Franz Kugler
Friedrich der Große
Franz Kugler

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierzehntes Capitel.

Ausbruch des ersten schlesischen Krieges.

Unter den Aussichten auf mancherlei behaglichen Genuß ging man der winterlichen Jahreszeit entgegen. Voltaire war auf Friedrich's Einladung nach Berlin gekommen, und man konnte sich jetzt lebhafter und minder gestört, als bei jenem ersten flüchtigen Zusammentreffen, gegeneinander aussprechen. Zugleich hatte Friedrich die Absicht, seinen Antimacchiavell zu überarbeiten und eine neue Herausgabe desselben zu veranstalten, indem in die frühere Ausgabe, durch Voltaire's übertriebene Fürsorge, allerlei Fremdartiges eingeschlichen war. Neben Voltaire waren noch andere geistreiche Männer um Friedrich versammelt. Auch seine beiden Schwestern, die Markgräfinnen von Baireuth und von Anspach, kamen zum Besuche. Wissenschaftlicher Verkehr, Concerte, Festlichkeiten schienen eine längere Reihe von heitern Tagen anzukündigen.

Da brachte ein Eilbote die Nachricht, daß Kaiser Karl VI. am 20. October (1740) gestorben sei. Friedrich war eben in Rheinsberg, wo er sich von erneuten Fieberanfällen, die periodisch wiederkehrten, zu erholen suchte. Mit Gewalt schüttelte er das Fieber von sich, und begann die Ausführung dessen, was er lange schon im Innern vorbereitet hatte. »Jetzt ist die Zeit da,« so schrieb er in einem Billet an Voltaire, »wo das alte politische System eine glänzende Änderung leiden kann; der Stein ist losgerissen, der auf Nebukadnezar's Bild von viererlei Metallen rollen und sie alle zermalmen wird.«

Das Bild, was weiland König Nebukadnezar im Traume gesehen und das ihm der Prophet Daniel ausdeuten mußte, war aus Metallen stattlich erbauet, aber in den Füßen waren Eisen und Thon gemischt, so daß es dem Stoße nicht zu widerstehen vermochte. So war auch die österreichische Herrschaft beschaffen. Das große Reich war ohne innere Kraft; ein unglücklich geführter Türkenkrieg hatte in den jüngst vergangenen Jahren auch die letzten Hülfsmittel erschöpft. Prinz Eugen, lange Zeit die Stütze des Reiches, war gestorben, ohne daß seine Stelle durch einen Andern hätte ersetzt werden können. Karl VI. hatte es als die Aufgabe seines Lebens betrachtet, für das Erbfolgerecht seiner Tochter Maria Theresia die Gewährleistung aller bedeutenderen Mächte Europas zu erlangen; Eugens Rath, die pragmatische Sanction lieber durch ein schlagfertiges Heer von 20 000 Mann, als durch ein flüchtiges Versprechen zu sichern, war unbeachtet geblieben. Preußen dagegen strebte in jugendlicher Frische empor. Oft zwar hatte man über König Friedrich Wilhelm gespottet, daß er unmäßige Kosten auf sein Kriegsheer verwendet und doch dasselbe seit geraumer Zeit in keine Schlacht geführt habe; aber das Dasein dieses Kriegsheeres ließ sich nicht wegleugnen, und es war geübt, wie kein zweites. Zugleich waren seine Provinzen blühend, die Einkünfte verhältnißmäßig bedeutend; keine Schulden belasteten den Staat, im königlichen Schatze befanden sich baar nahe an neun Millionen Thaler. Mit solchen Mitteln konnte ein kräftiger, männlicher Geist es immerhin wagen, selbständig in das Rad der Geschichte einzugreifen und seiner Größe, seinem inneren Berufe Anerkennung zu verschaffen.

