm. Und lieber Gott! Niemand weiß doch, wer das Frauenzimmerchen ist. Ich habe Briefe über Briefe geschrieben, ich habe Antworten über Antworten erhalten; keiner meiner Korrespondenten kann mir Auskunft geben.

Graf. Weiß er was, Bittermann? da will ich ihm einen guten Rath ertheilen.

Bitterm. (sehr begierig) Ich bin ganz Ohr.

Graf. Ich schließe aus dem heutigen Vorfall, daß Madam Müller und der Fremde sich kennen müssen. Wenn er also nur von dem Fremden nähere Nachricht einziehen könnte

Bitterm. (wehmüthig) Ach, theuerster Herr Graf! habe ich mir nicht schon die unsäglichste Mühe deshalb gegeben? Seit vier Monaten ist alle mein Dichten und Trachten vergebens! dicker Nebel, ägyptische Finsterniß! und ohne Ruhm zu melden, was ich nicht zu Tage fördere, das muß im tiefsten Schacht vergraben liegen.

 

Dritte Scene.

Der Major. Die Vorigen.

Graf. Endlich kommt doch Einer, der mit mir zur Tafel gehen wird.

Major. Verzeihen Sie, Herr Bruder, ich habe weder Hunger noch Durst.

Graf. O weh! welch ein klägliches Gesicht! Alles kann ich verzeihen, nur nicht, daß man in meinem Hause den Kopf hänge. Wenn ich König wäre, ich würde meine Unterthanen glücklich machen, so viel in meinen Kräften stünde; wen ich aber nicht glücklich machen könnte, der müßte über die Grenze.

Major. Also nur aus Egoismus würden Sie die Menschen glücklich machen?

Graf. Ach, lieber Herr Bruder, Egoisten sind wir alle, der eine mehr, der andere weniger. Der eine läßt seinen Egoismus nackend laufen, der andere hängt ihm ein Mäntelchen um.

Major. Zum Disputiren bin ich jetzt nicht gestimmt.

Graf. Ein andermal. Apropos, was macht Madam Müller?

Major. Apropos? ein allerliebstes Apropos.

Graf. Nun denn, ohne Apropos.

Major. Sie hat sich erholt.

Graf. Wird sie zum Essen kommen?

Major. Nein.

Graf. Meine Frau auch nicht?

Major. Ich zweifle.

Graf. Und werde ich erfahren ?

Major. Verschonen Sie uns heute.

Graf. Nun, so hol Euch alle der Henker! Komm' er, Bittermann, er soll mir bei Tische ein Paar von seinen Briefen vorlesen.

Bitterm. Mit dem größten Vergnügen, Ew. hochgräfliche Excellenz. (beide ab)

Major. (vor sich hinstarrend) Die Räthsel sind gelöst armer Horst! sie ist das Weib deines Freundes! Mein schönes Wolkenbild! es zerfließt in kalten Nebel! Wohlan! jetzt widerlege durch die That, was der Graf da eben frostig deklamirte. Du kannst nicht glücklich seyn! aber du kannst vielleicht glücklich machen Eulalien wieder glücklich machen! Odann wäre ich ja doch beneidenswerth!

 

Vierte Scene.

Die Gräfin. Eulalia. Der Major.

Gräfin. In den Garten, liebe Freundin, in die frische Luft.

Eul. Mir ist wohl. Wenn Sie sich nur nicht um mich beunruhigten (bittend) wenn Sie mich lieber ganz allein ließen.

Major. Nicht doch, gnädige Frau, die Zeit ist kostbar. Er will fort, morgen schon. Lassen Sie uns alle Mittel denken, Sie mit Ihrem Gemahl auszusöhnen.

Eul. Wie, Herr Major? Sie wissen

Major. Alles. Meinau ist mein Jugendfreund. Seit sieben Jahren waren wir getrennt. Der Zufall führte uns heute wieder zusammen, und sein Herz schloß sich mir auf.

Eul. (schaudernd) Nun fühl' ich, was es heißt, den Blick eines ehrlichen Mannes nicht ertragen können! OGräfin! verbergen Sie mich vor mir selbst! (sie verbirgt ihr Gesicht am Busen der Gräfin.)

