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Der letzte Hof im Dorfe, der hart an der Landstraße liegt, gehört dem Anbauer Jürn Brinkmann. Es ist nur ein kleiner Hof, aber er nährt seinen Mann. Und er nährt auch die Frau, die zu einem richtigen Mann gehört.
Jürn Brinkmann steht bei seiner jungen Frau auf der Diele und sieht zu, wie sie Kartoffelpuffer bäckt. Er ist rechtschaffen hungrig, denn er hat schon drei Meilen hinter sich. Er ist nebenbei noch Jagdaufseher über die große Gemeindejagd und hat vor Tau und Tag das Bett verlassen und abgespürt, ob er nicht endlich für den Pächter den braven Hirsch bestätigen kann, der im Buchenwalde steht. Schmunzelnd steht er neben seiner glatten Frau und sieht zu, wie sie die Puffer wendet. Die Herbstsonne fällt auf die Diele, und die Hühner gehen an den Wänden entlang und picken die letzten Fliegen fort. Da schreit eine alte Henne plötzlich schrill auf, alle anderen Hühner tun dasselbe und rennen unter die alte Haferkiste, verstecken sich hinter Körben und Mollen, und mitten auf der Diele flattert schreiend der Hahn umher und schlägt mit vier Flügeln.
Ja, mit vier Flügeln. Frau Brinkmann ist so entsetzt, daß sie den Puffer aus der Pfanne in das Herdfeuer fallen läßt, und ihr Mann macht vor Verwunderung den Mund auf, daß die schöne Pfeife hinfällt und in Scherben geht. Und dann springt er zu und greift einen Besen und schlägt damit nach dem seltsamen, glühäugigen, bunten Vogel, der auf dem Hahne reitet, und er trifft nur zu gut, denn da liegt der Hahn und zuckt noch einmal mit den Beinen, und daneben liegt, mit der Pfanne in der Hand, die junge Frau, denn der Habicht, der dem Schlag auswich, flog ihr unter die Röcke und dann Brinkmann an der Nase vorbei zur Dielentüre hinaus.
Am folgenden Tag ist Sonntag, und da geht Brinkmann nachmittags in den Krug und erzählt die Geschichte von den Kartoffelpuffern und dem Hahn und dem Habicht. Das gibt ein herzhaftes Gelächter in der Runde, und man beglückwünscht ihn zu dem Hühnerbraten. Und dann erzählt der Vorsteher auch eine Habichtsgeschichte.
»Ja,« sagt er, »das ist nun meist vierzig Jahre her, aber ich weiß das heute noch so genau, als wenn es gestern war. Damals waren die Habichte noch häufiger und brüteten in den Vorhölzern und nicht da hinten in der Wildnis. Das war an einem schönen Maimorgen, da hütete ich mit meiner Schwester, die jetzt in Neumühlen verheiratet ist, die Gänse auf dem Anger beim Dorfe. Mit eins schreien die Gänse los und rennen wie unklug hin und her, und da hat ein Habicht ein Gössel und will damit fort. Meine Schwester schreit, und ich haue mit der Peitsche hin, und meine Schwester schreit, denn ich hatte sie getroffen, und der Habicht läßt das Gössel los und fliegt weg. Na, wir nehmen das Gössel auf, das am Totgehen war, und wie wir da so stehen und es in der Hand haben, da schreien die Gänse wieder, und da ist das Lork von Habicht wieder da und geht mit einem anderen Gössel ab. Ja, es sind freche Lörke, die Habichte.«
Nun ist die Uhr aufgezogen, und jeder weiß eine Habichtsgeschichte. Der Müller erzählt, wie früher, als er noch seine eigene Jagd bejagte, ihm der Habicht ein Feldhuhn, das er gerade geschossen hatte, dicht vor dem Hunde fortnahm. Kordes gibt eine Geschichte zum besten, die sich vorletzten Sommer auf seinem Hofe begeben hat. Da kam ein Habicht an, jagte die Tauben in den Schlag, kroch hinterher und kam mit einer Taube wieder heraus. »Kinder,« sagte Kordes, »das ging so schnell, daß ich gar nicht dazu kam, den Schlag zuzumachen.