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(Herr v. Langsalm ganz in Schweiß und außer Athem, unter jedem Arm eine große Pappschachtel mit Frauenzimmerputz.)
Uf! – uf! – ich bin todt! – (er wankt nach dem Lehnstuhl) Die Hühner – die vermaledeyten Hühner! – und kaum bin ich sie los, so führt der Satan einen Boten aus der Stadt her, bepackt wie ein Maulesel mit Frauenzimmerkram! den muß ich die Treppe herauf schleppen! ich, der ich mich selber kaum zu schleppen vermag! – Zwar, schwer ist er nicht – leicht, sehr leicht, wie das ganze Geschlecht, für welches er gearbeitet wurde; – aber – muß man nicht die Arme ausrecken, wie auf der Folter? – (er läßt beyde Schachteln fallen) Da, liege du! Abgott der Damen! der Meinige ist die Ruhe! – (er sinkt behaglich in den Sessel) Ach! – die Hühner! die verfluchten Hühner! – Wenn sie doch Alle Einen Hals hätten – damit der Koch sie auf Einen Schnitt aus der Welt schaffte. – Besonders war da ein kalekutscher Hahn, mit verdammt langen Beinen – wenn ich meinte, ich hätte ihn von den Erbsen weggejagt, husch saß er auf den Bohnen – und endlich sprang er gar aufs Melonenbeet, streckt mir seine blaurothe Nase entgegen und macht kauwl kauwl kauwl! – Mit saurer Mühe treib' ich die Bestie zum großen Thore hinaus – was geschieht? der Vetter Hurlebusch läßt ihn zur Pforte wieder hinein – Ach! wenn doch jeder Heirathslustige sich vorher ein paar tüchtige Marder anschaffte, die ihm den Hühnerstall ein wenig aufräumten – und meinen Jäger – den jag' ich aus dem Dienst, wenn er sich untersteht, wieder einen Habicht zu schießen – (er rüttelt sich zurecht) Ein dummer Stuhl – gar nicht bequem – man weiß nicht, wo man den Kopf hinlegen soll – Da lob' ich mir die alten Stühle mit den großen gepolsterten Ohren – Ja, ja, so geht es in der Welt! täglich weniger Stuhlohren und mehr Eselsohren. – Nein, so kann ich nicht liegen. Ich muß nach der schweren Strapatze meinem Körper doch wieder eine Güte thun. – Ein Kopfkissen aus dem Schlafzimmer holen? – das ist zu weit. – Ist denn gar nichts in der Nähe? – die Schachteln? – (er nimmt die kleinste, und versucht sie unter den Kopf zu schieben) Das ist viel zu steif – und riecht nach Buchbinderkleister. – Vielleicht ist der Inhalt weicher. (Er öffnet sie und zieht eine Haube heraus) Richtig, da ist eine Menge Bagage – Flor, Blonden und dergleichen – das läßt sich versuchen – (er schiebt sie sich unter den Kopf, und versucht es auf allerley Weise; die Haube kömmt ihm endlich auf den Kopf zu sitzen) So wird es gehen – man muß vorlieb nehmen – wer gerne tanzt – dem ist leicht gepfiffen (er schlummert ein.)
Fr. v. Langsalm. Herr v. Langsalm.
Fr. v. Langs. Nun, mein Schatz, wollen wir doch sehn, ob die Putzmacherin – (sie wird die Haube gewahr) Was? – Gott steh' mir bey! ich glaube wahrhaftig, er hat meine neue Haube zur Schlafmütze gebraucht! – Herr von Langsalm! (sie rüttelt ihn) Herr Timotheus Sebastian von Langsalm!
Langs. (erwachend) Was giebts denn schon wieder?
Fr. v. Langs. Was es giebt? ich ersticke vor Aerger!
Langs. Ist der verfluchte kalekutische Hahn wieder im Garten?
Fr. v. Langs. Ich wollte, er kratzte Ihnen beyde Augen aus.
Langs. Mein Schatz, ich thue, was ich kann, aber den langbeinigten Satan vermag ich nicht einzuholen.
Fr. v. Langs. (fast athemlos) Was haben Sie denn da auf dem Kopfe?
Langs. Auf meinem Kopfe? (er faßt dahin und nimmt lächelnd die Haube ab) Ach ja so!
Fr. v. Langs. Ist das eine Nachtmütze?
Langs. Nein, das ist eine Haube.
