Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Die bairisch-französische Armee hatte im Herbst 1741 unausgesetzt glückliche Erfolge gehabt, während gleichzeitig auch aus dem verbündeten Sachsen eine Armee in Böhmen einrückte. Durch einen kühnen Entschluß hätte Karl Albrecht sich Wiens bemächtigen können. Aber ihn gelüstete vorerst nach der böhmischen Königskrone, und die Franzosen, die Baiern nicht auf Kosten Oesterreichs zu mächtig werden lassen wollten, bestärkten ihn in dem Entschlusse, nach Böhmen zu gehen, indem sie ihm über die Fortschritte der sächsischen Bundesgenossen Eifersucht einzuflößen wußten. So wandte sich die feindliche Armee von dem Siegeszuge ab, und Maria Theresia war gerettet. Karl Albrecht eroberte mit übermächtigen Schaaren Prag und vergeudete die Zeit in dem Rausche der Krönungsfeierlichkeiten. Von Prag ging er nach Frankfurt am Main, um hier das höchste Ziel seines Strebens, die Kaiserkrone, zu erlangen. Er erreichte, was er wünschte. Am 24. Januar 1742 wurde er unter dem Namen Karl VII. zum deutschen Kaiser erwählt. Aber indem er nach dem Scheine der Macht haschte, verlor er die Macht selbst aus den Händen.
Denn schon hatte sich für Maria Theresia im Innern ihres Reiches ein lebendiger Enthusiasmus erhoben. Das ungarische Volk vornehmlich, oft zwar von ihren Vorfahren geknechtet, ward jetzt durch ihre Jugend, ihre Schönheit und ihre Noth zu glühender Begeisterung entflammt. »Unser Leben für unsern König Maria Theresia!« so hatten die Magnaten Ungarns ausgerufen, als die junge Fürstin auf dem Reichstage zu Preßburg vor ihnen in der verehrten Tracht der ungarischen Könige, ihren Säugling Joseph auf dem Arme, erschienen war; und dem Schwure folgte schnell die That. Bald war ihr Heer mächtig angewachsen; der Theil der französisch-baierischen Armee, welcher nicht nach Böhmen gegangen war, wurde aus Oesterreich verjagt, durch Baiern selbst verfolgt und München, die Residenz des neuen Kaisers, erobert. Die Oesterreicher zogen an demselben Tage, den 12. Februar, in München ein, an welchem Karl in Frankfurt gekrönt ward. In dem baierischen Lande verübten die wilden Schaaren Ungarns die Gräuel einer fürchterlichen Rache.
Diese veränderten Begebenheiten hatten auch Friedrich zu neuen Entschlüssen genöthigt, und um so mehr, als von österreichischer Seite nicht nur nichts geschah, um jenem, in Schnellendorf geschlossenen, Vertrage gemäß auf den Abschluß eines wirklichen Friedens hinzuarbeiten, sondern vielmehr, dem Vertrage zuwider, das dabei zur Pflicht gemachte Geheimniß nach allen Höfen umhergetragen ward. Mit doppelter Entschiedenheit mußte Friedrich nunmehr in die Unternehmungen der älteren, der Nymphenburger Verbündeten eingreifen. Dem Heere der Letzteren, welches in Böhmen stand, war eine österreichische Armee in einer sehr vortheilhaften Stellung gegenübergetreten. Gegen diese Armee mußten neue Truppen geführt, ihre Kräfte getheilt werden, wozu vor Allem ein Einmarsch in Mähren vorteilhaft schien. Friedrich wünschte indeß, seine eigenen Truppen soviel wie möglich zu schonen; da Mähren überdies, nach den früheren Verträgen, dem Könige von Sachsen zugedacht war, so war es auch billig, daß Sachsen die Hauptarmee zu dieser Unternehmung stellte. Dies zu bewirken, begab sich Friedrich, noch im Winter, nach Dresden, nachdem er in Berlin kurze Rast genossen und so eben, am 6. Januar, die Vermählung seines Bruders, des Prinzen. August Wilhelm, gefeiert hatte.