« »Ja,« spricht der Halbmeier Meyer, »fix sind die Biester man einmal, und ganz barbarisch frech sind sie auch. Das mögen so an fünf Jahre her sein, da treffe ich meine Ente mit ihren Jungen auf dem Bache und jage sie nach Hause. Na, ich warf und schrie und trampelte am Ufer entlang, und da fliegt etwas über meinen Kopf hin, mitten zwischen die Enten, nimmt eine junge Ente vom Wasser auf und fliegt damit nach dem Bruche.« Der Schumacher Mertens, der die Fischerei in dem Bache gepachtet hat, meint: »Das ist noch gar nichts. Ich habe einmal ein Stück mit einem Habicht erlebt, das geht über den grünen Klee. Wir sitzen am Sonntag vor der Türe und sehen den Kindern zu, die mit den jungen Katzen spielen. Unsere Berta wirft einen Ball hin, und die kleinen Katzen laufen hinterher. Da kommt wie ein Ungewitter der Habicht über den Zaun, nimmt die schönste Katze, eine dreifarbige, auf, und ehe wir noch recht wußten, was los war, war er heidi.«
Endlich nimmt der alte Schäfer, der wegen seines Gliederreißens nicht mehr hütet, das Wort. »Manchmal kommt aber auch solch Habicht eklig zupasse. Das habe ich vor zehn Jahren zu Pfingsten erlebt. Da stand ich auf der Heide bei meinen Schnucken und sah wie ein mächtig großer Habicht einen alten Hasen fing. Er konnte ihn aber nicht gleich totkriegen, und der Hase ging mit ihm in einen Wacholderbusch. Und dann kam der Hase auf der anderen Seite wieder zum Vorschein und machte, daß er fortkam. Von dem Habichte sah ich nichts. Das wunderte mich und da ging ich nach dem Busche, und was meint ihr wohl, was ich da fand? Da lag der Habicht dreivierteltot, und das Eingeweide hing heraus, weil ihm ein Bein ausgerissen war, und das abgerissene hing noch fest an einem Zweige von dem Strauche. Der Habicht hatte sich festgehalten, und der Hase war so im Schuß, daß er ihm das Bein aus dem Leibe riß.«
Gerade will der Tischler mit einer Habichtsgeschichte aufwarten, da kommt die Wirtin hereingestürzt und meldet, daß soeben der Habicht vor ihren Augen ein Huhn gegriffen und nach dem Busche geschleppt habe. Alles, was frisch auf den Beinen ist, springt auf und läuft nach dem Busche. Aber man hat es falsch angefangen, denn als man bei dem Busche ist, streicht der Habicht mit dem Huhne über die Wiesen ab. Ganz tief fliegt er, denn das Huhn ist schwer, aber er bringt es doch über den Bach bis in die Kiefernbesamung, und dort fällt er mit ihm ein und kröpft weiter. Zwei Tage später findet der Jagdaufseher die Federn. Die Knochen hat sich der Fuchs geholt.
Mitten im großen Bruche liegt ein Stück Wald, das ist von selbst angeflogen. Kiefern, Fichten, Birken und Erlen wachsen da wild durcheinander, und darunter sind Weiden und Faulbaum, Porst und Brombeeren dicht durcheinandergefilzt. Dort hat das alte Habichtsweibchen seine Schlafstatt. In einer dichtkronigen Fichte, dicht an den Stamm gedrückt, hockt es mit krummem Rücken da und verbringt die Nacht. Wenn das Rotwild unter ihm her zieht oder die Rehe an dem Graben entlangziehen, der Fuchs über den Altweg schleicht und der Hase dahinhoppelt, das vernimmt es alles, ohne daß es sich dadurch stören läßt. Die Nacht geht aus dem Walde, der Nebel fällt in das Gras, die Sonne bestrahlt den Wipfel der Fichten. Da ordnet der Habicht sein Gefieder, schüttelt sich und streicht aus seinem Verstecke. Er fliegt den Altweg entlang, schwenkt dicht über dem Boden her an der Kante des Bestandes hin, zieht das Hauptgestell entlang und biegt in ein Quergestell ein. Wo er sich blicken läßt, warnt der Häher, erschallt das Angstgeschrille der Drosseln, melden Rotkehlchen und Meisen. Das Rotwild macht lange Hälse, die Rehe verhoffen, und der Hase macht einen Kegel und fährt in den dichten Busch.