Fr. v. Langs. Eine Haube, die ich verschrieben habe, um am Verlobungstage meiner Tochter damit zu prangen.
Langs. Sehr wohl, da ist sie; ich werde sie nicht aufsetzen.
Fr. v. Langs. Aber ich soll sie wohl aufsetzen, nachdem sie von Ihnen auf das Grausamste verbogen und zerdrückt worden?
Langs. (indem er auf eine ungestüme Weise die Haube zurecht macht) Da läßt sich wohl nachhelfen. Frauenzimmerstaat und Frauenzimmerherzen, wenn sie auch ein wenig zerdrückt werden, kommen leicht wieder in die alte Form.
Fr. v. Langs. Wenn Sie doch nur nicht noch obendrein witzig seyn wollten. Der Elephant muß nicht tanzen. Her mit der Haube! (sie reißt sie ihm weg) Es ist wahrhaftig noch ein Glück, daß der Mann nicht über den Spitzenschleyer in der andern Schachtel gerathen ist; er wäre im Stande gewesen, Strumpfbänder daraus zu machen.
Langs. Ein Spitzenschleyer? wie viel Scheffel Korn sind dafür nach der Stadt gewandert?
Fr. v. Langs. Dumme Frage! unsere Doris hat sich schon längst einen solchen gewünscht. Vetter Hurlebusch soll ihr diesen zum Geschenk machen, wenn er ihr seine Liebe erklärt.
Langs. So so. Liebt er sie denn?
Fr. v. Langs. Das weiß ich nicht. Das mag er halten, wie er will. Ader sagen soll er es, und heirathen soll er sie.
Langs. In Gottes Namen!
Fr. v. Langs. Ich will, daß die Sache noch heute beendigt werde, denn morgen wird er mündig, und da könnt' er leicht Sprünge machen.
Langs. Aber der Sprung in den Ehestand ist doch auch ein gefährlicher Sprung.
Fr. v. Langs. Haben Sie etwa den Hals gebrochen?
Langs. Gebrochen nun wohl eben nicht, aber stark gebogen.
Fr. v. Langs. Und das von Rechtswegen! Du mein Himmel! wenn wir euch nicht immer auf dem Nacken säßen, was würde da herauskommen? Ueber Ich und Nicht-Ich zu raisonniren; die Wiederkunft eines Kometen zu berechnen; den Zirkel in ein Quadrat zu bringen; ja das versteht ihr Männer! Aber in der großen Welt auch nur Einen Schritt zu thun, ohne zu stolpern, das seyd ihr unfähig, wenn die Weiber euch nicht immer am Gängelbande leiten.
Langs. So so. – Aber wär' es nicht besser, mein Schatz, wir machten dem Vetter bekannt, daß die Vormundschaft morgen ein Ende hat?
Fr. v. Langs. Bekannt? Wozu?
Langs. Damit es nicht aussieht, als ob wir ihn zu der Wahl überredet oder gezwungen hätten.
Fr. v. Langs. Da haben wir es! Sind Sie nicht das Haupt der Familie?
Langs. Das Haupt? allerdings.
Fr. v. Langs. Und ist Vetter Hurlebusch nicht ein Glied der Familie?
Langs. Ein Glied, jawohl.
Fr. v. Langs. Nun folglich. Das Haupt befiehlt, die Glieder gehorchen; denn das Haupt ist der Sitz der Vernunft, und die Vernunft bin ich.
Langs. Sind Sie.
Fr. v. Langs. Also keine weitere Einwendungen! stehen Sie auf, tragen Sie die Schachteln; auf meinem Zimmer wollen wir den Schleyer auspacken und das übrige besprechen.
Langs. Könnt' ich nicht noch ein wenig hier bleiben?
Fr. v. Langs. Warum?
Langs. Von wegen des kalekutischen Hahnes bedarf ich einiger Erholung.
Fr. v. Langs. Possen! Haben Sie keine Geschäfte?
Langs. Das ich nicht wüßte.
Fr. v. Langs. Ist das Recept zu der Mandeltorte abgeschrieben?
Langs. Noch nicht.
Fr. v. Langs. Ist die Baumwolle für die Kanarienvögel gezupft?
Langs. Auch noch nicht.