Es war indeß eine schwierige Aufgabe, den nach kriegerischen Thaten wenig lüsternen August, den Kurfürsten von Sachsen und König von Polen, oder vielmehr seinen Minister, den Grafen Brühl, für jene Unternehmung zu gewinnen. Brühl hatte, wie in der Regel die kleinen Geister gegen die großen, eine natürliche Abneigung gegen Friedrich; dazu kam, daß er nicht ohne Verbindlichkeiten gegen den österreichischen Hof war und von dort aus hart bedrängt wurde. Aber Friedrich war in diplomatischen Künsten wohl erfahren. Es wurde eine Conferenz in den Gemächern des Königs August angesetzt, an welcher außer Brühl auch einige sächsische Generale Theil nahmen. Friedrich wußte den Einwendungen, die ihm gemacht wurden, geschickt zu begegnen. Als König August eingetreten war und man die nöthigen Höflichkeitsbezeugungen gewechselt hatte, suchte Brühl, der den Charakter seines Herrn hinlänglich kannte, die Unterhandlung abzubrechen; er hatte die Karte von Mähren, deren man sich eben bedient, schnell zusammengeschlagen. Friedrich indeß breitete die Karte ruhig von Neuem aus und suchte dem König begreiflich zu machen, zu welchem Behufe man seine Truppen nöthig habe und wie vornehmlich ihm der Vortheil der Unternehmung zufließen werde. August konnte nicht umhin, zu Allem Ja zu sagen. Brühl indeß, gepeinigt durch diese fortgesetzte Zustimmung seines Herrn, in dessen Zügen zugleich der Ausdruck eines mehr und mehr verringerten Interesse sich deutlich genug aussprach, warf geschickt die Bemerkung dazwischen, daß die Oper anfangen werde. Diese Erinnerung war für König August zu wichtig, als daß er noch länger an der Conferenz Theil nehmen konnte. Aber auch Friedrich benutzte den Moment und ließ den armen König nicht eher los, als bis dieser schnell seine vollkommene Zustimmung zu dem Plane gegeben hatte.
So ging Friedrich an der Spitze einer sächsischen Armee durch Böhmen nach Mähren. In Olmütz traf er mit einem Corps seiner eigenen Armee zusammen, welches von Schlesien aus in Mähren eingedrungen war. Die ersten Erfolge waren nicht unglücklich; die Preußen brachen in Oberösterreich ein, ihre Husaren streiften bis nah vor die Thore von Wien und setzten die Hauptstadt auf's Neue in Schrecken. Aber Friedrich hatte den Werth der sächsischen Truppen nach dem Maßstabe seiner eigenen abgeschätzt; hierin hatte er sich geirrt, und dieser Irrthum war Schuld, daß die Unternehmung nicht zum erwünschten Ausgange führte. Die Langsamkeit, der Mangel an gutem Willen von Seiten der Sachsen verdarben überall, was durch die Preußen gewonnen ward. Man unternahm die Belagerung von Brünn, und Friedrich forderte hierzu von König August das nöthige Geschütz; August lehnte die Anforderung ab, da es ihm an Geld fehle; er hatte so eben die Summe von 400 000 Thalern auf den Ankauf eines großen grünen Diamanten, für sein grünes Gewölbe in Dresden, verwenden müssen. Nun rückte auch die österreichische Armee aus Böhmen in Mähren ein, und wählend Friedrich ernstliche Anstalten zur Gegenwehr machte, zeigte sich unter den sächsischen Truppen nur Feigheit, Ungehorsam und Untreue. So blieb Friedrich nichts übrig, als die Unternehmung auf Mähren ganz aufzugeben und sich zu der preußischen Armee, welche in Böhmen stand, zurückzuziehen. Der sächsische Minister Bülow, der Friedrich nach Mähren gefolgt war, stellte ihm hiebei zwar die betrübte Frage, wer denn jetzt seinem Herrn die mährische Krone aufsetzen werde; Friedrich aber gab trocken zur Antwort, daß man Kronen in der Regel nur mit Kanonen zu erobern pflege.
Schon vor diesen Ereignissen war durch ein andres preußisches Corps, unter dem Erbprinzen von Dessau, die Festung Glatz erobert und die Erbhuldigung der ganzen Grafschaft Glatz durch den Erbprinzen angenommen worden. Einige Zeit darauf legten auch die Stände des oberschlesischen Districts jenseit der Neisse die Erbhuldigung vor einem andern Bevollmächtigten des Königs ab.
