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(Eine Bauerstube in Ebersdorf.)
Lieutnant Wayse allein.
(Er steht vor dem Fenster mit verschränkten Armen) Es ist nicht möglich! der Kerl ist gestürzt, oder es muß ihm sonst ein Unglück widerfahren seyn. (Er geht unruhig auf und nieder, und schaut von Zeit zu Zeit durch das Fenster) Er hat einen Gaul, der, wenn es eine Wette gilt, in 25 Minuten eine deutsche Meile rennt, (Pause) Sollte man ihn dort aufhalten? sollte Therese ihn aufhalten? (Pause) Mein guter Pflegevater wird doch nicht krank seyn? oder Therese? (mit Ungeduld) Fabian! Fabian! ich bat dich zu eilen (er erblickt ihn in der Ferne) Endlich! dort kommt er um die Ecke. Verdammter Kerl! Schritt vor Schritt. (er winkt ihm hastig mit der Hand) Nun freylich, wenn er so spazieren geritten ist, dann war es kein Wunder, daß er mich hier vor Ungeduld verzweifeln ließ.
Der Lieutnant und Fabian (ein wenig betrunken.)
Lieutn. Sage mir, ums Himmelswillen! wo hast du so lange gesteckt?
Fab. In einer frölichen Haut Herr Lieutnant.
Lieutn. Kerl, ich glaube du bist besoffen?
Fab. Besoffen? nein! Fabian Krummholz besäuft sich nie. Nur ein kleiner Hieb, hä! hä! hä!
Lieutn. Wer hat dir zu trinken gegeben?
Fab. Der Wirth in der weißen Taube. Sie kennen ja den rothnasigen Patron, eine Stunde von hier.
Lieutn. Ist es möglich! statt nach Schloß Edelschild zu reiten, hast du im Wirthshause gezecht?
Fab. Bewahre der Himmel! ich komme ja eben von Schloß Edelschild.
Lieutn. Ist Alles gesund dort?
Fab. Kerngesund, außer das Fräulein
Lieutn. (hastig) Wie? die ist krank?
Fab. Anzusehen ist ihr wohl eben nichts, aber sie muß doch wohl krank seyn, denn sie wollte haben, ich sollte auf ihre Gesundheit trinken.
Lieutn. Narr! wie du mich erschreckt hast.
Fab. Das hab' ich denn auch redlich gethan, und nun wird sie wohl schon in der Besserung seyn.
Lieutn. Was sagte sie?
Fab. Sie gab mir ein Goldstück, und sagte: »Da ehrlicher Fabian, trinke auf meine Gesundheit.«
Lieutn. War das Alles?
Fab. Wenigstens war es das Beste.
Lieutn. Fragte sie nicht nach mir?
Fab. Allerdings, sie fragte.
Lieutn. Nun? was denn?
Fab. So so wie man zu fragen pflegt. Ich mußte erzählen, wie wir die Batterie gestürmt hatten, und der Herr Kapitain war so gut, und stürmte sie noch Einmal mit. Als wir durch den Graben marschirten, wollte das gnädige Fräulein vor Angst vergehn.
Lieutn. (sehr heiter) Würklich?
Fab. Als der Herr Kapitän Victoria! rief, da funkelten ihre Augen.
Lieutn. Und ein Goldstück gab sie dir? Wo ist es?
Fab. Der Wirth in der weißen Taube hat es eingewechselt.
Lieutn. Tölpel! ich hätte dir noch Einmal so viel dafür gegeben.
Fab. Aber ich mußte trinken, so lautete meine Ordre. Als die Flasche leer war, ritt ich langsam und wohlgemuth hieher.
Lieutn. Langsam, vortreflich!
Fab. Der Kopf war mir ein wenig schwer geworden.
Lieutn. Daß deinem Herrn unterdessen das Herz immer schwerer wurde, daran dachtest du nicht.
Fab. Nein, daran dacht' ich mein Seel nicht! Das Fräulein und der Wein, der Wein und das Fräulein, das waren meine einzigen Gedanken.
Lieutn. Ich will hinreiten.
Fab. Soll ich satteln?
Lieutn. Dumme Frage! Allerdings. Schon seit einer Stunde sind meine Geschäfte abgethan.
Fab. Hätte nur das Fräulein mir keine Geschäfte in der weißen Taube aufgetragen. (Er will gehn.)
Patzig. Die Vorigen.
Patzig. Logirt hier der Lieutnant Wayse?
Fab. Der Herr Lieutnant Wayse logirt hier.
Patzig. Für dich mag er wohl ein Herr seyn.
Fab. Grobian! wo haben wir Brüderschaft getrunken?
Lieutn. Wer ist Er mein Freund? was will Er?
Patzig. Mein gnädiger Herr läßt seinen Gruß vermelden
Lieutn. Wer ist Sein Herr?
Patzig. Ein Kavalier.
Lieutn. Wie heißt er?
Patzig. Er will seinen Nahmen in dieser Affaire nicht compromittiren.
Lieutn. In welcher Affaire?
Patzig. Als Kavalier aus einem alten Hause kann er sich mit keinem Bürgerlichen duelliren.
Lieutn. Je nun, so mag er es bleiben lassen.
Patzig. Wichtige Gründe nöthigen ihn dennoch, Ihnen das Gehirn zu zerschmettern.
Lieutn. Mir.
Patzig. Wenn Sie der Lieutnant Wayse sind?
Fab. (zeigt ihm die geballte Faust) Der Herr Lieutnant!
Lieutn. Laß den Narren schwatzen. (zu Patzig) kenne ich Seinen Herrn?
Patzig. Nein.
Lieutn. Kennt er mich?
Patzig. Nein.
Lieutn. Und der Nahme ist ein Geheimniß?
Patzig. Ja.
Lieutn. Auch die Ursache der Ausfoderung?
Patzig. Mein Herr hat Sie in seinem Gehege ertappt.
Lieutn.. Dann irrt er sich, denn ich jage nie.
Patzig. Das bedeutet, bildlich gesprochen, seine Braut.
Lieutn. Braut? welche Braut?