Fr. v. Langs. Und mein kranker Mops –
Langs. Ach ja, der soll noch hinaus in die Sonne getragen werden. Du lieber Gott! da muß ich freylich – (er erhebt sich mühsam)
Fr. v. Langs. (stopft ihm die Schachteln unter den Arm) Fort! fort! es ist keine Zeit zu verlieren.
Langs. (indem er von ihr fortgeschoben wird) Der Mops ist doch ein glückliches Thier, wenn er gleich krank ist. Er wird getragen. Ich muß immer gehn, immer gehn – bis sie mich einmal zu Grabe tragen werden.
Fr. v. Langs. Dann können Sie recht schlafen.
Langs. Ach ja, dann will ich recht ausschlafen. (beyde ab)
Selicour springt aus Doris Zimmer mit einem Taschenbuche in der Hand. Doris läuft hinter ihm her.
Doris. Selicour! ich sage Ihnen, ich werde böse.
Sel. Desto besser! es ist ohnehin unerhört, daß wir uns schon zwey Monat lieben, ohne uns recht ordentlich gezankt zu haben.
Doris. Geben Sie mir mein Taschenbuch.
Sel. Nicht eher, als bis ich den Inhalt durchgeblättert.
Doris. Es sind Briefe darin.
Sel. Billets doux?
Dor. Das geht Sie nichts an.
Sel. Wenn sie älter als zwey Monat sind, nein; aber der Himmel stehe Ihnen bey, wenn ich Eines von jüngerm Datum finde.
Dor. Sie sollen gar nichts finden. Her damit!
Sel. Waffenstillstand! Halt! ich proponire einen Frieden.
Dor. Erst die Eroberung herausgegeben! ich bestehe auf dem status quo.
Sel. Ich negociire. Wir treffen einen Tausch. Da ist mein Taschenbuch.
Dor. Was soll ich damit?
Sel. O ich versichere, daß es eben so fruchtbar ist, als das Ihrige.
Dor. Den Tausch könnt' ich mir allenfalls gefallen lassen.
Sel. Da nehmen Sie, und dann wollen wir sehn, was wir einander abtreten können.
Dor. (nimmt) Sie sind ein Erzbösewicht.
Sel. (blättert) Von Herrn Kammerjunker von Frosch? ey ey!
Dor. (blättert) Von Frau von Fink? seht doch.
Sel. Ich opfere Ihnen den Finken.
Dor. Behalten Sie den Frosch.
Sel. Vom Hauptmann Stier? Der ist ein Grobian, mit dem mag ich nichts zu thun haben.
Dor. Von Fräulein Mondschein? vier Seiten voll? o das ist langweilig.
Sel. Von dem blinden Herrn von Schnabel mir den langen dürren Fingern? nun, auf die Eroberung dürfen Sie eben nicht stolz seyn.
Dor. Von der Finanzräthin Blond, die seit 40 Jahren in dem 30sten steht? ha! ha! ha! das ist auch nicht weit her.
Sel. Von dem Oberlandbaurath –
Dor. (reißt ihm das Taschenbuch weg und giebt seines zurück) Genug! genug! Einem Jeden das Seinige. Sie sehen, daß die halbe Residenz in meinem Taschenbuche wimmelt.
Sel. Und in dem meinigen die andere Hälfte.
Dor. Es ist wahr, lieber Selicour, wir scheinen recht für einander geschaffen.
Sel. Zwey Seelen wie die Unsrigen mußten sich finden.
Dor. Ich verspreche Ihnen Treue noch auf ein ganzes halbes Jahr.
Sel. Welch' ein Heroismus! – aber ich liebe Sie auch mit einer fureur – Sollten Sie glauben, daß ich einst im Begriff stand, die Thorheit zu begehen, Ihnen meine Hand anzubieten?
Dor. Sind Sie rasend?
Sel. Glücklicherweise trat meine Vernunft noch zu rechter Zeit dazwischen –
Dor. Wie ein Gespenst.
Sel. Unser Umgang ist ja weit interessanter, weit piquanter, wenn Sie den jungen Bären heirathen, der hier in den Wäldern aufwuchs. Das Thier besitzt eine halbe Million baar, und seine Dummheit ist eine andere halbe Million werth. Das soll ein Leben geben!
Dor. Sie haben Recht. Unsere Familie ist arm. Seine Mutter, meine selige Tante, hat einen reichen Filz geheirathet, der so klug war, mich zur Erbin einzusetzen. Freylich muß ich den jungen Tölpel mit auf den Kauf nehmen; dagegen werde ich aber auch das erste Haus in der Residenz machen.