Am Rande des großen Holzschlages steht eine Eiche, breitästig und kraus. Dort schwingt sich der Habicht ein. Die gewaltigen gelben Griffe mit den nadelscharfen, stahlfarbigen Krallen umklammern den Ast dicht am Stamme. Hochaufgerichtet, ganz steil, sitzt er da; ab und zu geht der Kopf hin und her, und überallhin blicken die gelben Mörderaugen. An den Brombeeren pflücken die Rehe; die kümmern ihn nicht. Aber das rote Ding, das da in langen ängstlichen Sprüngen über die Blöße kommt, das ist etwas für ihn. Er läßt sich vom Aste bis dicht auf den Boden fallen, flattert hastig, schwenkt gewandt um die Birken, steigt über das hohe Brombeergestrüpp, daß der Sprung Rehe entsetzt nach allen Seiten auseinanderprescht, und stößt blitzschnell nach dem Eichkätzchen. Das macht einen Satz und birgt sich in den Dornen. Aber der Habicht gibt die Jagd nicht auf. Er macht eine Schwenkung um den Busch, fußt vor ihm, und im Sitzen fährt sein rechter Griff in den Busch, faßt das Eichkätzchen bei der Keule und reißt es heraus. Der zweite Griff faßt es in den Nacken, und schlaff und leblos hängt es in seinen Krallen, während er damit in den Bestand streicht. Dort kröpft er es auf dem Wurfboden einer Fichte in aller Muße, streicht den Wiesen zu und nimmt Unterschlupf in einer krausen Kiefer, von der er weiter Auslug hat. Wandernde Häher flattern ängstlich von dem Forste her; ein ganzes Dutzend ist es. Der vorderste will sich gerade nach der Fahrt über das freie Wiesenland in das Randgebüsch stürzen, da bricht der Habicht aus dem Busche. Einen gellenden Angstschrei stößt der Häher aus, alle seine Brüder fallen mit ein, aber ehe er den Busch hat, wirft der Habicht sich nach unten, legt sich in der Luft halb auf den Rücken, schlägt mit dem linken Fange den Häher von unten, wendet und stiebt mit seiner Beute in das Unterholz. Hinter ihm her kreischen die anderen Häher. Nachmittags greift er vor dem Dorfe noch eine Elster und ein Hermelin.
Der nächste Tag ist grau; die Luft ist dick. Das ist das beste Jagdwetter für den Habicht. An solchen Tagen lauert er nicht, da übt er die Parforcejagd aus. Niedrig über dem Boden streichend jagt er die Feldmark ab, aber sie ist leer. Eine einzige Lerche erwischt er. Auch auf den Wiesen ist nichts zu finden, und in der Heide ist es ebenso. Da streift er das Bruch ab, erbeutet aber nur eine Amsel. Endlich macht er in einer krausen Fichte im Moore Rast. Irgendwo in der Ferne trompeten Kraniche; das ist nichts für ihn. Der Kolkrabe ruft über ihm in der Luft; das ist auch nichts. Rehe ziehen dahin; das ist erst recht nichts. Aber jetzt reckt er den Hals lang und späht nach Süden, wo es einige Male weiß aufblitzte, und im nächsten Augenblick ist er unterwegs. Erst geht es eine Weile dicht über dem braunen Heidekraute und dem gelben Pfeifengrase geraden Fluges her, höchstens wird um die Birken und Krüppelkiefern ein kleiner Bogen gemacht. Dann geht es nach rechts hinter die Kieferndickung, um sie herum und dann mit hastigen Schlägen dem alten Torfabstriche zu. Einen blitzschnellen Bogen beschreibt er dicht über dem Boden, so schnell, daß die drei Birkhähne, die dort Moosbeeren pflücken, erst zur Besinnung kommen, als der eine von ihnen schon die Krallen des Habichts in den Weichen hat. Laut polternd reiten zwei ab, mit dem dritten balgt sich der Habicht noch ein Weilchen im Torfmoose umher, bis er ihm den Garaus gemacht hat.