Patzig. Das altadeliche Fräulein Therese von Edelschild.
Lieutn. Was! die wäre versprochen? die wäre Braut?
Patzig. Und in acht Tagen gnädige Frau.
Lieutn.. Du lügst, elender Mensch!
Patzig. Schimpfen Sie nur, mein Herr wird mich schon rächen.
Lieutn. Geh, sage deinem trotzigen Anonymus, er soll nur kommen, wenn er Lust hat ein Narr zu seyn. Aber bald! bald! sonst mögt' ich vielleicht ihn besuchen.
Patzig. Werden nicht lange warten dürfen. (will gehn)
Fab. Kammerad
Patzig. (verächtlich) Kammerad? ich diene bey einem Kavalier.
Fab. Also nicht Kammerad; sondern Flegel! Wenn unsere Herren sich schießen, so, denke ich, nehmen wir die Säbel in die Faust, und putzen uns wechselseitig die Bälge.
Patzig. Wenn Er einmal meiner Braut nachstellt, dann will ich sehn, ob ich mich so weit herablassen kann. (ab.)
Der Lieutnant und Fabian.
Lieutn. (geht in großer Unruhe auf und nieder) Was ist das? wäre es möglich! Therese Braut?! Therese meyneidig?! Ich habe freylich kein Recht auf sie ihr freywilliger Schwur soll sie nicht binden das war mein letztes Wort in der Scheidestunde aber daß ich diesen grausamen Entschluß zuerst durch einen fremden Bedienten erfahren muß daß sie nicht einmal so barmherzig war, mir selbst einen mitleidigen Wink davon zu geben
Fab. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, Herr Lieutnant, (er schlägt ein Schnippgen) ich glaubte nicht so viel von dem ganzen Wischiwaschi.
Lieutn. Wer ist dieser Bräutigam ohne Nahmen, der mir den Hals brechen will, nachdem er mir das Herz gebrochen?
Fab. Vermuthlich ein armer Coridon, der abgewiesen worden. Mit dem Fräulein kann er sich nicht schlagen, so hält er sich an Sie.
Lieutn. Sahst du denn einen Fremden auf dem Schlosse?
Fab. Nein, aber ich entsinne mich, daß man von der Ankunft eines Fremden sprach.
Lieutn. Eines Bräutigams?
Fab. Bewahre der Himmel! ich habe auch keine Spur von Hochzeit im Hause gesehen. Keine Kuchen, keine Weinflaschen
Lieutn. Gieb mir meine Pistolen.
Fab. (nimmt sie von der Wand) Sie sind noch geladen. Aber Herr Lieutnant
Lieutn. Was willst du?
Fab. Wenn es wieder eine Batterie zu stürmen gäbe, so spräche ich: in Gottes Nahmen! Aber sein Leben um jedes Narren willen in die Schanze schlagen
Lieutn. Ist es meine Schuld.
Fab. Würden Sie ihm folgen, wenn er ins Wasser spränge? und das Eine ist doch, mein Seel! eben so vernünftig als das Andere. Verzeihen Sie mir meine Dreistigkeit. Sie sind ein braver Herr, aber ein junger Herr, und als Ihr Pflegevater den alten Fabian zu Ihrem Begleiter erkohr, da gab er mir das Recht, ein Wort mehr zu reden, als sonst wohl schicklich wäre.
Lieutn.. Ich danke dir ehrlicher Mann! Du hast Recht, und in jedem andern Falle würde ich auf meine Brust deuten, und sagen: ich habe Muth fürs Vaterland bewiesen, ihm gehört mein Leben. Aber hier es gilt Theresen! ich werde meiner Vernunft nicht mächtig bleiben.
Fab. (einen Blick durchs Fenster werfend.) Da steigt Einer vom Pferde.
Lieutn. Ha, mein Blut kocht!
Fab. Der ist brav geritten, der Gaul dampft.
Lieutn. Ist ers?
Fab. Ein Mann in Uniform. Er schreitet auf das Haus zu.
Lieutn. Bewaffnet?
Fab. Er trägt ein Paar Pistolen unter dem Arm.
Lieutn. (greift nach der Pistole, die auf dem Tische liegt) Er mag nur kommen.
Der Obriste. Die Vorigen.
Lieutn. (fährt zusammen, läßt die Pistole fallen, wendet sich, schlägt die Hände vor das Gesicht, und murmelt:) Mein Vater!
Obrist. Junger Herr, sind Sie der Lieutnant Wayse?
Lieutn. (steht noch immer abwärts gekehrt, in größter Verwirrung.)
Obrist. Wenn Sie sich schämen Ihr Antlitz zu zeigen, so bitte ich, wenigstens den Obristen von Hammer einer Antwort zu würdigen.
Lieutn. (wendet sich fast demüthig zu ihm. Mit etwas veränderter Stimme) Ich ja, ich bin der Lieutnant Wayse.
Fab. (drückt durch seine Geberden das höchste Erstaunen über das Benehmen seines Herrn aus.)
Obrist. Sie haben das Fräulein von Edelschild verführt.
Lieutn. Der Ausdruck ist hart.
Obrist. Sie haben ihr von Liebe vorgeschwatzt.
Lieutn. Daß ich sie liebe ist kein Verbrechen.
Obrist. Allerdings, Sie sind nur ein Bürgerlicher.
Lieutn.. Ich durfte hoffen mich durch Thaten ihrer Hand würdig zu machen.
Obrist. Aber ihre Hand ist bereits versagt.
Lieutn. Darf ich fragen: an wen?
Obrist. An mich, junger Herr.
Lieutn. (zuckt die Achseln) Das Fräulein darf nach Gefallen mit ihrer Person schalten.
Obrist. Sie entsagen also Ihren Ansprüchen?
Lieutn. Ich hatte nie dergleichen.
Obrist. (spöttisch) Würklich? das geht besser als ich glaubte. Man hatte mir Sie als einen Eisenfresser geschildert.
Lieutn. Von meinem Muthe ist mein König überzeugt.