Sel. Ich werde die Feten arrangiren
Dor. Mein Mann schreibt die Einladungskarten.
Sel. Ich führe Sie auf die Promenade –
Dor. Sie begleiten mich in die Oper –
Sel. Wir kritisiren –
Dor. Und protegiren auch.
Sel. Wir laden Einen Tag in der Woche arme Poeten zum Essen.
Dor. Die müssen uns Verse machen –
Sel. Auf Ihren Mann.
Dor. Ganz recht, auf meinen Mann, ha! ha! ha!
Sel. Bouts-rimés, ha! ha! ha!
Dor. Alles sehr gut, wenn wir nur nicht die Rechnung ohne den Wirth machen; denn mein Herr Vetter von Marmorstein ist noch immer blind für meine Reize. Ich glaube, er fürchtet sich vor Ihnen.
Sel. So viel Verstand hätte ich ihm kaum zugetraut.
Dor. Im Ernst, Selicour, es wäre gut, wenn Sie bis nach der Hochzeit ein wenig vorsichtiger zu Werke giengen.
Sel. Vis à vis von solchen Augen, eine schwere Aufgabe.
Dor. Stellen Sie sich, als ob Sie meiner blonden, faden Cousine die Cour machten.
Sel. Sie setzen mich auf eine harte Probe.
Dor. Ich will es, ich befehle es.
Sel. Und die Belohnung?
Dor. Eine lachende Zukunft.
Sel. Ich bin ein großer Freund von der Gegenwart, und wenn ich mir den Zwang anthun soll, der schmelzenden Babet zu huldigen, so müssen Sie mir wenigstens einen Kuß pränumeriren.
Dor. Das Pränumeriren ist aus der Mode gekommen.
Sel. Aber das Stehlen nicht. (er küßt sie schnell auf die Backe.)
Dor. Unverschämter Mensch! da haben Sie mir nun die Schminke von der Wange geküßt (sie tritt vor den Spiegel) Wahrhaftig, auch das Lockengebäude ist untergraben. Verlohnt es wohl der Mühe, daß ich um Ihretwillen meine Toilette noch Einmal machen muß? (sie geht in ihr Zimmer.)
Selicour allein.
Bin ich sie endlich los? – ha! ha! ha! sie selbst will, ich soll mich in Babet verliebt stellen? – Ein köstlicher Einfall! – Freylich werde ich ihr die Rolle bald gar zu natürlich spielen. Eine so reizende Novize, so interessant schmachtend – ich fühle, daß ich Babet vier Wochen länger als gewöhnlich lieben könnte.
Fritz und Selicour.
Sel. Eben recht, mein lieber Hurlebusch.
Fritz. Eben unrecht.
Sel. Ich brauche einen Vertrauten.
Fritz. Ich nicht.
Sel. Desto besser, so können Sie mir Ihre ganze Aufmerksamkeit schenken.
Fritz. Sehr wohl. Ich schenke recht gern an arme Leute.
Sel. (bey Seite) Wie dumm! (laut) Sie sollen wissen, daß ich Ihre Cousine Babet liebe.
Fritz. So? ich liebe sie auch.
Sel. Vetterliebe, lauwarmes Wasser. Die meinige ist ein brennender Spiritus.
Fritz. Theaterflamme.
Sel. Wollen Sie mir beystehn? mein postillion d'amour werden?
Fritz. (bey Seite) Wart! ich will dich zusammen reiten.
Sel. Nun? keine Antwort?
Fritz. Wollen Sie Babet heirathen?
Sel. Das wird sich finden.
Fritz. Freylich, freylich. Fürs Erste ein Liebeshandel?
Sel. Getroffen.
Fritz. So hinter dem Rücken anderer ehrlicher Leute?
Sel. Errathen.
Fritz. Ein Rendezvous in der Dämmerung?
Sel. Allerliebst.
Fritz. Allenfalls auch eine Entführung?
Sel. Das wäre um so romantischer.
Fritz. Das arme Mädchen wird ohnehin hier im Hause übel gehalten.
Sel. So wär' es ja ein Verdienst, sie zu entführen.
Fritz. Top! ich will das veranstalten.
Sel. Mon cher ami, ich muß Sie küssen!
Fritz. Kleinigkeit! Unter uns, ich glaube, Babet ist schon bis über beyde Ohren in Sie verliebt.
