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Erster Akt.

(Ein Saal mit angrenzenden Zimmern.)

Erste Scene.

(Es ist Morgen. Ein Bedienter deckt den Theetisch. Ein anderer wischt den Staub von den Möbeln. Fräulein Ulrike tritt herein, sehr knapp und sauber gekleidet. )

Ulr. Guten Tag Kinder. Es schläft wohl noch Alles?

Bed. Das gnädige Fräulein ist im Garten.

Ulr. Ja, die ist immer die Erste. Gerade wie ihre selige Mutter. War eine brave Frau! wenn der Hahn zum drittenmahl krähte, husch aus dem Bette. – Hier, Franz, hier liegt noch viel Staub. – Damals galt das Sprüchwort: Morgenstunde hat Gold im Munde. Ist nur noch für Tagelöhner. Das liebe Gold hat sich längst in Kupfer verwandelt. – Franz, den Spiegelrahmen. Du wischest so obenhin. Man muß nichts in der Welt obenhin thun, denn daher kommt es eben, daß man so vieles zweymal thun muß.

Bed. Die verdammten Fliegen –

Ulr. Du hast Recht, mein Sohn. Ich hasse kein Gottesgeschöpf, aber die Fliegen – es ist unreinliches Vieh. Keinen Löffel Suppe kann man in Ruhe essen. Jeden Kronleuchter muß man in Flor hüllen. Sie respektiren nicht einmal das Portrait meines seligen Herrn Großvaters. Nein, da lobe ich mir den Winter.

Bed. Man könnte Gift auf die Fenster stellen.

Ulr. Nicht doch. Man muß nichts auf der Welt vergiften, nicht einmal eine Fliege. Gott wird wohl wissen, wozu er die Fliegen geschaffen hat, ob ich gleich in Demuth bekenne, daß ist es nicht begreife – (zu dem andern Bedienten) Sieh nur Peter, da zwischen dem Henkel ist die Tasse nicht rein gewaschen.

Bed. Die Jungfer –

Ulr. Ey was Jungfer! das ist deine Sache. Merke dirs mein Sohn, du bist noch ein Neuling: durch Reinlichkeit empfiehlt man sich hier im Hause. Reine Hände, pflege ich immer zu sagen, reine Herzen; ein blanker Körper, eine blanke Seele. Wer sich und sein Kämmerlein reinlich hält, der ist selten ein Bösewicht.

Bed. Aber die Jungfer ist überhaupt –

Ulr. Nun was denn? sie ist eine Jungfer, eine brave Jungfer, ein gutes Gemüth, und Alles an ihr schneeweiß gewaschen. Ich kann das nicht leiden, mein Sohn, wenn Dienstboten sich verklagen, Verträglichkeit macht beliebt bey Hohen und Niedern. Zwischenträgerey ist eine große Schmeißfliege, brummt vor allen Fenstern, besudelt Alles.

Der Bediente (will antworten)

Ulr. (mit Strenge) Geh er, und mach' er die Tasse rein. (die Bedienten entfernen sich.)

 

Zweyte Scene.

Ulrike allein.

(sie schenkt sich Kaffee ein. Der Löffel fällt von ungefähr auf die Tasse, und besprüht sie ein wenig.) Hm! hm! sieh da, ein Kaffeefleck auf meinem weißen Rocke. (sie taucht den Zipfel ihres Schnupftuches in ein Glas Wasser, und wäscht den Flecken aus) Auch der reinlichste Mensch bleibt nicht immer frey von Flecken; auch der beste hat seine Fehler; bis wir einmal dort oben in die große Wäsche kommen; wohl dem, der dann nur Kaffeeflecken auszuwaschen hat. – Drum sey geduldig Ulrike; murre nicht wenn Herrmann brummt. Seine Launen sind ja auch keine Dintenflecke.

 

Dritte Scene.

Tobias und Ulrike.

Tob. (trägt einen Rosenstock ohne Blätter.) Guten Morgen, Schwester.

Ulr. Guten Morgen, Bruder Tobias.

Tob. (sehr fröhlich) Sieh nur, sieh nur.

Ulr. Was denn? (gutmüthig scherzend) Ich glaube gar du willst eine Satyre auf mich machen?

Tob. Satyre? ich?

Ulr. Ich bin freylich auch nur ein verdorrter Rosenstock.

Tob. Verdorrt? den Henker auch! siehst. du nicht die grünen Knospen, die da hervorkeimen? – (mit froher Geschwätzigkeit) Ich gab ihn schon verlohren. Seit 14 Tagen begossen, in die Sonne gestellt, in den Regen getragen, Alles vergebens! und nun kommt er doch. Ich freue mich wie ein Kind.

Ulr. (lächelnd) Ja wohl wie ein Kind.

Tob. Siehst du Schwester, man muß nie verzweifeln, weder an Menschen noch an Rosenstöcken. Der Winter entblättert Diese, das Unglück beugt Jene; aber pflegt sie nur mit Liebe, so schießen die Knospen wieder nach.

Ulr. Du hast doch immer fertige Applicationen von unvernünftigen Pflanzen auf Gottes Ebenbild.

Tob. Glaube mir Schwester, wir sind auch Pflanzen, nur daß wir herum wandeln. Und vielleicht wäre es besser –

Ulr. (lachend) Wenn wir am Boden fest gewachsen wären?

