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Langsalm schlafend. Fr. v. Langsalm schiebt Fritz aus Doris Thür.
Fr. v. Langs. Hinaus, junger Herr! er hat hier nichts zu suchen.
Fritz. Ich suche auch nicht, ich habe bereits gefunden.
Fr. v. Langs. Was gefunden?
Fritz. Ein Mädchen, das ich liebe, ein Mädchen, daß mich wieder liebt.
Fr. v. Langs. Possen! mit seinem Gelde wird er deren überall finden.
Fritz. Pfuy, liebe Tante, wird denn die Liebe Ellenweis verkauft? oder Pfundweis?
Fr. v. Langs. Merk' er sich die Lehre aus dem Schatzkästlein der Erfahrung: dem Menschen ist Alles feil.
Fritz. Ey warum nicht gar!
Fr. v. Langs. Interesse ist das große Rad in der Weltmaschine.
Fritz. Wenn auch; muß denn das Rad eben aus Gold bestehn?
Fr. v. Langs. Gold repräsentirt Alles.
Fritz. Auch Tugend und Liebe?
Fr. v. Langs. Alles! Alles! und wenn du glaubst, daß Babet dich liebe, so was du Lieben nennest, so bist du ein eitler Thor! Heirathen will sie dich, und weiter nichts.
Fritz. Sehr wohl, ich will vor der Hand auch weiter nichts.
Fr. v. Langs. Sie ist blutarm.
Fritz. Sie hat die schönsten rothen Backen.
Fr. v. Langs. Du weißt doch, daß ich sie um Gotteswillen erzogen habe?
Fritz. O ja, Sie werfen es ihr ja täglich vor.
Fr. v. Langs. Ihr Vater, der Esel, war ein Herr Lieutenant von Habnichts. Er heirathete ein Fräulein von Habnichts, zog in den Krieg, ließ Mutter und Kind mir auf dem Halse
Fritz. Der Mutter haben Sie großmüthig ein Plätzchen in Ihrem Erbbegräbniß eingeräumt.
Fr. v. Langs. Nun sind es 17 Jahr, daß er sich in der Welt herumtreibt. Major ist er geworden ja du lieber Gott! Die Ehre ist ein köstlich Ding, nur zum Essen taugt sie nicht.
Fritz. Zuweilen vergißt man Essen und Trinken darüber.
Fr. v. Langs. Kurz Vetter, aus deinem Roman wird nichts. Babet schicke ich morgen mit dem Frühsten an einen Ort, wo ihr die Liebesgrillen schon vergehn werden; und du bist entweder noch diesen Abend Doris verlobter Bräutigam, oder das Testament deines Vaters du verstehst mich. (sie will gehn.)
Fritz. Nur noch ein Wörtchen, liebe Tante! Sie wollen Babet von hier wegbringen?
Fr. v. Langs. Das will ich.
Fritz. Wohin?
Fr. v. Langs. Ey ja doch, daß ich eine Närrin wäre, dich zum Vertrauten zu machen. Der irrende Ritter möchte wohl hinterher gallopiren? Nein, nein, zu Doris Füßen ist dein Platz. Babet siehst du nie wieder. (ab.)
Fritz. Langsalm schlafend.
Fritz. So? meinen Sie? das ist, so Gott will, eine Rechnung ohne Wirth. Also morgen schon? morgen mit dem Frühsten? Da hätten wir keine Zeit zu verlieren. Was ist da viel zu besinnen? ich laufe mit Babet davon, und das noch diesen Abend. Wenn sie nur einwilligt wenn ich nur eine Minute finde, ihr Liebe und Gefahr ans Herz zu legen. Was hindert mich gleich auf der Stelle der Oncle da? den wollen wir bald auf die Seite schaffen. (Er rüttelt ihn) Oheim! bester Oheim!
Langs. Nun? was giebts?
Fritz. Das Gewitter hat eingeschlagen.
Langs. So?
Fritz. Hier im Hause.
Langs. Hat der Blitz meine Frau getroffen?
Fritz. Nein, aber das ganze Haus steht in Flammen.
Langs. In Flammen? da müssen wir wohl heraus gehn?
Fritz. Die Treppe brennt schon.
Langs. Du lieber Gott! wie retten wir denn das bischen Leben?
Fritz. Zum Fenster hinaus?
Langs. Ich zum Fenster hinaus?
Fritz. Es ist die höchste Zeit. Riechen Sie nicht den Rauch schon?
Langs. Ja ja, ich rieche den Rauch.