Obrist. Sehr wohl. Ich bin gekommen, um zweyerley von Ihnen zu fodern.
Lieutn. Fodern Sie.
Obrist. Erstens: Ihr Ehrenwort, daß Sie das Fräulein von Edelschild nie wieder sehen wollen.
Lieutn. Ach! wenn sie würklich Braut ist, so gebe ich es gern.
Obrist. Zweytens, müssen Sie mir einen gewissen Ring ausliefern, den Sie einst von ihr erhalten.
Lieutn. Einen Ring?
Obrist. Ja, mein Herr, einen Ring. Ohne diesen gehe ich nicht von der Stelle.
Lieutn. Ich bitte Sie, Herr Obrister, begnügen Sie sich mit den Triumph, den Sie über einen armen, verwaysten Jüngling davon getragen. Lassen Sie mir diesen Ring, der jezt mein ganzer Reichthum ist.
Obrist. Nichts, nichts! den Ring muß ich haben.
Lieutn. Sie vermählen sich mit dem Fräulein; Therese wird Ihre Gattin; wozu dient Ihnen der unbedeutende Ring?
Obrist. Nichts, nichts! den Ring muß ich haben.
Lieutn. Seyn Sie großmüthig!
Obrist. Ich will nicht.
Lieutn. Sie hatten einst einen Sohn er war mein Freund
Obrist. Saubere Spießgesellen.
Lieutn. Lassen Sie mir den Ring, als die väterliche Erbschaft Ihres Sohnes.
Obrist. Ohne Umstände, ich thue es nicht.
Lieutn. (mit Festigkeit) Herr Obrister, ich habe gethan, was mir die Pflicht gebot, aber von dem Ringe trenne ich mich nicht.
Obrist. Nicht? das wollen wir sehn.
Lieutn. Thun Sie was Sie recht dünkt.
Obrist. Zu den Pistolen gegriffen Distanz abgemessen
Lieutn. Ich schieße mich nicht.
Obrist. Vielleicht verstehen Sie sich besser auf die Klinge? o! auch da sollen Sie Ihren Mann an mir finden. (er legt die Pistolen weg und zieht den Degen.)
Lieutn. Ich schlage mich nicht.
Obrist. Feige Memme! zieh!
Lieutn. Schimpfen Sie, wie Sie wollen, ich ziehe nicht.
Obrist. (wüthend) Bube! ich renne dir den Degen durch den Leib.
Lieutn. Nun wohl, so ermorden Sie Ihren unglücklichen Sohn.
Obrist. (läßt den Degen sinken) Meinen Sohn?
Lieutn. Ja ich bin es! ich bin der arme Karl, den Sie aus dem väterlichen Hause verstießen; der lange als Bettler in der Welt herum irrte, bis er, von einem Biedermanne unterstützt, sich selbst den Pfad der Ehre bahnte, und den Adel zu verdienen suchte, auf den er einst freywillig Verzicht that.
Obrist. (stützt sich auf seinen Degen) Du bist würklich mein Sohn Karl?
Lieutn. Blieb denn keiner meiner Züge in Ihrem Herzen?
Obrist. Ja, ja, ich erkenne dich. Warum schriebst du mir denn, du habest dich in die Donau gestürzt?
Lieutn. Um Sie vielleicht durch meinen Tod zu versöhnen.
Obrist. Du hast dich brav gehalten, wie ich höre? Das ist mir lieb. Gieb mir den Ring und ich bin versöhnt.
Lieutn. Mein Vater
Obrist. Du bist mir Gehorsam schuldig.
Lieutn. Das weiß ich.
Obrist. Drum gehorche.
Lieutn. O mein Vater! wer hat höhere Begriffe von kindlicher Pflicht als ich
Obrist. Beweise es mir.
Lieutn. Ist Entsagung aller Rechten, die unschuldige Liebe mir gab, nicht der sprechendste Beweiß?
Obrist. Aber sie nimmt mich nicht, wenn ich ohne den Ring heimkehre.
Lieutn. Lieben Sie Theresen wie ich sie liebe?
Obrist. Nein.
Lieutn. Und doch
Obrist. Ich muß sie heyrathen, sonst muß ich verhungern.
Lieutn. (erstaunt) Wie?
Obrist. Mein Vermögen ist zum Henker! Schulden überall; man droht mir mit Gefängniß.
Lieutn. Ich verbürge mich für Sie.
Obrist. Du? Herr Lieutnant von Habenichts?
Lieutn. Lassen Sie mir das Fräulein, und nehmen Sie ihr Vermögen.
Obrist. Ich sollte von der Gnade meines Sohnes leben?
Lieutn. Von der Liebe Ihres Sohnes.
Obrist. Nein, das thue ich nicht. Laß nun sehn, was aus dir geworden ist. Du behauptetest ja immer, das Lesen veredle das Herz, kläre den Menschen über seine Pflichten auf, präge sie ihm tiefer ein? laß nun sehn, was du aus deinen Büchern gelernt hast. Hier steht ein alter Vater ohne Brod; ein Mann von Ehre, den man ins Gefängniß werfen will; ihm gegenüber steht sein Sohn; er kann ihn retten, er darf nur einen kleinen elenden Ring vom Finger ziehn, so ist der Vater geborgen. Was sagen deine Bücher? was muß ein guter Sohn in solchem Falle thun?
Lieutn. (nach einem kurzen innern Kampfe) Er muß und wenn es ihm das Herz abstieße (er zieht den Ring vom Finger) Hier mein Vater.
Obrist. (steckt den Ring hastig zu sich.) Endlich! so erfüllt man das vierte Gebot nach der Väter Weise. Nun sollst du auch wieder mein Sohn Karl seyn. Zu mir kommen darfst du nicht; wegen der Stiefmutter, Du verstehst mich. Aber ich erlaube dir, Briefe an mich zu schreiben, und will dir auch zuweilen antworten. Leb wohl! (er will gehn)
Lieutn. (schmerzhaft) Mein Vater! soll ich denn, für alle diese Aufopferungen, nicht einmal das lang entbehrte Glück genießen, in Ihre Arme zu sinken?