Tob. Allerdings. Zufrieden mit seinem Platze, es treffe ihn die Sonne am Morgen oder am Abend, wäre dann ein Jeder so froh als ich.

Ulr. Gott hat dir die Gabe verliehn, aus jedem Blümlein einen Honigtropfen zu saugen.

Tob. Hat er das? (er sezt den Rosenstock nieder, und faltet die Hände) Nun, lieber Gott! dann hast du mich vor Tausenden hoch beglückt!

Ulr. Und deine Gicht?

Tob. Ey was! wenn kein Schmerz auf der Welt wäre, so gäbe es auch kein Vergnügen.

Ulr. Du verkältest dich in Wind und Wetter. Deine Gartenliebhaberey –

Tob. Die laß mir zufrieden. Ich bin der glücklichste Monarch. Der Gärtner ist mein Premierminister. Die Unterthanen gedeihen. Sie kennen mich nur durch Wohlthaten, und belohnen mich durch Früchte.

Ulr. Wenn die liebe Gärtnerey nur nicht so schmutzig wäre.

Tob. Schmutzig? wieso?

Ulr. Du kömmst zuweilen mit Händen zur Tafel –

Tob. An denen hin und wieder ein bisgen Erde klebt? was thut das? der Mensch ist ja selbst nur ein Erdenklos.

Ulr. Ach Bruder! das ist ein fataler Gedanke! da gebe ich mir nun alle Mühe, jedes Stäubgen wegzuwischen, und am Ende wird doch meine ganze Person zu Staub.

Tob. Schwester, ich rede nicht gern vom Tode. Er ist der privilegirte Freudenstörer, der Büttel der ganzen Natur. Sie mögen ihn immerhin Freund Hayn nennen, oder als Engelein mit der umgekehrten Fackel mahlen; wäre ich ein Mahler, ich würde ihn als Flußgott abbilden, mit einer Urne, aus welcher Thränen stürzen.

Ulr. Perlen in den Kranz des Gerechten.

Tob. Freund Hayn! das ist so eine kaufmännische Redensart, weil der Tod mit jedermann Geschäfte treibt. Aber frohe Menschen sind seine hartnäckigsten Feinde; frohe Menschen muß er lange bitten, ehe sie mit ihm nach Erfurt zum Todtentanze wallfahrten.

Ulr. Mögte doch Bruder Herrmann die schöne Kunst, stets froh zu seyn, von dir lernen.

Tob. So etwas lernt sich nicht.

Ulr. Seine Launen sind zuweilen unerträglich.

Tob. Es sind die Launen eines Bruders.

Ulr. Wohl wahr, aber oft ohne alle Ursach –

Tob. Desto besser, so nagt uns kein Vorwurf.

Ulr. Oft um Kleinigkeiten –

Tob. Dann find' ich es lustig.

Ulr. Zuweilen mit so vieler Bitterkeit –

Tob. Das verdirbt ihm seinen eignen Magen.

Ulr. Wenn man nicht wüßte, daß er im Grunde es herzlich gut meynt –

Tob. Eben weil man das weiß, warum soll man sich ärgern? Ihn verzehrt das Gift, uns juckt es nur auf der Haut.

Ulr. Es brennt doch auch zuweilen recht empfindlich.

Tob. Giebt es doch so viele arme Menschen, die fremden Uebermuth erdulden müssen. Laß uns Gott danken, daß wir nur die Launen eines Bruders zu ertragen haben.

 

Vierte Scene.

Walther. Die Vorigen.

Walther (kommt verdrüßlich aus seines Herrn Zimmer) Das ist zu arg.

Ulr. Was hast du Walther?

Walth. Eine Tasche voll Scheltworte, mein tägliches Morgenbrod.

Ulr. Ist dein Herr aufgestanden?

Walth. Ja.

Tob. Und brummt wieder?

Walth. Brummt.

Ulr. Weswegen?

Walth. Erst rauchte der Kamin ein wenig, da schalt er über den Schornsteinfeger; und dann über den Baumeister, der das Haus gebaut, und endlich über den Mann, der die Kamine erfunden hat.

Tob. Ha! ha! ha!

Ulr. Der Rauch sezt sich an die Vorhänge, da hat er nun wohl Recht.

Walth. Hernach wurde er wieder ganz aufgeräumt, als er das schöne Wetter sah. Er schwatzte und lachte, bis ich ihm die neuen Schuh anzog, die waren unglücklicher Weise zu eng.

Tob. Da wird es über den Schuster hergegangen seyn.

Walth. Ich erzählte ihm geschwind von der Stallfütterung und dem spanischen Klee, den er den Bauern geschenkt, daß er so herrlich aufgegangen, und das ganze Dorf eine Freude drüber habe.

Ulr. Was gilts, das hat ihn wieder umgestimmt?

Walth. Augenblicklich. Er wurde ganz lebendig, und machte neue Plane, den Nahrungsstand seiner Bauern zu verbessern. Weiß der Henker, wie es zugieng, daß ich seine Dose auf das Fenster gestellt hatte – sie muß immer auf dem kleinen Tische neben der Uhr stehn – er suchte sie einige Minuten, nannte mich einen Taugenichts, und jagte mich zur Thür hinaus.

Tob. Ein hastig Wort, ein kalter Blitz.

Walth. Fast mögte man wünschen, lieber aus dem Hause gejagt zu werden.

Tob. Er meynt es nicht böse.

Ulr. Gewiß nicht.

