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Zu den großen und bewunderungswürdigen, in unsern Tagen aber vergessenen Grundsätzen der alten Freistaaten und Fürstentümer gehörte auch das Prinzip, gemäß welchem immer wieder neue Städte und Orte angelegt wurden. Denn nichts ist eines guten Herrschers und einer wohlgeordneten Republik würdiger, nichts einem Lande vorteilhafter, als die Erbauung neuer Orte, in denen die Bewohner behufs der Verteidigung oder des Ackerbaues zusammenleben können. Jene konnten dies leicht tun, indem sie nach besiegten oder menschenarmen Ländern neue Bewohner sandten und auf solche Weise Kolonien gründeten. Denn außerdem, daß dadurch neue Ortschaften entstanden, sicherte diese Maßregel dem Sieger bei weitem mehr den Besitz des Landes, gab den menschenleeren Stellen Bewohner und förderte die richtige Verteilung der letzteren in den Provinzen. Indem man auf diese Art bequemer lebte, mehrten die Bewohner sich rascher, waren beherzter im Angriff, zuverlässiger in der Verteidigung. Da diese Sitte heutzutage durch Unklugheit der Republiken und Fürsten aufgehört hat, so ist die Schwäche, ja der Ruin der Provinzen darauf gefolgt, indem nur von jenem System Sicherheit und reichliche Einwohnerzahl zu erwarten sind. Die Sicherheit entsteht dadurch, daß die nach einem eroberten Lande gesandte Kolonie gleichsam eine Burg und Wache ist, die den Rest in Gehorsam hält. Auch kann sich ohne eine solche Maßregel eine Provinz nicht mit durchgängig gleichmäßiger Bevölkerung erhalten; denn ein Teil verödet durch Mangel an Menschen, ein anderer verarmt durch zu große Fülle. Da die Natur hier nicht abhelfen kann, muß es der menschliche Geist tun. Denn ungesunde Orte werden gesund, wenn eine Menge Menschen auf einmal sie bewohnen kommen, die durch den Ackerbau den Boden heiligen, durch Feuer die Luft reinigen, wo die Natur nimmer abzuhelfen vermöchte. Dafür zeugt die Stadt Venedig, die in einer sumpfigen, ungesunden Gegend liegt, und doch durch die Menge Bewohner, die zur selben Zeit hier zusammenströmten, gesund gemacht ward. Auch Pisa war der schlechten Luft halber nie reich an Einwohnern, bis die Sarazenen Genua und seine Küsten verwüsteten, woher es kam, daß die aus ihrer Heimat vertriebenen Bewohner dieser Gegenden auf einmal und in solcher Menge nach Pisa sich wandten, daß die Stadt volkreich und mächtig wurde. Da nun die Sitte der Gründung von Kolonien nicht mehr besteht, so lassen eroberte Länder sich schwerer behaupten, entvölkerte Länder nicht mehr sich füllen, zu volkreiche nicht mehr ihres Überflusses sich entäußern. Viele Länder, namentlich viele Striche Italiens, sind deshalb im Vergleich mit den alten Zeiten verödet. Alles dies geschah und geschieht, weil in den Fürsten kein Durst mehr ist nach wahrem Ruhme, in den Freistaaten keine preiswürdige Einrichtung mehr. In alten Zeiten also entstanden entweder neue Städte durch Kolonien, oder schon vorhandene wurden vergrößert. Zu diesen gehörte die Stadt Florenz, welche von Fiesole ihren Ursprung herschrieb, ihr Wachstum von einer Einwanderung.
Es ist wahr, wie Dante und Giovanni Villani bezeugen, daß die auf den Spitzen der Hügel liegende Stadt Fiesole, um ihre Märkte besuchter und für die Besuchenden bequemer zu machen, sie nicht auf der Höhe, sondern in der Ebene zwischen dem Fuß der Berge und dem Flusse Arno angelegt hatte. Nach meiner Meinung war dieser Markt die erste Veranlassung zu Bauten an dieser Stelle, indem die Handelsleute daselbst Orte zum Unterbringen ihrer Waren haben wollten, welche nachmals bleibende Wohnungen wurden. Diese mehrten sich später sehr, als die Römer, nach Besiegung der Karthager, Italien vor fremden Kriegen sicherstellten. Denn nur gezwungen halten die Menschen in ungünstigen Verhältnissen aus: ist Furcht vor Krieg da, so zieht man gebirgige und feste Orte zum Wohnen vor; ist die Besorgnis verschwunden, so weilt man lieber an bequemen und ebenen Stellen. Die Sicherheit also, welche der große Kriegsruhm der römischen Republik in Italien erzeugt hatte, veranlaßte eine solche Zunahme der schon begonnenen Wohnungen, daß diese einen Ort bildeten, den man anfangs Villa Arnina nannte. Dann entstanden in Rom die Bürgerkriege, erst zwischen Marius und Sulla, dann zwischen Cäsar und Pompeius, endlich zwischen Cäsars Mördern und jenen, die seinen Tod rächen wollten. So wurden anfangs von Sulla, hierauf von jenen drei Bürgern, die, nachdem sie Cäsar gerächt, in das Reich sich teilten, nach Fiesole neue Ansiedler gesandt, welche beinahe alle in der Ebene bei dem schon angelegten Orte ihre Wohnsitze aufschlugen. Da wurde denn derselbe an Wohnungen und Menschen, und durch geordnete Verfassung so bereichert, daß er zu den Städten Italiens gezählt werden konnte. Über den Ursprung des Namens Florenz herrschen verschiedenartige Meinungen. Nach einigen kommt er von Florinus, einem der Häuptlinge in der Kolonie. Andere sagen nicht Florentia, sondern Fluentia, wegen der Nähe des Flusses Arno, und führen eine Stelle des Plinius dafür an, welcher sagt: Fluentini praefluenti Arno appositi (die Fluentiner wohnen am Flusse Arno).
Dies dürfte aber falsch sein, denn Plinius zeigt in seinem Texte nur, wo die Florentiner wohnten, nicht wie sie hießen. Zudem muß dies Wort Fluentini ein verdorbenes sein, denn Frontinus und Tacitus, die beinahe des Plinius Zeitgenossen waren, sagen Florentia und Florentini. Schon zu Tiberius' Zeiten war ihre Verfassung gleich jener der übrigen italienischen Städte. Tacitus erwähnt, daß Gesandte von ihnen zum Kaiser kamen (im Jahre 17 n. Chr.) mit der Bitte, daß die Wasser der Chiana nicht nach ihrer Gegend hingeleitet werden möchten, und man kann nicht annehmen, daß diese Stadt zu gleicher Zeit zwei Namen gehabt habe. Deshalb glaube ich, daß sie immer Florentia genannt wurde, welchen Ursprung dieser Name auch immer gehabt haben möge. Die Stadt, welcher Art auch ihre Entstehung war, nahm unter dem römischen Reiche ihren Anfang und wurde zu den Zeiten der ersten Kaiser von den Schriftstellern erwähnt. Als die Barbaren das Römerreich bedrängten, wurde Florenz von Totila, dem Gotenkönig, zerstört und zweihundertfünfzig Jahre darauf von Carl dem Großen wieder aufgebaut. Von da an bis zum Jahr Christi 1215 teilte sie das Schicksal der Mehrzahl der italienischen Städte. Erst herrschten die Karolinger, dann die Berengare, endlich die deutschen Kaiser, wie wir in unserer Einleitung über die allgemeine Geschichte gezeigt haben. In jenen Zeiten konnten die Florentiner weder an Macht wesentlich zunehmen noch etwas besonderer Aufzeichnung Würdiges vollbringen, wegen des Überwiegens derer, welchen sie gehorchten. Nichtsdestoweniger eroberten und zerstörten sie Fiesole im Jahre 1010, am Tage des hl. Romulus, einem Festtage der Fiesolaner:Diese Angabe ist nur traditionell und ermangelt jeder wirklichen Begründung. Schon um das Jahr 1000 gehörte das fiesolanische Gebiet den Florentinern. sie taten dies entweder mit Zustimmung der Kaiser, oder in der Zeit eines Zwischenreiches, wo größere Unabhängigkeit zu sein pflegte. Da aber die päpstliche Macht in Italien wuchs, die kaiserliche abnahm, so minderte sich in allen Orten der Provinz der Gehorsam gegen die fürstliche Gewalt in hohem Grade. Unter Kaiser Heinrich III. entstand dann die völlige Teilung des Landes in eine kaiserliche und päpstliche Partei. Bis zum Jahre 1215 aber blieben die Florentiner den Herrschenden gehorsam und strebten nach nichts als nach der Bewahrung möglichst guten Verhältnisses. Doch wie im menschlichen Körper Krankheiten, je später sie auftreten, um so gefährlicher und tödlicher sind: so wurde auch Florenz, je später es von den Parteizwisten Italiens ergriffen ward, um so heftiger dadurch erschüttert. Der Grund der ersten Entzweiung ist bekannt, da Dante und eine Menge anderer Schriftsteller ihn erwähnen; doch scheint es mir passend, ihn hier in der Kürze zu erzählen.
Unter den mächtigsten Familien in Florenz waren die Buondelmonti und Uberti, und nach diesen die Amidei und Donati.Die Buondelmonti sollen von den Markgrafen von Saluzzo stammen; sie besaßen im florentin. Gebiete das Kastell Montebuoni (daher der Name), welches sie 1135 der Republik abtreten mußten, worauf sie in der Stadt ihre Wohnsitze nahmen, eines der vornehmsten unter den Geschlechtern alten Adels. Deutschen Ursprung geben die Uberti an, welche aus Florenz bald verschwinden, da auf sie als anerkannte Häupter der Gibellinen der Haß der Gegner und des Volkes am mächtigsten sich entlud. Ihre Wohnungen standen da, wo jetzt der Platz beim Steueramte neben dem Palazzo vecchio: den Palazzo Buondelmonti sieht man noch auf der Piazza St. Trinita. Einen der Türme der Amidei, die von ihren Wohnungen dicht an der alten Brücke den Beinamen: Capo di ponte führten, erblickt man am Mercato nuovo (oder Via di por Sta. Maria). Buondelmonti's Braut war Reparata, die Tochter Lambertuccio's Amidei und der Sandra Arrighi; ihre Nebenbuhlerin Beatrice, Tochter des Forese Donati und der Madonna Gualdrada. Die Donati rühmten sich römischen Ursprungs. Sie blieben stets unter den Adelsgeschlechtern, ohne an bürgerlichen Magistraturen teilzunehmen, und starben gegen 1400 aus. – Die meisten alten Florentiner Familien nennt Dante, Paradies XVI.
In dem letztern Geschlechte gab es eine reiche Witwe, welche eine sehr schöne Tochter hatte. Sie hatte dieselbe dem Messer Buondelmonte, einem jungen Edelmann, der das Haupt der Familie der Buondelmonti war, zur Gattin zugedacht. Diesen Plan aber hatte sie, sei es aus Nachlässigkeit, sei es, weil sie glaubte, es sei immer noch Zeit dazu, niemanden anvertraut, so daß der Zufall es wollte, daß Buondelmonte mit einer Jungfrau aus dem Hause der Amidei sich verlobte. Dies war jener Frau höchst unlieb, und sie geriet auf den Gedanken, durch die Schönheit ihrer Tochter die beschlossene Verbindung zu hintertreiben. Da sie nun einmal den Messer Buondelmonte allein nach Hause gehn sah, kam sie herab und ließ die Tochter hinter sich stehn, und als jener vorbeikam, trat sie ihn an mit den Worten: Ich freue mich wahrhaftig darüber, daß ihr eine Braut gewählt habt, obgleich ich diese meine Tochter euch bestimmt hatte. Hierauf stieß sie die Tür auf und ließ ihn das Mädchen sehn. Der Ritter, als er die seltne Schönheit der Jungfrau erblickte und überlegte, wie ihre Mitgift und Familie denen seiner Braut keineswegs nachständen, wurde von einer solchen Begierde, sie zu besitzen, ergriffen, daß er weder an das gegebene Wort dachte, noch an die Schmach eines Treubruchs, noch an das Unheil, welches ein solcher Treubruch über ihn verhängen konnte. So antwortete er: da ihr sie mir bewahrt habt, so würde ich ein Undankbarer sein, wenn ich, da es noch Zeit, sie ausschlüge, und ohne zu säumen, feierte er die Hochzeit. Als dies bekannt ward, erfüllte es die Familie der Amidei und die mit ihnen verwandten Uberti mit Erbitterung, und da sie mit andern ihrer Angehörigen zusammengekommen, schlossen sie, daß eine solche Beleidigung nicht ohne Schmach ertragen werden könne, und Buondelmontes Tod die einzige Rache sei. Als nun einige über die Übel sprachen, die daraus entstehn würden, sagte Mosca Lamberti, wer viel überlege, beschließe nichts, indem er die volkstümliche Redensart hinzufügte: Geschehn Ding hat Verstand.»Cossa fatta capo ha.« Die Ausführung des Planes übertrugen sie nun dem Mosca, Stiatta Uberti, Lambertuccio Amidei und Oderigo Fifanti. Diese versammelten sich am Ostermorgen in den Häusern der Amidei, welche zwischen der alten Brücke und der Kirche Sto Stefano lagen, und da Messer Buondelmonte auf einem weißen Rosse über die Brücke ritt, in der Meinung, es sei ebenso leicht, eine Unbilde zu vergessen, wie eine Heirat abzubrechen, wurde er von ihnen am Aufgange, da, wo die Statue des Mars stand,Dante, Paradies XVI, 136. – Die römische Bildsäule des Mars, des ersten Patrons der Stadt, welche, christlich geworden, sich dem Täufer empfahl (– »la citta che nel Batista – cangio 'l primo padrone –« Dante, Hölle XIII, 143), stand am Ende der alten Brücke (– »in sul passo dell' Arno – rimane ancor di lui alcuna vista« – ebend. 146), bei deren Einsturze während der Überschwemmung des Jahres 1333 sie verloren ging. angegriffen und ermordet.
Diese Tat spaltete die ganze Stadt, denn die einen hielten es mit den Buondelmonti, mit den Uberti die andern. Und da diese Geschlechter viele Wohnungen, Türme und Menschen zählten, kämpften sie lange Jahre miteinander, ohne daß die einen die andern zum Weichen brachten. Obgleich nun ihre Feindschaft durch keinen Frieden beendigt ward, trat endlich Waffenstillstand ein, und so lebten sie, je nach den Umständen, bald ruhig, bald kämpfend nebeneinander.