Obrist. Komm her, umarme mich.
Lieutn. (stürzt auf ihn zu, und drückt ihn feurig an seine Brust.)
Obrist. (mit Mühe einen Rest von Empfindung bekämpfend) Schon gut. Leb wohl.
Lieutn. Ich werde gehorchen ich werde Sie nicht wieder sehn aber wenn sie einst krank werden, und die Herannäherung Ihrer Todesstunde fürchten sollten, versprechen Sie mir wenigstens dann, mich an Ihr Lager zu rufen, und mir Ihren väterlichen Segen zu ertheilen.
Obrist. (wider Willen bewegt, verschluckt seine Rührung, reicht ihm die Hand, und sagt:) Auf Ehre! (Pause. Man sieht es ihm an, daß väterliche Aeußerungen aus seiner Brust sich Luft zu machen streben, aber er unterdrückt sie, spricht hastig:) Gott segne dich! (und geht rasch ab)
Der Lieutnant und Fabian.
Lieutn. (steht betäubt.)
Fab. Mit Gunst Herr Lieutnant, Sie haben da einen gnädigen Papa, der
Lieutn. (mit Ernst) Vor dem du Respekt haben mußt.
Fab. O ja, aus Liebe zu Ihnen, denn Sie haben gehandelt wie
Lieutn. Wie ein Sohn.
Fab. Unbegreiflich ist mir die Geschichte.
Lieutn. Auch wirst du am besten thun, sie ganz zu vergessen.
Fab. Wie soll ich Sie denn in Zukunft tituliren?
Lieutn. Wie bisher.
Fab. Hm! ein Edelmann der sich für einen Bürgerlichen ausgiebt
Lieutn. Das pflegen sonst nicht die schlechtesten Edelleute zu seyn.
Fab. Weiß denn Ihr Pflegevater
Lieutn. Nein, er weiß nichts, und soll auch nichts wissen.
Fab. Sie sind ihm Zutrauen schuldig.
Lieutn. Und meinem Vater Schonung.
Fab. Wir müssen aber doch hinreiten.
Lieutn. Hast du schon vergessen
Fab. Er wird Sie erwarten.
Lieutn. (nachdenkend) Freylich wird er das.
Fab. Was soll er denken, wenn Sie nicht kommen?
Lieutn. Mein Vater wird ihm erzählen
Fab. Ja, das wird er wohl bleiben lassen.
Lieutn. So gehe es wie Gott will!
Fab. Der gute Alte wird Sie für leichtsinnig halten.
Lieutn. Freylich wohl.
Fab. Für undankbar.
Lieutn. O! das würde mich schmerzen!
Fab. Drum denke ich, wir satteln und reiten.
Lieutn. Nimmermehr! ich gab mein Wort.
Fab. Nun so will ich reiten. Ich habe mein Wort nicht gegeben.
Lieutn. Ja das sollst du. Ich will an meinen Pflegevater schreiben. Ein Vorwand findet sich leicht. Eine plötzliche Marschordre, oder etwas dergleichen. Aber du darfst nicht plaudern, hörst du?
Fab. Dann darf ich auch nicht bey dem Wirth in der weißen Taube einkehren, denn sonst lößt der Wein die Zunge. (beyde ab.)
(Saal im Schlosse.)
Therese. Ulrike. Tobias (der eben seine Pfeife ausklopft, und sie auf den Tisch legt.)
Ulr. Wo mag unser Gast hingeritten seyn?
Tob. Wären die Kreuzzüge noch in der Mode, so würde ich hoffen, er habe eine Reise zum heiligen Grabe unternommen.
Ulr. Er sprengte zur Pforte hinaus, wie der Tod in Bürgers Lenore.
Ther. So wird er mich auch heim holen.
Tob. Vielleicht verdroß ihn deine Aufrichtigkeit, und er skisirte sich in der Stille.
Ther. Ach nein! er drohte nach Ebersdorf zu reiten.
Tob. Nach Ebersdorf?
Ther. Um das alte Faustrecht zu handhaben, und dem Lieutnant meinen Ring abzutrotzen.
Tob. Da kommt er an den Rechten. Aber zum Henker! wie erfuhr er denn des Lieutnants Aufenthalt und Nahmen?
Ther. Durch mich.
Tob. Das war albern.
Ther. Er machte mich treuherzig.
Tob. Das kann eine dumme Geschichte geben.
Ther. Sie ängstigen mich.
Tob. (durchs Fenster blickend) Sollte etwas vorgefallen seyn, so ist wenigstens dein alter Galan mit heiler Haut davon gekommen, denn eben sprengt er frisch und gesund auf den Hof.
Ther. O! welche peinliche Lage!
Ulr. Kind, jezt hast du Gelegenheit, dich in den weiblichen Tugenden zu üben: Geduld und Sanftmuth.
Tob. Verunzieren auch keinen Mann.
Ulr. Und gewähren einen leichtern Uebergang vom Schmerz zur Freude.
Tob. Selbst in der Tugend nehmen die Weiber das beste für sich.
Ulr. Doch nur, weil ihr es verschmäht.
Der Obriste. Die Vorigen.
Obrist. Victoria! mein Fräulein, Ihr Ritter hat gesiegt.
Ther. Ich verstehe Sie nicht Hr. Obrister.
Obrist. (um sich schauend, leise) Wenn wir allein wären
Ther. Ich weiß von keinem Geheimniß unter uns.
Obrist. (verstohlen zu ihr) Haben Sie schon vergessen? den Ring
Ther. (laut) Mein Oheim und meine Tante dürfen Alles hören.
Obrist. Auch das vom Ringe?
Ther. (ungeduldig) Ich wünschte, Sie brächten mir den Ring des Gyges, damit ich mich vor allen Ueberlästigen unsichtbar machen könnte.
Obrist. (die Achseln zuckend) Den Ring des Gyges! das kommt vom Lesen.
Ulr. Der Herr Obriste haben viel Staub mitgebracht.
Obrist. Ich bin geritten wie ein Husar.
Ulr. Man sieht jeden Fußtapfen.