Walth. Ach bester Herr Kapitain! was kann mir das helfen? oft wäre ein freundliches Wort mir lieber, als das Legat, das er mir in seinem Testamente versprochen.

Tob. Das macht dir Ehre.

Walth. Vormals war es anders. In der Stadt – bey Hofe – die mancherley Geschäfte – es gab doch immer hier und da einen Unglücklichen, dem sein Vorwort aus der Noth half. Heiter öfnete er die Augen, und heiter schloß er sie wieder.

Tob. Da machte er es gerade wie ich.

Walth. Es war ein unglücklicher Gedanke, daß er seinen Abschied nahm. »Auf dem Lande« sprach er: »auf meinen Gütern, lieber Walther, da wollen wir das Leben genießen« – Ich freute mich wie die Kinder Israel, als sie aus Egypten zogen. Da sitzen wir nun, haben nichts zu thun, und brummen vor Langerweile. (ab.)

Ulr. Ey! ey! alle Nachbarn hat er schon verscheucht. Ich fürchte, der ehrliche Walther werde endlich auch sein Bündel schnüren.

 

Fünfte Scene.

Der Geheimderath. Die Vorigen.

Der Geh. R. (kommt verdrüßlich aus seinem Zimmer, sezt sich an den Theetisch, und brummt in den Bart) Guten Morgen.

Tob. (sitzt an der andern Seite der Bühne, vor ihm steht der Rosenstock auf der Erde, zu dem er sich herabbückt, und den er, während dieser Scene, von allen Seiten beschaut) Guten Morgen lieber Bruder.

Ulr. (geschäftig und freundlich ) Wohl geschlafen?

Geh. R. Schwester, du kennst mich. Es giebt zwey Redensarten, die mich immer in üble Laune versetzen: wie befinden Sie sich? und wie haben Sie geschlafen? das sind unausstehliche Lückenbüsser, denn von 100 Menschen fragen 99 den Henker darnach, ob ich gut oder schlecht geschlafen habe.

Ulr. So bin ich der Hundertste.

Tob. Und wo bleib' ich denn?

Ulr. (mit Herzlichkeit) Glaube mir, Herrmann, das Frühstück schmeckt mir nicht, bis ich weiß, mein guter Bruder, dem ich es verdanke, hat sanft geruht.

Geh. R. (reicht ihr die Hand) Schenke mir ein, gute, alle Seele. (gutmüthig scherzend) ich will dir auch eine Redensart in den Bart werfen: es schmeckt von deiner Hand mir besser.

Ulr. Ich höre das lieber aus meines Bruders Munde, als wenn vor 30 Jahren ein junger Herr es mir vorlog. (sie schenkt ein)

Geh. R. (zu Tobias) Was beschaust du da so emsig, Bruder Hofgärtner?

Tob. Ich freue mich.

Geh. R. Ja das thust du immer. Worüber denn diesmal?

Tob. Ueber ein Rosenblatt, das da hervorbricht.

Geh. R. Geh in mein Treibhaus, dort kannst du blühende Rosenstöcke zu Dutzenden bekommen.

Tob. Habe sie aber nicht selbst gezogen. Es ist eine gar schöne Gottes Einrichtung, daß nur solche Dinge Freude gewähren, um die man Sorg' und Mühe gehabt hat.

Geh. R. (verdrüßlich) Mein Gott, der Kaffee ist ja kalt.

Ulr. (ängstlich.) Ich will ihn sogleich wärmen lassen. (sie nimmt die Kanne, geht an die Thür und ruft einen Bedienten.)

Geh. R. Da sitze ich nun mit nüchternem Magen.

Tob. Dann sind die Geisteskräfte am lebhaftesten.

Geh. R. Ich will aber keine Geisteskräfte, ich will Kaffee.

Tob. Du wirst ihn bekommen.

Geh. R. Aufgewärmtes Zeug.

Ulr. Ich lasse frischen machen.

Geh. R. Das wird eine halbe Stunde dauern.

Tob. Es gieng mir neulich auch so, und ich freute mich darüber.

Geh. R. (ärgerlich) Schon wieder.

Tob. Wem Alles entgegen gebracht wird, der genießt nur halb; wer warten muß, genießt zweifach.

Geh. R. Bruder, ich glaube, wenn einmal der Himmel einfällt, so freust du dich auch.

Tob. Allerdings.

Geh. R. (spöttisch) Weißt du aber auch warum?

Tob. O ja; ich habe mir immer einen schnellen Tod gewünscht, und wenn der Himmel einfällt, so drückt er uns Alle platt wie die Pfannkuchen.

Geh. R. (wider Willen lächelnd) Du bist ein närrischer Kautz. Man muß über dich lachen, wenn man auch noch so ärgerlich ist.

Tob. Siehst du Bruder, da machst du mir eine große Freude.

Geh. R. Dacht' ichs doch! ha! ha! ha!

Tob. (herzlich einstimmend) Ha! ha! ha! ha! ha!

Ulr. Bruder Tobias ist ein guter Mensch, nur Schade, daß er so viel in der Erde wühlt, und in den Hecken herumkriecht. Da sitzt ihm nun schon wieder eine Raupe auf der Achsel. (sie nimmt sie ihm ab, und wirft sie aus dem Fenster) Bald sind es Spinnegewebe, bald Raupennester –

Tob. Ich lasse Manches sitzen, um dir die Freude nicht zu verderben, mirs abzunehmen.