In solcher Verwirrung befand sich Florenz bis zur Zeit Friedrichs des Zweiten (1247), welcher, da er auch König von Neapel war, seine Kräfte gegen die Kirche verstärken zu können glaubte. Um nun seine Macht in Toscana zu befestigen, zeigte er sich den Uberti günstig, welche zusamt ihren Anhängern die Buondelmonti vertrieben. So teilte sich unsere Stadt, nach dem Vorgange des gesamten Italiens, in Guelfen und Gibellinen. Es scheint mir nicht überflüssig, die Geschlechter aufzuführen, welche zu einer und der andern Faktion gehörten. Von der guelfischen Partei waren die Buondelmonti, Nerli, Rossi, Frescobaldi, Mozzi, Bardi, Pulci, Gherardini, Foraboschi, Bagnesi, Guidalotti, Sacchetti, Manieri, Lucardesi, Chiaramontesi, Compiobbesi, Cavalcanti, Giandonati, Gianfigliazzi, Scali, Gualterotti, Importuni, Bostichi, Tornaquinci, Vecchietti, Tosinghi, Arrigucci, Agli, Sizi, Adimari, Visdomini, Donati, Pazzi, della Bella, Ardinghi, Tedaldi Cerchi. Auf gibellinischer Seite standen die Uberti, Mannelli, Ubriachi, Fifanti, Amidei, Infangati, Malespini, Scolari, Guidi, Galli, Cappiardi, Lamberti, Soldanieri, Cipriani, Toschi, Amieri, Palermini, Migliorelli, Pigli, Barucci, Cattani, Agolanti, Brunnelleschi, Caponsacchi, Elisei, Abati, Tedaldini, Giuochi, Galigai. Überdies schlossen sich den einen und andern dieser Adelsgeschlechter viele Popolanfamilien an, so daß die ganze Stadt in Parteien zerrissen war. Die vertriebenen Guelfen begaben sich nun nach dem obern Arnotal, wo viele ihrer Kastelle lagen, und verteidigten sich so gut sie konnten gegen die Macht ihrer Gegner. Als aber Kaiser Friedrich starb (1250), schien es denjenigen Einwohnern von Florenz, die parteilos geblieben und auf die Menge Einfluß übten, es sei besser, die Stadt zur Eintracht zurückzuführen, als sie durch diese Spaltung zugrunde zu richten. Sie brachten es also dahin, daß die Guelfen, der Unbilden vergessend, heimkehrten und die Gibellinen, den Verdacht aufgebend, sie wieder aufnahmen. Als sie nun von neuem vereint waren, schien es ihnen Zeit, die Formen einer freien Verfassung einzuführen und dieselbe zu kräftigen, bevor ein neuer Kaiser größere Macht erlangte.
Sie teilten also die Stadt in Sechstel und erwählten zwölf Bürger, zwei für jedes Sechstel, sie zu regieren. Diese sollten Anziani heißen und jedes Jahr wechseln. Den aus gerichtlichen Urteilssprüchen entstehenden Feindschaften ein Ende zu machen, ernannten sie zwei fremde Richter, deren einer der Capitano del popolo hieß, der andere Podestà, um die Rechtsstreite der Bürger, sowohl in Angelegenheiten des Eigentums wie der Personen zu schlichten. Da nun keine Einrichtung sich halten kann, ohne Verteidiger zu haben, so bestellten sie zwanzig Banner für die Stadt, für die Landschaft sechsundsiebzig, unter denen die ganze Jugend sich einschreiben ließ, und es ward verordnet, daß ein jeder bewaffnet zu seinem Banner stoßen sollte, sobald er vom Kapitän oder von den Anzianen gerufen würde. Die Abzeichen auf den Bannern waren verschieden, zugleich mit den Waffen: andere hatten die Bogenschützen, andere die Schildträger. Jedes Jahr am Pfingstfeste wurden mit großem Pomp den neuen Leuten die Banner überliefert und die Anführer gewechselt. Und um ihren Scharen äußeres Ansehen und einen Vereinigungspunkt zu geben, wo die im Handgemenge Zurückgedrängten sich sammeln und sodann von neuem dem Feinde entgegenrücken könnten, ordneten sie einen gewaltigen Karren an, gezogen von zwei rotbehängten Stieren, auf dem das große, rot und weiße Banner aufgepflanzt war. Wollten sie das Heer zur Stadt hinausführen, so ließen sie diesen Karren nach dem neuen Markte bringen und übergaben ihn mit feierlichem Pomp den Häuptern des Volks. Noch hatten sie, um ihren kriegerischen Unternehmungen Würde zu verleihen, eine Glocke, die man Martinella nannte, welche einen Monat lang vor dem Ausrücken des Heeres beständig läutete, damit der Feind auf die Verteidigung bedacht sein könnte. So viel Tapferkeit lebte damals in den Bürgern und mit solchem Edelmut verfuhren sie, daß, während jetzt ein unvermuteter Überfall in Kriegszeiten für erlaubt und klug gilt, er in jener Zeit als schmählich und hinterlistig angesehen ward. Diese Glocke nahmen sie auch auf ihren Feldzügen mit und gaben damit den Wachen wie bei allen Vorkommnissen die Signale.
Durch eine solche bürgerliche und kriegerische Verfassung begründeten die Florentiner ihre Freiheit. Es ist kaum glaublich, wieviel Ansehen und Macht die Stadt binnen kurzem gewann, so daß sie nicht nur die vornehmste in Toscana ward, sondern auch zu den ersten in ganz Italien gehörte, und zu noch größerem Glanze emporgestiegen sein würde, hätten die neuen und häufigen bürgerlichen Zwistigkeiten ihr nicht geschadet. Unter dieser Regierung lebten die Florentiner zehn Jahre lang, während deren sie die Bewohner von Pistoja, Arezzo und Siena nötigten, Bündnisse mit ihnen zu schließen. Als sie aus dem Lager von Siena aufbrachen (1254), nahmen sie Volterra und zerstörten einige Kastelle, deren Einwohner sie nach Florenz versetzten. Alle diese Unternehmungen wurden nach dem Rate der Guelfen unternommen, welche weit größern Einfluß besaßen, als die Gibellinen, einmal weil das Volk letzteren entgegen war, ihres hochmütigen Benehmens wegen zur Zeit ihrer Herrschaft unter Kaiser Friedrich; sodann weil die kirchliche Partei beliebter war als die kaiserliche, indem die Einwohner ihre Freiheit durch den Beistand des Papstes zu bewahren hofften, unter dem Kaiser sie zu verlieren besorgten. Die Gibellinen, welche ihre Autorität sich mindern sahen, konnten sich nicht Ruhe geben und warteten nur auf eine Gelegenheit, die frühere Stellung wieder einzunehmen. Diese glaubten sie gekommen, als Manfred, Kaiser Friedrichs Sohn, des Königreichs Neapel sich bemächtigt und die Macht der Kirche bedeutend geschwächt hatte (1258). Heimlich also unterhandelten sie mit diesem, um ihre vormalige Macht wiederzuerlangen; so geheim aber konnten sie diese Verhandlung nicht halten, daß sie nicht von den Anzianen entdeckt worden wäre. Diese beriefen deshalb die Uberti vor sich, welche aber nicht nur nicht gehorchten, sondern die Waffen ergriffen und in ihren Wohnungen sich befestigten. Erzürnt darüber, waffnete sich das Volk und nötigte sie mit Hilfe der Guelfen, Florenz zu verlassen und mit der ganzen gibellinischen Partei nach Siena auszuwandern. Von dort aus sandten die Vertriebenen zu König Manfred um Hilfe, und durch die Veranstaltungen Messer Farinatas degli Uberti wurden (1260) die Guelfen von den Kriegsvölkern dieses Königs am Flusse Arbia mit solchem Verluste geschlagen, daß die Übrigbleibenden Florenz für verloren hielten und nicht nach der Vaterstadt zurück, sondern nach Lucca flüchteten.Die berühmte Schlacht »che fece l'Arbia colorata in rosso« (Dante, Hölle X, 80) wurde am 4. Sept. 1260 auf dem Felde von Montaperti an der Arbia bei Siena geschlagen.
Manfred hatte den Gibellinen als Anführer seiner Mannschaft den Grafen Giordano gesandt, einen damals berühmten Kriegsmann. Nach erfochtenem Siege zog dieser mit ihnen nach Florenz und unterwarf die Stadt völlig dem Könige, indem er die Magistrate und die ganze Verfassung abschaffte, deren Formen die Freiheit des Volkes bezeugten. Diese unkluge Neuerung erfüllte das Volk mit Erbitterung, und war es früher schon den Gibellinen gram gewesen, so wurde es nun aufs äußerste feindselig gegen diese Partei, was ihr den Untergang bereitete. Da der Graf Giordano nach Neapel zurückkehren mußte, ließ er den Grafen Guido Novello, Herrn des Casentino, als königlichen Statthalter zurück.Von den Grafen Guidi, der weitverzweigten und in der toskanischen Geschichte tausendfach genannten Familie deutschen Ursprungs, die den Pfalzgrafentitel besaß. Ihre meisten Besitzungen lagen in dem schönen Casentiotal, wo Poppi, ihre letzte Grafschaft, im 15. Jahrhundert an Florenz kam. (s. das V. Buch dieser Geschichte). Dieser ließ zu Empoli einen Kriegsrat der Gibellinen halten, wo alle des Sinnes waren, daß zur Aufrechthaltung ihrer Macht in Toscana es nötig sei, Florenz zu zerstören, indem diese Stadt, der guelfischen Gesinnung ihrer Bewohner wegen, allein imstande sei, der kirchlichen Faktion wieder zu Kräften zu verhelfen. Einem so grausamen Urteilsspruche gegen eine so edle Stadt widersetzte sich weder Bürger noch Freund, außer Messer Farinata degli Uberti. Dieser verteidigte sie offen und sonder Rückhalt und sagte, er habe so vielen Gefahren nur darum sich ausgesetzt, um in seiner Vaterstadt wieder leben zu können, und er wolle jetzt seinen frühern Willen nicht ändern und das ausschlagen, was das Schicksal ihm verliehen habe. Die, welche einen solchen Plan hätten, würden in ihm einen gleich entschiedenen Gegner finden, wie er den Guelfen feind gewesen; wenn einer von ihnen seine Vaterstadt fürchte, so möge er sie zugrunde richten; er hoffe sie zu verteidigen mit der nämlichen Tapferkeit, welche die Guelfen aus ihr vertrieben.»Ich aber war allein, wo einst jedweder
Es zuließ, daß Florenz vertilget würde,
Der, welcher offnen Angesichts es schirmte.«
Dante, Hölle X, 91 Messer Farinata war ein hochherziger Mann, im Kriegswesen erfahren, das Haupt seiner Partei und sehr geachtet von König Manfred. Sein Ansehen machte daher solchen Plänen ein Ende, und jene dachten auf andere Mittel, ihre Macht zu bewahren.
Die nach Lucca geflüchteten Guelfen mußten der Drohungen des Grafen Guido Novello wegen diese Stadt verlassen und begaben sich nach Bologna (1266). Hier wurden sie von den Guelfen von Parma gegen die Gibellinen gerufen, und da die Feinde vor ihrer großen Tapferkeit weichen mußten, wurden ihnen alle Besitzungen derselben zum Geschenk gemacht, wodurch sie an Reichtum und Ansehn sehr zunahmen. Als sie nun erfuhren, daß Papst Clemens den Carl von Anjou herbeigerufen habe, um Manfred das Königreich Neapel zu nehmen, so sandten sie Abgeordnete an den Papst, ihm ihre Streitkräfte anzubieten. So nahm Clemens sie nicht bloß als Freunde auf, sondern gab ihnen sein Banner, welches seitdem von den Guelfen im Kriege getragen ward und noch jetzt in Florenz gebraucht wird. Manfred verlor im Kampfe mit Carl Krone und Leben,Schlacht bei Benevent, 26. Febr. 1266. und da die florentinischen Guelfen dabeigewesen, ward ihre Partei dadurch stärker, die gibellinische schwächer. Die also, welche mit dem Grafen Guido Novello in Florenz herrschten, glaubten, daß es besser sei, das Volk, das sie vorher durch Schmähungen aller Art gereizt, durch irgendeine Gunstbezeugung zu gewinnen zu suchen. Die Mittel aber, deren Anwendung vor den Tagen der Not ihnen genutzt haben würde, beschleunigten jetzt nur ihren Untergang. Sie dachten die Menge auf ihre Seite zu ziehn, indem sie ihr einen Teil der Ehren und Macht wiedergäben, die sie ihr vorher genommen: darum ernannten sie sechsunddreißig dem Volke geneigte Bürger, die mit zwei Rittern, welche man aus Bologna kommen ließ, die Verfassung neu ordnen sollten.Die Frati gaudenti (oder Cavalieri di Sta. Maria), Roderigo degli Andald und Catalano de' Malavolti. (Dante, Hölle, XXIII, 103.) Als diese zusammentraten, teilten sie die Stadt in Zünfte, und setzten jeder einen Magistrat vor, welcher den zu ihr Gehörenden Recht sprechen sollte. Überdies teilten sie jeder derselben ein Banner zu, unter welchem jeder bewaffnet sich einfinden sollte, wenn die Stadt seiner bedürfte. Anfangs waren dieser Zünfte zwölf, sieben größere und fünf kleinere. Die Zahl der letzteren wurde sodann auf vierzehn erhöht, so daß sie sich, wie noch jetzt der Fall, auf einundzwanzig belief. Die mit der Umgestaltung der Verfassung beauftragten Männer verordneten noch manches andere zum Besten der Stadt.