Obrist. In drey Stunden nach Ebersdorf, hin und zurück.
Tob. Interessante Geschäfte vermuthlich?
Obrist. Cupido lieh mir seine Flügel. (zu Theresen belehrend) Cupido war bey den blinden Heyden der Liebesgott.
Ther. Ist Ihnen außer dem Liebesgott, niemand begegnet?
Obrist. Niemand.
Ulr. Wir erwarten Besuch von Ebersdorf.
Obrist. Werden vergebens warten.
Tob. Mein Pflegesohn, der Lieutnant Wayse
Obrist. Wird nicht kommen.
Tob. Wie so?
Ther. (Angst verrathend) Ich will nicht hoffen, daß
Obrist. Hoffen Sie immer.
Ulr. Kind, du zitterst?
Obrist. Jungfrauen müssen zittern, wenn Ritter um den Preiß kämpfen.
Ther. Ich will nicht hoffen, daß Blutvergießen
Obrist. Ruhig. Der zärtliche Damöt ließ es so weit nicht kommen.
Ther. Sie haben den Lieutnant gesprochen?
Obrist. Auf Ehre!
Tob. Und sich mit ihm geschlagen?
Obrist. Dazu hatte er keine Lust.
Ther. (empfindlich) Weil er nie Lust hat, eine Thorheit zu begehn.
Obrist. Jenun, da er zu Kreutze kroch, so war mirs auch recht.
Ther. (spöttisch) Er kroch zu Kreutze?
Obrist. Er wand sich wie ein Wurm.
Tob. (lachend) Ha! ha! ha! wie ein Lindwurm.
Ther. Und der Herr Obriste war der Ritter Sankt Georg.
Tob. Darf man wissen, was Sie dem armen Wurme ausgepreßt haben?
Obrist. Sein Ehrenwort, das Fräulein nie wieder zu sehn.
Ther. Und ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich ihn noch heute wieder sehen werde.
Obrist. Was gilt die Wette? (schmunzelnd)
Ther. (im Ausbruch des Unwillens) Ach Hr. Obrister! wenn Ihnen Cupido nichts weiter geliehen hat, als seine Flügel, so flattern Sie einsam über Berg und Thal.
Obrist. Doch, doch; er hat mir auch einen Ring geliehen.
Ther. Geht es Ihnen doch fast mit dem Ringe, wie, nach Lessings Behauptung, andern Leuten mit den Tugenden: (spöttisch) Man spricht am meisten von den Dingen, die man nicht hat.
Obrist. (greift in die Tasche) Hokus Pokus! (er zieht den Ring hervor, und hält ihn Theresen triumphirend vor die Augen.)
Ther. (wirft einen Blick darauf und schreyt)
Tob. Ist er es würklich?
Obrist. Auf Ehre!
Ther. Ja er ist es. Sie haben den Lieutnant ermordet!
Obrist. Keinesweges, wir sind als die besten Freunde von einander geschieden.
Ther. Dieser Ring, schwur er mir, solle ihm ins Grab folgen.
Obrist. Er befindet sich sehr wohl.
Tob. Ernsthaft, Hr. Obrister, ich nehme großen, väterlichen Antheil an dem Jüngling.
Obrist. Ernsthaft, Hr. Hauptmann, ich sage auf Ehre! und bin ein Edelmann.
Tob. Er gab ihnen den Ring gutwillig?
Obrist. Gutwillig.
Tob. Und entsagte meiner Nichte?
Obrist. Nun ja doch! ist es denn ein so großes Wunder, daß eine Romanenliebeley plötzlich ihre Endschaft erreicht?
Ther. (heftig) Was sprach er? ich will wissen was er sprach?
Obrist. Er sprach nichts. Er gab mir den Ring, ich denke das ist genug.
Ther. Ach! nur zuviel!
Ulr. Unbegreiflich!
Tob. Hm! hm! das gefällt mir nicht. Zwar bin ich herzlich froh, daß diese zwecklose Verbindung aufgehoben worden; aber die Manier gefällt mir nicht.
Obrist. Was sollt' er thun? Als er hörte, das Fräulein habe es zur Bedingung gemacht, diesen Ring aus der Hand seines Nebenbuhlers zu empfangen
Ther. So gab er ihn?
Obrist. So gab er ihn.
Ther. (bricht in Thränen aus) Weh mir! ich bin betrogen!
Obrist. Das kommt vom Lesen.
Ther. Er verdiente meine Liebe nicht!
Obrist. Ein Bürgerlicher.
Ther. Reiße dich los armes Herz!
Obrist. Bravo!
Ther. Strafe ihn mit Verachtung!
Obrist. Bravissimo!
Ther. Und dann verschließe dich der Liebe auf ewig!
Obrist. Halt! halt! Sintemal Sie mir verheißen und gelobet
Ther. Recht Herr Obrister! Sie will ich lieben! wenigstens will ich sagen, daß ich Sie liebe. Geben Sie mir den Ring. Ich liebe Sie! ich liebe Sie unaussprechlich!
Obrist. Dacht' ichs doch, es wird sich geben. Soll ich den gnädigen Papa rufen?
Ther. Rufen Sie wen Sie wollen.
Ulr. (zupft sie) Kind! Kind!
Obrist. Damit wir nach der Väter Weise auf der Stelle unsere Verlobung feyern?
Ther. Ja, ja, auf der Stelle.
Obrist. Und die Hochzeit?
Ther. Je eher, je lieber.
Ulr. (warnend) Kind! Kind!
Ther. Aber der Lieutnant muß dazu gebeten werden.
Obrist. Er wird nicht kommen.
Ther. Er muß kommen. Ich werde mich festlich schmücken, ich werde alle Toilettenkünste aufbieten, um recht schön zu seyn.
Obrist. Desto besser!
Ther. Ich werde scherzen, lachen, tanzen! mit ihm selbst will ich scherzen, mit ihm selbst will ich tanzen.
Obrist. Ho! ho! das Eisen glüht! jezt muß man schmieden. (er läuft fort)
Die Vorigen ohne den Obristen.