Ulr. Schaff mir nur Blumen genug zur Hochzeit.

Tob. Doch nicht zu deiner eigenen?

Ulr. Spötter! (sie wendet sich zu dem Geheimderath) Lieber Bruder, ich habe eine Bitte.

Geh. R. Liebe Schwester, du bist so karg mit deinen Bitten, und so bescheiden, daß ich Amen spreche, ehe ich noch weiß wovon die Rede ist.

Ulr. Du kennst meine Pflegetochter Lenchen?

Geh. R. Ein braves Mädgen.

Ulr. Gott sey Dank! das ist sie. Als unser wackerer Prediger starb, da gelobte ich ihm auf seinem Todtbette, für die arme, Vater- und Mutterlose Wayse Sorge zu tragen. Ich habe mein Gelübde erfüllt, ich habe sie christlich und reinlich erzogen.

Geh. R. Das hast du, und wer noch Einmal sagt, daß alte Jungfern in der Welt zu nichts nützen, der hat es mit mir zu thun.

Ulr. Es ist kein Wirkungskreis so klein, und kein Mensch so gering, er kann Nutzen stiften, wenn er nur will.

Tob. Und Freude genießen, wenn er nur will.

Ulr. Alles Gute belohnt sich; warum denn weniger, wenn eine alte Jungfer es thut? – Das Schicksal versagte mir das Glück, Mutter zu werden; meine Sorgfalt und mein Herz haben mir dieses Glück dennoch bescheert. Ich bin Mutter. Ich habe mir in Lenchen ein dankbares Kind erzogen. Gestern kam ein feiner junger Mann aus der Stadt, ein Kaufmann, reinlich und ordentlich gekleidet; der hat seine Worte um Lenchen bey mir angebracht. Er soll ein anständiges Auskommen haben, und sein Haus soll so zierlich und reinlich seyn, wie ein Puppenschränkgen.

Geh. R. So gieb sie ihm in Gottes Nahmen.

Ulr.. In Gottes Nahmen!

Geh. R. Für die Aussteuer werde ich Sorge tragen.

Tob. Die Myrthen zum Kranze werde ich liefern.

Ulr. Herzlichen Dank, lieber Bruder. Nun hätte ich mir aber auch noch eine Freude ausgedacht.

Tob. Eine Freude? ich bin dabey.

Ulr. Ich wünschte, daß die Hochzeit hier im Hause gefeyert würde, wenn du nichts darwider hättest?

Geh. R. Nicht das Geringste.

Ulr. Ich wollte das gute Mädgen selbst zur Kirche führen, und sie vor dem nemlichen Altar trauen lassen, vor dem sie einst getauft wurde.

Tob. Schön, schön.

Ulr. Ich habe also deine Einwilligung?

Geh. R. Von ganzer Seele; und Alles was Küche und Keller vermögen, steht zu deinen Diensten.

Ulr. Gott vergelt es! o! das wird mir ein Ehrentag seyn!

Tob. Und mir ein Freudentag.

Ulr. (froh geschwätzig) Dann will ich das ganze Haus von unten bis oben scheuern lassen; alle Spiegel und Fenster sollen mit Brandtwein und Kreide gewaschen werden. auch dein Studierzimmer will ich in Ordnung bringen –

Geh. R. (heftig) Was? mein Studierzimmer?

Ulr. Ja Bruder, ich begreife nicht, wie du in dem Staub und Schmutz leben kannst.

Geh. R. Das geht dich nichts an.

Ulr. Auf den Tischen kann man mit den Fingern schreiben.

Geh. R. Desto besser, so braucht man keine Federn.

Ulr. Wenn ich mit einer Schleppe hineintrete, so giebt's Wolken von Staub.

Geh. R. Du hast dort nichts zu suchen.

Ulr. Alle Fensterscheiben sind blind.

Geh. R. Wenn du mir den Kopf warm machst, so lasse ich sie gar zumauern.

Ulr. Du fährst einen Nachmittag spazieren, und unterdessen –

Geh. R.. Ich fahre nicht! ich will nicht fahren! und ehe ich das zugebe, mag lieber die Braut mit sammt dem Bräutigam zum Henker fahren!

Tob. Aber Bruder Herrmann –

Geh. R. Aber Bruder Tobias! ich bin auf dem besten Wege in üble Laune zu gerathen.

Tob. Du mußt ablenken. Die Wege zur üblen Laune sind niemals gute Wege. Du mußt bedenken, daß du der Schwester Ulrike eine Freude machst, wie ich mit meinen Raupen.

Geh. R. Mit deinem Wohlnehmen, Herr Bruder, wer allen Menschen Freude machen will, ist ein Thor ohne Charakter.

Tob. (immer sehr gelassen) Aber ein fröhlicher Thor.

Geh. R. Ein Teig, der sich in aller Welt Fingern kneten läßt.

Tob. Eine Blume, die willig für Jeden duftet.

Geh. R. Ein Grashalm, der jedem Winde gehorcht.

Tob. Und von keinem Sturm geknickt wird.

Geh. R. Ein Mensch ohne Festigkeit kann nur Weibern behagen.

Tob. Ein Herz das jeder Freude offen steht, findet überall Vertrauen.

Geh. R. (der immer heftiger wird.) Volle Herzen, leere Köpfe.

Tob. (stutzt und sieht ihn bewegt an. Nach einer Pause pfeift er die beiden Ersten Takte des bekannten Volksliedes: Freut euch des Lebens &c.)

