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Die Verarbeitung der Tageseindrücke zu dem von ihren Erzeugern und sonstigen Dummköpfen dauernd mißverstandenen Glossenwerk der Fackel erfolgt nach keinem Plan, der auf »Aktualität« gerichtet wäre. So dürfte von den Stofflesern, die der Teufel endlich aus dem Leserkreis der Fackel holen möge, gerade diesmal thematisch allerlei vermißt werden, was die phantastischen Möglichkeiten dieses Balkanstaates jüngst an Schmutz und Lüge, so zwischen Ahrer und Bekessy und aus dem tätigen Vulkan der politischen Schamlosigkeit, auftauchen ließen. Da ich mein persönliches Interesse an dem Ereignis, zu dem hier das moralisch Unzulängliche erwächst, vielfach mit dem Mittel einer strafrechtlichen Remedur verknüpfe, so bewirken auch gesetzliche Hindernisse den Aufschub von Bereinigungen, die schon durch die Überfülle der Anlässe zu kurz kommen müßten. So kunstvoll der Bau dieser Mißwelt erscheinen mag, den ein Heft der Fackel darstellt: so zufallsmäßig, dem ersten Blick und Griff überlassen, erfolgt die Herstellung seiner Teile. Wollte ich all das, was mir am Herzen liegt, jeweils in den Zusammenhang retten, der sich doch wie ein Wunder immer wieder ergibt, er würde nicht in Erscheinung treten, bevor er ein Heft von fünfhundert Seiten umfaßte. So bleibt nichts übrig, als daß die Leser: solche, für die, und solche, gegen die es geschrieben ist, so viel Geduld haben wie der Autor, auf die Gefahr hin, daß sie länger dauere als der Anreiz, den ihm der Stoff gewährt. Irgendeinmal kommt er irgendwie doch zum Vorschein, und was immer da abfalle, dem Bild der Region, der er entstammt, bleibe ich ja doch nichts schuldig. Denn mag es auch Zeiten geben, wo ein Geheimnis der Sprache stark genug ist, mir im Lärm der Sprecher Schweigen aufzuerlegen – zu verdienten Gunsten einer Sache, der in der Sachwelt viel reiner Menschenglaube verbunden bleibt –; mag es geschehen, daß mir das Problem des Reims beträchtlicher dünkt als das der Kandidatur des Herrn Eldersch: so kommt doch wieder der Moment, wo mich kein Strahl des schöpferischen Geistes stärker zu blenden vermöchte als die unwidersprochene Nachricht, daß jener eine Wahlrede mit den Worten geschlossen habe: »Wir Sozialdemokraten sind die wahren Nachfolger Christi. In der Schrift steht: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in das Himmelreich. Die Vertreter der Einheitsliste sind die Vertreter der Reichen, wir Sozialdemokraten sind die Vertreter der Armen.« Und dies unter dem Jubel vieler, die durch kein Nadelöhr gehen, und hinter dem Rücken eines, der sich bisher fürs Himmelreich keines Hindernisses von Herrn Eldersch versehen konnte. Die große Entscheidung, ob die Pfründner des Fortschritts, denen ich ein völlig wirkungsloses »Weg damit!« zugerufen habe, und die des Rückschritts – welche den legitimeren Anblick des Grausens bieten – wieder ihrer Pfründen und aller damit verknüpften Gelegenheiten teilhaft werden sollen, ist vorüber und der Trost, daß kein teures Haupt fehlt, bildet die Entschädigung eines Volkswillens, der die Stimme hat, um sie abzugeben, und dem eine machtverteilende Wahllist verwehrt hat, das Nichtgewünschte zu durchstreichen. Welcher Parteinahme bin ich verdächtig, wenn ich dort, wo Reinheit Bedingung ist und nicht Vorzug, den Schmutzfleck mehr hasse als den Schmutz der Welt, der er doch zugehört und die ihn auf die Gegenwelt abfärben ließ? Meiner Wahlpflicht gegen die bürgerlich-sozialdemokratische Einheitsfront habe ich durch Enthaltung genügt, und die Parteinahme für mich, der da Partei nimmt für die Menschheit und gegen die Macht, an die er sie verraten sieht, ja das letzte Echo meiner Rede schlage ich in den Wind – den mir keine Lüge, die vom Ideal frißt, keine Mittelmäßigkeit, die den Zweck verzehrt, jemals vormachen wird! Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur Bürger; und ihr gemeinsames Streben im Widerstreit der Interessen hat gesiegt. Mitbürger Bekessys, auch wenn sie's nicht mehr sein wollen und es nicht wahr haben wollen, daß sie sind, was ich sie genannt habe: »Zuständige eines Landes, das keinen Richter brauchen wird, weil sich alles von selbst prostituiert«. Kostgänger einer Preßfreiheit, die die Feigheit immunisiert, die namenlose Lüge zur Einrichtung macht und die Haltung von Freigelassenen vorsieht, welche die Wahrheit für ihren Verzicht auf Erfolg als »Eitelkeit« besudeln. Was immer ich versäume, weil mir im Anblick jedes Lumpen die Lumperei neu erfunden erscheint und zu jedem Dummkopf etwas einfällt – ich komme nach! Nicht gelingen wird es, meinen Abscheu vor aufgeschwungener Minderwertigkeit durch die Verknüpfung mit einer bürgerlichen Region zu kompromittieren, deren beglaubigter Todfeind ich war, bevor jene lesen und nicht schreiben gelernt haben. Wem, der sie zu fordern nicht berechtigt ist, wäre ich je Rechenschaft schuldig geblieben? Wir wollen es, in einer Welt, der ich die Konsequenz meiner Widersprüche biete, auf die Entscheidung ankommen lassen, wer das Urbild des Menschentums treuer bewahrt hat, ein »Affe der Gerechtigkeit« oder die Praktiker der relativen Moral, Pharisäer, die den Glauben selbst als Abfall ächten, Tyrannen der Gemeinschaft, Pensionäre des Ideals, in deren Händen kein rechtes Gut gedeiht! Wie, ich sollte, weil ich den neuen Zweck bekenne, ihn denen glauben, die ihn täglich durch die Mittel entheiligen, wodurch von altersher Macht erlangt und behauptet ward? Nein, die Glieder einer Hierarchie der Freiheit: die schwerer Würden Vollen und die Leibwächter, die dahinter sind – sie entgehen dem Schicksal nicht, an jeder Tat und an jedem Ton in Übereinstimmung gebracht zu werden mit dem Abbild einer Bürgerwelt, das ich in Jahrzehnten gezeichnet habe zum Entzücken und zur Nährung eines scheinrevolutionären Geistes, zur Nachbildung durch alle Freibeuter, und als das eigentliche Vorbild ihrer angelangten Bürgerlichkeit. Die »Verjagung der alten Gespenster«, dieser wahren Revenants, beginnt von neuem, und würden mit ihnen tausend Stoffleser verjagt – der Ruf »Bekessy ante portas!« schreckt mich nur auf, den Erschreckten zu helfen, damit sie mir zum Schluß den Sieg davontragen. Was ich erlebt habe in dieser Kluft zwischen Ansehn und Erbärmlichkeit, in diesem Schlammgrund, dessen Ausdünstung alle Hygiene wettmacht, in diesem Abenteuer, da ich einen ganzen Staat mit seinen sämtlichen Ohnmachthabern den Klauen der Erpressung entriß – das auszudrücken könnte keine Rücksicht, keine Vorsicht je verhüten, höchstens die Laune einer Betrachtung vertagen, der manchmal doch ein Konjunktiv wichtiger scheint als ein Kujon. Nein, den Inhalt einer allbürgerlichen Würde, die Beethoven gefeiert hat mit der Ahrerfurcht im Herzen, hoffe ich noch hundertfältig zur Gestalt zu bringen; und in die späteren Lesebücher den Ruhm einer Stadt, die ein Bollwerk des Ostens war gegen die drohende Gefahr der Kultur.