Um den Unterhalt der Söldner zu bestreiten, ließ der Graf Guido den Bürgern eine Steuer auflegen, traf aber auf so viele Schwierigkeiten, daß er nicht wagte, sie mit Gewalt einzutreiben. Und da es ihm schien, daß er sich nicht zu behaupten vermöge, pflog er Rat mit den Häupter der Gibellinen, und sie beschlossen, dem Volke mit Gewalt wieder zu nehmen, was sie ihm unklugerweise zugestanden hatten. Als sie ihre Kriegsmacht geordnet und die Sechsunddreißig versammelt sahen, erhoben sie Lärm, so daß jene erschrocken nach ihren Wohnungen zurückeilten, und sogleich die Banner der Zünfte auszogen, von vielen Bewaffneten geleitet. Da diese hörten, der Graf sei mit den Seinigen in S. Giovanni, machten sie halt bei Santa Trinità, und ordneten sich unter Messer Giovanni Soldanieri. Als der Graf vernahm, wo das Volk sei, zog er ihm voll Zorn entgegen. Das Volk aber wich dem Kampfe nicht aus, sondern rückte auf den Feind zu. An der Stelle, wo jetzt die Loggia der Tornaquinci ist, stießen sie aufeinander. Der Graf wurde mit Verlust von mehreren der Seinen geworfen, verlor den Mut und fürchtete, das Volk werde ihn in der Nacht angreifen und bei der unter seiner Schar herrschenden Bestürzung töten. Diese Einbildung wirkte so heftig auf ihn, daß er, ohne an irgendeine andere Abhilfe zu denken, Rettung durch die Flucht jener durch den Kampf vorzog, und, dem Rate der Häupter seiner Partei zuwider, mit seiner gesamten Mannschaft nach Prato zog.Am 11. November 1266. Als er aber, an einem sichern Orte angelangt, sich besann, erkannte er seinen Irrtum, und um ihn zu verbessern, rückte er bei Tagesanbruch nach Florenz, in der Absicht, die Stadt, welche er aus Feigheit verlassen, mit Gewalt zu nehmen. Indes gelang ihm sein Plan nicht: denn das Volk, das ihn nur mit Mühe zu vertreiben vermocht hätte, konnte ihn mit Leichtigkeit draußen halten. So begab er sich beschämt und reuevoll nach Casentino, während die Gibellinen auf ihre Villen sich zurückzogen.
Indem nun dem Volke der Sieg geblieben, beschloß es, nach dem Rat derer, welchen das Wohl des Staates am Herzen lag, die Parteien zu einigen und alle im Auslande befindlichen Bürger, so Gibellinen wie Guelfen, zurückzurufen (1267). Die Guelfen kehrten also nach sechsjähriger Verbannung heim, und den Gibellinen wurde die noch frische Unbilde verziehn. Nichtsdestoweniger waren sie beim Volke und den Guelfen verhaßt, denn diese konnten die Erinnerung an das Exil nicht tilgen, und jenes erinnerte sich nur zu gut der Tyrannei, die sie als Herrschende geübt. So waren denn die Gemüter keineswegs beruhigt. Während in Florenz solches vorging, kam die Nachricht, daß Conradin, Manfreds Neffe, mit Heeresmacht aus Deutschland herbeiziehe, dem Anjou Neapel zu nehmen. Da blühte den Gibellinen neue Hoffnung, ihre frühere Stellung wieder einzunehmen; die Guelfen aber sannen, wie sie gegen ihre Feinde sich schützen könnten, und ersuchten den König Carl um Hilfe, bei Conradins Durchzug sich zu verteidigen. Als nun neapolitanisches Kriegsvolk heranzog, wurden die Guelfen übermütig, und die Gibellinen verloren so sehr den Mut, daß sie zwei Tage vor der Ankunft der Truppen ohne Schwertschlag die Stadt räumten.Guido Graf von Montfort führte nach Florenz 800 französische Reiter. Die Gibellinen verließen die Stadt am Ostersonntag. – Conradin unterlag bei Tagliacozzo am 23. August des Jahres 1268.
Nachdem die Gibellinen ausgezogen waren, führten die Florentiner eine neue Ordnung ein und wählten zwölf Vorsteher, die zwei Monate lang regieren sollten, und nicht mehr Anziani, sondern Buonuomini (»gute Männer«) hießen. Ihnen beigegeben ward ein Rat von achtzig Bürgern, den sie die Credenza nannten; nach diesen kamen hundertundachtzig Bürger, nämlich dreißig für jedes Viertel, die mit den Buonuomini und dem Rat der Credenza den allgemeinen Rat bildeten. Noch ordneten sie einen dritten Rat von hunderundzwanzig an, Popolanen (Männer aus dem Volke) wie Adelige, welcher das in den vorgenannten Ratsversammlungen Vorgekommene zur Entscheidung brachte und die Ämter in der Republik vergab. Nachdem diese Verwaltung eingesetzt war, verstärkten sie noch die guelfische Partei durch einen besondern Magistrat und eigne Verfassung, um sich mit größerer Macht gegen die Gibellinen zu verteidigen, deren Güter in drei Teile geteilt wurden, von denen sie einen dem gesamten Volke anwiesen, den zweiten dem Magistrat der Partei, den man die Capitani nannte, den dritten der guelfischen Partei selbst als Entschädigung für erlittene Verluste. Der Papst, um Toscana guelfisch zu erhalten, bestellte den König Carl zum kaiserlichen Statthalter der Provinz. Während nun die Florentiner, kraft dieser neuen Verfassung, im Innern durch Gesetze, durch Waffen im Äußern, ihren Ruf aufrecht hielten, starb der Papst, und nach zwei Jahre langem Unfrieden wurde (1271) statt seiner Gregor X. gewählt, welcher, da er lange in Syrien gewesen und zur Zeit seiner Wahl sich noch dort befand und den Parteiungen fremd war, diese von einem andern Standpunkte ansah als seine Vorgänger. Da er nun durch Florenz kam, um nach Frankreich zu gehen, hielt er es für Pflicht eines guten Hirten, die Bürger wieder zu einigen, und brachte es dahin, daß die Florentiner sich dazu verstanden, Abgeordnete der gibellinischen Partei anzunehmen, um in betreff ihrer Wiederaufnahme mit ihnen sich zu besprechen. Obgleich aber der Vertrag abgeschlossen ward, waren die Gibellinen so geschreckt, daß sie nicht zurückkehren wollten. Die Schuld davon maß der Papst der Stadt bei, und zürnend sprach er den Bann über sie aus. In diesem Banne blieb sie, solange Gregor lebte, und erst nach dessen Tod nahm sie Innocenz V. wieder in die kirchliche Gemeinschaft auf (1276). Das Pontifikat war an Nicolaus III. aus dem Hause Orsini gekommen (1277). Da die Päpste immer den fürchteten, dessen Macht groß geworden war in Italien, selbst dann, wenn die Gunst der Kirche das Wachstum befördert hatte und weil sie diese Macht dann wieder zu schmälern suchten: so entstanden daraus die vielen Unordnungen und Umwälzungen, die das Land in Bewegung setzten. Denn die Besorgnis vor einem Mächtigen half einem Schwachen groß werden, – war er groß, flößte sie Furcht vor ihm ein, – war er gefürchtet, bewog sie zum Versuche, ihn zu verkleinern. Diese Furcht war schuld, daß Manfred des Reiches beraubt und dies an Carl von Anjou vergeben ward: sie machte dann, daß man auf dessen Untergang sann. Von solchen Gründen bewogen, brachte Nicolaus III. es dahin, daß dem Könige Carl das Statthalteramt in Toscana genommen ward, welches er mit kaiserlicher Bewilligung seinem Legaten dem Kardinal Latino übertrug.
Florenz befand sich damals in sehr traurigen Verhältnissen. Der guelfische Adel war übermächtig geworden und hatte keine Scheu vor den Magistraten, so daß jeden Tag eine Menge Mordtaten und andere Gewalttätigkeiten vorfielen, ohne daß die Schuldigen bestraft wurden, indem dieser oder jener Adelige ihnen Schutz gewährte. Die Häupter des Volkes glaubten, um diese Willkür zu zügeln, sei es gut, die Ausgewanderten zurückzurufen, was dem Legaten Veranlassung gab, die Parteien miteinander zu versöhnen. So kehrten denn die Gibellinen zurück (1280), und statt zwölf Mitglieder des obersten Magistrats wurden vierzehn bestellt, sieben für jede Partei, die ein Jahr regierten und deren Wahl dem Papste zustehen sollte. Diese Verfassung währte zwei Jahre lang, bis Papst Martin, ein Franzose, zur Regierung kam, welcher Carl von Valois alles wiedergab, was ihm durch Papst Nicolaus genommen worden war. Dadurch entstanden in Toscana sogleich neue Faktionen, denn die Florentiner ergriffen die Waffen gegen den kaiserlichen Statthalter, und führten eine neue Regierung ein, um die Gibellinen des Anteils an den Staatsgeschäften zu berauben und die Großen im Zaume zu halten. Es war im Jahre 1282 und die Innungen der Gewerbe, mit ihren Beamteten und Bannern, waren sehr geachtet, so daß, auf diese sich stützend, die Neuerer verordneten, daß statt vierzehn Bürger nur drei gewählt werden sollten, unter dem Namen von Prioren zwei Monate lang die Republik zu regieren. Es kam nicht darauf an, ob sie zu Popolan- oder Adelsfamilien gehörten, sofern sie Handel trieben oder in eine Zunft eingeschrieben waren. Später wurde die Zahl des ersten Magistrats auf sechs, nämlich einen für jedes Sechstel, erhöht, welche Zahl bis zum Jahr 1342 sich hielt, wo man die Stadt in Viertel einteilte und acht Prioren ernannte, wenn auch bei besonderen Veranlassungen bisweilen zwölf bestellt wurden. Dieser Magistrat ward, wie wir später sehen werden, schuld am Sturze des Adels: denn letzterer wurde verschiedener Vorfälle wegen davon ausgeschlossen und sodann rückhaltlos vom Volke unterdrückt. Anfangs fügte der Adel sich darein, weil er in sich uneins war: indem eine Partei der andern die Macht entreißen wollte, verloren die einen wie die andern. Für die Prioren wurde ein Palast eingerichtet, ihre beständige Wohnung zu sein, während nach früherer Sitte die Magistrate in den Kirchen zusammenkamen, in denen auch die Ratsversammlungen gehalten wurden. Auch mittels unterer Beamten und Diener wurde ihnen äußerlich Ehre gegeben. Und obgleich sie anfangs bloß Prioren hießen, fügte man nachmals zu größerer Auszeichnung das Wort: Signoren hinzu.
Eine Zeitlang war nun Ruhe im Innern; währenddessen entstand ein Krieg mit den Aretinern, welche die Guelfen ausgewiesen hatten und in Campaldino eine blutige Niederlage erlitten (1289).Die Schlacht von Campaldino (im Casentino, unterhalb Poppi) ereignete sich am 11. Juni. Die Führer der Gibellinen, Guglielmino, Bischof von Arezzo, und Buonconte von Montefeltro, fielen. Anführer der Florentiner war Amauri von Narbonne, König Carls II. Feldhauptmann. Unter den Mitkämpfenden war Dante Alighieri. Da unterdes die Stadt an Bewohnern und Reichtümern zunahm, schien es auch geraten, sie zu vergrößern. So wurde der neue Mauerkreis angelegt (1293), der noch heutigen Tages vorhanden ist. Ehemals ging die Stadt auf der Nordseite von der alten Brücke an nicht über S. Lorenzo hinaus.
Die auswärtigen Kriege und die innere Ruhe hatten Gibellinen und Guelfen in Florenz ein Ende gemacht. Nur jener Unfriede blieb, der in allen Städten zwischen Mächtigen und Volk zu bestehen pflegt. Denn da das Volk nach den Gesetzen zu leben wünscht, die Mächtigen aber den Gesetzen befehlen zu dürfen glauben, so können sie unmöglich miteinander auskommen. Solange die Gibellinen zu Besorgnis Anlaß gaben, kam dieser Unfriede nicht zum Vorschein: als aber diese unterlegen waren, gab er sich in aller Stärke kund. Jeden Tag wurde irgendein Popolan beleidigt oder geschädigt, und Gesetze und Magistrate reichten nicht hin, ihm Genugtuung zu verschaffen, denn jeder Adelige verteidigte sich mit Verwandten und Freunden gegen die Macht der Prioren und des Capitano del popolo. Die Vorsteher der Zünfte, von dem Wunsche beseelt, solchen Mißverhältnissen abzuhelfen, verordneten daher zugleich mit jeder neuen Signorie bei der Übernahme des Amtes die Ernennung eines Bannerherrn der Gerechtigkeit (Gonfaloniere di giustizia), eines Popolanen, welchem tausend Mann unter zwanzig Bannern untergeordnet sein und welcher mit seiner Fahne und seinen Bewaffneten bereit sein sollte, die Rechte der Bürger zu schützen, so oft er von den Zünften oder vom Capitano (Hauptmann) dazu aufgefordert werden würde. Der zuerst Gewählte war Ubaldo Ruffoli (1293). Dieser zog mit seinem Banner aus und zerstörte die Häuser der Galletti, weil einer aus dieser Familie einen vom Volke in Frankreich getötet hatte. Es wurde den Zünften leicht, eine solche Einrichtung zu treffen, weil schwerer Unfriede unter den Adeligen herrschte, die nicht eher auf die gegen sie angeordnete Maßregel achteten, bis sie sahen, mit welcher Entschiedenheit man gegen sie verfuhr. Anfangs jagte ihnen dies große Furcht ein, nachmals aber kehrte ihr alter Übermut zurück. Denn da stets einige von ihnen unter den Signoren saßen, so wurde es ihnen nicht schwer, den Gonfaloniere an der Ausübung seines Amtes zu hindern. Da überdies der Ankläger eines Zeugen bedurfte, wenn ihm eine Beleidigung widerfuhr, so fand sich oft niemand, der gegen einen Adeligen Zeugnis ablegen wollte. Darum ereigneten sich bald wieder die nämlichen Unordnungen, und das Volk erlitt von den Großen die nämlichen Unbilden: denn die Richter waren träge und die Urteilssprüche blieben ohne Wirkung. Als nun die Popolanen nicht wußten, welchen Entschluß sie fassen sollten, machte Giano della Bella,Wie Giano della Bella des Adels Sache für die des Volkes aufgegeben, sagt Dante (Paradies, XVI, 131). ein Mann von sehr vornehmem Geschlecht, aber ein Freund der Freiheit der Stadt, den Vorstehern der Zünfte Mut zu einer Umänderung der Verfassung. Nach seinem Rate ward verordnet, daß der Gonfaloniere unter den Prioren sitzen und viertausend Mann unter seinen Befehlen haben sollte. Der Adel wurde völlig vom Priorenamte ausgeschlossen; die Verwandten des Schuldigen wurden der Strafe unterworfen, die diesen traf; die öffentliche Meinung sollte zum Urteil hinreichen. Durch diese Gesetze, welche man die Vorschriften der Gerechtigkeit (ordinamenti della giustizia) nannte, erlangte das Volk großes Ansehen und Giano della Bella zog sich heftigen Haß zu. Denn er war bei den Großen übel angeschrieben, weil er ihre Macht zerstört hatte, und die reichen Popolanen beneideten ihn, weil seine Autorität ihnen zu groß vorkam. Dies gab sich bei dem ersten Anlaß kund. Der Zufall wollte, daß ein Popolan in einem Streite umkam, an welchem mehrere vom Adel Teil hatten, unter andern Messer Corso Donati, welchem, weil er der kühnste von allen, schuld gegeben ward, worauf der Capitano del popolo ihn verhaftete. Wie nun auch die Sache gegangen sein mag, sei es, daß Messer Corso schuldlos befunden worden, sei es, daß der Capitano sich scheute ihn zu verurteilen: er wurde freigesprochen. Dies Urteil mißfiel dem Volke so sehr, daß es die Waffen ergriff und nach der Wohnung Gianos della Bella zog, indem es ihm anlag, er solle für die treue Beobachtung der durch ihn aufgekommenen Gesetze sorgen. Giano, der Messer Corsos Bestrafung wünschte, hieß das Volk nicht die Waffen niederlegen, wie viele für gut hielten, sondern riet, sie sollten zu den Prioren gehen und sich beschweren und auf irgendeine Maßregel dringen. Die Menge, von Unwillen erfüllt, auf den Capitano erzürnt und von Giano sich verlassen glaubend, zog nicht zu den Signoren, sondern zum Palast des Capitano, welchen sie einnahm und plünderte. Diese Handlung mißfiel allen Bürgern und die Gegner Gianos maßen ihm alle Schuld bei, so daß er, da in der nachmaligen Signorie mehrere seiner Feinde saßen, beim Capitano angeklagt ward, als habe er die Menge aufgereizt. Während die Sache verhandelt wurde, griff das Volk zu den Waffen und eilte zu seiner Wohnung, indem es ihm gegen die Signoren und seine Gegner Hilfe anbot. Giano aber wollte weder der Volksgunst noch den Magistraten sich anvertrauen, indem er der letzteren Tücke, der ersteren Wankelmut in gleichem Maße fürchtete. Um also seinen Feinden die Gelegenheit zu nehmen, ihm Unbilden zuzufügen, seinen Freunden aber keinen Anlaß zu geben, die Ruhe der Stadt zu stören: beschloß er, sich zu entfernen, dem Neide zu weichen, die Bürger von ihrer Besorgnis zu befreien und eine Stadt zu verlassen, welche er mit eigner Last und Gefahr dem Joche der Mächtigen entzogen hatte. So wählte er denn eine freiwillige Verbannung.