Fritz. Drum schnell! schnell!
Langs. Ich breche ja den Hals.
Fritz. Nicht doch. Hier in den Garten. Die Terrasse ist hoch, die Orangenkübel unter den Fenstern, die können Sie mit den Füßen erreichen.
Langs. Aber wenn ich mit meiner Last die jungen Orangenbäume zerknicke?
Fritz.
Fritz. Immerhin! die Tante wird doch lieber ihren Gemahl retten, als ihre Orangenbäume?
Langs. Höre Vetter, das ist noch die Frage.
Fritz. Nun so verbrennen Sie! ich eile
Langs. Nein nein, ich will nicht verbrennen, zum Henker auch! verbrennen will ich nicht! Hilf mir nur hinaus.
Fritz. Von Herzen gern. Steigen Sie hier auf diesen Stuhl.
Langs. (gehorcht) Steigen! ach! ich muß springen!
Fritz. Merken Sie nichts? der Rauch wird immer stärker.
Langs. Ja ja, er beißt mir schon in die Augen.
Fritz. Stecken Sie das rechte Bein zum Fenster hinaus so nun das linke und klammern Sie sich mit beyden Händen an die Fensterrahmen, und lassen sich sachte hinab.
Langs. (schon halb draußen) Wo bleibst du denn, Vetter?
Fritz. Ich rette hier noch, was ich kann. Jetzt nur losgelassen.
Langs. Soll ich?
Fritz. Ja ja! die Flamme schlägt schon zur Thür hinein.
Langs. Nun in Gottes Namen! (man hört ihn fallen)
Fritz. (nachsehend) Plump! das kostet ein halbes Dutzend junge Bäume. Der ist expedirt. Durchs Fenster kömmt er nicht wieder herein, und ehe er bis zur Hausthür fortwatschelt, habe ich bereits den Vorsprung. (er will zu Babet)
Fr. v. Langsalm durch die Mittelthür. Fritz.
Fr. v. Langs. Wohin, Vetter?
Fritz. (bey Seite) Verdammt! (laut) Ach liebe Tante! ich suche Hülfe! Hülfe!
Fr. v. Langs. Hülfe? was ist geschehn?
Fritz. Der Oheim hat den Verstand verloren.
Fr. v. Langs. Mein Mann? wie so?
Fritz. Denken Sie nur, er will mit mir um die Wette voltigiren.
Fr. v. Langs. Mein Mann? voltigiren?
Fritz. Ja, und da ich ihm sein Alter, seine Schwerfälligkeit zu Gemüthe führe, lacht er mich aus, nennt mich einen furchtsamen Hasen, und um mir zu beweisen, daß es ihm Ernst sey, springt er mir nichts dir nichts da zum Fenster hinaus.
Fr. v. Langs. Bist du toll? er und springen!
Fritz. Wenn Sie mir nicht glauben, so sehen Sie nur selbst. Dort hinkt er die Allee hinab, und Ihre Orangenbäume sind alle zerknickt.
Fr. v. Langs. (sieht hinaus) Was? meine Orangenbäume? Herr von Langsalm! Herr Timotheus Sebastian von Langsalm! er hört und sieht nicht. Ach du mein Himmel! war denn der Mann nicht schon arm genug an Geist! mußte er auch das Wenige noch verlieren! (sie läuft fort.)
Fritz. Die wär' ich auch los. Aber sie läuft schnell wie eine Spinne; ich darf keine Zeit verlieren. (er will zu Babet)
Selicour. Fritz.
Sel. St! Herr von Hurlebusch!
Fritz. (bey Seite) Muß der Teufel den noch herführen! (laut) Was beliebt?
Sel. Die Postpferde sind bestellt.
Fritz. Das ist mir lieb. (bey Seite) Ich kann sie brauchen.
Sel. Mein Lafleur hat den Postillion bestochen.
Fritz. Waren Sie nicht selbst auf dem Posthause?
Sel. Nein. Wozu?
Fritz. Um Ihrer Sache ganz gewiß zu seyn.
Sel. Mein Lafleur ist der pfiffigste Kerl von der Welt.
Fritz. Es wäre aber doch besser, Sie gingen selbst. In der That, lieber Herr Baron, gehn Sie, gehn Sie, thun Sie mir den Gefallen, jetzt gleich auf der Stelle.
Sel. Ich sage Ihnen, es ist nicht vonnöthen, mein Lafleur ist ein abgefeimter Spitzbube.