Major. Wenn ungeheuchelte Reue, ein Leben ohne Tadel, nicht Anspruch auf Verzeihung der Menschen geben, was hätten wir einst von Gott zu hoffen! Nein, Sie haben genug gebüßt. Ich kenne meinen Freund, ich eile zu ihm

Eul. Was wollen Sie thun, Herr Major? Nein, nimmermehr! Die Ehre meines Gemahls ist mir heilig. Ich liebe ihn unaussprechlich, aber ich kann nie wieder seine Gattin werden, selbst wenn er großmüthig genug wäre, mir verzeihen zu wollen.

Major. Ist das Ihr Ernst, gnädige Frau?

Eul. Nicht diese Benennung, ich bitte Sie. Ich bin kein Kind, das sich der Strafe entziehen will. Was wäre meine Reue, wenn ich einen andern Vortheil dadurch zu erlangen hoffte, als den eines minder tobenden Gewissens!

Major. Aber wenn nun Ihr Gemahl selbst

Eul. Das wird er nicht, das kann er nicht.

Major. Aber er liebt Sie noch.

Eul. Nun so darf er nicht. Er muß sein Herz von einer Schwachheit losreißen, die ihn entehrt.

Major. Seltene Frau! Sie haben mir also gar nichts aufzutragen?

Eul. Doch, Herr Major. Ich habe zwei Bitten, deren Erfüllung mir am Herzen liegt. Oft, wenn ich im Uebermaß meines Kummers an jedem Trost verzweifelte, kam es mir vor, als würde ich ruhiger seyn, wenn das Schicksal mir den Wunsch gewährte, meinen Gemahl nur noch ein einziges Mal zu sehen, ihm meine Schuld zu bekennen, und dann auf ewig von ihm zu scheiden. Das also meine erste Bitte: eine Unterredung von wenigen Minuten, wenn er meinen Anblick nicht verabscheut. Aber daß er ja nicht wähne, es gelte ein Versuch, ihm seine Verzeihung abzubetteln! daß er ja überzeugt sey, ich wolle meine Ehre nicht auf Kosten der seinigen wiederherstellen! Meine zweite Bitte ist Nachricht von meinen Kindern.

Major. Ich eile

Gräfin. Gott sey mit Dir!

Eul. Und mein Gebet! (Major ab.)

Gräfin. Ihm nach, liebe Freundin, ein Gang unter die Linden, bis er mit freundlicher Zusage wiederkehrt.

Eul. Wenn er sich meiner erbarmt wenn er diesen milden Tropfen in die Schale meiner Leiden träufelt oTod! dann sey mir willkommen! ich werde nicht in Verzweiflung sterben. (beide ab)

 

Fünfte Scene.

(Der Platz vor der Wohnung des Unbekannten.)

Der Major allein.

Gibt es noch auf Erden solch' ein Weib? er muß ihr verzeihen! – Dich was werd' ich ihm sagen, wenn er mir das Phantom der Ehre entgegen stellt? wenn er mich fragt, ob ich ihn zum Spott der bürgerlichen Gesellschaft herabwürdigen will? – was werd' ich antworten, wenn er spricht: ein ehebrecherisches Weib ist ein Schandfleck ihres Geschlechts, und ihr verzeihen, heißt ihre Schande theilen? – Ach! nur zu wahr! – doch ihre Jugend – ihre Reue – seine Liebe – – die Welt? nun die muß er fliehen, der muß er auf immer entsagen. In stiller Einsamkeit, wo keine Fesseln drücken, wird Eulalia ihm Ersatz gewähren.

 

Sechste Scene.

Franz. Wilhelm. Malchen. Der Major.

Wilh. Ich bin müde.

Malchen. Ich auch.

Wilh. Haben wir noch weit bis nach Hause?

Fr. Nein, wir sind gleich da.

Major. Halt! was sind das für Kinder?

Fr. Die Kinder meines Herrn.

Wilh. Ist das der Papa?

Major. Wie ein Blitzstrahl fährt mir's durch den Kopf. Ein Wort, Alter. Ich weiß, du liebst deinen Herrn. Hier sind wunderliche Dinge vorgefallen.

Fr. Zum Exempel.

Major. Dein Herr hat seine Frau wieder gefunden.

Fr. So? Das ist mir lieb.

Major. Madam Müller

Fr. Ist die seine Frau? das ist mir noch lieber.

Major. Aber sie wollen sich trennen.

Fr. O weh!