Ther. (kommt zu sich selbst und erschrickt) Er geht?
Ulr. Er geht deinen Vater zu rufen.
Ther. Ach Gott! was hab' ich gethan!
Tob. Du hast dich albern benommen. Ein Entschluß, den man par depit faßt, ist gewöhnlich ein dummer Entschluß.
Ther. Entschuldigen Sie den Lieutnant wenn Sie können.
Tob. Entschuldigen kann ich ihn nicht, aber ungehört verdammen mag ich ihn auch nicht.
Ther. That ich das? o! dann war ich mehr als kindisch! habe an dem besten, treusten Herzen mich versündigt! Gewiß, er ist unschuldig!
Tob. Er kann den Ring verlohren haben.
Ther. Er hat ihn verlohren! ohne Zweifel hat er ihn verlohren! Das Räthsel wird sich enthüllen, und ich werde beschämt vor ihm stehn.
Tob. Als Frau Obristin von Hammer.
Ther. Sie sind grausam, bester Oheim!
Ulr. Du wolltest ja selbst über Hals und Kopf Hochzeit machen?
Ther. Nimmermehr!
Ulr. Das geht auch nicht an, denn da ist noch so vieles zu besorgen.
Ther. Nun wird mein Vater kommen
Tob. Freylich.
Ther. Der Obriste wird ihm sagen. ich hätte eingewilligt
Tob. Das hast du auch.
Ther. (ringt die Hände) Gott! in welches Labyrinth hat mich meine Unbesonnenheit gestürzt!
Fabian. Die Vorigen.
Tob. (als er ihn erblickt) Ah Fabian! nun wird sichs aufklären.
Ther. (fliegt auf ihn zu) Wo ist dein Herr?
Fab. (marschirt, ohne zu antworten, auf Tobias los, und überreicht ihm einen Brief)
Ther. Lebt dein Herr? Mensch! antworte!
Fab. Ich habe Ordre, nicht zu antworten.
Tob. Kind! Kind! er hat geschrieben, folglich muß er wohl leben. (er öffnet den Brief und brummt den Innhalt für sich.)
Ther. (hängt mit ängstlich forschenden Blicken an seinem Gesichte.)
Tob. (endigt, und schüttelt den Kopf.)
Ther. Nun?
Tob. In dem Briefe steht nichts.
Ther. Nichts?
Tob. Eine plötzliche Marschordre er kann nicht kommen er nimmt Abschied wünscht dir Glück zu deiner Vermählung
Ther. Wünscht mir Glück! vortreflich!
Tob. Bursche, was soll das heißen?
Fab. Ich bin stumm.
Tob. Habt ihr würklich Marschordre?
Fab. Wenn es in dem Briefe steht, so muß es wohl wahr seyn.
Ther. Hast du einen Fremden bey deinem Herrn gesehn?
Fab. Ja.
Tob. Gab dein Herr dem Fremden einen Ring?
Fab. Ja.
Ther. (außer sich) So ist es doch wahr!
Tob. Gab er den Ring gutwillig?
Fab. Ja.
Ther. Und wünscht mir Glück zu meiner Vermählung!
Tob. Hörtest du was sie zusammen sprachen?
Fab. Ja.
Tob. Erzähle.
Fab. Ich darf nicht.
Ther. (will ihm einen Beutel geben) Nimm das, ehrlicher Fabian, und erzähle.
Fab. Der ehrliche Fabian nimmt kein Geld, um seinen Herrn zu verrathen.
Tob. Hat er dir so streng verboten?
Fab. Ja.
Ther. So sage mir mindestens ober lebt? wo er ist? was er thut?
Fab. Er weint.
Ther. Er weint? (sie bricht in Thränen aus) O sieh! ich weine auch!
Fab. Gnädiges Fräulein, so müssen Sie mir nicht kommen. Ich habe schon genug mir meinem armen Herrn ausgestanden. Den Wein hab' ich auch noch im Kopfe und dann noch solche Thränen. da mögte Einer zum Schelme werden.
Tob. Fabian, du kennst mich.
Fab. Der Hr. Hauptmann von Edelschild.
Tob. Bin ich dir sonst nichts?
Fab. (gerührt) Mein alter, guter Herr! mein Wohlthäter!
Tob. Und habe dir nie zu einem schlechten Streich gerathen.
Fab. Und werden es auch nie.
Tob. Wenn ich also von dir begehre, du sollest meines Pflegesohnes Ehre retten
Fab. Seine Ehre?
Tob. Er hat, dem Scheine nach, nicht brav gehandelt.
Fab. Sapperment! er hat gehandelt, wie der wackerste Edelmann bey der ganzen Armee.
Tob. Kannst du das beweisen, so thue es.
Ther. Bedenke in welchem Lichte er erscheint, und vor wem? vor seinem Pflegevater, seinem Wohlthäter.
Fab. Ganz recht. Man soll freylich gehorchen ohne zu raisonniren; und wenn es blos auf meines guten Herren zeitliches Glück ankäme (er legt den Finger auf den Mund) Mäusgen still! Aber seine Ehre! potz Element! die lasse ich nicht antasten.
Ther. So rede.
Fab.. Ich werde reden aber Herr Hauptmann gnädiges Fräulein Sie müssen mir einen Revers ausstellen, daß ich nicht betrunken bin.
Tob. Wozu das?
Fab. Denn sehn Sie, wenn ich einen dummen Streich mache, so kann mein Herr doch nicht sagen: Kerl! du warst besoffen! sondern höchstens: Kerl du warst ein Esel, aber du hast es gut gemeynt.
Tob. Mein Zeugniß soll dich schützen.
Ther. Und das meinige.
Ulr. Fabian, du bist ein reinlicher Bursche, aber viel zu weitläuftig.
Fab. Nun in Gottes Nahmen! Mein Herr hat den Ring ausgeliefert, das ist wahr; aber an wen hat er ihn ausgeliefert?
Tob. An den Obristen,
Ulr. Den Obristen von Hammer.
Ther. Ach! das gilt gleichviel, er mußte ihn gar nicht ausliefern.