Fritz. (bey Seite) Nun so wollt' ich, du säßest in dem großen Loche, das Maupertuis einst graben wollte.
Sel. Besser wär' es, ich versicherte mich von den Gesinnungen Ihrer reizenden Cousine.
Fritz. Ja ja da haben Sie Recht. Wissen Sie was? jetzt ist der schönste Augenblick, sie allein zu sprechen.
Sel. Wo? wo?
Fritz. Das arme Mädchen! Sie wissen, wie unwürdig Sie hier im Hause behandelt wird?
Sel. Eben deswegen, ich will sie retten.
Fritz. Aber das haben Sie vielleicht noch nicht bemerkt, daß sie sogar jeden Abend wie die gemeinste Kuhmagd die Kühe melken muß?
Sel. Wär' es möglich! Quelle horreur!
Fritz. Jetzt eben ist sie unten im Kuhstalle, da bleibt sie wenigstens noch eine Viertelstunde. Eilen Sie, eilen Sie!
Sel. In den Kuhstall?
Fritz. Nun freylich, das giebt ein hervorragendes Rendezvous. Wenn Sie dort von Ihrer Liebe sprechen, und die Kühe so ihr Bäh dazwischen brüllten, das ist neu, das ist originell.
Sel. Das wohl, aber
Fritz. Nur nicht lange besonnen, der Augenblick entschlüpft.
Sel. Wo ist denn der Kuhstall?
Fritz. Dicht neben dem Taubenschlag. Sie können gar nicht fehlen.
Sel. Aber es regnet stark?
Fritz. Fürchten Sie etwa, daß ein Platzregen Ihre Liebesflammen auslöschen werde?
Sel. Das nicht, aber mein Frack, meine Locken
Fritz. Geschwind! da nehmen Sie meines Oheims Redingotte. (er holt ihm einen großen Mantel, der im Hintergrunde auf einem Stuhle hängt) Da ist auch sein Gartenhut mit Wachstaffent überzogen. (er drückt ihm den Hut auf den Kopf, daß der Puder umherstäubt.)
Sel. O weh!
Fritz. Was o weh? jetzt sehn Sie recht aus, wie ein Bandit. Nun fort! fort! (er schiebt ihn nach der Thür.)
Sel. Aber es wird schon dunkel
Fritz. Desto besser! Amors Fackel leuchtet auch im Kuhstall. (er schiebt ihn vollends hinaus.) So, der Narr ist auch April geschickt. Nun ist die Luft rein. Wenn nicht etwa die saubere Doris wieder die Hintertreppe heraufschlich. (er guckt durch das Schlüsselloch) Nein. Babet ist ganz allein. Das gute Kind! hat das Köpfchen in die Hand gestützt. Hier an meinen Busen soll sie sich lehnen. Frisch gewagt! (er will hinein.)
Doris durch die Mittelthür. Fritz.
Dor. Vetter Hurlebusch!
Fritz (prallt zurück) Hat sich denn die Hölle gegen mich verschworen!
Dor. Vermuthlich suchen Sie mich?
Fritz. Allerdings, wen sonst?
Dor. Um Ihre Sottisen wieder gut zu machen?
Fritz. Um Verzeihung, schöne Cousine, wenn ich dumme Streiche mache, wer ist schuld daran?
Dor. Ihre Thorheit.
Fritz. Nein, Ihre eigene Weisheit.
Dor. Die Meinige? wie so?
Fritz. Wer hat uns den Laffen aus der Stadt gebracht? wer hat mir sein Beyspiel empfohlen, um mich darnach zu bilden?
Dor. Ich! und wollte der Himmel, Sie befolgten meinen Rath.
Fritz. So? allerliebst. Ein Mensch, der sich nicht einmal schämt, unserer Viehmagd die Cour zu machen
Dor. Was?!
Fritz. Ihr bis in den Kuhstall nachzuschleichen
Dor. Sind Sie rasend?
Fritz. Des Abends in der Dämmerung, vermummt wie ein Nachtwächter.
Dor. Vetter, ich hielt Sie bloß für einen Narren, jetzt hör' ich, daß Sie auch ein Verleumder sind.
Fritz. Danke für den Narren; den Verleumder kann ich aber nicht acceptiren, denn was ich sage, ist wahr.
Dor. Sie sollen wissen, mein sauberer junger Herr, daß ein feiner Weltmann, den ich meiner Gesellschaft, meines Wohlwollens würdige, sich nie so weit vergessen kann.