Major. Man muß das zu hindern suchen.

Fr. Ei freilich.

Major. Vielleicht, daß der unvermuthete Anblick der Kinder ihre Herzen überrascht.

Fr. Wie das?

Major. Nimm die Kleinen und verbirg dich mit ihnen dort in der Hütte. Bald sollst du mehr erfahren.

Fr. Aber

Major. Ich bitte dich, Alter, frage nicht viel. Die Zeit ist kostbar.

Fr. Nun, nun, fragen ist eben meine Sache nicht. Kommt Kinder. (er geht mit ihnen in die Hütte.)

Major. (allein) Ja, ich verspreche mir etwas von diesem kleinen Kunstgriff. Wenn er, nach langer Trennung, seine Kinder und zugleich ihre Mutter wieder sieht, dann wird die Natur nicht umsonst ihre Stimme erheben.

 

Siebente Scene.

Meinau. Der Major.

Major. (eilt ihm entgegen und schließt ihn mit Herzlichkeit in seine Arme.) Meinau!

Unb. Du hier? (mit starrer Kälte) Du weißt nun, was ich verloren habe.

Major. Verloren und wieder gefunden!

Unb. (stutzt und sieht ihn starr an) Was willst du damit sagen?

Major. Du kannst wieder glücklich werden.

Unb. (auffahrend) Mensch! (nach einer Pause mit Kälte) Hat meine Frau dich zu mir geschickt?

Major. Ja.

Unb. (mit Verachtung) Und sie könnte hoffen

Major. Nichts hofft sie. Deine Ehre ist ihr heilig.

Unb. (bitter) Wirklich? O ich verstehe. Seit 4 Monaten wohne ich hier, das wußte Eulalia

Major. Nein, sie sah dich heute zum ersten Mal.

Unb. Das glaubst du ihr. Höre weiter. Sie wußte ferner recht gut, daß durch einen Theater-Coup mir nicht beizukommen sey; darum legte sie einen feinen, tief versteckten Plan an. Sie spielte die Fromme, die Sittsame, die Eingezogene, um meine Neubegier rege zu machen. Sie spielte die Wohlthätige, doch so, daß ich es jedesmal erfahren mußte. Und endlich heute spielt sie dir reuige Spröde, und entsagte meiner Verzeihung, um desto sicherer sie mir zu entlocken.

Major. Mit Verwunderung habe ich dir zugehört. Nur einem Menschen, der so oft betrogen wurde, verzeiht man solche Grillen. Höre nun auch mich. Eulalia ist fest entschlossen, deine Verzeihung nie anzunehmen, auch dann nicht, wenn du selbst nach ihrem Ausdruck schwach genug seyn könntest, die Ehre der Liebe zu opfern.

Unb. Nun, warum bist du denn hier?

Major. Vor allen Dingen komm' ich als dein Freund, dich feierlich zu beschwören, dieses Weib nicht von dir zu stoßen! denn bei Gott! du findest ihres Gleichen nicht wieder.

Unb. Gib dir keine Mühe.

Major. Du liebst sie noch.

Unb. Leider!

Major. Sie betet dich an! durch meine Schwester weiß ich alles. Du ließest sie allein. Du selber fordertest von ihr Vertrauen zu dem Verführer. Du warst der erste Betrogene, sie fiel durch deinen Wahn. Und was that sie, als ein Augenblick die erste und letzte Schuld auf sie gewälzt hatte? ergab sie sich dem Laster? oder täuschte sie dich, wie tausend andere an ihrer Stelle gethan haben würden. Nein, sie floh in derselben Stunde, um fern von dir in Reue und Buße ihre Jugend zu vertrauern. Nach Jahren eines tadelloses Lebens führt der Zufall nein, die Vorsehung, euch wieder zusammen und du könntest schwanken?

Unb. Wenn ich auch das alles glaube und ich gestehe dir, ich glaube es gern so kann sie doch nie wieder die Meinige werden. Ha! das wäre ein Schmaus für die geschminkten Weiber und alle die faden Höflinge, wenn ich wieder mitten unter sie träte, mit meinem verlaufenen Weibe am Arme! Wie sie hohnlächeln, such in die Ohren wispern, mit Fingern auf mich zeigen würden! Odas wäre ein Schauspiel, um des Teufels zu werden!