Den nächsten Tag jagt er nicht; der Birkhahn hält vor. Am dritten Tage aber treibt ihn der Magen wieder aus seiner Fichte heraus. Den Vormittag hat er Unglück. Eben hat er ein Feldhuhn geschlagen und schleppt es in ein Vorholz, da äugt ihn eine Krähe, und fünf Minuten später hat er zwanzig auf dem Halse. Er macht, daß er weiterkommt, läßt das Huhn aber nicht los. Auf blanker Wiese muß er aber haltmachen. Mit mörderischem Gekreische hasten die Krähen auf ihn; noch einmal streicht er weiter und nimmt das Huhn mit, aber ehe er den Wald erreicht, hat er so viele Püffe abbekommen, daß er es fallen lassen muß. Bis tief in den Wald hinein verfolgt ihn die schwarze Gesellschaft, und er muß lange in der dichten Krone einer Fichte warten, ehe er die Lärmmacher los wird. Und wie er dann auf Umwegen dorthin streicht, wo er das Huhn fallen ließ, ist nichts mehr davon übrig; die Krähen haben es sich gut schmecken lassen. So muß er neue Beute suchen, und da ihm das blanke Feld mit dem Krähengesindel verleidet ist, treibt er sich bei den Vorhölzern umher, wo er schließlich eine Ringeltaube aus dem Fluge herausstößt und schlägt.
In den nächsten Tagen nimmt er an den Krähen blutige Rache. Eine Nebelkrähe sitzt auf einer Randeiche des Forstes und krächzt und quarrt und quinkelt, als wäre es April und nicht Ende Oktober. Von hinten kommt der Habicht durch den Wald herangeschwenkt und schlägt ihr die Krallen in den Rücken. Sie schreit entsetzlich und versucht nach ihm zu hacken, aber schnell faßt er sie in das Genick und nimmt ihr das Leben. Kaum hat er sie abseitsgeschleppt und begonnen, sie zu rupfen, da hört er es rauschen und brechen, es kracht und rasselt. Er läßt die Krähe fahren und streicht ab. Wütend schießt der Jagdaufseher, der eben einen Hasen geschossen hatte, hinter ihm her; aber der Habicht ist flinker. Verärgert streicht er nach der anderen Seite des Waldes, holt eine vorüberstreichende Krähe aus der Luft und stürzt sich mit ihr in den Busch. Gerade, wie er sich darüber hermacht, knickt und knackt es vor ihm. Er macht einen langen Hals und äugt hin. Da schreitet, in der Herbstsonne funkelnd und gleißend, ein junger Fasanenhahn hin. Jetzt scharrt er in einem Ameisenhaufen. Und jetzt stößt er einen Entsetzensschrei aus, denn der Habicht hat ihn beim Wickel. Aber er griff zu viel Federn, der Hahn reißt sich los und rennt in die enge Fichtendickung. Bis zum Abend hockt er dort, den Kopf vornüber gebeugt, und dann greift ihn der Fuchs.