Geh. R. Wer keine Selbstständigkeit besitzt, der schmiegt sich in fremde Launen.

Tob.. (pfeift die beyden folgenden Takte.)

Geh. R. Es ist eine elende Furchtsamkeit, eine Geistesleere –

Tob. (pfeift die beyden folgenden Takte.)

Geh. R. (springt auf) Geh zum Teufel mit deiner Pfeife! (er rennt hinaus)

Tob. (pfeift die beyden folgenden Takte.)

Ulr. Ach! der Bruder macht es auch gar zu arg.

Tob. (bückt sich über seinen Rosenstock, wischt sich verstohlen eine Thräne aus dem Auge, und singt:) »Freut euch des Lebens –«

Ulr. In Einem Augenblicke Sonnenschein, im Andern Sturm.

Tob. »Weil noch das Flämmgen glüht –«

Ulr. Er scheucht Alles von sich.

Tob. »Pflücket die Rose –«

Ulr. Und verbittert sich selbst das Leben.

Tob. »Eh sie verblüht.«

Geh. R. (kommt zurück, und reicht Tobias die Hand) Bruder, ich habe dich beleidigt, vergieb mir.

Tob. ( schüttelt ihm die Hand) Sieh Bruder, da machst du mir eine herzliche Freude.

Geh. R. Keinen Groll, guter Tobias.

Tob. Groll? ich weiß nicht was das ist. Groll ist ein Ding, aus dem sich keine Freude schöpfen läßt, und folglich kein Ding für mich.

Geh. R. Die Ausdrücke entfuhren mir so.

Tob. Wären sie dir nicht entfahren, so hätte ich jezt nicht die Freude, in dein Bruderherz zu schauen.

Ein Bedienter (tritt herein) Der Kammerdiener des Obristen Hammer ist so eben gekommen.

Geh. R. Endlich! laß ihn hereintreten.

 

Sechste Scene.

Patzig. Die Vorigen.

Patzig. Mein gnädiger Herr sendet mich, Ew. Gnaden zu seiner Ankunft Glück zu wünschen.

Geh. R. Wo ist er?

Patzig. Im Wirthshause.

Geh. R. Warum nicht hier?

Patzig. Er will das gnädige Fräulein durch seine Staatsuniform überraschen.

Geh. R. Geh, sag' ihm, an alten Freunden sieht man die Schlafröcke lieber, als die Staatsuniformen. (Patzig will gehn) Noch Eins, ich hoffe, dein Herr kommt mit Sack und Pack?

Patzig. O ja, hier ist gut Hütten bauen.

Geh. R. Welche Verfügungen hat er mit seinen Gütern getroffen?

Patzig. Hm! – die werden von einer fürstlichen Commission disponirt.

Geh. R. Wie? ich will nicht hoffen –

Patzig. Er hofte es auch nicht, aber es geschah doch.

Geh. R. Also Schulden –?

Patzig. Mehr als Dachziegel.

Geh. R. Gleichviel! Freund ist Freund; je ärmer, je willkommner. Geh, ich erwarte deinen Herrn mit Sehnsucht.

Ulr. Und wenn Er wieder kommt, mein Freund, so trage er nicht so viel Staub in das Zimmer.

Patzig. (ab)

 

Siebente Scene.

Die Vorigen ohne Patzig.

Geh. R. (sehr heiter.) Freut euch Kinder!

Tob. Herzlich gern. Worüber denn?

Geh. R. Was meynst du Schwester, wenn dein Lenchen und meine Therese an Einem Tage Hochzeit machten?

Ulr. Ey, da würde es viel Arbeit geben.

Tob. Aber auch viel Vergnügen. Wie verstehst du das Bruder? hat sich denn schon ein Schwiegersohn gemeldet?

Geh. R. Hörtest du nicht, wer eben angekommen?

Tob. (stutzend) Der Obriste – Hammer?

Geh. R. Eben der.

Ulr. Der alte Obriste Hammer?

Geh. R. Alt! alt! er ist noch keine 50 Jahr.

Tob. Und Therese?

Geh. R.. Ist ein Kind –

Tob. Eben deswegen.

Geh. R. Dessen Glück mir am Herzen liegt. Ich habe schon Heyrathen genug gesehn, aus Mondschein und Nachtigallentrillern, die an einem warmen Apriltage geschlossen wurden; hinterdrein kam ein Frost – weg war die Blüte.

Tob. Man pflegt aber auch keine Rosen auf ein Feld zu pflanzen, wo der Herbst über die Stoppeln fährt.

Geh. R. Wählen etwa die Mädgen gut, wenn sie selbst wählen?

Tob. Nicht immer.

Geh. R. Fragen sie den Jüngling von 20 Jahren, ob er Eigenschaften habe, die 10 Jahr ausdauern werden?

Tob. Selten.

Geh. R. Er hat eine hübsche Figur; er tanzt gut; er sitzt schön zu Pferde; er schwatzt über nichts, und lacht über Alles; er veranstaltet Bälle; er sitzt in Schauspielen hinter ihr, und steht in Assembleen vor ihr; er verwahrt ihren Fächer in seiner Tasche, und eine verlorne Schleife in seinem Busen – Ach! das schmeichelt der Eitelkeit! ein so artiger Jüngling sollte kein guter Ehemann werden? Flugs Hand in Hand! husch zum Altar.