Fab. Auch seinem Vater nicht?
Ther. (erstaunt) Seinem Vater!?
Tob. Kerl! bist du toll?
Ulr. Fabian, du mögtest doch wohl ein wenig betrunken seyn.
Fab. Ich sage, der Herr Lieutnant Wayse ist der eheleibliche Sohn des Hr. Obristen von Hammer.
Tob. Sagst du?
Fab. Ich sage, er wollte den Ring unter keiner Bedingung herausgeben
Ther. Aber ?
Fab. Aber der Herr Obriste sprachen von drückenden Schulden; von der Nothwendigkeit, eine reiche Braut zu suchen
Tob. So, so.
Fab. Sie erwähnten des Gefängnisses, des Hungers, et caetera
Ulr. Ey! ey!
Fab. Das Herz meines guten Herrn entbrannte in kindlicher Liebe, und er gab den Ring, um seinem alten Vater aus der Noth zu helfen.
Ther. (nimmt ihren Oheim beym Kopfe und küßt ihn mit Heftigkeit; dann macht sie es eben so mit ihrer Tante, dann dringt sie Fabian ihren Beutel auf.) Fabian, ich bitte dich um Gottes willen! nimm! die Freude, die du mir gemacht hast, bezahlt kein Gold! (mit frohem Entzücken) Er ist unschuldig! er ist unschuldig!
Tob. (mischt sich eine Thräne aus dem Auge) Das ist er, der brave Junge.
Ulr. Und ein Edelmann obendrein.
Fab. So gut als sein Vater.
Tob. Besser als sein Vater.
Ther. Nun, lieber Oheim, nun darf ich ihn doch lieben?
Tob. Meine Erlaubniß hast du.
Ulr. Und meinen Segen.
Tob. Es würde mir eine große Freude seyn.
Ulr. Ich würde Alles aufs beste zurichten.
Tob. Wenn nur dein Vater
Ulr. Und der Seinige
Ther. Unsere Bitten
Tob. Geh Fabian, warte unten auf Depeschen.
Fab. (marschirt ab)
Ulr. Ich fürchte nur, du hast, durch deine Voreiligkeit, das Spiel verdorben.
Tob. Und der junge Herr hatte kein Zutrauen zu seinem Pflegevater. Hätte er mir früher einen Wink von seiner Geburt gegeben, so hätten wir die Sache von langer Hand einfädeln können. Aber die jungen Leute schwatzen und schweigen, beydes zur Unzeit.
Ther. Er wollte sein Glück keinem elenden Zufalle verdanken; er wollte durch Kopf und Herz gewinnen
Tob. Pst! pst! ich höre kommen. Gott geb' uns Freunde!
Der Geheimderath. Der Obriste. Die Vorigen.
Geh. R. (sehr heiter) Recht so, Theresgen, das ist brav! nun bist du wieder meine gute Tochter.
Obrist. Ich sagte es ja wohl, es giebt sich Alles.
Geh. R. Kinder, laßt uns einen frohen Abend feyern. Ihr klagt zuweilen über meine böse Laune; aber heute sollt ihr mich lustig sehn! heute kann mich nichts aus meiner Fassung bringen.
Ulr. Das gebe der Himmel!
Obrist. Ist auch Einmal eine vernünftige Heyrath nach der Väter Weise. Der Bräutigam, ein Mann von gesetzten Jahren, hat, wie sichs gebührt, sich zuerst an den Vater gewandt; und die Braut, ein züchtiges Fräulein, hat pflichtschuldige Folge geleistet.
Geh. R. Nichts von Entführung, nichts von Mondschein.
Obrist. Nichts von girrenden Täubgen.
Tob. Oder von zärtlicher Wonne.
Obrist. Sintemal und alldieweil wir hier versammelt sind, um nach der Väter Weise
Geh. R. Halt Herr Bruder! die vollen Humpen fehlen noch.
Tob. Halt Herr Bruder! die Liebe fehlt noch.
Geh. R. (ernsthaft) Bruder, was soll das heißen? störe mir meine Freude nicht.
Tob. Wenn ich das thue, so bin ich zum Erstenmale in meinem Leben ein Freudenstörer.
Ulr. Besser er redet jetzt, als wenn es zu spät ist.
Geh. R. Er soll aber nicht reden! er hat nichts zu reden.
Tob. Herr Obrister, Sie erwähnen so oft der Väter Weise. Darf ich Ihnen sagen, wie unsre Väter es hielten?
Obrist. Das weiß ich schon längst.
Tob. Ich zweifle. Wenn unsere Väter wackere Söhne hatten, so waren sie stolz darauf.
Geh. R. Wozu der Schnickschnack?
Tob. (ohne sich irre machen zu lassen) Und wenn sie ihnen nichts geben konnten, so mogten sie ihnen doch auch nichts nehmen.
Obrist. (verlegen) Ich weiß nicht Herr Kapitain
Geh. R. Sag' mir ums Himmels willen, Bruder, wo hast du deinen Kopf?
Tob. Frage diesen Herrn wo er sein Herz hat?
Obrist. Noch hat Niemand an meinem Herzen gezweifelt.
Tob. Ja, wenn es so viel bedeutet als Degen.
Geh. R. Du vergißt, daß du in meinem Hause bist.
Tob. Er vergißt, daß er einen Sohn hat.
Geh. R. Gehabt.
Tob. Er hat ihn noch.
Ther. (bey Seite.) Gott! steh dem guten Oheim bey!
Obrist. Ein Romanenheld.
Tob. Pfuy Herr Obrister, das hat er nicht um Sie verdient.
Geh. R. Habt ihr mich zum Besten? ich verstehe nicht ein Wort.
Tob. Es bedarf nur Eines Worts um dir die Augen zu öfnen. Mein Pflegesohn der Lieutnant Wayse, ist sein Sohn, der Lieutnant von Hammer.
Geh. R. So? nun desto besser! so lade ihn zur Hochzeit.
Tob. Aber er liebt Theresen.
Geh. R. Desto schlimmer für ihn.