Fritz. Mich soll aber der Teufel holen, wenn er nicht eben in des Oheims Redingotte in den Kuhstall gewandert ist.
Dor. Nein, ich kann es nicht glauben.
Fritz. Hören Sie, wenn es nicht wahr ist, so will ich noch diesen Abend die alte Frau Krick heirathen. Nun werden Sie mir doch glauben?
Dor. Beweise! Beweise!
Fritz. Zu dienen, zu dienen. Gehn Sie nur selbst in den Kuhstall, Sie treffen ihn noch.
Dor. Ja wahrlich! wenn es nicht so stark regnete, ich würde gehn, um Ihr Lästermaul zu Schanden zu machen.
Fritz. Da da ist des Oheims Regenschirm. (er spannt ihn aus)
Dor. Her damit! aber wenn Sie gelogen haben
Fritz. Aber wenn ich Recht habe?
Dor. Dann verbann' ich den undelicaten Verräther auf ewig aus meinem Angesicht! (ab.)
Fritz. Ha! ha! ha! Dem süßen Herrn hab' ich eine Suppe eingebrockt. Mögen sie sehn, wie sie miteinander fertig werden. Ich muß eilen, die Früchte meiner Schelmerey zu sammeln. (er schlüpft zu Babet.)
Frau v. Langsalm. Herr. v. Langsalm hinkend und naß.
Fr. v. Langs. Aber sagen Sie mir nur, Herr Gemahl, ob Sie Ihre paar Sinne ganz verloren haben?
Langs. Es wäre kein Wunder, mein Schatz, nach einem solchen Schrecken.
Fr. v. Langs. Welcher Satan hat Sie denn zum Fenster hinaus getrieben?
Langs. Ich mußte ja wohl, wenn ich nicht verbrennen wollte.
Fr. v. Langs. Wo brennt es denn?
Langs. Hier im Hause.
Langs. In Ihrem Kopfe.
Langs. Hat denn nicht der Blitz eingeschlagen?
Fr. v. Langs. In Ihren Kopf hat er geschlagen!
Langs. Nicht doch, mein Engel
Fr. v. Langs. Ja doch, mein Satan! Sehn Sie doch nur zum Fenster hinaus, wie Sie meine liebsten Orangenbäume zerquetscht haben.
Langs. Das hat vermuthlich der Blitz gethan. Haben Sie doch nur Erbarmen! ich bin naß, wie eine blinde junge Katze, die man in den Teich wirft.
Fr. v. Langs. Wer hat es Ihnen geheißen?
Langs. Vetter Hurlebusch.
Fr. v. Langs. Wie?
Langs. Ich hatte mich hier ein wenig zur Ruhe verfügt, da packt' er mich an wie ein Karrenschieber; schreyt, das Haus stehe in Flammen, läßt mich sogar den Rauch riechen, sagt, die Treppe brenne schon, trägt mir einen Stuhl vor das Fenster, und wälzt mich hinaus auf die Terrasse.
Fr. v. Langs. Der Bösewicht! und mir sagt er, Sie hätten mit ihm um die Wette voltigiren wollen.
Langs. Ich voltigiren! mein Schatz, wo denken Sie hin!
Fr. v. Langs. Der Spitzbube! wo ist er? wo steckt er?
Doris. Selicour. Die Vorigen.
Dor. Lassen Sie mich! Sie sind ein abscheulicher Mensch!
Sel. Aber hören Sie mich doch nur an
Langs. Was ist das für eine Mummerey?
Fr. v. Langs. Habt ihr eine Promenade im Platzregen gemacht?
Dor. Eine schöne Promenade! Dieser Herr läuft unsern Viehmägden bis in den Kuhstall nach.
Fr. v. Langs. Wie? ich will nicht hoffen
Sel. Bewahre der Himmel!
Dor. Ich selbst hab' ihn ertappt.
Fr. v. Langs. Schämen Sie sich, Herr von Selicour.
Dor. Ja, wenn er sich noch schämen könnte.
Sel. Erlauben Sie nur
Langs. Und ich glaube gar, er hat meinen Redingotte angezogen?
Fr. v. Langs. In meinem Hause muß man den Wohlstand beobachten.
Dor. Man muß sich nicht zum Gespött der Domestiken machen.
Langs. Und meinen Hut hat er auch aufgesetzt.
Sel. Aber ich bitte Sie
Fr. v. Langs. Ein solcher Unfug ist in meinem Hause unerhört!
Dor. Mir wird man vorwerfen, daß ich Sie hier eingeführt habe.