Sel. Wirklich? glauben Sie?
Fritz. Wie können Sie zweifeln?
Sel. Sie haben Recht, ich bin zuweilen so verdammt modest. Aber doch welche Proben
Fritz. Sie hat einen Staarmatz,. den hat sie Ihren Namen aussprechen gelehrt.
Sel. (entzückt) Meinen Namen? ein Staarmatz? meinen Namen?
Fritz. Er ruft von früh bis in die Nacht: Selicour! Selicour!
Sel. Selicour! Selicour!
Fritz. Als sie ihn kaufte, da verstand er weiter nichts als: Spitzbube! Spitzbube! das kömmt denn freylich auch noch mit unter. St! ich höre kommen. Fädeln Sie die Sache nur gut ein, und im übrigen verlassen Sie sich auf mich. Ich gehe ein wenig bey Seite, sie möchte sich sonst vor mir schämen.
Sel. Gehn Sie, gehn Sie, ich bin gerüstet mit Amors Waffen.
Fritz. (bey Seite) Ich will verdammt seyn, wenn ich dir nicht eine Schellenkappe aufsetze. (er stellt sich, als gehe er, schlüpft aber hinter den Sofa.)
Sel. Nun sage mir einer mehr, daß man die dummen Leute zu nichts brauchen könne. Ein gescheiter Kopf weiß auch Funken aus Holz zu reiben.
Babet die mit Flachs über die Bühne geht. Die Vorigen. Doris an der Thür.
Sel. Wohin so eilig, mein schönes Kind?
Bab. Ich muß Flachs um meinen Spinnrocken legen.
Sel. O bleiben Sie hier, um meinen Lebensfaden zu spinnen.
Bab. (lächelnd) Mein Herr, ich bin keine Parze.
Sel. Aber doch Eine von den Himmlischen!
Bab. Der Rauch aus meiner Küche steigt freylich zum Olymp empor!
Sel. O! wär' ich Jupiter! ich würde meine Götternase blos nach diesem Rauch ausstrecken!
Bab. Auch ohne Jupiter zu seyn, steht all mein Rauch Ihnen zu Diensten. (sie macht einen Knix und will fort.)
Sel. (hält sie) Daphne will fliehen, aber Apoll hält sie zurück!
Bab. Erwarten Sie nur nicht, mein Herr Apoll, mich um Ihretwillen in Holz verwandelt zu sehn.
Sel. Leider sind Sie bereits in Stein verwandelt worden.
Bab. Lassen Sie mich, mein Herr! Ihre ganze Mythologie wird keinen einzigen Faden von meinem Rocken spinnen.
Sel. Sind diese Rosenfinger für solche Arbeit geschaffen?
Bab. Das Spinnen war vor alten Zeiten eine sehr edle Beschäftigung.
Sel. Das Lieben ist weit edler.
Bab. Nicht immer.
Sel. Aber doch wenn zwey Herzen wie die unsrigen sich finden?
Bab. Warten Sie, ich will meine Cousine herausrufen.
Sel. Wozu?
Bab. Um Ihre galante Apostropha an die rechte Person zu richten.
Sel. Sie meinen doch nicht etwa, ich sey verliebt in Ihre Cousine?
Bab. So scheint es beynahe.
Sel. Welchen verdorbenen Geschmack trauen Sie mir zu.
Dor. (bey Seite) Was?
Bab Ist denn meine Cousine nicht hübsch?
Sel. Hübsch? o ja; doch weit weniger als sie sich einbildet.
Bab. Die schwarzen Augen
Sel. Die mit der ganzen Welt kokettiren.
Bab. Das freundliche Lächeln
Sel. Eine Lockspeise für Jedermann.
Bab. Das lange seidne Haar
Sel. Ist falsch.
Bab.
Bab. Die blühende Wange
Sel. Ist gemalt.
Bab. Die immer heitere Laune
Sel. Ohne weibliche Delicatesse.
Bab. Die interessanten Kaprisen
Sel. Wie weiland Frau Honesta.
Dor. (die sich kaum zu halten vermag) Warte Spitzbube!
Sel. Kurz, schöne Babet, Sie irren, wenn Sie glauben, daß ich im Stande sey, eine Person zu lieben, die ihre welken Reize überall affichirt; der keine Eroberung zu gering und kein Mittel zu klein ist. Hier zu Ihren Füßen schwöre ich
Dor. (giebt ihm mit dem Fächer einen derben Schlag auf die Schulter) Daß Sie ein Narr sind! ein ausgemachter Narr! (ab in ihr Zimmer.).