Ulr. Ja ja, Bruder Herrmann hat Recht.

Geh. R. Kurz, nur der gegenwärtige Augenblick bestimmt die Neigungen und Entschlüsse der Mädgen. Sie wählen die Männer wie die Hauben, und wechselten sie dann auch gern eben so. Nein, solchen Jammer will ich meinem Kinde nicht bereiten. Darum verließ ich den Hof, und erzog es fern von der großen Welt.

Tob. Hast du sie vor der Liebe versteckt, so ist das vergebens; der Schalk findet sie mit verbundenen Augen.

Ulr. Ohne meinen Rath wird Therese sich nicht verlieben.

Tob. Gute Schwester, Rath in der Liebe ist gewöhnlich nur ein Titulairrath.

Ulr. Wenn der Oberste nur nicht so viel Tabak schnupfte; Finger und Nase sind ganz gelb davon.

Geh. R. Er ist mein lieber, alter Freund.

Tob.. Die Mädgen lieben nun einmal nichts Altes, nicht einmal alten Wein.

Geh. R. Wir sind zusammen aufgewachsen, Pagen gewesen, in Dienste getreten. Ich war ein armer Teufel, er hat mir oft aus der Noth geholfen.

Tob. So heyrathe du ihn.

Geh. R. Er hat das Seinige im Dienst zugesetzt.

Tob. Keine Empfehlung bey dem Vater.

Geh. R. Er ist ein rascher Wittwer.

Tob. Keine Lockung für die Tochter.

Geh. R. Daß ich ein reicher Mann bin, hab ich vielleicht nur ihm zu danken; denn der Zufall wollte – doch das ist zu weitläuftig. Kurz, er bedarfs, und ich will mit ihm theilen.

Tob. Wenn du ihm Theresen giebst, so schenkst du ihm die große Hälfte.

Geh. R. Ihr Herz ist frey, sie wird mir gern gehorchen.

Tob. O ja, wenn du nur Gehorsam verlangst –

Geh. R. Wenn ihr wüßtet, wie diese Hofnung mich ergötzt, ihr würdet mir die frohe Laune nicht durch Winke und Achselzucken verderben.

Tob. Bewahre der Himmel! ein froher Mensch ist für mich ein Kleinod, das in der Sonne schimmert; ich hüte mich wohl meinen Schatten darauf zu werfen.

Geh. R. Empfangt ihn liebreich.

Tob. Ist er fröhliches Herzens, so soll er mir willkommen seyn.

Geh. R. Laßt es ihm an nichts fehlen.

Ulr. Die Gastzimmer sind bereit, er wird kein Stäubgen darinn finden.

Geh. R. Ein gutes Glas Wein –

Tob. Der Wein erfreut des Menschen Herz.

Geh. R. Ein paar leckere Schüsseln –

Ulr. Das ist meine Sorge.

Geh. R. Was meynst du Schwester? die Rebhühner die ich gestern geschossen –

Ulr. (etwas verlegen) Die Rebhühner –

Geh. R. Du verstehst sie so treflich zuzurichten.

Ulr. Ach Bruder! es thut mir leid; die Rebhühner kann ich dir nicht vorsetzen.

Geh. R. Warum nicht?

Ulr. Die Katze hat sie gefressen.

Geh. R. Da haben wirs! nichts kann man für sich behalten! auf nichts wird Acht gegeben! die Katzen regieren das Haus!

Ulr. Die Speisekammer blieb nur einen Augenblick offen –

Geh. R. Da bin ich nun den halben Tag herumgelaufen, habe gekeucht und geschwitzt, habe einen Braten geschossen – für wen? für die Katzen.

Ulr. Das schlaue Vieh schleicht überall herum. –

Geh. R. Und die Fräulein Schwester schleicht nirgends herum. Wenn die nur Kaffee und Flachs hat, so bekümmert sie sich den Henker um ihren alten Bruder.

Ulr. Das war hart! –

Tob. Aber Bruder –

Geh. R. Aber Herr Bruder! hast du nicht schon wieder Lust dich zu freuen, daß die Katzen meine Rebhühner gefressen haben?

Tob. Wenigstens –

Ulr. Die arme Lise hat mehr dabey eingebüßt als du.

Geh. R. Lise? was geht es die an?

Ulr. Sie wollte der Katze nachlaufen, fiel die Treppe herab, und verrenkte sich die Hüfte.

Geh. R. Sapperment! und das sagt man mir nicht gleich? – Walther! Walther, meine Hausapotheke! ( er rennt fort)

Tob. (lachend) Vergessen sind die Rebhühner.

Ulr. Verziehen ist der Katze und mir.

Tob. Kann er der Lise helfen, so ist die gute Laune wieder hergestellt.

Ulr. Auf wie lange? – Ach Bruder! man mögte – Gott verzeih mirs! – wünschen krank zu werden, denn die Kranken haben es bey ihm am besten. (sie geht ab)

Tob. Vielleicht weil er selbst ein armer Kranker ist. Drum soll man auch mit ihm Geduld haben. Und warum nicht? wir können seiner Laune aus dem Wege gehn; Er muß sie mit sich herumschleppen. – Ein Glück daß die Krankheit nicht ansteckt. Aber wahr ist es: die Türken sollte man aus der Litaney wegstreichen, und die üble Laune dafür hineinsetzen.

 

Achte Scene.

Therese und Tobias.