Langs. Und vielleicht hat man ihn gar für mich angesehn.
Sel. Aber lassen Sie mich doch nur zum Worte kommen. Der junge Hurlebusch ist Schuld an Allem.
Fr. v. Langs. Mein Neveu?
Dor. Mein Vetter?
Langs. Schon wieder?
Sel. Er sagte mir, Fräulein Doris sey hinunter gegangen, um um
Dor. Doch wohl nicht, um die Kühe zu melken?
Sel. Das nicht, aber um frische Luft zu schöpfen
Dor. Im Kuhstalle? ich bin nicht schwindsüchtig.
Sel. Kurz, auf Kavaliers Parole, er sandte mich hinunter, zog mir selbst den Redingotte an, setzte mir den Hut auf den Kopf und da ich das gnädige Fräulein so lange nicht gesehn hatte und da ich sie dort zu finden hoffte und da man gern glaubt, was man wünscht.
Fr. v. Langs. Dahinter steckt etwas.
Langs. Hat er Ihnen nichts von dem großen Brande erzählt?
Dor. Am Ende ist es doch wohl ein Schelmenstreich von dem saubern Vetter. Mich hat er auch überredet.
Fr. v. Langs. Es scheint beynahe, er hat uns Alle los seyn wollen. Was gilt die Wette, ich finde ihn. (sie öffnet die Thür) Richtig, da sitzt er. (sie geht hinein und spricht inwendig) Komm er doch einmal heraus, mein scharmanter Herr Vetter. (sie führt Fritz bey einem Ohre heraus)
Fritz. Die Vorigen.
Fr. v. Langs. (ihn noch immer haltend) Er untersteht sich, mit Leuten Spaß zu treiben, denen er Ehrfurcht schuldig ist?
Dor. (die ihn beym andern Ohrzipfel ergreift, so oft Frau von Langsalm ihn los läßt) Meinen Sie, Vetter, man dürfe sich mit Damen solche Studentenstreiche erlauben?
Fr. v. Langs. Mir ein X für ein U zu machen (zieht ihn herüber)
Dor. (zieht ihn hinüber) Mich im Platzregen in April zu schicken
Fr. v. Langs. Mich gegen meinen geliebten Gemahl aufzuhetzen (zieht ihn herüber)
Dor. (zieht ihn hinüber) Mir Mißtrauen gegen die guten Sitten unsers Gastes einzuflößen
Fritz. (sich mit beyden Händen die Ohren haltend) Um Vergebung, meine Damen, wie lang befehlen Sie meine Ohren?
Langs. Nein, Vetter, das ist zu arg
Sel. Es grenzt an Ungezogenheit.
Fritz. Wie ich merke, herrscht hier eine vollkommene Uebereinstimmung der Gesinnungen, und dies Wunder habe ich bewirkt.
Langs. ^Warum sagst du mir denn, das Haus brenne?
Fritz. Brennt es nicht? Gott sey Dank!
Fr. v. Langs. Warum machst Du mir weiß, mein Gemahl habe dir das Voltigiren proponirt?
Fritz. Will er nicht voltigiren? nun, ich glaube, daran thut er sehr wohl.
Sel. Warum sagen Sie mir, ich würde das Fräulein im Kuhstall finden?
Fritz. War sie nicht dort? das thut mir leid.
Dor. Warum überreden Sie mich, Herr von Selicour schleiche unsern Viehmägden nach?
Fritz. That er das nicht? (galant) Dann trägt er vermuthlich andre Fesseln.
Dor. Sie sind ein abgeschmackter Mensch, dem man gar nicht die Ehre anthun muß, sich über ihn zu ärgern. (ab durch die Mittelthür)
Fritz. Gehorsamer Diener!
Fr. v. Langs. Ein muthwilliger Bube, der der Ruthe zu früh entsprang, und der ganz verloren ist, wenn ihm eine vernünftige Frau nicht bald den Kopf zurecht setzt. (sie folgt Doris)
Fritz. Gehorsamer Knecht.
Sel. Ein Unbesonnener, den ich züchtigen würde, wenn nicht das Recht der Gastfreundschaft mich zurück hielte. (er folgt den übrigen)
Fritz. Gehorsamer Diener.
Langs. Ja, ja, Vetter, du bist ein Sausewind, dem ich einen langen Sermon zu halten mich genöthigt sehe
Fritz. O weh!
Langs. So bald ich erst ein wenig werde geschlummert haben. (Er watschelt in sein Zimmer)
Fritz. Gehorsamer Knecht.