Oesterreich hatte schon seit Jahrhunderten gegen den brandenburgisch-preußischen Staat eine mehr als zweideutige Rolle gespielt. Von den Verhältnissen zu Friedrich Wilhelm ist in der Jugendgeschichte seines Sohnes Erwähnung geschehen; seine Ansprüche auf Jülich und Berg waren von dem Kaiser zu gleicher Zeit anerkannt und denen andrer Prätendenten nachgesetzt worden. Friedrich hätte jetzt, auf seine Militairmacht gestützt, diese Ansprüche auf's Neue geltend machen können; aber er sah die Größe der Gefahr, der er sich hiebei aussetzen mußte, zu wohl ein; er hätte zu viele Mitbewerber gegen sich gehabt und hätte sein ganzes Reich von Truppen entblößen müssen, um alle Macht auf diesem einen entlegenen Punkt zusammenzuziehen. Ungleich wichtiger waren andre Ansprüche, die Friedrich, und zwar mit entschiednem Recht, erheben durfte, die ihm, unter den gegenwärtigen Umständen, einen minder gefahrvollen Erwerb, seinem Staat einen glänzenderen Gewinn zu sichern schienen. In Schlesien nämlich waren seinen früheren Vorfahren mehrere Fürstenthümer – Jägerndorf, Liegnitz, Brieg und Wohlau, in den verschiedenen Theilen des Landes belegen – zu verschiedenen Zeiten erblich zugefallen; aber der kaiserliche Hof hatte stets Vorwände gefunden, sie zurückzuhalten. Diese Angelegenheit hatte schon früher zu manchen Streitigkeiten geführt. Unter dem großen Kurfürsten endlich, als man dessen Hülfe gegen die Türken bedurfte, hatte der österreichische Hof ein scheinbares Abkommen getroffen, indem an Brandenburg, statt jener Fürstenthümer, ein, freilich viel kleinerer Theil von Schlesien, der schwiebusische Kreis, der an die Neumark grenzte, überlassen ward; zuvor aber hatte man den Thronfolger, der das eigentliche Sachverhältniß gar nicht kannte, der sich in bedenklicher Lage befand und zur Nachfolge in der Regierung seines Vaters Oesterreichs Beihülfe nöthig zu haben meinte, durch das Versprechen der Letzteren dahin gebracht, daß er sich heimlich verpflichtete, auch jenen Kreis nach seiner Thronbesteigung wieder zurückgeben zu wollen. Als dieser nun – der nachmalige König Friedrich I. – zur Regierung kam und den Ministern sein heimliches Versprechen mittheilte, wurden ihm über das widerrechtliche Verfahren des kaiserlichen Hofes die Augen geöffnet. Zwar konnte er nicht umhin, den schwiebusischen Kreis an Oesterreich wirklich zurückzugeben; aber er erklärte, daß nun auch jene älteren Ansprüche Brandenburgs an die genannten schlesischen Fürstenthümer in unverringerter Kraft fortbeständen. »Ich muß, will und werde mein Wort halten« – so rief er aus; »das Recht aber in Schlesien auszuführen, will ich meinen Nachkommen überlassen, als welche ich ohnedem bei diesen widerrechtlichen Umständen weder verbinden kann noch will; giebt es Gott und die Zeit nicht anders als jetzo, so müssen wir zufrieden sein; schickt es aber Gott anders: so werden meine Nachkommen schon wissen und erfahren, was sie desfalls dereinst zu thun und zu lassen haben.«

Friedrich wußte, was er zu thun habe. Der lebhafte Drang, der den jungen König zu ruhmvollen Thaten trieb, hatte ein würdiges Ziel gefunden; die Reichs-Processe in ihrer unendlichen Dauer konnten hier nicht zum erwünschten Ziele führen; die günstige Gelegenheit mußte schnell gefaßt, das Recht durch die Kraft vertreten werden.