Seitdem taucht der Habicht alle paar Tage in der Fasanenecke der Jagd auf, und die mit vieler Mühe und Kosten herangezüchteten Fasanen verschwinden einer nach dem andern. Selbst der alte Hahn muß schließlich daran glauben. Es ist ein geriebener Bursche, der immer in Deckung bleibt. Aber als eines Morgens die Sonne so schön warm auf den Grenzgraben scheint, da spaziert er gemächlich darin umher und scharrt nach Käfern und Raupen. In der hohen Pappel aber sitzt der Habicht, und als er es unter den Espenbüschen am Grabenborde schimmern sieht, da besinnt er sich nicht lange und kriegt ihn beim Wickel. Heftig wehrt sich der Hahn, aber der Habicht zwingt ihn und kröpft sich bis zum Platzen voll.
»Nun aber ist Schluß,« sagt Brinkmann, wie er die Fasanenfedern findet, und stellt alles, was er an Tellereisen finden kann, auf Pfähle und Erdhügel. Binnen zwei Wochen fängt er: sechs Waldkäuze, acht Sumpfohreulen, drei Waldohreulen, vier Steinkäuze, eine Elster, neun Bussarde, drei Krähen, einen Zwergfalken, elf Turmfalken, eine Bekassine, einen Fasan und einen Hasen. Wütend holt er die Fallen wieder fort und setzt sich mit dem Uhu an. Alles mögliche haßt auf den Dickkopf, auch ein Habicht, aber ein Männchen. Das starke Weibchen ist nicht mehr in der Gegend; es jagt in der Donauebene und in Ungarn, und wenn es ihm dort nicht mehr paßt, in Nordafrika.
Im April aber ist es wieder im Bruche, und bei ihm ist ein hübsches Männchen. In der dichten Ecke des Waldes, wo nur selten ein Mensch hinkommt, steht eine hochschäftige Kiefer, umgeben von hohen Fichten. In dieser Kiefer hat ein Schwarzstorchenpaar begonnen, sich einen Horst zu bauen. Das paßt den Habichten nicht. Sie belästigen die Langhälse so lange, bis diese sich einen anderen Horstbaum suchen. Und nun treiben die Habichte hoch über dem Walde ihre Balzspiele. Sie, die sich sonst ungern zeigen, schweben und kreisen und rufen, aber hier sieht und hört sie niemand, und Brinkmann, der sie von weitem sieht, denkt, es sind Bussarde. Aber auch die Habichte müssen ihren geraubten Horst verteidigen. Ein Schreiadlerpaar will ihn ihnen streitig machen, doch die Habichte sind frecher, und die Schreiadler ziehen ab. Als das Weibchen schon auf den Eiern sitzt, spähen die Hütejungen den Horst aus, und eines Sonntags beschließen sie, ihn auszunehmen. Der eine Junge ist schon auf der Mitte des Stammes, da fährt ihm das Männchen gegen den Kopf, daß er laut aufschreit und so schnell, wie er kann, herunterklettert. Drei Püffe bekommt er aber noch mit auf den Weg.
Nun haben die Habichte Ruhe. Die tut ihnen aber auch not. Vier Junge sind zu ernähren, zwei Monate lang im Horste und noch einen, wenn sie beflogen sind. Ein alter Habicht hat immer Hunger, wenn er sich nicht gerade vollgekröpft hat, ein junger aber auch dann noch. Unaufhörlich gieren sie, und den ganzen Tag über fliegen die Alten auf Raub. Die Amsel ist ebensowenig vor ihnen sicher wie der Junghase; sie holen die halbwüchsige Taube aus dem Neste und fangen den fütternden Schwarzspecht vor seiner Bruthöhle. Der Kiebitz auf der Wiese, die Birkhenne im Moore, das Huhn im Felde und die Taube auf dem Hofe fällt ihnen zur Beute, und glückt es ihm in der Nähe nicht, dann streicht das Weibchen über den Fluß, fällt in eine Reihersiedlung ein und schleppt einen Jungreiher fort.