Fritz allein.
(er schüttelt sich) So. Das wäre Alles wieder abgeschüttelt. Aber daß Babet sich von mir nicht will entführen lassen daß sie mir Dankbarkeit, Wohlstand, Sittsamkeit entgegen setzt und daß sie lieber der Tante zum Klosteraltar, als mir zum Traualtar folgen will im Grunde ist das freylich honnett von ihr, sehr honnett aber ärgerlich verdammt ärgerlich!
Major Langsalm. Fritz.
(Während dieses Akts ist es Abend geworden.)
Major. Donner und Wetter! das regnet wie bey der Sündfluth, und ist finster wie 3Tage vor der Schöpfung. Um Vergebung. Ich bin ein Reisender. Nacht und Ungewitter haben mich herein getrieben. Ich glaube mich verirrt zu haben, und finde Niemand, der mich zurecht weist.
Fritz. Seyn Sie willkommen, mein Herr. Wo gedenken Sie hin?
Major. Nach dem Gute eines gewissen Herrn von Langsalm.
Fritz. So so.
Major. Bin ich noch weit davon?
Fritz. Nein, gar nicht weit mehr. Darf man fragen, was Sie dort für Geschäfte haben?
Major. Donner und Wetter! ich habe dort eine Tochter, die ich in der Wiege verließ, und nun seit 16Jahren nicht gesehen habe.
Fritz. Sie sind doch wohl nicht gar der Herr Major von Langsalm?
Major. Der bin ich.
Fritz. Vortrefflich. Ich habe die Ehre, Ihre Fräulein Tochter zu kennen.
Major. (mit vielem Interesse) Wirklich?
Fritz. Sie ist ein allerliebstes Mädchen, schön, sittsam, bescheiden.
Major. Bey meiner armen Seele! das ist mir lieb zu hören.
Fritz. Auch finden Sie dort noch einen Neffen, einen gewissen jungen Hurlebusch, der munterste, artigste Mensch von der Welt.
Major. Man hat ihn mir als einen muthwilligen Patron geschildert.
Fritz. Verleumdung.
Major. Einen Taugenichts.
Fritz. Boshafte Verleumdung.
Major. Das freut mich. Aber wo bin ich denn eigentlich?
Fritz. Sie sind auf einem Landgute welches nur eine halbe Stunde von Langsalm entfernt ist.
Major. Und der Besitzer?
Fritz. Ein Herr von Schmeerbauch. Sie werden die Familie schon kennen?
Major. Nein, sie ist mir völlig unbekannt.
Fritz. O die Familie der Schmeerbäuche ist sehr groß und sehr ansehnlich.
Major. Ich zweifle nicht. Vermuthlich sind Sie der Sohn vom Hause?
Fritz. Aufzuwarten.
Major. Potz Element, junger Herr von Schmeerbauch, Sie können mir einen großen Dienst erweisen.
Fritz. Mit Vergnügen.
Major. Mein Pferd will nicht mehr von der Stelle. Haben Sie nicht irgend einen Klepper im Stalle, der einen alten Kriegsmann noch heute Abend bis hinüber nach Langsalm tragen könnte?
Fritz. Für heute möchte das unmöglich seyn.
Major. Warum?
Fritz. Unser Kutscher macht gerade Hochzeit.
Major. Da will ich ihn nicht stören. Aber der Stallknecht
Fritz. Der hat ein Bein gebrochen.
Major. Donner und Wetter! Das hat er sehr dumm gemacht. Ja, wenn es sich so verhält, so muß ich schon um Nachtquartier bitten.
Fritz. Sie werden meinen Eltern sehr willkommen seyn, und ich eile, sie herbey zu rufen. Doch muß ich Sie vorher von einem Umstand unterrichten: Mein Vater und der Herr von Langsalm, Ihr Bruder, sind seit Jahr und Tag geschworne Feinde.
Major. Warum das?
Fritz. Kleinigkeit. Beyde waren in der Stadt auf einem Balle, wo sich auch eine gewisse schöne Gräfin Turteltack befand. Ihr Herr Bruder und mein Vater stritten beyde um den Vortanz mit dieser schönen Dame. Sie gab dem Herrn von Langsalm den Vorzug, mein Vater war außer sich, und daher ist ein heftiger Groll entstanden, den beyde wohl mit ins Grab nehmen werden.
Major. Donner und Wetter! Mein Bruder ist ein Narr. Auch hab' ich nie gehört, daß er ein so großer Liebhaber vom Vortanzen wäre.