Nach seiner Abreise gewann der Adel neue Hoffnung, zu seiner frühern Stellung zu gelangen (1295). Da die Vornehmen glaubten, ihre eigne Uneinigkeit trage die Schuld des Unheils, so traten sie zusammen und sandten zwei der ihrigen zu der Signorie, welche sie für günstig gesinnt hielten, mit der Bitte, daß es ihr gefallen möchte, die Härte der gegen sie erlassenen Verordnungen einigermaßen zu mildern. Als dies Gesuch bekannt ward, beunruhigte es sehr die Popolanen: denn sie fürchteten, die Signorie werde jenen das Verlangte gewähren. So veranlaßte denn das Begehren des Adels einerseits, andrerseits der Verdacht des Volkes, daß man zu den Waffen griff. Der Adel rottete sich an drei Orten zusammen, bei San Giovanni, auf dem neuen Markte und auf dem Platze der Mozzi, unter drei Anführern, Messer Forese Adimari, Messer Vanni de'Mozzi und Messer Geri Spini. Die Popolanen aber kamen in großer Zahl unter ihren Bannern beim Palast der Signoren zusammen, die damals bei der Kirche S. Procolo wohnten. Und weil das Volk der Signorie nicht traute, ernannte es sechs Bürger, die mit ihr sitzen sollten. Während beide Teile zum Kampfe sich vorbereiteten, traten einige vom Volke wie vom Adel, nebst einigen geachteten Mönchen dazwischen, um Frieden zu stiften, indem sie den Adeligen in Erinnerung brachten, wie ihr Hochmut und ihre schlimme Verwaltung schuld gewesen an der Minderung ihres früheren Ansehens und an den gegen sie erlassenen Gesetzen und wie ihre jetzige Schilderhebung und der Versuch, durch Gewalt wiederzuerlangen, was sie durch Zwist und durch unkluges Benehmen eingebüßt, keinen andern Erfolg haben könne, als den Ruin ihrer Vaterstadt und die Verschlimmerung ihrer eignen Lage. Sie möchten in Betracht ziehn, daß das Volk an Zahl, Reichtum und feindseliger Entschlossenheit ihnen weit überlegen sei, und daß der Adel, durch welchen sie über die andern erhaben sich dünkten, beim Kampfe ein leerer Name sei, der nicht hinreiche, gegen so viele sie zu schützen. Dem Volke andrerseits stellten sie vor, wie es nicht klug sei, in allem vollständigen Sieg zu wollen, und wie es töricht, Leute zur Verzweiflung zu bringen, da Übel nicht fürchte, wer Gutes nicht hoffe; wie sie in Betracht ziehn müßten, daß es der Adel sei, der in den früheren Kämpfen die Stadt zu Ehren gebracht, und wie deshalb eine gehässige Verfolgung desselben weder gut noch gerecht genannt werden könne; wie der Adel wohl die Ausschließung vom höchsten Magistrat ertrage, nicht aber eines jeden Befugnis anerkenne, ihn in Gemäßheit der gegen ihn erlassenen Verordnungen aus der Stadt zu verweisen. Es sei also ratsam, diese Verordnungen zu mildern und dadurch den Frieden herzustellen; sie möchten nicht auf ihre Menge vertrauend auf Waffenglück es ankommen lassen: denn oft schon habe man gesehn, daß viele von wenigen besiegt worden seien. Des Volkes Ansichten waren geteilt. Viele wünschten den Kampf, in der Meinung, daß es, früher oder später, doch einmal dazu kommen müsse und daß es besser sei, den Streit jetzt zu schlichten als dann, wenn die Feinde neue Macht gewonnen. Glaube man, der Adel werde sich begnügen mit einer Milderung der Gesetze, so möge man sie mildern: sein Stolz aber sei von der Art, daß er nimmer ruhen würde, wenn nicht gezwungen. Andern, die gemäßigter und klüger, schien es, daß auf eine Milderung der Gesetze nicht viel ankomme, wohl aber auf den Beginn des Kampfes. Ihre Meinung überwog, und es wurde beschlossen, daß zur Begründung von Klagen gegen den Adel Zeugen nötig sein sollten.
Nachdem man die Waffen niedergelegt, währte bei beiden Parteien der Verdacht und jede verstärkte sich durch Burgen und Waffen. Das Volk ordnete die Verwaltung von neuem und übertrug sie einer geringeren Zahl von Personen, wozu es in der dem Adel günstigen Gesinnung jener Signoren einen Grund fand. Die vornehmsten unter den Popolanen waren damals die Mancini, Magolotti, Altoviti, Peruzzi und Cerretani. Nach dieser Veränderung wurde, zu größerer Auszeichnung wie Sicherheit der Signorie, im Jahre 1298 der PalastPalazzo dei Signori, jetzt Palazzo vechio. Der erste Beschluß zum Bau ist vom J. 1294, ein anderer Beschluß vom 30. Dez. 1298. Im J. 1299 wurden Wohnungen und Baustellen bei S. Piero Scheraggio gekauft, unter andern die Turmwohnung der Foraboschi. Architekt: Arnolfo di Cambio aus Colle im Elsatal, genannt Arnolfo di Lapo. derselben gegründet und die Stelle, wo ehemals die Häuser der Uberti standen, zum Platze vor demselben gemacht. Um dieselbe Zeit begann man den Bau öffentlicher Gefängnisse,Die Carceri nuove, nachmals Le Stinche genannt, nach einem Kastell im Grevetal. Im J. 1834 zu andern Zwecken bestimmt und umgebaut. welche Gebäude innerhalb weniger Jahre vollendet wurden. Nie war unsere Stadt in einem glücklichern und bessern Zustande als damals, wo sie reich war an Bewohnern, an Schätzen, an Ehre. Der waffenfähigen Bürger waren dreißigtausend, zu welchen siebzigtausend aus dem Gebiete kamen. Von Toscana war ein Teil untertan, der andere befreundet. Und fanden auch zwischen Adel und Volk Reibungen und Verdacht statt, so kam es doch zu keinen schlimmen Taten, und alle lebten einig und im Frieden. Wäre dieser Friede durch innere Zwietracht nicht von neuem gestört worden, so hätte er äußere Anfeindung nicht zu fürchten gebraucht: denn die Stadt war so stark, daß weder das Reich noch die Verbannten ihr Besorgnis einflößen konnten, und sie allen Staaten Italiens hätte entgegentreten dürfen. Das Übel aber, das von außen nicht kommen konnte, fügte heimischer Zwist ihr zu.
Es gab in Florenz (1300) zwei Familien, die CerchiDie Cerchi nennt Dante (Paradies, XVI, 65) als Herrn von Acona; sie ließen sich dann in Florenz nieder, wo sie durch Macht und Reichtümer glänzten. Die Reste ihrer Wohnungen sieht man zwischen der Piazza del Granduca und der Badia, wo noch zwei Straßen und ein Platz nach ihnen benannt werden. und Donati, mächtig durch die Zahl ihrer Glieder, durch Adel und Reichtum. Zwischen ihnen, welche durch Landbesitz Nachbarn waren, hatte einige Mißhelligkeit stattgefunden, nicht indes von der Art, daß es zu offenem Kampfe gekommen wäre. Vielleicht wäre ihre Feindschaft ohne ernste Wirkungen geblieben, hätten nicht äußere Ursachen sie gemehrt. Zu den ersten Geschlechtern Pistojas gehörte das der Cancellieri. Es traf sich einmal, daß Lore, der Sohn des Messer Guglielmo, und Geri, der Sohn des Messer Bertaccio, alle aus dieser Familie, miteinander spielten und, da sie in Wortwechsel gerieten, Geri von Lore leicht verwundet wurde. Dies mißfiel dem Messer Guglielmo, und indem er durch Freundlichkeit dem Übel ein Ende zu machen suchte, mehrte er es: denn er befahl seinem Sohne, nach der Wohnung des Vaters des Verletzten zu gehn und ihn um Entschuldigung zu bitten. Lore gehorchte, aber dieser Beweis von Versöhnlichkeit milderte den wütenden Groll Messer Bertaccios nicht: er ließ Lore durch seine Dienstleute greifen, die Hand ihm zu größerem Schimpf auf einem Troge abhauen, und sandte ihn heim mit den Worten: Sag' deinem Vater, Wunden heile man mit Eisen, nicht mit Reden. Die Grausamkeit dieser Tat erregte in solchem Grade Guglielmos Unwillen, daß er die Seinen bewaffnete, um Rache zu üben. Auch Messer Bertaccio rüstete sich zur Verteidigung, so daß nicht diese Familie allein, sondern ganz Pistoja in Parteien zerfiel. Und da die Cancellieri von Messer Cancelliere abstammten, welcher zwei Frauen gehabt, von denen einen Bianca hieß, so nannte sich die eine Partei nach dieser die Weiße, während man die andere, in entgegengesetzter Bezeichnung, die Schwarze hieß. Viele Händel fielen zwischen diesen vor, viele Menschen verloren ihr Leben, viele Häuser wurden zerstört. Da sie miteinander sich nicht zu einigen vermochten und, doch des Unheils müde, entweder ihrer Feindschaft ein Ende zu machen, oder durch Hineinziehung anderer sie ins Große zu treiben wünschten, so kamen sie nach Florenz. Die Schwarzen, mit den Donati bekannt, fanden Aufnahme bei Messer Corso, dem Haupte dieser Familie, weshalb die Weißen, um gegen diese einen kräftigen Schutz zu haben, an Messer Vieri de'Cerchi sich wandten, einen Mann, der Messer Corso in keiner Beziehung nachstand.
Dieser von Pistoja gekommene Unfriede mehrte den alten Haß zwischen den Cerchi und Donati, und dieser ward so offenbar, daß die Prioren und übrigen guten Bürger fürchteten, sie würden jeden Augenblick aneinandergeraten und die Stadt in neue Verwirrung stürzen. Deshalb wandten sie sich an den Papst und baten ihn, er möge in seiner Machtvollkommenheit ein Mittel gegen diesen Hader anwenden, welches sie mit eigner Macht nicht anwenden könnten. Der Papst ließ Messer Vieri kommen und gab ihm auf, mit den Donati Frieden zu schließen. Vieri stellte sich verwundert und sagte, er führe keinen Krieg mit jenen: da nun ein Friedensschluß Krieg voraussetze, so wisse er nicht, was Friede solle, wo kein Kampf sei. Als nun Vieri von Rom zurückkehrte, ohne daß etwas zustande gekommen wäre, so steigerte sich die Gereiztheit in solchem Maße, daß jeder, auch der kleinste Zufall das Signal zum offnen Bruch geben konnte. Dies geschah denn auch wirklich. Es war im Monat Mai, während dessen öffentliche Festlichkeiten in Florenz stattfinden. Einige junge Leute aus dem Geschlechte der Donati, von mehreren ihrer Freunde begleitet, hielten eines Tages zu Pferde auf dem Platze vor der Kirche Santa Trinità, um Frauen tanzen zu sehn. Auch einige von den Cerchi, von einer Schar Edelleute gefolgt, kamen dazu, und da sie die vor ihnen stehenden Donati nicht kannten und besser sehn wollten, drängten sie mit ihren Rossen so sehr vorwärts, daß sie an jene anrannten. Sich für beleidigt haltend, griffen die Donati zu den Waffen, die Cerchi desgleichen, und sie trennten sich erst, nachdem auf beiden Seiten viele verwundet worden waren. Dies war der Anfang eines neuen Streites, der Adel wie Volk veruneinigte, und wobei die Parteien die Namen der Weißen und Schwarzen annahmen. Häupter der Weißen waren die Cerchi und zu ihnen hielten die Adimari, die Abati, ein Teil der Tosinghi, der Bardi, der Rossi, der Frescobaldi, der Nerli und Mannelli, alle Mozzi, Scali, Gherardini, Cavalcanti, Malespini, Bostichi, Giandonati, Vecchietti und Arrigucci. Viele Popolanfamilien scharten sich zu diesen nebst allen in Florenz befindlichen Gibellinen, so daß ihnen, ihrer großen Zahl wegen, die Verwaltung der Stadt beinahe ganz gehörte. Andrerseits waren die Donati Häupter der Schwarzen, und zu ihnen hielten solche Mitglieder der oben bezeichneten Häuser, welche nicht zur weißen Partei gehörten, überdies alle Pazzi, Visdomini, Manieri, Bagnesi, Tornaquinci, Spini, Buondelmonti, Gianfigliazzi, Brunelleschi. Nicht auf die Stadt allein beschränkte sich diese Feindschaft: sie erstreckte sich über das ganze Gebiet. Die Capitani der guelfischer Partei und alles, was es mit dieser Faktion und der Republik hielt, fürchteten deshalb sehr, dieser Unfriede werde zum Nachteil der Stadt die gibellinische Partei wieder ins Leben rufen. Darum sandten sie zu Papst Bonifaz, damit er auf eine Abhilfe denke, wenn er nicht wolle, daß die Stadt, welche stets der Kirche Schild gewesen, zugrunde gehe oder gibellinisch werde. Der Papst sandte den Kardinal von Porto, Matteo von Acquasparta,Matteo, aus Acquasparta in Umbrien, General der Franziskaner, gest. zu Rom 1302. als Legat nach Florenz, und da dieser bei den Weißen auf Schwierigkeiten stieß, indem dieselben weniger fürchteten, weil sie sich für die Stärksten hielten, so zog er unwillig ab und ließ die Stadt im Interdikt. So herrschte nach seiner Abreise größere Verwirrung als vor seiner Ankunft.