Major. Nun, jenen abgeschmackten Cirkeln zu entsagen, wird doch wohl meinem Freunde Meinau keinen Seufzer kosten? du gehst auf deine Güter und bist glücklich in Eulaliens Armen.

Unb. Ich verstehe. Ihr habt Euch mit meinem Herzen gegen meinen Kopf verschworen; allein umsonst! ich bitte dich, Bruder, kein Wort weiter, oder ich gehe.

Major. Wohlan, so hab' ich Freundes Pflicht erfüllt. Jetzt noch ein Wort in Eulaliens Namen. Sie bittet dich um eine letzte Unterredung, sie will Abschied von dir nehmen. Diesen Trost wirst du ihr nicht versagen.

Unb. O, ich verstehe auch das. Sie schmeichelt sich, meine Standhaftigkeit werde vor ihren Thränen hinweg schmelzen; aber sie irrt sie möge kommen.

Major. Und dich fühlen lassen, wie sehr du sie verkennst. (will gehn)

Unb. Noch eins, Horst. Gib ihr dies Papier und diesen Schmuck er gehört

ihr zu.

Major. Das magst du selber thun. (ab)

 

Achte Scene.

Der Unbekannte allein.

Nun, Meinau, der letzte glückliche Augenblick deines Lebens naht heran. Du wirst noch ein Mal sie sehen, sie, an der deine ganze Seele hängt! O, daß ich ihr nicht entgegen fliegen, an dies klopfende Herz sie drücken darf! – pfui! ist das die Sprache des beleidigten Gatten? – Ach! ich fühle es, das Hirngespinst der Ehre wurzelt nicht im Herzen. – Standhaft! – es darf nun einmal nicht anders seyn. – Ernst will ich mit ihr reden, aber sanft. – Hüte dich, daß kein Vorwurf deinem Munde entschlüpfe. – Ja, ihre Reue ist wahrhaft, was auch mein Argwohn erklügelt. – Nun, so soll zum mindesten ihr Schicksal erträglich seyn; sie soll nicht dienen müssen, um das tägliche Brod. Unabhängig soll sie leben, und auch die Mittel nicht entbehren, um ihren wohlthätigen Hang zu befriedigen. (Er blickt um sich und fährt zusammen.) Ha! sie kommen! Beleidigter Stolz, erwache! gekränkte Ehre, schütz mich!

 

Neunte Scene.

Der Unbekannte. Eulalia. Die Gräfin. Der Major.

Eul. (welche langsam und bebend herbeischwankt, zu der Gräfin, welche sie unterstützen will.) Lassen Sie mich, gnädige Frau! Ich war einst stark genug zu sündigen, Gott wird mir heute Kraft verleihen zu büßen. (Sie naht sich dem Unbekannten, welcher mit abgewandtem Gesicht in großer Bewegung ihre Anrede erwartet.) Herr Obrister

Unb. (mit sanfter, zitternder Stimme und stets abgewandtem Gesicht.) Was willst du von mir, Eulalia?

Eul. (sehr erschüttert) Nein um Gotteswillen! Darauf war ich nicht vorbereitet O dieser Ton schneidet mir durchs Herz! Dieses du dieses vertrauliche du nein um Gottes willen, großmüthiger Mann! einen rauhen, harten Ton für das Ohr der Verbrecherin!

Unb. (sucht seiner Stimme mehr Festigkeit zu geben) Nun, Madam?

Eul. Ach! wenn Sie mein Herz erleichtern wenn Sie sich herablassen wollten, mir Vorwürfe zu machen

Unb. Vorwürfe? hier stehen sie auf meiner blassen Wange, in meinen eingefallenen Augen diese Vorwürfe konnte ich Ihnen nicht ersparen. Mein Mund schont Ihres Elends.

Eul. Wäre ich eine verhärtete Verbrecherin, so würde dieses Schweigen mir Wohlthat seyn; aber ich bin eine reuige Büßende, und dieses edelmüthige Schweigen drückt mich ganz zu Boden! Ach! so muß ich denn selbst der Herold meiner Schande werden! denn wo wäre Ruhe für mich, ehe dies Bekenntniß von meinem Herzen abgewälzt worden!

Unb. Kein Bekenntniß, Madam. Ich weiß Alles und erlasse Ihnen jede Demüthigung. Doch werden Sie selbst einsehen, daß nach dem, was vorgefallen, wir uns auf ewig trennen müssen.