Fritz. Grade wie mein Vater.
Major. Er soll ja sehr dick geworden seyn.
Fritz. Grade wie mein Vater.
Major. Blitz und Knall! dann sollten sie beyde das Tanzen fein bleiben lassen.
Fritz. Die schöne Gräfin Turteltack war allein Schuld.
Major. Turteltack! eine kuriose Familie.
Fritz. Es geht so weit, Herr Major, daß mein Vater bey dem bloßen Namen Langsalm in Wuth geräth.
Major. Donner und Wetter! es ist doch ein ehrlicher Name.
Fritz. Sie glauben nicht, wie viel ich bey dieser Schwachheit meines Vaters leide. Aber ich bin ihm Ehrfurcht schuldig.
Major. Recht, junger Herr.
Fritz. Und deshalb wage ich, mir die Erlaubniß von Ihnen zu erbitten, Sie meinen Eltern vor der Hand unter einem andern Namen vorzustellen, damit das Recht der Gastfreyheit nicht verletzt werde.
Major. Potz Element! Herr von Schmeerbauch, das ist eine wunderliche Zumuthung. Ich habe noch nie meinen ehrlichen Namen verleugnet.
Fritz. Nur für diesen Abend, um Unheil zu verhüten. Morgen früh habe ich die Ehre, Sie selbst nach Langsalm zu begleiten. Jetzt hole ich meine Eltern. Doch um Sie nicht allein hier zu lassen, werde ich Ihnen unterdessen meine Schwester vorstellen. Sie heißt auch Babet, wie Ihre Tochter. (für sich, indem er nach Babets Zimmer geht) Eine gute Gelegenheit, mich an der kleinen Spröden ein wenig zu rächen. (er öffnet die Thür) Babet! liebe Babet! auf einen Augenblick.
Babet. Die Vorigen.
Fritz. Wir haben einen Gast bekommen, den Herrn Major von Turteltack.
Major. Wie? was?
Fritz. Ich hole die Uebrigen. Unterdessen bitte ich, den fremden Herrn zu unterhalten.
Major. Blitz und Knall! da bin ich übel angekommen. (bey Seite.)
Fritz. (zieht Babet auf die Seite) Stellen Sie sich vor, liebe Cousine, er hat mir so eben vertraut, daß die Tante ihn zu Ihrem Gemahl bestimmt hat.
Bab. (sehr erschrocken) Zu meinem Gemahl?
Fritz. Heute Abend ist Ihre Verlobung, morgen Ihre Hochzeit, und übermorgen nimmt er Sie mit in seine Garnison. (ab,)
Babet und der Major.
Bab. (bey Seite) Gott! was hab' ich gehört!
Major. Sie scheinen so bestürzt, mein Fräulein? es sollte mir leid thun, wenn ich Schuld daran wäre.
Bab. (mit erzwungner Höflichkeit) Nicht doch, Herr Major ich bin erfreut (bey Seite) Der Schelm hat mich wohl nur zum Besten.
Major. Kennen Sie Babet von Langsalm?
Bab. (lächelnd) Ob ich sie kenne?
Major. Ich nehme großen Theil an dem Mädchen.
Bab. (immer bestürzter) Wirklich?
Major. Donner und Wetter! ich habe sie so lieb, wie mein Leben.
Bab. (bey Seite) O weh! mein Vetter hat doch die Wahrheit gesagt.
Major. Im Vertrauen, ich bin gekommen, um sie von hier weg zu führen.
Bab. Aber wissen Sie denn auch ob sie Ihnen gern folgen wird?
Major. O dafür ist mir nicht bang.
Bab. Wenn sie nun vielleicht eine andre Neigung hätte
Major. Hat nichts zu sagen. Die Liebe zu mir wird darunter nicht leiden.
Bab. Aber ich versichere Sie, mein Herr, Sie würden des armen Mädchens Unglück machen.
Major. Ey warum nicht gar! Das weiß ich besser.
Bab. (bey Seite) Hier muß ich einen raschen Entschluß fassen. (laut) Herr Major, ich halte Sie für einen wackern Mann.
Major. Gehorsamer Diener! Die ganze Armee hält mich dafür.
Bab. Erlauben Sie mir daher, Ihnen aufrichtig zu gestehn: ich kann Sie nicht heirathen.
Major. (sehr erstaunt) Was?
Bab. Mein Herz ist nicht mehr frey.
Major. Blitz und Knall! Was geht das mich an?