Am 17. April traf Friedrich zu Chrudim in Böhmen mit dem Erbprinzen von Dessau zusammen und legte hier seine Truppen in Erholungsquartiere. Die Sachsen, welche Mähren ebenfalls verlassen hatten, gingen durch Böhmen und lagerten sich an der sächsischen Grenze; sich mit den Franzosen an der Moldau zu vereinen, wodurch sie der österreichischen Macht ein neues Gegengewicht hätten geben können, waren sie nicht zu bewegen. In Chrudim fand Friedrich eine vierwöchentliche Muße, die wiederum dem Genusse der Wissenschaft und Kunst gewidmet war. Zugleich wurde diese Frist, unter englischer Vermittelung, zu neuen Unterhandlungen mit Oesterreich benutzt. Friedrich sah ein, wie wenig Vortheil ihm durch seine Verbündeten zufiel; denn auch auf die Fähigkeit der französischen Kriegsführer und auf die baierische Armee durfte er so wenig, als auf die Willfährigkeit der Sachsen, weitere Pläne bauen, und selbst für die sehr geringe Aufrichtigkeit des französischen Kabinets hatte er überzeugende Zeugnisse in Händen; England aber lag es daran, Friedrich von dem feindlichen Bündnisse abzuziehen, damit dasselbe hernach um so leichter zu zerstreuen sei. Da Friedrich aber jetzt ganz Schlesien und die Graffschaft Glatz in Anspruch nahm und da die Oesterreicher bedeutende Vortheile erlangt zu haben meinten, so zeigten sich die Letzteren weniger nachgiebig als im vergangenen Herbste.
Friedrich fand aber für gut, es noch einmal auf die Entscheidung der Waffen ankommen zu lassen. Er nahm eine vorbereitende Stellung ein und ließ Verstärkungen aus Oberschlesien zu seiner Armee in Böhmen einrücken. Unterdeß verließ auch die österreichische Armee, unter dem Herzog Karl von Lothringen und dem Feldmarschall Königseck, Mähren und richtete ihren Marsch gegen Prag; unterwegs sollten die preußischen Truppen, von deren Stärke die Oesterreicher eine nur mangelhafte Kunde hatten, überfallen und geschlagen werden. Bei der Annäherung dieser Armee forderte Friedrich den Befehlshaber der französischen Truppen, den Marschall Broglio, auf, von der Moldau vorzurücken und sich mit ihm zu vereinen. Er erhielt aber zur Antwort, der Marschall habe dazu keine Ordre; doch wolle er von diesem Verlangen des Königs eiligsten Bericht nach Paris abstatten, und er hoffe, daß ihm die ermangelnde Ordre bald werde zugefertigt werden. Darauf konnte Friedrich freilich nicht warten.
Denn schon war ein Theil der österreichischen Armee zu seiner Seite vorgerückt und verrieth die Absicht, sich der preußischen Magazine zu bemächtigen. Dies Vorhaben zu vereiteln, setzte sich Friedrich selbst an die Spitze seiner Avantgarde und nahm schnell eine, seinen Zweck begünstigende, Stellung, während ihm die Hauptarmee unter dem Erbprinzen von Dessau nachfolgte. Die Letztere sollte die Stadt Czaslau besetzen; aber das schwere Geschütz hatte ihren Marsch verzögert, so daß sie nur bis zu dem unfern gelegenen Dorfe Chotusitz gelangte, während die Oesterreicher in Czaslau einrückten. So war die Schlacht vorbereitet. Am 17. Mai, in aller Frühe, kehrte Friedrich mit dem Vortrabe zu seiner Hauptarmee zurück, und kaum hatte er dieselbe erreicht, als auch bereits der Angriff von Seiten der Oesterreicher erfolgte. Der Donner des Geschützes begann. Die preußische Cavalerie des rechten Flügels, unter dem Feldmarschall Buddenbrock, benutzte die günstige Stellung, in der sie sich befand, stürzte sich mit kräftigem Ungestüm auf die Feinde, und warf die Entgegenkommenden nieder; aber der ungeheure Staub, der sich bei diesem Angriffe erhob, brachte Verwirrung hervor, so daß keine weiteren Vortheile durch denselben erreicht wurden. Jetzt führte Königseck die Infanterie des österreichischen rechten Flügels auf den linken preußischen vor, der sich, in der Nahe von Chotusitz, in wenig günstiger Stellung befand. Zwar erwarb sich die dort befindliche preußische Reiterei durch kühne Thaten Ruhm, aber die Infanterie ward zum Weichen gebracht. Der Feind benutzte diese rückgängige Bewegung, das Dorf in Brand zu stecken; dadurch beraubte er indeß sich selbst der Früchte seines eben erlangten Gewinns, denn das Feuer bildete alsbald eine Scheidewand zwischen beiden Armeen. Nun griff Friedrich selbst mit raschem Entschluß den linken Flügel der österreichischen Armee an; er warf ihn ungestüm auf den rechten Flügel zurück, drängte beide in einem ungünstigen Terrain zusammen, und bald wandte sich die ganze österreichische Armee zur Flucht. So war in drei Morgenstunden der Sieg erfochten, der Friedrich an das Ziel seiner Wünsche führte.