Therese (stürzt hastig und frölich herein) Lieber Oheim! er ist gekommen!

Tob.. Ist er schon da?

Ther. Der Reitknecht. Vermuthlich ist sein Herr nicht weit.

Tob. Er zieht die Staatsuniform an.

Ther. Warum das?

Tob. Je nun, ein Mann in seinem Alter sucht alles hervor, um zu gefallen.

Ther. Ach! er bedarf keines geliehenen Schmucks.

Tob. (verwundert) So? – würklich? – ey! hätte ich doch kaum geglaubt, daß ein Mann, der mit deinem Vater Page gewesen, noch so schnelle Eroberungen machen könne. Nun, das freut mich.

Ther. (verwundert) Ich verstehe Sie nicht.

Tob. Vielleicht verstehst du dich selbst nicht.

Ther. Sie bleiben so kalt bey meiner Botschaft? wenn Sie sonst von Ihrem Pflegesohne hörten –

Tob. (hastig) Von meinem Pflegesohne? sprichst du von ihm?

Ther. Von wem sonst?

Tob. (springt auf) Wo? wo?

 

Neunte Scene.

Fabian. Die Vorigen.

Fab. (tritt steif herein, und bleibt militairisch gerichtet an der Thüre stehn)

Tob. (mit lauter Freude.) Fabian! sey willkommen ehrlicher Bursche! tritt doch näher.

Fab. (marschirt einige Schritte näher.)

Tob. Was bringst du Gutes?

Fab. Unterthänigen Rapport vom Herren Lieutnant.

Ther. Ist er gesund?

Fab. Gott sey Dank! die Gesundheit ist gar nicht attakirt worden.

Tob. Wo ist er?

Fab. Auf dem Marsche.

Ther. Hieher.

Fab. Wills Gott! Die Schwadron hält heute Rasttag in Ebersdorf, eine Meile von hier. Wenn der Dienst es erlaubt, so stutzt er diesen Nachmittag auf ein paar Stunden herüber.

Ther. (will ihm Geld geben) Nimm Fabian, trink auf meine Gesundheit.

Fab. (ohne sich zu rühren) Hernach gnädiges Fräulein. Draußen.

Tob. Nimm nur, wir sind nicht auf der Parade. (er setzt sich)

Fab. (nimmt es halbverstohlen, und fährt damit in die Tasche.)

Tob. Warum hat dein Herr so lange nicht geschrieben?

Fab. Wir haben das Papier zu Patronen verbraucht.

Tob. Seyd ihr oft im Feuer gewesen?

Fab. Fast alle Tage.

Ther. Ist dein Herr nicht verwundet worden?

Fab. Ein paar Hiebe ausgenommen –

Ther. (ängstlich) Hiebe?

Fab. Und einen Streifschuß –

Ther. Ach mein Gott!

Fab. (schmunzelnd) Kleinigkeiten. Eine Batterie haben wir gestürmt –

Tob. (springt auf) Eine Batterie?

Fab. Da gieng es warm her.

Tob. (ganz lebendig) Laß doch hören.

Fab. Es war bey – bey –

Tob. Gleichviel.

Fab. Die feindlichen Kartätschen hatten schon ein Bataillon Infanterie hingestreckt, daß nur noch einzelne Köpfe hervorragten, wie ein Dutzend Kornähren nach dem Hagelwetter.

Tob. (ungeduldig) Laß die Vergleiche weg. Nun? weiter. Vermuthlich bekam die Kavallerie Ordre?

Fab. Wir sprengten an.

Ther. Und dein Herr?

Fab. War mitten darunter. Als wir noch ein paar hundert Schritt entfernt seyn mogten, pfiff eine Kugel –

Ther. O weh!

Fab. Weg war der Rittmeister.

Ther. Und dein Herr?

Fab. Der sprang rasch vom Pferde.

Tob. (der immer lebendiger wird) Abgesessen Kinder! nicht wahr?

Fab. Flugs waren wir Alle von den Gäulen. Den Pallasch in die Faust! schließt euch!

Tob. (schließt sich unwillkührlich fest an Fabian) Weiter! weiter!

Fab. Vorwärts! Marsch! (er marschirt einige Schritte, Tobias mit ihm.)

Ther. Ich zittre –

Fab. Das that mein Herr nicht, er sprach uns Allen Muth ein.

Tob. Wohlan Fabian! jezt müssen wir schon unter den Kanonen stehn.

Fab. Allerdings – aber da ist ein verwünschter Schlammgraben, der hält uns noch auf.

Tob. Wir müssen durch.

Fab. Den Pallasch zwischen die Zähne –

Tob. Den Karabiner hoch –

Fab.. Jezt waten wir –

Tob. Jezt klettern wir –

Fab. Jezt sind wir oben!

Tob. Victoria!

Ther. Und dein Herr?

Fab. Mein Herr bekam ein Kreutz ins Knopfloch, und ich diese Medaille.

Tob. Ein Kreutz? braver Junge! was mir der Mensch schon für Freude gemacht hat! – Geh, reite, trabe, gallopire! er soll kommen! ich will ihn sehn! ich will mich freuen! Sag' ihm, daß ich die Gicht habe, daß ich mich aber den Henker drum bekümmere, und allen Aerzten zum Possen noch immer ein froher Mensch bin. (er läuft fort.)

Ther. Sag' ihm auch von mir – (sie stockt)

Fab. Was denn, gnädiges Fräulein?