Sel. (kniet verblüfft)
Bab. O weh mein Herr Jupiter! Ihre Juno hat Sie behorcht.
Fritz. (kömmt hinter dem Sofa hervor, und wirft sich auf der andern Seite zu Babets Füßen) Und hier zu Ihren Füßen schwöre auch ich.
Bab. War der Wildfang auch hier? nun so schwört einander ewige Treue! (sie schlüpft in Doris Zimmer, und läßt beyde knieend zurück.)
Selicour und Fritz.
(Beyde sehen sich einige Augenblicke mit komi-tragischen Geberden an.)
Sel. Mein Herr von Hurlebusch
Fritz. Mein Herr von Selicour
Sel. Das war ein verdammter Streich!
Fritz. Sie schlug zu, wie ein Korporal.
Sel. Wo stacken Sie denn?
Fritz. Hinter dem Sofa.
Sel. Sind Sie Doris nicht gewahr worden?
Fritz. O ja.
Sel. Warum avertirten Sie mich denn nicht?
Fritz. Ich wollte nicht so unhöflich seyn, Sie zu unterbrechen.
Sel. (springt auf) Hol Sie der Teufel!
Fritz. (springt auch auf) Lieber der, als Dame Honesta.
Sel. Nun wird gemault werden drey Tage lang.
Fritz. Was machen Sie sich daraus? Sie entführen Babet und spotten der Verlassenen im Arm der Liebe.
Sel. Ja, wenn sie mich liebte!
Fritz. Ist Ihnen das noch immer zweifelhaft?
Sel. Sie war so schnippisch.
Fritz. Um die holde Schaam zu verbergen. Haben Sie nicht bemerkt, wie wohl es ihr that, als Sie Doris Schönheit verkleinerten?
Sel. Dergleichen hört jedes Frauenzimmer gern.
Fritz. Aber Babets schüchterne Blicke, der affectirte Scherz, das jungfräuliche Sträuben kurz, mein Herr, halten Sie nur um Mitternacht Ihre Postschäse bereit, und lassen Sie mich für das übrige sorgen.
Sel. Topp! ich bestehe das Abentheuer. Zwar, es steigt ein Gewitter herauf
Fritz. Um desto romantischer. Und bedenken Sie nur, welch' ein Gewitter sich hier im Hause über Ihrem Kopfe zusammen zieht.
Sel. Sie haben Recht. Ich eile nach dem Posthause. Courierpferde für mich, und ein leichter Phaeton für meine Göttin. (ab)
Fritz. (allein) Wart! ich will dir eine Göttin hineinpacken, die dir zu schaffen machen soll. Aber wen? Doris? oder die Tante? oder wohl gar Frau Krick, unsere alte Haushälterin? Gleich viel! wen der Zufall mir in den Wurf führt.
Frau v. Langsalm. Fritz.
Fr. v. Langs. (mit einem schwarzen Spitzenschleyer) Nun Vetter, da hab' ich etwas für dich gekauft.
Fritz. Einen Schleyer? wollen Sie mich zur Nonne machen?
Fr. v. Langs. Narr, du sollst ihn deiner Braut schenken.
Fritz. Meiner Braut? herzlich gern.
Fr. v. Langs. Auf diese Art wirst du deine Blödigkeit am leichtesten überwinden. Ein so kostbares Geschenk wird dir den Weg zu Doris Herzen bahnen.
Fritz. Wird schon gebahnt seyn.
Fr. v. Langs. Meinest du Schelm? nun so rufe sie heraus, und erkläre dich in meiner Gegenwart.
Fritz. In Ihrer Gegenwart? nein, liebe Tante, das kann ich nicht. Eine Liebeserklärung darf nur unter vier Augen geschehn.
Fr. v. Langs. Nun so geh hinein. Aber horchen darf ich doch an der Thür?
Fritz. Ja das wohl aber
Fr. v. Langs. Noch ein Aber?
Fritz. Babet ist bey ihr.
Fr. v. Langs. Schick sie fort. Weißt du was? meine Meerkatze ist in den Garten gesprungen! es kömmt ein Gewitter, das arme Thier möchte naß werden; sage Babet, sie soll gleich hinunter in den Garten, die Meerkatze zu fangen; ich hab' es befohlen. Unterdessen hast du Zeit, deine Worte anzubringen.