Die Unterhandlungen mit Oesterreich wurden nunmehr mit erneutem Eifer aufgenommen, und Maria Theresia willigte in Friedrich's Forderungen. Der preußische Kabinetsminister, Graf Podewils, und der englische Gesandte, Lord Hyndfort, beiderseits mit genügenden Vollmachten versehen, schlossen vorläufig, am 11. Juni, in Breslau den Frieden, durch welchen in Friedrich's Besitz Schlesien, die Grafschaft Glatz und ein District von Mähren – mit Ausnahme eines Theiles von Oberschlesien, etwa hundert Quadratmeilen umfassend – übergingen. Dagegen verpflichtete er sich, eine auf Schlesien haftende Schuld an England abzutragen. Alsbald ward der Friede überall in den Staaten des Königs verkündet. Im Lager zu Kuttenberg, welches Friedrich nach der Schlacht bezogen, machte er ihn selbst zuerst bei einem Gastmahle bekannt, zu dem er die höheren Offiziere seiner Armee versammelt hatte; dabei ergriff er sein Glas und trank auf die Gesundheit der Königin von Ungarn und auf die glückliche Versöhnung mit ihr. In Berlin ward der Friede am 30. Juni durch einen Herold ausgerufen, der auf einem prächtig geschmückten Pferde, einen Scepter in der Hand tragend, durch die Straßen ritt.
Ehe Friedrich nach Berlin zurückkehrte, bereiste er noch die schlesischen Festungen. In Glatz erzählte man ihm, daß, während der Belagerung dieses Ortes durch die Preußen, eine vornehme Dame das Gelübde gethan habe, der heiligen Jungfrau in einer dortigen Jesuiten-Kirche ein schönes Kleid zu verehren, wenn die Belagerung aufgehoben würde, daß nun aber das Gelübde natürlich nicht erfüllt worden sei. Friedrich befahl sogleich, ein Kleid von dem kostbarsten Stoffe verfertigen zu lassen, und sandte dasselbe den Jesuiten mit der Aeußerung, daß die heilige Jungfrau seinethalb das versprochene Geschenk nicht entbehren solle. Die Jesuiten waren schlau genug, das Kleid anzunehmen und dem Könige in einer feierlichen Procession ihren Dank darzubringen.
In Berlin traf Friedrich am 12. Juli ein und ward mit großem Jubel empfangen. Am 28. Juli kam hier der definitive Abschluß des Friedens zu Stande. England hatte die Bürgschaft für den Frieden übernommen. Kursachsen war in denselben eingeschlossen worden, obgleich König August so wenig von seinen eigenen Angelegenheiten wußte, daß er, als ein preußischer Abgesandter ihm den Sieg von Chotusitz meldete, diesen fragte, ob seine Truppen sich gut dabei gehalten hätten. In Frankreich brachte die Nachricht von dem Friedensschlusse, der eine Reihe wohlersonnener Pläne unwillkommen zerstörte, das größte Entsetzen hervor. Der ganze Hof war wie vom Donner gerührt; Einige fielen in Ohnmacht; der alte Kardinal Fleury, der Lenker des Staates, brach in Thränen aus. Friedrich hatte Letzterem die Gründe auseinandergesetzt, die ihn zu dem Friedensschlüsse bewegen; in dem wehmüthigen Antwortschreiben des Kardinals heißt es unter Anderm bedeutsam: »Ew. Majestät werden jetzt der Schiedsrichter von Europa; dies ist die glorreichste Rolle, welche Sie jemals übernehmen können!«
Maria Theresia aber hatte nur mit wundem Herzen sich in das Notwendige gefügt. Sie klagte, daß der schönste Edelstein ihrer Krone ausgebrochen sei. So oft sie einen Schlesier erblickte, vermochte sie die Thränen nicht zurückzuhalten.