Friedrich bedurfte keiner langen Vorbereitungen, um sich, zur Erwerbung seines Rechts, auf einen kriegerischen Fuß zu setzen. Sein Plan ward nur wenigen Vertrauten mitgetheilt. Aber die ungewöhnlichen Bewegungen, die auch zu dieser kurzen Vorbereitung nöthig waren, die Truppenmärsche, Artilleriezüge, die Einrichtung der Magazine und dergleichen gaben es kund, daß irgend ein großes Unternehmen im Werke war. Alles ward von Staunen und von Neugier erfüllt; die verschiedensten Gerüchte brachte man in Umlauf; die Diplomaten sandten und empfingen Couriere, ohne mit Bestimmtheit den Plan des Königs errathen zu können. Absichtlich hatte dieser einige Truppenmärsche so angeordnet, daß man vorerst eher an eine Rhein-Campagne, wegen Jülich und Berg, als an Schlesien dachte. Die verkehrten Meinungen, die im Publikum herüber- und hinüberwogten, ergötzten ihn sehr. »Schreib' mir viel Possierliches,« so heißt es in einem Briefe Friedrich's aus Ruppin an Jordan, »was man sagt, was man denkt und was man thut. Berlin soll jetzt aussehen wie Frau Bellona in Kindesnöthen; hoffentlich wird sie ein hübsches Früchtchen zur Welt bringen; ich aber werde durch irgend einige kühne und glückliche Unternehmungen das Vertrauen des Publikums gewinnen. Da wär' ich denn endlich in einer der glücklichsten Lagen meines Lebens und in Verhältnissen, die einen sichern Grund zu meinem Ruhme legen können!«

Friedrich hatte es für gut befunden, den berühmtesten General seiner Armee, den alten Fürsten Leopold von Dessau, nicht in das Geheimniß des Unternehmens zu ziehen. Er fürchtete einerseits, daß Leopold, aus alter Zeit und namentlich aus den Tagen seines militairischen Ruhmes dem österreichischen Interesse befreundet, die Sache überhaupt nicht billigen möchte; andrerseits war es schwer, dem alten Feldherrn nicht die erste Rolle bei der Ausführung des kühnen Vorhabens zu übergeben, und doch wollte sie Friedrich eben für sich behalten. Leopold war von peinlicher Ungeduld über alle die Geheimnisse, die um ihn her vorgingen, erfüllt; je mehr sich dieselben zu enthüllen schienen, um so eindringlicher legte er dem Könige seine Dienstfähigkeit und seine Bereitwilligkeit zum Dienste dar. Briefe zwischen dem Feldherrn und dem Könige gingen hin und her, bis der Letztere jenem, mit aller Anerkennung seiner Verdienste, unverholen sagte, er behalte das beabsichtigte Unternehmen sich selber vor, »auf daß die Welt nicht glaube, der König von Preußen marschire mit einem Hofmeister zu Felde.« Leopold erhielt den Auftrag, während des Kriegszuges für die Sicherheit der Mark zu sorgen.

Auf die Länge konnte es nicht verborgen bleiben, daß die preußischen Truppen sich an der schlesischen Grenze zusammenzogen. Der österreichische Hof wurde durch seinen Gesandten in Berlin von der Gefahr benachrichtigt; der Staatsrath der Maria Theresia aber, im vollen Vertrauen auf die Sicherheit Oesterreichs, dem kleinen Preußenstaate gegenüber, schrieb zurück, daß er diesen Nachrichten Glauben weder beimessen wolle noch könne. Indeß ward doch noch ein zweiter Gesandter, der Marquis Botta, von Wien nach Berlin geschickt, die preußischen Unternehmungen genau zu erforschen. Diesem mochte der Plan des Königs bald deutlich geworden sein. Bei seiner Antritts-Audienz nahm er Gelegenheit, mit Nachdruck von den Ungemächlichkeiten der Reise, die er so eben gemacht, zu sprechen, besonders von den schlechten Wegen in Schlesien, die gegenwärtig durch Überschwemmungen so verdorben seien, daß man nicht durchkommen könne. Friedrich durchschaute die Absicht des Gesandten, hatte indeß noch nicht Lust, sich näher zu erklären; er erwiederte trocken, das Schlimmste, was Einem auf solchen Wegen begegnen könne, sei, sich zu beschmutzen.