Fritz. Sehr wohl. Ich werde Babet die Hintertreppe hinabschicken, damit sie gar nichts merkt.
Fr. v. Langs. Recht so, recht so. (Fritz geht in Doris Zimmer.)
Fr. v. Langs. (allein) Endlich steh ich am Ziel meiner Wünsche! Er ist freylich noch ein junger Bär, aber sie wird ihn noch dressiren. Meine mütterlichen Lehren und das Stadtleben waren nicht fruchtlos.
Fritz. (kömmt) Sie ist fort.
Fr. v. Langs. So bewaffne dich mir dem Schleyer; fasse Muth! geh hinein als mein lieber Vetter, kehre zurück als mein lieber Sohn.
Fritz. (nimmt den Schleyer) Jetzt hab' ich Courage. Bleiben Sie nur ganz nahe an der Thür; Sie sollen selbst hören, wie ich meine Empfindungen ausdrücken werde. (ab in Doris Zimmer)
Fr. v. Langs. (öffnet eilig ihres Mannes Zimmer) Herr Gemahl! kommen Sie heraus!
Langs. (inwendig) Schon wieder?
Fr. v. Langs. Geschwind! geschwind!
Herr v. Langsalm. Frau v. Langsalm.
Langs. Mein Schatz, Sie wissen, daß ich kein Liebhaber von Geschwind bin, und daß mir auf der Welt Niemand fataler ist, als ein Courier oder ein Laufer.
Fr. v. Langs. Stille! wir wollen zuhören, wie Vetter Hurlebusch sich gegen Doris erklärt.
Langs. Zuhören? wohl, wohl. Das ist eine meiner angenehmsten Beschäftigungen.
Fr. v. Langs. Wir wollen uns dabey unsers eignen Brautstandes erinnern.
Langs. Ach ja! kann ich auch dabey sitzen?
Fr. v. Langs. Warum nicht? wir wollen uns recht zärtlich neben einander setzen.
Langs. Recht zärtlich, ach ja! (sie setzen sich neben Doris Thür.)
Fr. v. Langs. (die zunächst sitzt und horcht) Ich höre seufzen.
Langs. So?
Fr. v. Langs. Erinnern Sie sich noch, wie auch Sie seufzten?
Langs. O ja, ich seufze noch immer!
Fr. v. Langs. (horchend) Stille! jetzt werden die Seufzer laut.
Fritz. (inwendig) Liebe gute Cousine! ich komme mit ausdrücklicher Bewilligung meiner Tante.
Fr. v. Langs. Der gute Junge! welchen Respect er für mich hat.
Langs. Das ganze Haus hat Respect für Sie.
Fritz. (inwendig) Schon längst liebt' ich Sie im Stillen.
Fr. v. Langs. Grade so sprachen Sie auch zu mir.
Langs. That ich das? ey! ey!
Fritz. Entscheiden Sie über das Glück meines Lebens.
Fr. v. Langs. Als ob ich Sie hörte, mein theurer Gemahl.
Langs. Ja ja, ich war damals ein großer Schmeichler.
Fritz. Ich weiß, daß nicht mein Reichthum Sie bestimmen wird, sondern mein redliches Herz.
Fr. v. Langs. Ich bin doch begierig, Doris Antwort zu vernehmen.
Langs. I nun, sie wird antworten wie gewöhnlich. Die alte Leyer.
Fr. v. Langs. Pfuy Herr Gemahl! wer wird die Liebe mit einer alten Leyer vergleichen.
Langs. Sie ist es ja doch, mein Schatz, und zwar die älteste, die ich kenne.
Fr. v. Langs. Stille! Doris spricht aber so leise, daß man sie nicht verstehen kann.
Fritz. O Sie machen mich unaussprechlich glücklich!
Langs. Nun da haben wir's! sie hat ja gesagt.
Fritz. Meine Geliebte! meine Braut!
Fr. v. Langs. Welches Entzücken! ich bin ganz gerührt.
Langs. (gähnend) Ich auch.
Fritz. Lassen Sie mich den heißen Kuß der Ersten Liebe auf Ihre Hand, auf Ihre Lippen drücken.
Fr. v. Langs. Ach mein Schatz! Umarmen Sie mich!
Langs. Wie so, mein Schatz?