Ther. (verlegen) Was du willst.

Fab. (schalkhaft) Sie begehrten zu wissen, ob er auch blessirt sey?

Ther. (ängstlich) Nun? ich will nicht hoffen –

Fab. Er trägt sich mit einer schlimmen Wunde.

Ther. Wo? wo?

Fab. (deutet mit einer taktischen Bewegung auf das Herz, läßt die Hand eben so steif wieder sinken, macht rechts um kehrt euch, und marschirt ab)

Therese (heftet das Auge an den Boden, und bleibt verschämt lächelnd stehn. Nach einer Pause legt sie die Hand auf das Herz. Dann richtet sie den Blick gen Himmel. Dann faltet sie die Hände mit Innigkeit. Dann läßt sie die Hände wieder in den Schoos sinken, und schüttelt wehmüthig den Kopf.)

 

Zehnte Scene.

Tobias und Therese.

Tob. Liebe Nichte –

Ther. (fährt zusammen.)

Tob. Na, wovor erschrickst du?

Ther. Ich – ich weiß nicht – ich glaube, ich erschrack vor mir selbst.

Tob. Ich kam, dir eine Frage vorzulegen. Kennst du den Lieutnant Wayse?

Ther. Sie scherzen. Wie sollte ich Ihren Pflegesohn nicht kennen?

Tob. Recht Theresgen, er ist nicht mein Sohn; er ist nur mein Pflegesohn.

Ther. Macht er Ihnen nicht eben so viel Freude als ein leibliches Kind?

Tob. Freylich thut er das, aber davon ist nicht die Rede. Weißt du auch wie ich an den jungen Menschen gekommen bin?

Ther. Sie haben mir das mehr als Einmal erzählt.

Tob. Du scheinst es dennoch vergessen zu haben. Wir waren in de Affaire bey –

Ther. Es wurde ein Dorf geplündert.

Tob. Er war damals Korporal –

Ther. Und drang mit einigen Grenadieren in ein brennendes Haus.

Tob. Ich dachte: Schade um den feinen jungen Menschen, daß er sich auch schon auf das Plündern legt –

Ther. Aber er trug ein Kind aus den Flammen –

Tob. Brav Kammerad! rief ich ihm zu: ist das deine Beute?

Ther. Er gab es der Mutter zurück, und seine Börse obendrein.

Tob. Nach der Affaire suchte ich ihn auf –

Ther. Er verbarg sich.

Tob. Ich fand ihn aber doch. Wer bist du, wackerer junger Mensch?

Ther. Eine Wayse.

Tob. Wie nennst du dich?

Ther. Wayse.

Tob. Hast du sonst keinen Nahmen?

Ther. Keinen.

Tob. Merke dirs, Therese, er hatte sonst keinen Nahmen.

Ther. Was kümmert mich das?

Tob. Viel, sehr viel. Es giebt leider manche Dinge in der Welt, über die ich sogar mich nicht freuen kann, und dahin gehören auch die Nahmen. Aber sie sind nun einmal da.

Ther. Und bedeuten nichts.

Tob. Und gelten viel.

Ther. Wenn das Ihr Ernst wäre, so würden Sie sich seiner nicht so väterlich angenommen haben.

Tob. Das that ich, weil es mir Freude machte. Mir ist das unverboten. Verstehst du mich Theresgen? ich darf Freude haben über einen Menschen ohne Nahmen, du nicht.

Ther. Warum denn nicht?

Tob. Weil ich vermuthe, daß es deinem Vater wenig Freude machen wird.

Ther. Mein Vater ist ein guter, vernünftiger Mann.

Tob. Kind, es geht mit der Vernunft wie mit der Gesundheit: einen ganz gesunden Menschen giebt es gar nicht auf der Welt; und wäre es auch nur ein Hünerauge, ein Ueberbein, eine Narbe aus der Kindheit – Du verstehst mich – und ich – ich habe dich auch verstanden. Als du so hastig herein stürztest, mir Fabians Ankunft zu melden – als du ihm ein Goldstück – ich hab' es wohl gesehn – ein Goldstück in die Hand drücktest – als du so lebhaft nach seines Herrn Gesundheit forschtest – als du beym Stürmen der Batterie blaß wurdest – sieh mich an.

Ther. (blickt verschämt zu ihm auf)

Tob. Ja, ja, ich habe dich verstanden.

Ther. (ergreift seine Hand.) Lieber Oheim! Sie, der Sie sonst Alles von der lachenden Seite betrachten, warum auf einmal so ernsthaft?

Tob. Es wird mir sauer genug. Aber dein Vater hat Absichten. Ich liebe dich, und mögte Unheil verhüten, ehe es zu spät wird. Oder – (er betrachtet sie forschend) ist es etwa schon zu spät? – Du antwortest mir nicht?

Ther. (verlegen, drückt seine Hand an ihr Herz, dann an ihre Lippen, und entflieht.)

 

Eilfte Scene.

Tobias allein.

(Er schüttelt den Kopf) Hm! darüber kann ich mich nicht freuen. – Edelmann – Bürger – wenn denn doch eine Kluft zwischen beyden seyn muß, warum ist sie nicht noch weiter? – warum kann man immer noch von einem Ufer zum Andern hinüber schauen und sich verlieben? – Da hat entweder die Natur einen dummen Streich gemacht – oder der Mensch. (er geht ab)

 


 


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