Im December war Alles zum Beginn des Unternehmens bereit. Der Plan, Schlesien zu besetzen, hörte jetzt auf ein Geheimniß zu sein. Friedlich schickte einen Gesandten, den Grafen Gotter, nach Wien, um dem österreichischen Hofe seine Ansprüche auf Schlesien und die Anerbietungen, zu denen er sich bei deren Gewährleistung verpflichten wolle, vorzulegen. Er selbst gab, ehe er zu seinen Truppen abging, dem Marquis Botta noch eine Abschieds-Audienz, in welcher er nunmehr auch diesen von seinem Plane unterrichtete. »Sire,« rief Botta aus, »Sie werden das Haus Oesterreich zu Grunde richten und stürzen sich selbst zugleich in den Abgrund!« Friedrich erwiederte, daß es nur von Maria Theresia abhängen werde, die ihr gemachten Vorschläge anzunehmen. Nach einer Pause fing Botta mit ironischem Tone wieder an: »Ihre Truppen sind schön, Sire, das gestehe ich. Unsre haben diesen Anschein nicht, aber sie haben vor dem Schuß gestanden. Bedenken Sie, ich beschwöre Sie, was Sie thun wollen.« Der König ward ungeduldig und versetzte lebhaft: »Sie finden meine Truppen schön, bald werden Sie bekennen, daß sie auch gut sind!« Andre Vorstellungen, welche der Gesandte noch versuchte, brach Friedrich mit dem Bemerken ab, es sei zu spät, der Schritt über den Rubicon sei schon gethan.

Ehe Friedrich aufbrach, berief er noch einmal seine Offiziere zu sich und nahm von ihnen mit folgenden Worten Abschied: »Ich unternehme einen Krieg, meine Herren, worin ich keine andern Bundesgenossen habe, als Ihre Tapferkeit und Ihren guten Willen. Meine Sache ist gerecht, und ich vertraue dem Glück. Erinnern Sie sich stets des Ruhmes, den Ihre Vorfahren auf den Feldern von Warschau, Fehrbellin und auf dem preußischen Winterfeldzuge erworben haben. Ihr Geschick ist in Ihren Händen; Ehren und Belohnungen warten, daß Sie sie durch glänzende Thaten verdienen. Aber ich habe nicht nöthig, Sie zum Ruhme anzufeuern: er allein steht Ihnen vor Augen, er allein ist ein Gegenstand, Ihrer Bemühungen würdig. Wir werden Truppen angreifen, die unter dem Prinzen Eugen den größten Ruf hatten. Dieser Prinz ist nicht mehr: dennoch wird der Sieg für uns nicht minder ehrenvoll sein, da wir uns mit so tapfern Soldaten zu messen haben. Leben Sie wohl! Reisen Sie ab! Ohne Verzug folge ich Ihnen zu dem Sammelplatze des Ruhmes, der unser wartet!«

Am 13. December war ein großer Maskenball im königlichen Schlosse. Wahrend die Geigen und Trompeten lustige Tanzmelodien erklingen ließen und die Masken bunt durch einander wirbelten, ward Alles zur Abreise des Königs zurecht gemacht. Unbemerkt verließ er die Residenz und eilte der schlesischen Grenze zu. Am 14. traf er in Grossen, nahe an der Grenze, ein. An demselben Tage zerbrach in der Hauptkirche von Grossen der Glockenstuhl, und die Glocke fiel zur Erde. Das machte die Soldaten des Königs besorgt, denn man hielt es für ein böses Zeichen. Friedlich aber wußte dem Vorfall eine günstigere Prophezeihung abzugewinnen; er hieß die Seinen gutes Muths sein: das Hohe, so deutete er den Sturz der Glocke, werde erniedriget werden. Oesterreich aber war natürlich, im Verhältniß zu Preußen, das Hohe, und so gewannen Die, welche eben gezagt hatten, neue Zuversicht auf siegreichen Erfolg.

Am 16. December betrat Friedrich den schlesischen Boden. An der Grenze fand er zwei Abgesandte, welche der protestantische Theil der Einwohnerschaft der festen Stadt Glogau ihm entgegengeschickt hatte. Sie baten ihn, falls er zur Belagerung von Glogau schreite, so möge er die Gnade haben, den Angriff nicht von derjenigen Seite der Stadt zu machen, auf welcher sich die protestantische Kirche befinde. Diese Kirche stand nämlich außerhalb der Festungswerke, und der Commandant von Glogau, Graf Wallis, beabsichtigte, dieselbe, so wie er es bereits mit einigen andern Gebäuden gethan hatte, niederbrennen zu lassen, damit Friedrich nicht auf sie einen Angriff stützen könne. Friedrich hatte seinen Wagen halten lassen, als die beiden Abgeordneten ihre Bitte vortrugen. »Ihr seid die ersten Schlesier,« so gab er ihnen zur Antwort, »die mich um eine Gnade bitten: sie soll Euch gewährt werden.« Unverzüglich ward ein reitender Bote an den Grafen Wallis abgefertigt, mit dem Versprechen, ihn nicht von jener Seite anzugreifen; und die Kirche blieb verschont.