Fr. v. Langs. Um die Erinnerung an unsere Erste Liebe zu feyern.
Langs. Sehr wohl mein Schatz. (sie umarmen sich) Ich war ja aber nicht Ihre erste Liebe.
Fr. v. Langs. Gleich viel, so sind Sie doch meine Letzte.
Fritz. Empfangen Sie, theures Mädchen, diesen Spitzenschleyer, der weder Ihre Reize noch Ihre Tugend verhüllen wird.
Fr. v. Langs. Wie galant!
Langs. Das steckt im Blute.
Fr. v. Langs. So etwas Schönes haben Sie mir nie gesagt.
Langs. Ich denke mehr, als ich sage.
Fritz. O sträuben Sie sich nicht länger, ihn anzunehmen.
Fr. v. Langs. Das pfiffige Mädchen sträubt sich auch noch.
Fritz. Nein, er ist nicht zu kostbar für Sie.
Fr. v. Langs. Ich muß ihm nur zu Hülfe kommen. (indem sie in das Zimmer geht) Genug Kinder! ihr seyd für einander geschaffen. Kommt heraus, zu den Füßen Eures Vaters, in die Arme Eurer Mutter!
Fritz. Babet verschleyert. Die Vorigen.
Fr. v. Langs. (zieht Fritz und Babet aus der Thür. In diesem Augenblick donnert es) Hört! es donnert. Der Himmel selbst billigt Eure Vereinigung. Munter Herr Gemahl! segnen Sie das junge Brautpaar. (Fritz und Babet knieen vor seinen Stuhl.)
Langs. Von Herzen gern!
Fr. v. Langs. Empfangt auch meinen mütterlichen Segen! (es donnert wieder) Und möget ihr nie in Eurem Ehestande ein anderes Gewitter erleben, als dieses, welches eben so à propos meinem Worte mit der gehörigen Feyerlichkeit accompagnirt.
Langs. Fiat!
Doris athemlos durch die Mittelthür. Die Vorigen.
Dor. Nun Mama? was soll denn das vorstellen
Fr. v. Langs. Doris!? (sie schreyt laut) Ach! Betrug!
Bab. Ich bin unschuldig! (sie springt auf und läuft zurück in das Zimmer)
Langs. Doris in duplo.
Dor. Ein Gewitter kömmt; es regnet schon, und ich muß die Meerkatze haschen.
Fr. v. Langs. Ich bin versteinert!
Langs. Meinen Segen hat er weg.
Dor. Was heißt denn das Alles?
Fr. v. Langs. Verdammter Vetter! das ist wieder einer von deinen Spitzbubenstreichen.
Fritz. Gnädige Tante, Sie haben mich gesegnet.
Fr. v. Langs. Meinest du, ich werde so albern seyn, Babet den Spitzenschleyer zu lassen?
Dor. Was? Babet einen Spitzenschleyer?
Fritz. Nehmen Sie den Schleyer zurück, und geben Sie mir Babet.
Fr. v. Langs. Hier steht deine Braut! und die Betteldirne soll ihre Unverschämtheit büßen. (sie folgt Babet.)
Fritz. Hu! hu! das Gewitter schlägt ein! ich muß nur geschwind einen Ableiter aufstellen. (er folgt der Tante.)
Dor. Was ist das, Papa? ich verstehe kein Wort von der ganzen Geschichte.
Langs. Ich auch nicht, mein Kind.
Dor. Aber ich will es wissen! ich muß es wissen! Gehn Sie indessen hinunter in den Garten und haschen die Meerkatze; sie sitzt auf dem großen Birnbaum. (sie folgt den übrigen.)
Langs. (allein) Je warum nicht gar! Du selber eine Meerkatze. Und wenn ihr Alle zusammen auf dem großen Birnbaum säßet, so rühre ich mich nicht von der Stelle. (es donnert von Zeit zu Zeit) Es donnert recht artig und der Regen klatscht an die Fenster dabey schlummert es sich so süß (er nickt) Ja wenn der Schlaf nicht wäre eine herrliche Erfindung ich wette, sie kömmt von einem geplagten Ehemanne (er schläft ein. Die Gardine bleibt offen. Das Gewitter dauert fort, und wird heftig. Bey jedem starken Schlage fährt Langsalm ein wenig auf, nickt aber gleich wieder ein.)
Ende des zweyten Akts.
(Das Orchester spielt eine passende Symphonie.)