Während nun aller Gemüter gereizt waren, traf es sich, daß bei einer Leichenfeier, wo viele der Cerchi und Donati zusammen sich einfanden, man zu Worten kam, dann zu den Waffen griff, woraus indes damals nur Tumult entstand. Als nun jeder nach Hause gegangen, beschlossen die Cerchi die Donati anzugreifen und suchten sie auch mit einer großen Schar der ihrigen: aber die Tapferkeit Messer Corsos schlug ihren Angriff ab und viele zogen verwundet heim. Die ganze Stadt war in Waffen; die Prioren und die Gesetze vermochten nichts gegen die Mächtigen; die weisesten und besten Bürger waren voll Besorgnis. Die Donati und ihre Partei fürchteten mehr, weil sie die Schwächeren waren. Deshalb verband sich Messer Corso mit den übrigen Häuptern der Schwarzen und mit den Hauptleuten der guelfischen Partei, und sie beschlossen, den Papst zu bitten, einen von königlichem Blute zu senden, um Florenz umzugestalten, indem sie auf solche Weise über die Weißen zu siegen hofften. Diese Zusammenkunft und Beschlußnahme kamen zu den Ohren der Prioren und wurde von den Gegnern als eine Verschwörung gegen die Freiheit ihnen zur Last gelegt. Da beide Parteien bewaffnet waren, so faßten die Signoren, auf den Rat wie durch die Weisheit Dantes, welcher zu jener Zeit unter ihnen saß, neuen Mut und hießen das Volk sich waffnen, welchem viele aus der Landschaft sich anschlossen. Hierauf nötigten sie die Häupter, die Waffen niederzulegen, und sandten Messer Corso und andere der Schwarzen in die Verbannung. Und um ihre Unparteilichkeit an den Tag zu legen, verbannten sie auch mehrere der Weißen, welche indes nicht lange darauf aus anscheinend gültigen Gründen zurückkehrten.
Messer Corso und die Seinen, welche an eine günstige Gesinnung des Papstes glaubten, begaben sich nach Rom (1301), und indem sie Bonifaz mündlich vortrugen, was sie ihm schon schriftlich gemeldet, erreichten sie ihre Absicht. Am Hofe zu Rom befand sich Carl von Valois, Bruder des Königs von Frankreich, vom Könige von Neapel nach Italien berufen, um mitzuwirken zur Wiedereroberung Siziliens. Auf die Bitten der Florentiner gestattete der Papst, daß Carl sich bis zur Zeit, wo die Seefahrt unternommen werden könnte, nach Toscana begeben sollte. So kam denn der Prinz, und obgleich die Weißen in großer Besorgnis waren, wagten sie doch sein Kommen nicht zu hindern, da er Haupt der Guelfen und päpstlicher Abgesandter war. Aber um ihn sich zum Freunde zu machen, erteilten sie ihm Machtvollkommenheit, über die Angelegenheiten von Florenz nach seinem Gutdünken zu verfügen. Nachdem Carl diese Autorität erhalten, ließ er alle seine Anhänger sich bewaffnen, was bei dem Volke einen solchen Verdacht erregte, der Prinz könnte gegen die Freiheit etwas versuchen, daß alle sich rüsteten und in ihren Wohnungen bereit hielten, falls jener irgendeine Bewegung machen sollte. Die Cerchi und die Häupter der Weißen, welche eine Zeitlang das Ruder geführt und sich hochmütig gezeigt hatten, waren allgemein verhaßt, was Messer Corso und den übrigen Verbannten der schwarzen Partei Mut einflößte, nach Florenz zurückzukehren, um so mehr, als sie wußten, daß der Prinz und die Parteihauptleute (Capitani di parte) günstig für sie gestimmt waren. Und während die Stadt, wegen Verdachtes gegen den Valois, in Waffen war, kehrten Messer Corso und die andern Ausgewiesenen nebst zahlreichen Anhängern zurück, ohne von jemand daran gehindert zu werden. Zwar wurde Messer Vieri de'Cerchi von den Seinen bestürmt, er solle sich Messer Corso widersetzen; aber er wollte es nicht, indem er sagte, das florentiner Volk müsse den züchtigen, der als Feind heranziehe. Indes fand gerade das Gegenteil statt: Messer Corso ward empfangen und nicht gestraft, während Messer Vieri flüchten mußte, um sich zu retten. Denn jener nachdem er das Tor von Pinti erzwungen, ließ seine Schar bei San Pier maggiore halten, in der Nähe seiner Wohnungen, und nachdem dort viele Freunde und neuerungssüchtiges Volk zu ihm sich gesellt, erbrach er die Gefängnisse und ließ alle frei, die aus politischen Gründen oder wegen sonstiger Vergehen eingesperrt waren. Dann nötigte er die Signoren, ihr Amt niederzulegen und nach Hause zu gehen, und wählte eine neue Signorie aus Popolanen und Leuten von der schwarzen Partei. Fünf Tage lang wurden die Häuser der Vornehmsten unter den Weißen geplündert. Die Cerchi und die ersten ihrer Anhänger hatten die Stadt verlassen und auf ihre Kastelle sich zurückgezogen, als sie Carl übelwollend und den größten Teil des Volkes feindlich gesinnt sahen. Und während sie früher des Papstes Rate nicht hatten folgen wollen, waren sie jetzt genötigt, ihn um Hilfe anzusprechen, indem sie ihm zeigten, wie Carl gekommen, in Florenz Zwietracht zu säen, statt Eintracht zu fördern. Deshalb sandte Bonifaz von neuem den Kardinal von Acquasparta als seinen Legaten, und dieser schloß Frieden zwischen Cerchi und Donati, und befestigte ihn durch Verschwägerungen und Ehebündnisse. Als er aber verlangte, daß die Weißen auch an den Ämtern teilnehmen sollten, gaben die Schwarzen dies nicht zu, so daß der Legat mit nicht geringerem Unwillen abzog, als das erste Mal, und die ungehorsame Stadt im Interdikte ließ (1302).
So blieben denn in Florenz beide Parteien, jede mißvergnügt. Die Schwarzen, welche ihre Gegner neben sich sahen, fürchteten, diese würden sie stürzen und ihre ehemalige Autorität wiedererlangen; die Weißen sahen sich des Einflusses und der Ehrenämter beraubt. Neue Unbilden mehrten Groll und Verdacht. Messer Niccolò de'Cerchi zog mit einigen seiner Freunde nach einer seiner Besitzungen und wurde, als er zum Ponte ad Affrico kam, von Simone Donati angegriffen. Der Kampf währte lange und hatte auf beiden Seiten ein beklagenswertes Ende: denn Niccolò blieb auf dem Platze, und Simone wurde so gefährlich verwundet, daß er in der folgenden Nacht den Geist aufgab. Dieser Vorfall regte von neuem die ganze Stadt auf, und obgleich die Schuld der Schwarzen bei weitem die größere war, wurden sie doch von den Regierenden in Schutz genommen. Noch war die Sache nicht entschieden, so entdeckte man eine Verschwörung der Weißen mit Messer Piero Ferrante, einem aus dem Gefolge des Prinzen, deren Zweck war, den Weißen wieder zur Macht zu verhelfen. Die Entdeckung fand durch aufgefangene Briefe der Cerchi an den genannten Baron statt, obgleich viele der Meinung waren, die Briefe seien falsch und von den Donati untergeschoben gewesen, um die Schande, welche sie durch die Ermordung des Messer Niccolò sich zugezogen, zu verbergen. Deshalb wurden die Cerchi mit ihren Anhängern ins Exil geschickt, unter ihnen Dante der Dichter; ihre Güter wurden eingezogen, ihre Häuser niedergerissen (1302). In Gemeinschaft mit vielen Gibellinen, die sich ihnen anschlossen, suchten die Verbannten verschiedene Orte auf und strebten mit neuer Anstrengung nach einem günstigen Wechsel ihres Loses. Nachdem nun Carl von Valois das zustande gebracht, weshalb er nach Florenz gekommen war, zog er ab und kehrte zum Papste zurück, um den Feldzug in Sizilien zu beginnen, wobei er sich nicht klüger benahm, noch glücklicher war, als er in Florenz gewesen. Darauf kehrte er mit Schande und nach dem Verluste vieler der Seinigen heim nach Frankreich.
Nach Carls Abzug lebte man in Florenz ziemlich ruhig. Nur Messer Corso kannte keine Ruhe, weil es ihm schien, er nehme im Staate nicht die Stelle ein, auf die er Anspruch zu haben glaubte. Im Gegenteil sah er, da das Regiment ein volkstümliches war, viele, an Adel unter ihm Stehende, in Einfluß und Würde. Von dieser Ehrsucht und Mißgunst angetrieben, suchte er seine unredlichen Absichten unter einer redlichen Außenseite zu verbergen, und klagte viele Bürger, welche öffentliche Gelder zu verwalten gehabt, der Unehrlichkeit an, indem er vorschlug, sie zur Verantwortung zu ziehen. Dieser Meinung stimmten viele bei, die dasselbe Verlangen hegten. Andere teilten diese Ansicht, weil sie im Wahne standen, Vaterlandsliebe sei der Beweggrund von Messer Corsos Handlungen. Andererseits verteidigten sich die angeschuldigten Bürger, welche beim Volke in Gunst standen. Dieser Streit nun ging so weit, daß man von den Worten und der Untersuchung zum Kampfe kam. Auf der einen Seite standen Messer Corso und Messer Lottieri, Bischof von Florenz, mit vielen Großen und einigen Popolanen, auf der andern die Signoren mit der großen Masse des Volks. So focht man in mehreren Straßen der Stadt. Als die Signoren die große Gefahr sahen, die ihnen drohte, sandten sie nach Lucca um Beistand, und sogleich war ganz Lucca in Florenz, und mit Hilfe dieses Volkes wurden für den Augenblick die Sachen beigelegt: der Tumult nahm ein Ende und alles blieb in den bisherigen Verhältnissen. Aber auch die Urheber der Unordnungen blieben ungestraft (1304).
Der Papst hatte von diesen Zwistigkeiten vernommen und sandte Messer Niccolò von PratoNiccolò Albertini oder Martini aus Prato, Dominikaner, Kardinal 1303, als Bischof von Ostia 1321 zu Avignon gestorben. als Legat, ihnen ein Ende zu machen. Dieser, wegen seines Ranges, seiner Gelehrsamkeit und seines Verhaltens hochgeachtet, erwarb sogleich so großes Vertrauen, daß man es ihm überließ, nach seinem Gutdünken die Dinge zu ordnen. Da er zur gibellinischen Partei gehörte, dachte er daran, die Verwiesenen zurückzurufen. Aber zuvor wollte er die Menge gewinnen und erneute deshalb die alten Kompagnien des Volkes, wodurch er dessen Macht ebensosehr hob, wie er die des Adels minderte. Als es nun dem Legaten schien, er habe sich die Menge gewogen gemacht, versuchte er die Rückberufung der Verbannten zu erwirken, und er schlug dazu mehrere Wege ein. Aber nicht nur erreichte er seine Absicht nicht, sondern machte bei denen, welche die Verwaltung leiteten, so großen Verdacht rege, daß er zur Abreise genötigt ward, voll Grolls zum Papst zurückkehrte und Florenz voll Verwirrung und abermals im Interdikt zurückließ. Nicht eine Feindschaft trübte den Frieden dieser Stadt, sondern mehrere, denn da war Haß zwischen Volk und Adel, zwischen Gibellinen und Guelfen, zwischen Weißen und Schwarzen. Die Bürger standen also wieder gerüstet da, und häufige Fehden fielen vor, denn viele schmerzte des Legaten Abreise, da sie die Rückkehr der Verbannten wünschten. Die ersten, welche wiederum Unordnungen veranlaßten, waren die Medici und Giugni, die, den Rebellen günstig, mit dem Kardinal ihre Rückberufung geplant hatten. Man schlug sich in den Straßen der Stadt. Zu diesen Übeln kam die Feuersbrunst, welche in den Häusern der Abati begann, dann die Wohnungen der Caponsacchi ergriff und die der Macci, Amieri, Toschi, Cipriani, Lamberti und Cavalcanti und den ganzen neuen Markt in Asche legte, nach dem Tore Santa Maria sich verbreitete und dort alles verzehrte, hierauf von der alten Brücke aus die Häuser der Amidei, Gherardini, Pulci, Lucardesi und unzählige andere zerstörte. Im ganzen sollen gegen tausendsiebenhundert Gebäude ein Raub der Flammen geworden sein. Nach einiger Leute Meinung kam dies Feuer in der Hitze des Kampfes zufällig auf. Andere aber behaupten, Neri Abati, Prior von San Piero Scheraggio, ein wüster, übelgesinnter Mann, habe es angelegt. Es hieß, dieser habe, als er das Volk im Kampfe gesehen, den Plan gefaßt, irgendein Unheil zu veranlassen, gegen welches in der augenblicklichen Verwirrung keine Hilfe zu finden sein würde.
Und damit es ihm besser gelänge, legte er bei seinen eignen Verwandten Feuer an, wo es ihm am leichtesten war. Es war im Monate Juli 1304, als Florenz durch Feuer und Schwert so arg verwüstet wurde. Messer Corso Donati allein waffnete sich nicht inmitten dieser unsäglichen Verwirrung, indem er auf solche Weise leichter zum Schiedsrichter beider Parteien sich aufwerfen zu können glaubte, sobald diese des Kampfes müde zum Vertrage sich verstehen würden. Die Waffenruhe war eher Folge von Ermattung als von Einigung: das einzige Resultat war, daß die Verbannten nicht zurückkehrten, und die sie begünstigende Partei den kürzern zog.