Das preußische Heer fand keine feindlichen Armeen vor sich; die schwache Besatzung des Landes reichte nur eben hin, die wenigen Hauptfestungen zu decken. Aus Oesterreich konnte so schnell keine bedeutendere Hülfe gesandt werden. Die Stafetten und Couriere, welche das in Breslau befindliche Ober-Amt bei der herannahenden Gefahr nach Wien schickte, die immer dringenderen Bitten um Hülfe waren umsonst. Die letzte Resolution, welche von Wien aus erfolgte, lautete dahin, daß man die Stafetten-Gelder sparen und sich von der Furcht nicht allzusehr einnehmen lassen solle.

So standen dem Einmarsch und der Besitznahme von Seiten der Preußen keine sonderlichen Hindernisse weiter entgegen, als das schlechte Wetter und die bösen Wege, von denen Marquis Botta dem Könige in der That nicht viel Falsches gemeldet hatte. Aber die Soldaten behielten guten Muth, und Friedrich ließ es sich, durch mannigfache Belohnung, angelegen sein, sie in dieser Stimmung zu bestärken. An die Bewohner Schlesiens wurden Manifeste ausgetheilt, welche den Einwohnern alle ihre Besitzungen, Rechte und Freiheiten bestätigten, die strengste Kriegszucht für das einmarschirende Heer verhießen und die Absicht des Königs, sich seiner Rechte nur gegen die etwanigen Einsprüche eines Dritten zu versichern, auseinandersetzten. Diese Erklärungen, besonders die treffliche Kriegszucht, die in der That beobachtet ward, noch mehr aber die Hoffnungen der Protestantischen Bewohner Schlesiens, die in Friedrich ihren Erretter von mannigfachem Drucke sahen, machten ihm viele Herzen des Volkes geneigt. Die Protestationen, die von Seiten der österreichischen Regierung erfolgten, fruchteten dagegen wenig.

Zu Anfange freilich konnte man in Schlesien noch nicht wissen, wie man sich zwischen der althergebrachten und der neugeforderten Unterthanenpflicht zu benehmen habe. Indeß fehlte es schon dem Bürgermeister und Rath von Grüneberg – dem ersten bedeutenderen Orte Schlesiens, auf den die preußische Armee stieß – nicht an einem schlau ersonnenen Auskunftsmittel. Die Preußen fanden die Thore der Stadt gesperrt. Ein Offizier ward abgeschickt, sie im Namen des Königs zur Uebergabe aufzufordern; man führte ihn auf das Rathhaus, wo Bürgermeister und Rath in feierlicher Amtstracht versammelt waren. Der Offizier verlangte von dem Bürgermeister die Schlüssel zu den Stadtthoren. Jener entschuldigte sich nachdrücklichst: er könne und dürfe die Schlüssel nicht geben. Der Offizier drohte nun, daß man die Thore sprengen und mit der Stadt, wenn sie sich den gnädigen Anerbietungen des Königs widersetze, übel verfahren werde. Der Bürgermeister zuckte mit den Achseln. Hier auf dem Rathstische, entgegnete er, liegen die Schlüssel; aber ich werde sie Ihnen unter keinen Umständen geben. Wollen Sie sie selbst nehmen, so kann ich's freilich nicht hindern. Der Offizier lachte, nahm die Schlüssel und ließ die Thore öffnen. Als die Truppen eingerückt waren, ward dem Bürgermeister von Seiten des preußischen Generals bedeutet, er möge, dem Kriegsgebrauche gemäß, die Schlüssel wieder abholen lassen. Der Bürgermeister weigerte sich indeß ebenso wie vorhin. Ich habe die Schlüssel nicht weggegeben, sagte er, ich werde sie daher auch nicht holen oder annehmen. Will aber der Herr General sie wieder auf die Stelle, von der sie weggenommen worden, hinlegen oder hinlegen lassen, so kann ich freilich nichts dagegen haben. – Der General meldete diesen Vorfall dem Könige, zu dessen großem Ergötzen. Auf Friedrich's Befehl wurden die Schlüssel durch ein Commando des Regiments, unter Musik und Trommelschlag, nach dem Rathhause zurückgebracht.