Brinkmann, der Jagdaufseher, ist in heller Aufregung. Überall findet er die Reste von halbwüchsigen Hasen und Federhaufen von Ente und Feldhuhn, Waldschnepfe und Birkhahn, Fasan und Taube. Er klopft alle Horste in den Vorhölzern ab, wo früher die Habichte brüteten, aber immer sind es nur Krähen und Bussarde, die dort brüten. Er weiß es eben nicht, daß der Habicht, seitdem die Hinterlader aufkamen, ein heimlicher Vogel geworden ist, der nur noch im dichtesten Walde horstet, und der beim Horste sich nicht mehr vertraut und laut benimmt, wie ehemals, sondern still und vorsichtig. Der Förster im Königlichen weiß wohl, wo das Habichtspaar seinen Horst hat, verrät ihn aber nicht. Er hat nur Hochwild und Rehe zu hüten, und die Habichte sind ihm gefällig und halten ihm die Eichkatzen und Häher kurz, die ihm seine Eichensaaten vernichten. Daß sie aus der Reihersiedlung ab und zu ein Dunenjunges fortschleppen, ist nicht schlimm, denn bei sechzig Paaren Reiher sind schon einige Jungen übrig, und Ringel- und Turteltauben sind so häufig, daß es darauf auch nicht ankommt. Da der Habicht auch der Vermehrung der Krähen entgegenarbeitet, so schont ihn der Förster.
Jürn Brinkmann aber, der vor allem die niedere Jagd hochbringen soll, kommt aus dem Ärger nicht heraus. Vor seinen leibhaftigen Augen, nur zu weit für den Schrotschuß, kommt das Habichtsweibchen über das Moor gestrichen, einen jämmerlich klagenden Brachvogel in den Fängen.
Ein anderes Mal sitzt der Jagdaufseher in dem Hochsitz und beobachtet einen Bock, dessen Wechsel er ausmachen soll. In der Wiese hoppelt ein Junghase hinter einem Weidenbusche dahin und verschwindet im langen Grase. Da saust etwas Braunes hinter den Weidenbüschen her, das Häschen klagt, und ehe der Aufseher schußfertig ist, geht der Habicht mit seinem Raube ab.
Da stellt er den Habichtskorb mit einer hellen Taube fängisch. Drei Tage ist nichts darin, am vierten hat sich das Habichtsmännchen gefangen, hat aber die Taube trotzdem gekröpft. Brinkmann wirft es lebend dem Uhu in den Käfig, aber wie rasend fährt der Habicht auf die Eule los, daß die in ihrer Angst hinter dem Aufseher Deckung sucht. Mit Not und Mühe fängt Brinkmann den Habicht ein und schenkt ihn dem Schullehrer, der ihm einen Käfig baut. Da sitzt er still in der Ecke, blickt wild umher und flattert wie verrückt gegen das Gitter, wenn ein Mensch kommt.
Zwei Tage später bekommt er Gesellschaft. Das Weibchen hat sich in dem Habichtskorbe gefangen und natürlich die Locktaube auch gekröpft. Spät abends kommt Brinkmann damit bei den Lehrer an, und der steckt es zu dem Männchen in den Verschlag. Als er am anderen Morgen hineinkommt, sitzt das Weibchen glühäugig in der Ecke, und von dem Männchen liegen nur noch die Knochen und die Federn da. Das geht dem Lehrer denn doch gegen sein gutes Herz, und er ruft Brinkmann, der den Habicht töten soll. Der nimmt einen Sack und kriecht in den Verschlag. Aber in seiner Angst krallt sich der Habicht so fest in das Knie, daß der Aufseher Hals über Kopf aus dem Verschlage stürzt und dabei die Tür aus den Lederangeln reißt. »Da geht er hin!« sagt der Lehrer, und Brinkmann macht kein kluges Gesicht, wie er den Habicht über dem Dache verschwinden sieht. Zwei Wochen lang stand der Habichtskorb fängisch, aber kein Habicht fing sich darin.
Er war noch schlauer, noch heimlicher geworden; aber überall im Moore und Bruch und Feld und Wiese zeigten die Reste von Hase und Huhn, Ente und Fasan, Kiebitz und Taube, daß er nach wie vor sein blutiges Handwerk trieb.