In Rom angekommen und von den neuen Unordnungen unterrichtet, stellte der Legat dem Papste vor, das einzige Mittel zur Beruhigung von Florenz sei, zwölf Bürger von den Einflußreichsten der Stadt zu sich kommen zu lassen, und auf solche Weise das Feuer zu löschen, indem man ihm die Nahrung entziehe. Auf diesen Rat ging der Papst ein, und die Gerufenen, unter ihnen Corso Donati, stellten sich. Hierauf ließ der Legat die Verbannten wissen, jetzt sei es Zeit zurückzukehren, da die Stadt ihrer Häupter beraubt sei. Diese brachten einen Haufen zusammen, drangen, da die Mauern noch nicht vollendet, in die Stadt ein und rückten bis zum Platze von San Giovanni vor. Es war nun hierbei ein bemerkenswerter Umstand, daß jene, welche kurz zuvor für die Wiederaufnahme der Verbannten gekämpft, als diese waffenlos in die Heimat zurückkehren zu dürfen baten, jetzt, als sie dieselben ihre Rückkehr mit Gewalt erzwingen wollen sahen, die Waffen wider sie ergriffen. So viel höher galt bei diesen Bürgern das allgemeine Beste als die persönliche Freundschaft. Mit dem ganzen Volke sich vereinigend, nötigten sie also jene zurückzukehren, von wo sie gekommen waren. Der Plan der Verbannten mißlang, weil sie einen Teil ihrer Mannschaft bei der Lastra22. Juli. zurückgelassen und Messer Tolosato Uberti nicht erwartet hatten, der ihnen von Pistoja dreihundert Reiter zuführen sollte. Denn sie dachten, Schnelligkeit werde ihnen den Sieg eher sichern als Heeresmacht. Nachdem die Weißen und Gibellinen abgezogen, begann der alte Unfriede wieder. Um die Familie Cavalcanti ihrer Macht zu berauben, nahm das Volk derselben das ihr gehörende Castell Le Stinche im Greve Tal.August 1304. Und da die daselbst gemachten Gefangenen die ersten waren, welche in den neuen Kerker eingeschlossen wurden, so wurde dieser nach jenem Castell Le Stinche genannt, welchen Namen er jetzt noch führt. Zu jener Zeit (1307) erneuerten die, so die Republik regierten, die Kompagnien des Volkes und gaben ihnen Banner, während früher bloß die Zünfte dergleichen getragen hatten. Die Anführer wurden Gonfalonieren (Bannerführer) der Kompagnien und Kollegen der Signoren genannt und sollten der Signorie im Kampfe mit den Waffen beistehn, im Frieden mit Rat. Den beiden schon bestehenden Rektoren wurde ein Exekutor beigegeben, welcher zugleich mit den Gonfalonieren den übermütigen Adel im Zaume halten sollte.
Unterdessen war der Papst gestorbenDie Chronologie ist undeutlich bezeichnet: Papst Benedict XI. starb bereits am 6. Juli 1304 zu Perugia. und Messer Corso und die übrigen Bürger waren aus Rom zurückgekehrt. Man würde in Frieden gelebt haben, hätte Corsos unruhiger Geist nicht neue Verwirrung veranlaßt. Um sich in Ansehn zu erhalten, hatte dieser immerfort der Meinung der mächtigsten Bürger widersprochen, und wohin er das Volk sich neigen sah, dahin legte er das Gewicht seiner Ansicht, um in dessen Gunst zu steigen. So war er Urheber aller Mißverständnisse und Neuerungen und an ihn wandten sich alle, die etwas Ungewohntes zu erhalten wünschten. Deshalb haßten ihn viele einflußreiche Bürger, und dieser Haß steigerte sich in solchem Maße, daß die Partei der Schwarzen einer offenbaren Spaltung entgegenging, indem Messer Corso der Macht und Autorität der einzelnen sich bediente, seine Widersacher aber auf das Gemeinwesen sich stützten. So groß war indes Corsos persönlicher Einfluß, daß jeder ihn fürchtete. Um ihm nun die Volksgunst zu rauben, streuten seine Feinde das Gerücht aus, er strebe nach der Alleingewalt: denn sie wußten wohl, daß jene Gunst dergleichen Anschuldigungen am schwersten widersteht. Sie hatten darin leichtes Spiel, weil seine Lebensweise über die Beschränktheit bürgerlicher Formen weit hinausging. Der Verdacht wurde noch dadurch genährt, daß er eine Tochter Ugucciones della Faggiuola zum Weibe nahm, des Hauptes der Gibellinen und Weißen, der in Toscana großes Ansehen genoß.Uguccione della Faggiuola, einer der talentvollsten und mächtigsten Parteigänger der Gibellinen, eine Zeitlang Herr von Pisa und Lucca, gest. vor Padua 1319. Dantes Freund und nach einiger Meinung der Veltro der Göttlichen Komödie.
Diese Verschwägerung erhöhte, als sie bekannt ward, den Mut seiner Gegner, so daß sie die Waffen ergriffen (1308), während, statt ihn zu verteidigen, die Menge aus denselben Gründen großenteils zu jenen sich scharte. Häupter seiner Feinde waren Messer Rosso della Tosa, Pazzino de'Pazzi, Geri Spini und Berto Brunelleschi. Diese mit ihren Anhängern und dem größern Teile des Volks zogen gerüstet vor den Palast der Signoren, auf deren Befehl dem Messer Piero Branca, Capitano des Volkes, eine Anklage gegen Messer Corso Donati eingehändigt ward, des Inhalts, daß dieser mit dem Beistande Ugucciones sich zum Alleinherrn aufwerfen wolle. Messer Corso wurde vorgeladen, und da er sich nicht stellte, als Rebell verurteilt. Zwischen Anklage und Urteilsspruch ließ man nicht mehr denn zwei Stunden verstreichen. Nachdem der Spruch ergangen, zogen die Signoren mit den Volkskompagnien unter ihren Bannern ihn aufzusuchen. Messer Corso auf der andern Seite, nicht geschreckt durch den Abfall vieler der Seinigen, nicht durch die Verdammung, nicht durch die Macht der Signoren, nicht durch die Zahl seiner Gegner: befestigte seine Wohnungen in der Hoffnung, in ihnen sich halten zu können, bis Uguccione, zu dem er um Hilfe gesandt, herbeikäme. Seine Häuser und die dahin führenden Straßen waren durch ihn verrammelt worden und mit seinen Parteigängern besetzt, so daß die Menge, ihrer Zahl ungeachtet, nichts gegen sie auszurichten vermochte. Der Kampf tobte unterdes fort, und auf beiden Seiten waren schon viele verwundet und geblieben. Da nun das Volk sah, daß es von den Plätzen und Straßen her nicht vordringen konnte, so besetzte es die naheliegenden Gebäude, und nachdem es diese niedergerissen, drang es auf unbeachteten Nebenwegen in Corsos Wohnung ein. Als dieser sich umringt sah und die Hoffnung auf Ugucciones Hilfe aufgeben mußte, suchte er, am Siege verzweifelnd, sein Leben zu retten. Mit Gherardo Bordoni und vielen andern seiner mutigsten und treuesten Freunde machte er deshalb einen Ausfall auf den Feind: sie brachen durch und gelangten kämpfend bis zur Porta alla Croce, welche sie hinter sich ließen. Aber viele folgten ihnen: am Bache Affrico wurde Gherardo von Boccaccio Cavicciuoli getötet, und bei Rovezzano ward Corso selbst von einigen catalanischen Reitern, die im Dienste der Signorie standen, erreicht und gefangengenommen. Als er sich aber mit ihnen Florenz wieder näherte, und er es nicht über sich gewinnen konnte, seine Feinde siegreich vor sich zu sehen und von ihnen sich mißhandeln zu lassen, ließ er sich vom Pferde fallen, und als er am Boden lag, wurde er von denen, die ihn führten, getötet. Seine Leiche ward von den Mönchen von San SalviEhemalige Vallombrosaner Abtei, eine Millie vor Porta la Croce gelegen. – Messer Corsos Tod erfolgte am 15. Sept. 1308. aufgehoben und in der Stille beigesetzt. Ein solches Ende nahm Messer Corso, von dem die Vaterstadt und die Partei der Schwarzen viel Gutes und viel Übles erfahren hatten, und dessen Andenken in größeren Ehren gehalten werden würde, wäre er minder ruhelosen Geistes gewesen. Nichtsdestoweniger verdient er zu den seltenen Bürgern gezählt zu werden, welche unsere Stadt gehabt hat. Es ist wahr, daß seine Neuerungssucht Vaterstadt und Partei vergessen ließ, wieviel sie ihm schuldeten, ihm den Tod, allen viele Übel zuzog. Uguccione, der seinem Schwiegersohn zu Hilfe kam, vernahm zu Remole, wie Messer Corso vom Volke bekämpft worden war, und da er glaubte, ihm keine Hilfe mehr leisten zu können, und fürchtete, sich selber zu schaden, ohne ihm zu nützen, kehrte er zurück des Weges, den er gekommen war.
Nach dem Tode Messer Corsos, der sich im Jahre 1308 ereignete, hörten in Florenz die Unruhen auf und man lebte in Frieden bis zur Zeit, wo man vernahm, daß Kaiser Heinrich einen Zug nach Italien unternehme, von allen florentinischen Ausgewanderten begleitet, denen er verheißen, sie wieder in ihre Heimat einzuführen. Den Häuptern der Regierung schien es also gutgetan, die Zahl der Verbannten zu mindern, um weniger Feinde zu haben, weshalb sie den Beschluß faßten, allen Rebellen die Rückkehr zu gestatten, mit Ausnahme derer, welchen die Heimkehr durch das Gesetz namentlich untersagt worden. Dies betraf die meisten Gibellinen und einige von der weißen Partei, darunter Dante Alighieri, die Söhne Messer Vieris de'Cerchi und die des Giano della Bella. Überdies ersuchten sie den König Robert von Neapel um Beistand (1312), und da sie solchen nicht als bloß Befreundete erlangen konnten, übergaben sie ihm ihre Stadt auf fünf Jahre, auf daß er sie als seine Untergebenen verteidigen möchte. Der Kaiser nahm seinen Weg über Pisa und zog durch die Maremma nach Rom, wo er im Jahre 1312 die Krone empfing. Hierauf rückte er, die Florentiner zu unterwerfen, über Perugia und Arezzo gegen die Stadt und lagerte mit seinem Heere bei dem Kloster S. Salvi, eine Millie von den Toren, wo er ohne irgendeinen Erfolg fünfzig Tage lang stehen blieb. Endlich verzweifelnd am Gelingen seines Planes, brach er auf nach Pisa, wo er mit dem König Friedrich von Sizilien ein Bündnis schloß, in welchem dieser sich zu einem Angriffe auf das Königreich Neapel verpflichtete. Von Pisa aus unternahm er sodann seinen neuen Heereszug, und als er schon den Sieg zu erringen hoffte, König Robert aber den Untergang fürchtete, überraschte ihn der Tod zu Buonconvento.24. August 1313.
Kurze Zeit darauf geschah es, daß Uguccione della Faggiuola Herr von Pisa und dann von Lucca wurde, wo die gibellinische Partei ihn hielt, worauf er mit den Streitmächten beider Städte den Nachbarn großen Schaden zufügte (1315). Um ihn los zu werden, ersuchten die Florentiner den König Robert, ihnen seinen Bruder Piero zuzusenden, auf daß dieser den Oberbefehl über ihr Heer übernehme. Auf der andern Seite ließ Uguccione nicht nach, seine Macht zu mehren, und hatte teils durch Gewalt, teils durch List viele Kastelle im Arnotale und im Tal der Nievole eingenommen. Als er nun Monte Catini belagerte, hielten die Florentiner es für nötig, dem Orte Hilfe zu leisten, indem sie nicht ihr ganzes Land von diesem Brande verzehrt sehen wollten. Nachdem sie also ein großes Heer gesammelt, zogen sie ins Nievoletal und boten Uguccione die Schlacht an. Sie war wild und blutig: die von Florenz unterlagen, Messer Piero von Anjou blieb und sein Leichnam war nicht mehr aufzufinden. Mit ihm fielen mehr denn zweitausend. Doch auch Uguccione feierte keinen fröhlichen Sieg, denn er zählte unter den Toten einen seiner Söhne nebst vielen andern Führern des Heeres.Neben Messer Pier von Anjou führte die Guelfen Filipp von Tarent, Roberts anderer Bruder. Dessen Sohn Carlotto fiel gleichfalls in der Schlacht, die am 29. August stattfand.
Nach dieser Niederlage befestigten die Florentiner die naheliegenden Orte, und König Robert sandte ihnen als Anführer den Grafen von Andria, den man den Conte Novello nannte. Sei es nun, daß von Natur diesem Volke jedes bestehende Verhältnis zuwider ist, und jeder Zufall Parteiungen veranlassen kann: kurz, des Grafen Benehmen teilte die Stadt, ungeachtet des Krieges mit Uguccione, in Freunde und Gegner des Königs (1316). Häupter der Gegner waren Messer Simone della Tosa und die Magalotti mit andern Popolanen, die in der Verwaltung einen obern Rang hatten. Diese veranlaßten, daß man erst nach Frankreich, dann nach Deutschland sandte, Truppen und Anführer zu werben, um den königlichen Statthalter zu vertreiben. Der Zufall aber wollte, daß sie keine fanden. Dennoch standen sie nicht ab von ihrem Vorhaben, und da sie kein passendes Werkzeug in jenen Ländern erzielten, holten sie sich eines aus Agobbio. Nachdem sie also vorerst den Grafen von Andria verjagt, ließen sie Lando von Agobbio als Vollzieher der Justiz oder als Bargello kommen und erteilten ihm ausgedehnte Gewalt über die Bürger. Lando aber war ein grausamer und habsüchtiger Mann, und indem er mit vielen Bewaffneten durch die Stadt zog, ließ er bald diesen, bald jenen hinrichten, nach Willkür derer, die ihn gerufen. Sein Übermut stieg in solchem Grade, daß er falsche Münzen mit dem Stempel der Republik prägen ließ, ohne daß jemand ihm sich zu widersetzen wagte: so viel Macht hatte der Unfriede der Florentiner ihm verliehen! Große zugleich und elende Stadt, welche nicht die Erinnerung an die vergangenen Parteikämpfe, nicht die Furcht vor Uguccione, nicht das Ansehen eines Königs in Eintracht zu halten vermocht hatte! Daher der unseligste Zustand, indem von außen Uguccione sie bedrängte, im Innern Lando d'Agobbio sie plünderte.