Die erste Festung, deren Besatzung den Preußen ein Hinderniß in den Weg legte, war Glogau. Die Vertheidigungswerke waren in keinem sonderlichen Zustande, doch hatte der Commandant in der Eile einige Vorkehrungen zu seiner Sicherung getroffen. Friedrich ließ, um seine Armee in ihrem Zuge nicht aufzuhalten, und da überdies die ungünstige Jahreszeit eine regelmäßige Belagerung untersagte, nur ein Corps zurück, welches die Besatzung einzuschließen hinreichte, und setzte seinen Marsch gegen Breslau fort.

Breslau erfreute sich damals einer freien, fast republikanischen Verfassung; die Stadt war von dem Besatzungsrechte ausgenommen. Als ein österreichisches Corps einrücken sollte, gerieth die Bürgerschaft in Bewegung; der Unwille erhöhte sich, als es in Vorschlag gebracht ward, die Vorstädte abzubrennen. Die Bürger beschlossen, ihre Wälle allein zu vertheidigen. Aber schon hatten sich, schneller als man es vermuthet, die Preußen der Vorstädte bemächtigt und die Stadt eingeschlossen; drinnen war man ohne hinlänglichen Vorrath an Lebensmitteln; die zugefrornen Stadtgräben ließen einen Sturm und, in Folge dessen, Plünderung befürchten. So ward man zu Unterhandlungen geneigt; beschleunigt wurden dieselben durch den protestantischen Theil des Volkes, der, durch einen enthusiastischen Schuhmacher aufgewiegelt, den Magistrat zum raschen Entschlusse trieb. Friedrich bewilligte der Stadt Neutralität; sie mußte ihm die Thore öffnen, sollte aber von Besatzung verschont bleiben. Des österreichischen Ober-Amtes aber war in diesem Vergleiche nicht gedacht worden; Friedrich verabschiedete, sobald er die Stadt betreten hatte, alle dazu gehörigen Personen.

Am dritten Januar (1741) hielt Friedrich in Breslau seinen feierlichen Einzug. Den Zug eröffneten die königlichen Wagen und Maulthiere, letztere mit Zimbeln und mit Decken von blauem Sammet, eingefaßt von goldnen Borten und mit Adlern gestickt. Dann folgte eine Schaar von Gensdarmen und auf diese der königliche Staatswagen, der mit gelbem Sammet ausgeschlagen war und in dem, als das Symbol der königlichen Macht, ein prächtiger blausammtener, mit Hermelin gefütterter Mantel lag. Hinter dem Wagen ritten die Prinzen, Markgrafen und Grafen aus Friedrichs Heer und endlich folgte der König selbst mit einem kleinen Gefolge. Er wurde durch den Stadtmajor eingeführt. Der Zudrang des Volkes war außerordentlich; nach allen Seiten hin grüßte und dankte der König mit stetem Abnehmen des Hutes. Zu der königlichen Tafel wurden die Deputaten des Rathes und der Adel gezogen. Nach der Tafel ritt Friedrich durch die Stadt. Als er an den prächtigen Palast kam, der von den Jesuiten aufgeführt ward, bemerkte er, daß es dem Kaiser wohl habe an Geld fehlen müssen, da seine Geistlichkeit das Geld zu solchen Anlagen verbrauche.

Zwei Tage darauf war großer Ball, den Friedrich selbst mit einer der vornehmsten Damen Schlesiens eröffnete. Bald aber verlor er sich, aus den Reihen der Tanzenden und eilte unverzüglich seinen Truppen nach, die wieder schon weiter vorgedrungen waren. Ohlau und ???Namslau wurden rasch eingenommen; Brieg, eine Festung, wurde wie Glogau eingeschlossen, Ottmachau, in Oberschlesien, erobert. Von wichtigen Punkten war nur noch Neisse, die bedeutendste Festung Schlesiens, übrig. Hier wurden die Hauptkräfte des königlichen Heeres zusammengezogen.