Bab. Was auch meine Tante Ihnen geschrieben haben mag, ich wußte von nichts.
Major. Was soll das bedeuten?
Bab. Unmöglich können Sie mit Gewalt ein armes Mädchen zu Ihrer Frau machen wollen.
Major. Was Teufel! mein Fräulein hm! schon gut. (bey Seite) Der Bruder hätte mir doch vorher sagen sollen, daß seine Schwester verrückt ist.
Langsalm. Die Vorigen.
Langs. Ihr Diener, mein Herr, seyn Sie willkommen.
Major. Hab' ich die Ehre, mit dem Herrn vom Hause zu sprechen?
Langs. (tief seufzend) Herr vom Hause ach ja, der bin ich.
Major. Sie verzeihen; die Nacht, das Ungewitter
Langs. Ohne Umstände. Machen Sie sichs bequem. Schlafen thut man bey mir vortrefflich. Meine Betten sind die besten im ganzen Lande.
Major. Ihre gastfreye Aufnahme erfordert meine ganze Dankbarkeit, und um Ihnen diese zu beweisen, werde ich versuchen, Sie mit einem Manne wieder auszusöhnen, an dem ich großen Theil nehme, und der, wie ich höre, das Unglück gehabt hat, sich Ihre Feindschaft zuzuziehen.
Langs. Ich verstehe Sie nicht.
Major. Grade heraus ist meine Gewohnheit. Sie hassen den Herrn von Langsalm.
Langs. Wen?
Major. Den Herrn Timotheus Sebastian von Langsalm.
Langs. Den soll ich hassen?
Major. Ich weiß Alles. Aber erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, daß der Grund Ihres Hasses denn doch sehr unbedeutend ist.
Langs. Hä! hä! hä! warum hasse ich ihn denn?
Major. Je nun, Sie wollten mit der Gräfin Turteltack vortanzen.
Langs. Ich? wollte vortanzen? Babet, wie gefällt dir das?
Major. Die Gräfin zog den Herrn von Langsalm vor
Langs. Sie zog mich vor?
Major. (lebhaft) Nicht Sie, sondern den Herrn von Langsalm.
Langs. Babet, höre doch nur.
Major.. Ein Mann in Ihren Jahren verzeihen Sie mir der sollte über solche Possen hinweg seyn. Ich will damit den Herrn von Langsalm gar nicht vertheidigen. Ich kenne ihn sehr genau, obgleich ich ihn seit 16Jahren nicht gesehn habe.
Langs. Sie kennen ihn sehr genau? hä! hä! hä!
Major. Donner und Wetter! ob ich ihn kenne? Er ist zuweilen ein Narr, das gebe ich zu, aber ein gutmüthiger Mensch, der kein Kind beleidigt.
Langs. Was? ein Narr? Sie unterstehen sich, in meinem eignen Hause mich einen Narrn zu nennen?
Maj. Wer Teufel meint denn Sie?
Langs. Ein Narr? seht doch! ein Narr! ich leide das nicht.
Maj. Nun, nun, es freut mich, daß Sie sich seiner annehmen.
Langs. Daß ich mich seiner annehme? hä! hä! hä! (zieht Babet auf die Seite) Was meinst du, Babet? ich glaube, er ist verrückt.
Bab. Das scheint mir auch so.
Maj. (bey Seite) Blitz und Knall! ich weiß nicht, was ich von den Leuten denken soll? ich glaube, sie sind alle verrückt.
Langs. Der arme Mann, man muß Mitleid mit ihm haben. (laut) Kommen Sie, mein Herr, das Abendessen ist bereit; und wenn es Ihnen gefällig ist, so wollen wir auf die Gesundheit des Herrn von Langsalm eine Flasche Wein ausstechen.
Maj. Von Herzen gern; und pereat die Gräfin Turteltack!
Langs. Pereat! aber wer ist denn die Gräfin Turteltack?
Maj. Sie kennen sie nicht?
Langs. Ich habe in meinem Leben nichts von ihr gehört.
Maj. Ich kenne sie auch nicht. (bey Seite) Er ist mein Seel verrückt.
Langs. (im Abgehn zu Babet) Ja, ja, es ist richtig, er ist nicht wohl gescheit.
Maj. (leise im Abgehn) Ich bin in ein Tollhaus gerathen.
Langs. Belieben Sie nur herein zu spazieren. (beyde ab.)
Bab. Und an den verrückten Menschen will die Tante mich verheirathen! (sie folgt.)
Ende des dritten Akts.