Die Anhänger des Königs waren Familien des Adels und mächtige Popolanen, alle guelfischer Gesinnung. Da aber ihre Gegner die Gewalt in Händen hielten, konnten sie nicht ohne Gefahr sich kundgeben. Nachdem sie indes den Beschluß gefaßt, so schimpflicher Tyrannei sich zu entziehen, schrieben sie heimlich dem Könige Robert, er möge den Grafen Guido von BattifolleAus dem Geschlechte der Cuidi, deren einzelne Zweige teils Gibellinen, teils Guelfen waren. zu seinem Statthalter in Florenz ernennen (1317). Sogleich ging der König darauf ein, und obgleich die Signoren diesem nicht hold waren, wagten sie doch nicht sich zu widersetzen, indem jedermann um die trefflichen Eigenschaften des Grafen wußte. Nichtsdestoweniger vermochte dieser kein großes Ansehen zu erlangen, indem die Signoren und die Gonfalonieren der Kompagnien dem Lando und seiner Partei günstig blieben. Während diese Unordnungen währten, kam durch Florenz die Tochter des deutschen Königs Albrecht, welche zu ihrem Gemahl, dem Herzog Carl, König Roberts Sohne,Carl, Herzog von Calabrien, gest. 1328. Seine Tochter war die Königin Johanna I. zog. Die Freunde des Königs ehrten diese sehr und besprachen sich mit ihr über den Zustand der Stadt und Landos Tyrannei, so daß vor ihrer Abreise, durch ihr Bemühen und das des Königs, die Bürger sich einigten, dem Lando sein Amt nahmen und ihn, mit Beute und Blut gesättigt, nach Agobbio zurücksandten. Bei der Umwandlung der Verwaltung ward dem Könige die Herrschaft auf drei nachfolgende Jahre bestätigt, und da bereits sieben Signoren von der Partei Landos gewählt waren, fügte man ihnen sechs von der königlichen hinzu, so daß es eine Zeitlang dreizehn Mitglieder der Signorie gab, welche man nachmals nach altem Gebrauche auf sieben verminderte. Um diese Zeit hatte Uguccione della Faggiuola die Herrschaft über Lucca und Pisa verloren10. April 1316. und Castruccio Castracane war aus einem Bürger von Lucca Herr der Stadt geworden. Dieser, ein kühner und mutvoller Mann, in seinen Unternehmungen vom Glück begünstigt, schwang sich bald zum Haupte der toscanischen Gibellinen auf (1320). Die Florentiner ließen einige Jahre ihre bürgerlichen Zwistigkeiten ruhen und dachten nun darauf, auf welche Weise sie sich gegen Castruccio verteidigen sollten, sowohl ehe dessen Macht herangewachsen, wie auch, nachdem sie überragend geworden war. Um aber die Signoren in Stand zu setzen, nach reiferer Überlegung zu entscheiden und mit entschiedenerem Ansehen ihre Beschlüsse auszuführen, wählten sie zwölf Bürger, welche den Namen der guten Männer (Buonuomini) führten, ohne deren Rat und Beistimmung die Signoren bei keiner wichtigen Veranlassung handeln sollten. Die Obergewalt König Roberts war damals zu Ende gegangen (1322), und die Stadt, wieder Herrin ihrer selbst, wurde durch ihre gewöhnlichen Magistrate verwaltet, während die große Furcht, die sie vor Castruccio hegte, sie in Einigkeit hielt. Nach vielen Kämpfen gegen die kleinen Herrscher in der Lunigiana griff der Herr von Lucca endlich Prato an (1323). Entschlossen, der Stadt zu Hilfe zu eilen, schlössen deshalb die Florentiner die Kaufläden und zogen in Volkshaufen dahin, zwanzigtausend zu Fuße und fünfzehnhundert Reiter. Und zu dem Zwecke, Castruccios Macht zu schwächen und die ihre zu mehren, ließen die Signoren öffentlich bekanntmachen, daß jeder guelfische Rebell, wenn er zum Beistande Pratos herbeiziehe, nach dem Feldzuge ins Vaterland wieder aufgenommen werden sollte, was den Erfolg hatte, daß mehr denn viertausend Ausgewanderte sich einfanden. Dies große, mit solcher Schnelligkeit gen Prato gesandte Heer flößte dem Castruccio solche Besorgnis ein, daß er nach Lucca zurückzog, ohne das Waffenglück zu versuchen. Darauf entstand im florentinischen Lager Uneinigkeit zwischen Edeln und Volk: dieses wollte Castruccio folgen und ihn angreifen, um seiner Macht ein Ende zu machen; jene wollten abziehen unter dem Vorgeben, es sei genug, Florenz in Gefahr gebracht zu haben, um Prato zu entsetzen. Dies sei wohlgetan gewesen, da die Notwendigkeit dazu getrieben; jetzt aber, da diese nicht mehr vorhanden sei, könne durch eine Schlacht wenig gewonnen, viel verloren werden. Da sie sich nicht einigen konnten, wurde die Entscheidung den Signoren überlassen. Als das Gerücht von diesen Mißverständnissen zwischen den Großen und dem Volke nach Florenz kam, liefen auf dem Platze viele zusammen, welche gegen den Adel drohende Worte ausstießen, so daß dieser aus Furcht nachgab. Da man aber erst spät zum Entschlüsse kam und viele wider ihren Willen stimmten, hatte der Feind Zeit gehabt, in Sicherheit Lucca zu erreichen.
Dieser Vorfall brachte die Menge so sehr gegen die Großen auf, daß die Signoren das den Ausgewanderten gegebene Wort nicht halten wollten. Da letztere dies merkten, beschlossen sie im voraus ihre Maßregeln zu treffen, und erreichten als die ersten vor dem übrigen Heere die Tore der Stadt. Ihr Vorhaben aber, welches man vorausgesehen, mißlang und sie wurden von den in Florenz Zurückgebliebenen abgewiesen. Um nun zu versuchen, durch Vertrag das zu erlangen, was sie mit Gewalt zu erzielen nicht vermocht, schickten sie acht Abgesandte zu den Signoren, diese an das gegebene Wort zu erinnern und an die Fährlichkeiten, denen sie im Vertrauen auf den verheißenen Lohn sich ausgesetzt hätten. Und obgleich der Adel, dem es schien, seine Ehre erfordere die Erfüllung des gegebenen Versprechens, weil er es vorzugsweise gewesen, der für die Aufrichtigkeit der Willensmeinung der Signoren sich verbürgt hatte, zum Besten der Ausgewanderten tätig sich verwandte: so war doch, wegen des unvollständigen Sieges über Castruccio, der Haß der Menge so groß, daß jene es nicht durchsetzten, wodurch viele Unehre über die Stadt kam. Viele der Großen, erzürnt über diesen Ausgang, suchten nun zu ertrotzen, was sie nicht hatten erbitten können, und sie kamen überein mit den Ausgewanderten, diese sollten bewaffnet sich der Stadt nähern, während sie selber im Innern zu ihrer Hilfe aufstehen würden. Vor dem bestimmten Tage kam die Sache aus. Die Ausgewanderten fanden also die Stadt gerüstet und ihre Freunde so in Schrecken versetzt, daß keiner zu ihrem Beistande sich zu erheben wagte. So ließen sie denn das Unternehmen sein. Nach ihrem Abzuge wollte man diejenigen strafen, denen man ihr Kommen schuld gab: obgleich aber jeder die Schuldigen kannte, wagte niemand sie zu nennen, geschweige anzuklagen. Um indes die Wahrheit ohne Rücksicht der Person zu ergründen, beschloß man, daß jeder in den Ratsversammlungen die Namen der Beteiligten aufzeichnen sollte, welche Listen sodann dem Capitano del popolo insgeheim übergeben wurden. So wurden angeklagt Messer Amerigo Donati, Messer Tegghiaio Frescobaldi und Messer Lotteringo Gherardini. Da sie aber günstigere Richter fanden als ihr Vergehen vielleicht rechtfertigte, so wurden sie bloß zu einer Geldstrafe verurteilt.
Der durch das Heranziehen der Ausgewanderten in Florenz entstandene Tumult hatte gezeigt, daß ein einziges Haupt für eine der Kompagnien des Volkes nicht genügte. Deshalb beschloß man, für die Zukunft jedem Gonfaloniere zwei bis drei Unterbefehlshaber beizuordnen, die man Pennonieri oder Fähnleinträger nannte, damit im Notfalle, wo eine ganze Kompagnie sich nicht zu vereinigen brauchen würde, ein Teil derselben unter einem Anführer sich sammeln könnte. Und wie es in allen Freistaaten geschieht, daß immer von Zeit zu Zeit alte Gesetze abgeschafft und andere wieder aufgebracht werden: so kam es jetzt, daß, während früher die Signorie von zwei zu zwei Monaten ganz neu gewählt ward, die im Besitze der Macht und im Amte befindlichen Signoren und Kollegen sich die Befugnis erteilen ließen, selbst die Prioren zu ernennen, welche in den nächstkommenden vierzig Monaten sitzen sollten, worauf sie deren Namen in einen Beutel taten, aus dem sie alle zwei Monate gezogen wurden. Ehe aber die vierzig Monate vorüber waren, mußte man neue Namen hinzufügen, weil andere Bürger auf Eintritt in den obersten Magistrat Anspruch machten. Hieraus entstand die Sitte, die Namen zu allen Magistraten, sowohl inneren wie äußeren, eine Zeitlang im voraus in die Wahlbeutel zu legen,Man nannte dies imborsare. Bei den vielen Verfassungswechseln hatte die Art, wie und durch wen dies geschah, große Bedeutung. während die Magistrate früher jedesmal nach Ablauf der Amtszeit in den Ratsversammlungen erwählt worden waren. Diese neue Weise der Wahlen nannte man später die Squittinien. Da dies Verfahren alle drei oder höchstens alle fünf Jahre stattfand, so schien es den Bürgern Belästigung zu ersparen oder die Veranlassung zu den Unordnungen aus dem Wege zu räumen, welche bei den häufigen Wahlen wegen der vielen Mitbewerber entstanden. Solchen Übelständen zu entgehen, wählten sie das angegebene Mittel, nicht wissend, welch große Mängel unter diesen scheinbaren Vorteilen verborgen lagen.
Das Jahr 1325 war herangekommen und Castruccio durch die Eroberung Pistojas so mächtig geworden, daß die Florentiner, erschreckt durch seine Größe, diese Stadt anzugreifen und ihm sie zu nehmen beschlossen, ehe er in ihr recht festen Fuß gefaßt hätte. So versammelten sie denn an Bürgern und Freunden ein Heer von zwanzigtausend Mann zu Fuß und dreitausend Reitern und lagerten bei Altopascio,Altopascio im Nievole-Tal, Sitz eines Hospitaliterordens, meist nach der »großen Gräfin« Ospizio di Matilda genannt, später Commende des Medizeischen Stefansordens. um diesen Ort zu nehmen und Castruccio zu hindern, Pistoja zu Hilfe zu ziehen. Es gelang ihnen auch Altopascio zu erobern, worauf sie, das Land verwüstend, gen Lucca zogen. Aber wegen der geringen Klugheit und noch geringern Treue ihres Feldhauptmanns machten sie keine großen Fortschritte. Dieser Feldhauptmann war Messer Raimondo di Cardona. Er, welcher gesehen hatte, wie freigebig die Florentiner in früheren Zeiten mit ihrer Freiheit gewesen, wie sie dieselbe bald Königen, bald Legaten, bald Personen von geringerem Belange untergeordnet: dachte, daß es sich treffen könnte, daß sie auch ihn zu ihrem Herrn erhöben, wenn sie in irgendeiner Not sich befänden. Er verfehlte nicht dies merken zu lassen, und verlangte, daß ihm in der Stadt die nämliche Autorität erteilt wurde, welche er im Heere besaß: anders könne er nicht den Gehorsam seiner Untergebenen erlangen, dessen ein Feldherr bedürfe. Da nun die Florentiner ihm hierin nicht zu Willen waren, verlor er seine Zeit, während Castruccio sie benutzte, indem er die Hilfsvölker an sich zog, die ihm von den Visconti und andern Herrschern der Lombardei verheißen worden waren. Nachdem er sich auf diese Weise verstärkt, verstand Messer Raimondo in seiner geringen Klugheit ebenso wenig sich zu sichern, wie er bei seinem Mangel an Pflichtgefühl nicht zu siegen verstanden hatte. Mit seinem Heere sich langsam zurückziehend, wurde er von Castruccio bei Altopascio angegriffen und nach einem langwierigen Kampfe geschlagen.September. Die Sumpfluft des Nievole-Tales hatte die florentinischen Truppen sehr angegriffen. Eine Menge von Bürgern blieben oder wurden gefangen, mit ihnen ihr Anführer, welcher für seine Treulosigkeit und seine verkehrten Anschläge vom Schicksal die Züchtigung erhielt, die er von den Florentinern verdient hatte. Der Schaden, welchen nach der Schlacht Castruccio durch Plünderung, Brand, Verheerung und Gefangennehmungen seinen Feinden zufügte, läßt sich nicht schildern: denn ohne auf bewaffneten Widerstand zu stoßen, zog er monatelang umher, wo immer es ihm beliebte, und die Florentiner hatten genug zu tun, indem sie nach einer solchen Niederlage ihre Stadt sicherten. Indes verloren sie den Mut nicht dermaßen, daß sie nicht große Vorräte Geldes aufgebracht, Truppen geworben und die Freunde um Beistand ersucht hätten. Einen solchen Gegner zu zügeln, reichten aber die Vorkehrungen nicht hin. So sahn sie sich denn genötigt, den Sohn König Roberts, Carl Herzog von Calabrien, zu ihrem Herrn zu wählen, um ihn zu ihrer Verteidigung zu bewegen: denn die Anjous, gewohnt in Florenz zu schalten, wollten den Gehorsam der Stadt vielmehr als ihre Freundschaft. Da aber der Herzog in den sizilischen Kriegen beschäftigt war und nicht kommen konnte, seine Signorie anzutreten, sandte er Gualtierio, Herzog von Athen, von französischer Herkunft.Gautier de Brienne, aus vornehmem französischen Geschlecht, Titularherzog von Athen, am Hofe König Roberts erzogen. In den französisch-englischen Kriegen viel gebraucht, im Jahre 1356 Connetable, fiel er in dem nämlichen Jahre in der Schlacht von Poitiers. Dieser nahm als Statthalter Carls von der Stadt Besitz und bestellte die Magistrate nach seinem Gutdünken. Sein Verhalten war aber voll Mäßigung und von seinem eigentlichen Charakter so sehr abweichend, daß er sich allgemeine Zuneigung erwarb. Nachdem die Angelegenheiten in Sizilien geordnet, kam der Herzog Carl mit tausend Rittern nach Florenz, wo er im Jahre 1326 seinen Einzug hielt. Seine Ankunft hinderte den Herrn von Lucca an der fortgesetzten Plünderung des florentinischen Gebietes. Aber den Ruhm, den der Herzog in der Ferne gewonnen, verlor er in der Nähe, und Freund und Feind setzten der Stadt um die Wette zu. Denn ohne des Herzogs Zustimmung durften die Signoren nichts beschließen, und in Jahresfrist steckte er vierhunderttausend Gulden ein, obgleich er, nach der geschlossenen Übereinkunft, nur die Hälfte hätte erhalten sollen. So groß waren die Steuern, mit denen täglich er oder sein Vater die Stadt belasteten.