Diese raschen Erfolge, die Eroberung eines reichen Landes fast ohne Schwertschlag, versetzten Friedrich in die behaglichste Stimmung; sie schienen ihm die glücklichste Zukunft zu versprechen. Die Briefe, die er in dieser Zeit an seinen Freund Jordan schrieb, athmen eine seltne Heiterkeit und Laune, wie überhaupt sein ganzer Briefwechsel mit Jordan, der vornehmlich die Zeit des ersten schlesischen Krieges ausfüllt, zu dem Anmuthvollsten gehört, was Friedrich geschrieben hat. Es spricht sich darin überall die innigste Zärtlichkeit aus, die aber durch eine leisere oder schärfere Ironie über die friedlichen Tugenden des Freundes stets eine eigenthümliche Würze erhielt. So sandte er ihm aus Ottmachau folgendes fröhliche Schreiben:

»Mein lieber Herr Jordan, mein süßer Herr Jordan, mein sanfter Herr Jordan, mein guter, mein milder, mein friedliebender, mein allerleutseligster Herr Jordan! Ich melde Deiner Heiterkeit, daß Schlesien so gut wie erobert ist und daß Neisse schon bombardirt wird; ich bereite Dich auf wichtige Projecte vor und kündige Dir das größte Glück an, das Fortunens Schooß jemals geboren hat. Das mag Dir für jetzt genug sein. Sei mein Cicero bei der Vertheidigung meiner Sache; in ihrer Ausführung will ich Dein Cäsar sein. Leb wohl. Du weißt, selbst, ob ich nicht mit der herzlichsten Liebe bin – Dein treuer Freund.«

Ein paar Tage darauf schrieb er an denselben: »Ich habe die Ehre, Ew. Menschenfreundlichkeit zu melden, daß wir auf gut christlich, Anstalten treffen, Neisse zu bombardiren, und daß wir die Stadt, wenn sie sich nicht mit gutem Willen ergiebt, nothgedrungen werden in den Grund schießen müssen. Uebrigens geht es mit uns so gut, als nur immer möglich, und Du wirst bald gar nichts mehr von uns hören; denn in zehn Tagen wird Alles vorbei sein, und in vierzehn etwa werde ich das Vergnügen hüben, Dich wieder zu sehen und zu sprechen.« Der Schluß dieses Briefes laufet: »Leben Sie wohl, Herr Rath! Vertreiben Sie sich die Zeit mit dem Horaz, studiren Sie den Pausanias und erheitern Sie sich dann mit dem Anakreon: was mich betrifft, ich habe zu meinem Vergnügen nichts weiter als Schießscharten, Faschinen und Schanzkörbe. Uebrigens bitte ich Gott, er wolle mir bald eine angenehmere und friedlichere Beschäftigung, und Ihnen Gesundheit, Vergnügen und Alles geben, was Ihr Herz nur wünscht.«

Die Eroberung von Neisse erfolgte indeß für jetzt nicht. Die. Festung hielt das Bombardement aus und ein Sturm war durch die umsichtigen Anstalten des Kommandanten unmöglich gemacht. Die Werke waren in guten Stand gesetzt, die Vorstädte mit all ihren schönen Gebäuden und Gärten abgebrannt, die gefrornen Gräben wurden alle Morgen aufgeeiset und die Wälle mit Wasser begossen, welches Letztere augenblicklich die Gestalt einer unersteiglichen gläsernen Mauer annahm. Da die Jahreszeit eine förmliche Belagerung unmöglich machte, auch die preußischen Truppen durch die anstrengenden Wintermärsche erschöpft waren, so mußte Friedrich diese Unternehmung aufgeben. Gleichzeitig aber waren die übrigen Theile seines Heeres durch ganz Oberschlesien, bis Jablunka an der ungarischen Grenze, vorgedrungen. Die österreichischen Truppen, die spät zur Vertheidigung des Landes erschienen waren, hatten sich, zu schwach zum Widerstande, nach Mähren zurückgezogen, und die Preußen konnten nun eine kurze Erholung in den Winterquartieren suchen. Am 26. Januar war Friedrich bereits nach Berlin zurückgekehrt.


 << zurück weiter >>