Eul. Ich weiß es. Auch kam ich nicht hieher, Verzeihung zu erflehen. Auch regte sich nicht die leiseste Hoffnung in mir, Verzeihung zu erhalten. Es gibt Verbrechen, welche doppelt schänden, wenn man auch nur den Gedanken hegen kann, sie jemals ganz auszulöschen. Alles, was ich zu hoffen wage, ist, die Versicherung aus Ihrem Munde zu hören, daß Sie meinem Andenken nicht fluchen.

Unb. (weich) Nein, Eulalia, ich fluche dir nicht deine Liebe hat mich in bessern Tagen so sehr beglückt! Nein, ich werde dir nie fluchen.

Eul. (in großer Bewegung) Mit dem innigen Gefühl, daß ich Ihres Namens unwerth bin, habe ich schon seit drei Jahren einen andern unbekannten getragen. Aber das ist nicht genug Sie müssen einen Scheidebrief haben der sie in den Stand setzt, eine würdigere Gattin zu wählen in deren Armen Gott seinen mildesten Segen auf Sie herabschütten wolle! Dazu wird dieses Papier Ihnen nothwendig seyn es enthält ein schriftliches Bekenntniß meiner Schuld. (sie reicht es ihm bittend dar.)

Unb. (nimmt es und zerreißt es) Es sey auf ewig vernichtet! Nein, Eulalia, du allein hast in meinem Herzen geherrscht, und ich schäme mich nicht, es zu bekennen du allein wirst ewig darin herrschen! Dein eignes Gefühl verbietet dir, diese Schwachheit nützen zu wollen und wäre es nun, bei Gott! diese Schwachheit ist meiner Ehre untergeordnet! Aber wie wird ein anderes Weib mir Eulalien ersetzen.

Eul. (zitternd) So bliebe mir denn nichts weiter übrig als Abschied von Ihnen zu nehmen

Unb. Halt! noch einen Augenblick. Wir haben einige Monate lang, ohne es zu wissen, einander sehr nahe gelebt. Ich habe viel Gutes von Ihnen erfahren; Sie haben ein weiches Herz für die Noth der Armen. Das freut mich. Es muß Ihnen nie an Mitteln fehlen, diesen Trieb zu befriedigen auch Sie selbst dürfen nie Mangel leiden diese Schrift versichert Ihnen eine Leibrente von 1000 Thalern, welche der Banquier Schmidt in Kassel jährlich auszahlen wird.

Eul. Nimmermehr! die Arbeit meiner Hände muß mich ernähren. Lieber trocknes Brod von Thränen der Reue befeuchtet, als das Bewußtseyn, von dem Vermögen eines Mannes zu schwelgen, den ich einst so schändlich verrathen konnte.

Unb. Nehmen Sie, Madam, nehmen Sie.

Eul. Ich habe diese Demüthigung verdient aber ich flüchte zu Ihrer Großmuth verschonen Sie mich!

Unb. (für sich) Gott! welch' ein Weib hat der Bube mir entrissen! (er steckt das Papier wieder zu sich.) Wohl, Madam, ich ehre ihre Gründe, ich stehe ab von meinem Begehren; doch nur unter der Bedingung, daß, wenn es Ihnen je an etwas mangelt, ich der Erste und Einzige sey, an den Sie sich freimüthig wenden.

Eul. Ich verspreche es.

Unb. Und nun darf ich wenigstens verlangen, daß Sie Ihr Eigenthum zurücknehmen, Ihren Schmuck. (er reicht ihr das Schmuckkästchen.)

Eul. (sehr bewegt, öffnet das Kästchen, und Thränen stürzen darauf.) Ach! diesen Schmuck Sie schenkten mir ihn an jenem Abend, an dem mein alter Vater unsere Hände in einander legte ich trug ihn an meinem Hochzeittage er war Zeuge meines fröhlichen Gelübdes es ist gebrochen! Damals hatt' ich ein reines Herz keine Reue kauft es mir zurück! Dieses Halsband empfing ich an meinem Geburtstage Sie hatten ein kleines ländliches Fest veranstaltet wir waren so herzlich froh! Diese Schmucknadel erhielt ich aus Ihrer Hand, als ich meinen Wilhelm geboren hatte. Owie drückend ist Erinnerung an entflohene Freuden, wenn die Schuld sie vergiftet! Nein, auch diesen Schmuck kann ich nicht behalten es müßte denn Ihre Absicht seyn, durch dessen Anblick die schon gequälte zu martern. Nehmen Sie ihn zurück. (sie reicht ihm das Kästchen, nachdem sie zuvor eine Nadel herausgenommen.) Nur diese Nadel sey mir ein Andenken an die Geburt meines Wilhelms.