Tob. Aus kindlicher Pflicht hat er seine Rechte abgetreten.
Geh. R. Rechte? Sapperment! welche Rechte?
Tob. Therese liebt ihn.
Geh. R. Mädgen! ich will nicht hoffen
Obrist. Das kommt vom Lesen.
Geh. R. Du antwortest nicht?
Obrist. Romanen-Tändeley.
Geh. R. Du schlägst die Augen nieder?
Tob. Besser daß du sie mit niedergeschlagenen, als mit thränenvollen Augen siehst.
Geh. R. Ich will sie gar nicht mehr sehn! ich will sie verstoßen!
Obrist. So ists Recht.
Ther. Vater!
Geh. R. Ich bin nicht der Vater einer Dirne, die sich dem ersten besten Landstreicher an den Hals wirft.
Obrist. So ists Recht.
Geh. R. Sprich! willst du gehorsam seyn? willst du mir Freude machen?
Ther. Mit meinem Blute.
Geh. R.. Hier ist nicht von deinem Blute die Rede.
Obrist. Eine Romanen-Floskel.
Geh. R. Willst du dem Obristen deine Hand reichen?
Ther. Ohne mein Herz ?
Geh. R. So reiße denn dein sanftes Taubenherz los von dem Herzen deines Vaters! hänge dich an einen Buben! entlaufe, so wie er, dem väterlichen Hause! entsage, gleich ihm, deinem ehrlichen Nahmen! und schleppe dich, so wie er, mit dem väterlichen Fluche belastet, von Elend zu Jammer!
Ther. Ach Gott! ach Gott! (sie ringt die Hände und geht ab)
Obrist. Das war die ächte, alte Rittersprache.
Tob. Jammerschade, Herr Obrister, daß Sie zu spät und zu früh auf die Welt kamen.
Obrist. Wie so?
Tob. Zu spät für sich selbst, und zu früh für meine Nichte.
Geh. R. Bruder, ich verbitte mir deine beißenden Anmerkungen.
Tob. Ich rede freylich keine Rittersprache.
Geh. R. Ich wäre schon zufrieden, wenn du nur vernünftig sprächest.
Tob. Damit schmeichle ich mir zuweilen.
Geh. R. Du schmeichelst dir zu viel.
Tob. Die gewöhnliche Eigenliebe der Menschen.
Geh. R. Du bist ein Brausekopf, der gleich Feuer fängt
Tob. (gutmüthig lächelnd) Ich?
Geh. R. Vor jeder Thräne hinschmilzt
Tob. Die Schuld meines Jahrhunderts.
Geh. R. Sich von jeder poetischen Lüge bethören, von jedem Windbeutel hinters Licht führen läßt
Tob. Besser hintergangen werden als hintergehn.
Geh. R. Du bist Schuld an dem ganzen Wirrwarr
Tob. Ich hielt es für Bruderpflicht.
Geh. R. Hast dem Mädgen Dinge in den Kopf gesetzt
Tob. Sie saßen ihr schon längst im Herzen.
Geh. R. Bist ein Verführer der Jugend
Tob. (sieht ihn wehmüthig an. Nach einer kurzen Pause pfeift er die beyden Ersten Takte des Liedes: Freut euch des Lebens.)
Geh. R. (der immer erbitterter wird) Hast deine Freude daran, einem armen alten Vater das Herz zu zerreißen
Tob. (pfeift die beiden folgenden Takte).
Geh. R. (wüthend) Kurz du du du bist ein Narr!
Tob. (hört auf zu pfeifen, und sieht ihn wehmüthig an.)
Geh. R. (hämisch) Nun, warum pfeifst du nicht?
Tob. (sehr bewegt) Bruder, ich kann jezt nicht pfeifen. Gott verzeihe es dir, daß du deinen Bruder so weit gebracht hast. (er geht ab)
Ulr. Um Gottes willen! Bruder Herrmann! besinne dich.
Geh. R. Worauf soll ich mich besinnen? daß du auch noch da bist? daß du auch die ungerathene Dirne gegen ihren Vater verhetzen hilfst?
Ulr. Ach Gott nein!
Geh. R. Vermuthlich trägt der Lieutnant etwa reinere Manschetten als sein Vater, und damit hat er dein gewaschenes Herz gewonnen.
Ulr. Bruder!
Geh. R. Ich rathe dir, den Benjamin Schmolk in die Hand zu nehmen, und deine indianischen Hüner zu füttern.
Ulr. Bruder!
Geh. R. Aber alte Jungfern kuppeln gern
Ulr. Das ist zu viel! (sie geht ab)
Obrist. So recht, Herr Bruder, zeige dich als Herrn im Hause.
Geh. R. Aber die Wahrheit zu gestehn, zeigst du dich eben nicht als einen liebenswürdigen Bräutigam.
Obrist. Nach der Väter Sitte
Geh. R. Unsere Väter hatten keine Sitten! sie waren Tölpel, die man heutzutage in keiner honetten Gesellschaft dulden würde.
Obrist. Die ehrwürdigen Ritter
Geh, R. Aber meine Tochter braucht keinen Ritter, sondern einen Mann von Welt, der vernünftig mit ihr umgeht.
Obrist. Ich denke, Herr Bruder
Geh. R. Du denkst zu wenig.
Obrist. Aber Potz Element! ich fühle
Geh. R. Du fühlst gar nichts, und das ist noch schlimmer, als wenn man zu viel fühlt.
Obrist. Ich merke wohl, daß ich dir aus dem Wege gehen muß. (ab)
Geh. R. (allein) Alle laufen sie davon. Keiner, an dem ich meinen Unmuth auslassen kann. (Er rennt einigemal auf und nieder, bleibt dann stehn, und kaut an den Nägeln) Mit Bruder und Schwester hab' ich es freylich wohl zu arg gemacht. (Pause. Er nimmt die Tabakspfeife vom Tische, welche Tobias liegen ließ, zerbricht sie in kleine Stücke, und wirft ein Stück nach dem andern mit Hastigkeit von sich, während der Vorhang fällt.)