Unb. (in großer Gemüthsbewegung, die er zu verbergen sucht; nimmt den Schmuck mit weggewandtem Gesicht.) Nein, länger halte ich es nicht aus. (Er wendet sich zu ihr. Sein Ton ist weder rauh noch sanft, weder fest noch weich, sondern schwankt zwischen beiden.) Leben Sie wohl!

Eul. O nur noch eine Minute! nur noch Beantwortung Einer Frage! Beruhigung des Mutter-Herzens. Leben meine Kinder?

Unb. Sie leben.

Eul. Und sind gesund?

Unb. Gesund.

Eul. Gott sey Dank. Mein Wilhelm ist wohl schon recht groß geworden?

Unb. Ich vermuthe.

Eul. Und Malchen? ist sie noch Ihr Liebling?

Unb. (tief erschüttert, bleibt stumm im Kampfe mit Ehre und Liebe.)

Eul. O großmüthiger Mann! ich bitte Sie, lassen Sie mich meine Kinder noch ein Mal sehen, ehe wir scheiden, daß ich sie an mein Herz drücke, daß ich sie segne, und die Züge ihres Vaters in ihnen küsse; nur noch Eine mütterliche Umarmung, und wir trennen uns dann auf ewig!

Unb. Gern, Eulalia noch diesen Abend ich erwarte die Kinder jeden Augenblick sie wurden im nächsten Städtchen erzogen ich habe meinen Bedienten dahin gesandt er könnte schon zurück seyn ich gebe Ihnen mein Wort, sobald sie kommen, sende ich sie aufs Schloß da mögen sie bis morgen bei Ihnen bleiben Ja bis morgen früh dann nehme ich Sie mit mir.

(Pause.)

(Die Gräfin und ihr Bruder, welche in einer Entfernung von wenigen Schritten der Unterredung mit innigster Theilnahme zuhörten, geben sich Winke. Der Major geht in die Hütte und kommt bald darauf mit Franz und den beiden Kindern zurück. Er übergibt den Knaben seiner Schwester, welche sich hinter Eulalien stellt; er selbst tritt mit Malchen hinter Meinau.)

Eul. So hätten wir uns denn in diesem Leben nichts mehr zu sagen. (alle ihre Entschlossenheit zusammen raffend) Leben Sie wohl, edler Mann! Vergessen Sie eine Unglückliche, die Sie nie vergessen wird! (sie kniet nieder und ergreift seine Hand.) Lassen Sie mich noch einmal diese Hand an meine Lippen drücken, diese Hand, die einst mein war!

Unb. (sie aufhebend) Keine Erniedrigung, Eulalia. (er schüttelt ihr die Hand) Leben Sie wohl!

Eul. Auf ewig!

Unb. Auf ewig!

Eul. Sie scheiden ohne Groll

Unb. Ohne Groll.

Eul. Und wenn ich einst genug gebüßt habe wenn wir in einer bessern Welt uns wiederfinden

Unb. Dann bist du ewig mein! (beider Hände liegen in einander, beider Blicke begegnen sich wehmüthig, sie stammeln noch ein Lebewohl und trennen sich. Aber indem Jedes sich abwendet, stößt Eulalia auf den kleinen Wilhelm und Meinau auf Malchen, die der Major und die Gräfin ihnen entgegen halten.)

Malchen. Vater!

Wilh. Mutter!

(Vater und Mutter drücken sprachlos die Kinder in ihre Arme.)

Wilh. (zu dem Vater laufend ) Lieber Vater!

Malchen. (zu der Mutter laufend) Liebe Mutter!

( Meinau und Eulalia reißen sich los von den Kindern, sehen einander sprachlos an, breiten zitternd ihre Arme aus, und stürzen sich Eines in des Anderen Arme.)

Meinau. Ich verzeihe dir!

 

(Der Vorhang fällt.)

 


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