Neuer Verdacht und neue Feinde verschlimmerten diese schon schwierigen Umstände. Die lombardischen Gibellinen nämlich wurden durch des Herzogs von Calabrien Ankunft in Florenz so mißtrauisch gemacht, daß Galeazzo Visconti und die andern Herrscher im obern Italien durch Geld und Versprechen Ludwig den Baier, welcher gegen des Papstes Willen zum Kaiser gewählt worden, zum Zuge nach Italien veranlaßten (1327). Dieser kam nach der Lombardei und von dort nach Toscana, bemächtigte sich Pisas mit Hilfe Castruccios und zog, mit neuen Geldmitteln unterstützt, gen Rom. Für das Königreich Neapel fürchtend, verließ Carl nun Florenz, wo er Messer Filippo da Saggineto zu seinem Statthalter bestellte. Nach des Kaisers Abzug nahm Castruccio Pisa ein, während die Florentiner durch Vertrag Pistoja besetzten. Castruccio aber belagerte die Stadt und hielt sich dort mit solcher Tapferkeit und Ausdauer, daß die Florentiner, obgleich sie den Entsatz versuchten und bald sein Heer angriffen, bald sein Land, weder durch Gewalt noch durch List ihn zur Aufhebung der Belagerung zu nötigen vermochten. So groß war sein Durst, die Pistojesen zu züchtigen und die Florentiner zu unterdrücken. Endlich (1328) waren die ersteren genötigt, ihn als ihren Herrn anzuerkennen. Errang er nun auch bei dieser Unternehmung großen Ruhm, so waren doch die Mühseligkeiten, die er zu ertragen hatte, so groß gewesen, daß er bald nach seiner Rückkehr nach Lucca starb. Da es nun selten geschieht, daß das Geschick Glück oder Unglück nicht mit andern Glück oder Unglück paart, so starb auch zu Neapel Carl, Herzog von Calabrien und Herr von Florenz, so daß, aller Erwartung zuwider, die Florentiner in kurzer Zeit von der Furcht vor dem einen und der Herrschaft des andern sich befreit sahen.Die Florentiner nahmen Pistoja am 28. Januar 1328, Castruccio eroberte die Stadt wieder am. 3. August und starb am 3. September. Der Herzog von Calabrien starb am 9. Dezember. Als sie nun frei waren, veränderten sie ihre Regierungsform, hoben die bestehenden Ratsversammlungen auf und wählten zwei neue, einen von dreihundert Bürgern aus Popolan-Familien, den andern von zweihundertfünfzig Großen und Popolanen, deren ersterer der Rat des Volkes hieß, der andere der Rat der Gemeinen.
Nach seiner Ankunft in Rom stellte der Kaiser einen Gegenpapst aufPietro da Corvara, Franziskaner, genannt Nicolaus V. Starb zu Avignon 1333. und verordnete vieles gegen die Kirche, versuchte auch manches andere fruchtlos, so daß er am Ende mit Unehre abzog und nach Pisa kam, wo, entweder aus Groll oder wegen rückständigen Soldes, achthundert deutsche Reiter sich empörten und zu Montechiaro bei der Burg CeruglioCeruglio, alte Burg der Markgrafen im Nievole-Tal hart an der lucchesischen Grenze. An der Stelle derselben baute Prinz Carl von Böhmen (Kaiser Carl IV.) 1333 das noch bestehende Kastell Monte Carlo. sich verschanzten. Als der Kaiser sich nach der Lombardei gewandt, besetzten diese Lucca, von wo sie Francesco Castracani vertrieben, den der Kaiser daselbst eingesetzt hatte (1329). Um nun von ihrer Beute Vorteil zu ziehen, boten sie den Florentinern die Stadt an um achtzigtausend Gulden, aber auf den Rat des Messer Simone della Tosa wurde ihnen eine abschlägige Antwort erteilt. Hätten die Florentiner dieselbe Gesinnung bewahrt, so wäre dieser Entschluß ihnen nützlich gewesen; da sie aber bald auf andere Gedanken kamen, gereichte er ihnen sehr zum Nachteil. Denn während sie damals für wenig Geld Lucca im Frieden haben konnten und sie nicht wollten, erlangten sie die Stadt nachmals nicht, als sie deren Besitz wünschten, obgleich sie dieselbe zu einem weit höhern Preise kauften. Dies war die Ursache, daß in Florenz die Regierungsform wiederholt zu großem Schaden der Republik wechselte. Auf die abschlägige Antwort der Florentiner kaufte Messer Gherardino Spinola von Genua Lucca für dreißigtausend Gulden. Wie nun die Menschen viel lässiger sind, das zu nehmen was sie haben können, als das zu wünschen, was nie zu erreichen ist: so entstand beim florentinischen Volke auf die erste Kunde von dem wohlfeilen Kaufe, welchen Messer Gherardino gemacht, ein unendliches Verlangen, die Stadt zu besitzen, und sie machten sich selbst Vorwürfe wie ihren Beratern. Um Lucca, das sie nicht kaufen gewollt, mit Gewalt zu nehmen, sandten sie Kriegsvolk dahin. Währenddessen war der Kaiser nach Deutschland zurückgekehrt, und der Gegenpapst auf Veranstaltung der Pisaner als Gefangner nach Frankreich gegangen. Die Florentiner hatten seit Castruccios im Jahre 1328 erfolgtem Tode bis zum Jahre 1340 im Innern Ruhe und waren nur auf ihre äußern Verhältnisse bedacht. So führten sie viele Kriege in der Lombardei wegen des Heerzuges König Johanns von Böhmen, und in Toscana Luccas halber. Unterdessen schmückten sie ihre Stadt durch neue Gebäude, wie sie denn nach dem Plane Giottos, des berühmtesten Malers jener Zeit, den Glockenturm des Doms bauten.Giotto ward 1334 zum Architekten des Doms ernannt und begann, gemäß der gewöhnlichen Annahme, in demselben Jahre den Glockenturm. Der Neubau des Doms (Santa Reparata, später Santa Maria del Fiore) durch Arnolfo begann 1297, wenn auch die alte Inschrift den 8. Sept. 1298 als Tag der Grundsteinlegung bezeichnet. Und da im Jahre 1333 eine große Überschwemmung des Arno entstand, wobei mehrere Brücken und viele Gebäude einstürzten, so stellten sie eilig und mit bedeutenden Kosten die zerfallenen Wohnungen wieder her.
Im Jahre 1340 aber ereigneten sich neue Anlässe, zu Veränderungen. Die mächtigen Bürger hatten zwei Wege, ihren Einfluß zu mehren oder aufrecht zu erhalten: sie konnten nämlich die Aufzeichnungen der Namen zu den Ämtern dermaßen beschränken, daß stets sie selbst oder ihre Freunde an die Reihe kamen; oder es stand in ihrer Macht, auf die Wahl der Rektoren so einzuwirken, daß sie diese zu Freunden hatten. Dies zweite Mittel schien ihnen so wirksam, daß sie, mit den zwei gewöhnlichen Rektoren sich nicht begnügend, bisweilen einen dritten ernannten. So hatten sie in jener Zeit außergewöhnlich und unter der Benennung eines Capitano della Guardia, Messer Giacomo Gabrielli von Agobbio gewählt, dem sie große Macht über die Bürger erteilten. Jeden Tag fügte dieser, nach dem Gutdünken der Machthaber, irgendeinem eine Schmach zu, und unter den Gekränkten waren Messer Pietro de'Bardi und Messer Bardo Frescobaldi.Die Bardi ligurischen Ursprungs, stets unter den Adelsgeschlechtern. Als Herrn, nachmals Grafen, von Vernio im Apennin hatten sie eine Art Reichsunmittelbarkeit, wie die Marchesi (Bourbon) del Monte und die Barbolani v. Montauto. Nach ihnen wird die lange Straße in Oltrarno zwischen der alten und der Rubacontebrücke benannt. – Die Frescobaldi waren eine der ältesten Familien des florentinischen Adels, wurden aber durch die Faktionen bald zugrunde gerichtet. Ihre Wohnungen waren (und sind zum Teil noch) in Oltrarno in dem Fondaccio Santo Spirito.
Diese, von Adel und hochmütig, konnten nicht ertragen, daß ein Fremder, ohne Grund und auf Veranlassung einiger wenigen ihnen Beleidigungen zufügte. Um sich zu rächen, verschworen sie sich gegen ihn und gegen die Regierenden. An dieser Verschwörung nahmen viele adelige und einige Popolan-Familien teil, denen die tyrannische Verwaltung mißfiel. Sie hatten unter sich verabredet, daß jeder eine bedeutende Zahl Bewaffneter in seinen Wohnungen versammeln und am Morgen nach Allerheiligen, während man für die Abgeschiedenen bete, zu den Waffen greifen, den Capitano und die Ersten der Machthaber töten und sodann mit neuen Signoren und neuer Ordnung die Verfassung ändern sollte.
Wie aber gefährliche Maßregeln, je mehr man darüber nachsinnt, um so mehr zu Bedenklichkeiten Anlaß geben: so geschieht es, daß Verschwörungen, lange vorher geplant, gewöhnlich entdeckt werden. Bei einem der Verschworenen, Messer Andrea de'Bardi, vermochte, als er die Sache überdachte, die Furcht vor der Strafe mehr als die Aussicht auf Rache: er entdeckte alles seinem Schwager Jacopo Alberti, Jacopo den Prioren, diese den Gewalthabern. Und da die Gefahr dringend und das Allerheiligenfest nahe war, so versammelten sich viele Bürger im Palast. Diese, im Verzuge Gefahr erblickend, verlangten, die Prioren sollten die Glocke läuten und das Volk zu den Waffen rufen. Gonfaloniere war Taldo Valori, und Francesco Salviati einer der Prioren. Diesen, die mit dem Bardi verwandt waren, mißfiel das Verlangen, so daß sie erwiderten: es sei nicht gut, um jeder geringen Veranlassung willen das Volk zu waffnen, indem die der Menge ohne Zügel und Mäßigung in die Hand gegebene Macht nie Gutes wirke; es sei leicht Zwietracht zu säen, schwer sie auszurotten; darum sei's passender, die Sache zu untersuchen und nach den Gesetzen die Strafe zu verhängen, als zum Ruin der Stadt auf den Grund eines bloßen Gerüchtes hin mit den Waffen einzuschreiten. Keiner achtete auf diese Einrede, sondern unter Schmähungen und mit drohendem Lärmen nötigte man die Signoren läuten zu lassen. Alles Volk strömte gerüstet nach dem Platze. Die Bardi aber und Frescobaldi, als sie sich entdeckt sahen, griffen, um rühmlich zu siegen oder ohne Schande zu sterben, zu den Waffen, in der Hoffnung, den Stadtteil jenseits des Flusses, wo ihre Wohnungen lagen, verteidigen zu können. So verschanzten sie sich an den Brücken, auf Hilfe harrend vom Adel der Umgebung und andern Befreundeten. Dieser Plan wurde von den Popolanen gestört, welche im erwähnten Stadtteil mit ihnen wohnten und zugunsten der Signoren sich erhoben, so daß jene, in die Mitte genommen, die Brücken aufgaben und auf die Straße sich beschränkten, wo die Bardi wohnten und welche leichter zu verteidigen war, was auch mit großer Tapferkeit geschah. Messer Giacomo von Agobbio, welcher wußte, daß die ganze Verschwörung gegen ihn gerichtet war, hielt mitten unter seinen Reisigen, für sein Leben besorgt, ratlos und ängstlich in der Nähe des Palastes; die andern Rektoren aber, freier von Schuld sich wissend, hatten mehr Mut, namentlich der Podestà, Messer Matteo von Marradi. Dieser begab sich an den Ort des Kampfes und ritt, ohne etwas zu befürchten, über die Rubacontebrücke den Schwertern der Bardi entgegen, indem er ein Zeichen gab, daß er mit ihnen zu reden wünsche. Die Ehrfurcht, die man vor diesem Manne hegte, sein Verhalten und seine sonstigen rühmenswerten Eigenschaften bewirkten, daß man augenblicklich einhielt im Gefecht und ihn ruhig vernahm. Mit gesetzten und ernsten Worten tadelte dieser nun ihre Verschwörung, zeigte ihnen die Gefahr, in der sie sich befänden, wenn sie nicht dem Volksdrange nachgäben, machte ihnen Hoffnung zu nachmaligem Gehör und milder Bestrafung und versprach ihnen dafür sich zu verwenden, daß auf ihre gerechte Beschwerde Rücksicht genommen werde. Hierauf zu den Signoren zurückgekehrt, redete er diesen zu, daß sie nicht durch Vergießung von Bürgerblut siegen sollten und es ihnen nicht zustehe, Ungehörte zu verdammen. So brachte er es dahin, daß mit Zustimmung der Signoren die Bardi und Frescobaldi die Stadt verließen und samt ihren Freunden ungehindert auf ihre Kastelle sich begaben. Nachdem diese abgezogen und das Volk wieder zur Ruhe gekommen war, verfuhren die Signoren bloß gegen solche unter den Bardi und Frescobaldi, welche zu den Waffen gegriffen hatten, und um ihre Macht zu schwächen, kauften sie von den Bardi die Kastelle Mangona und Vernio und erließen ein Gesetz, nach welchem kein Bürger innerhalb zwanzig Meilen von der Stadt Kastelle besitzen sollte. Wenige Monate darauf wurde Stiatta Frescobaldi enthauptet und viele dieser Familie in die Verbannung geschickt. Den Regierenden war's nicht genug, diese beiden Geschlechter besiegt und unterworfen zu haben. Wie es beinahe immer geschieht, daß die Leute, je mehr Macht sie haben, um so mehr sie mißbrauchen und übermütig werden: so wählten sie jetzt, während vorher nur ein Capitano di guardia da war, von dem Florenz zu leiden hatte, noch einen für die Landschaft mit ausgedehnter Vollmacht, auf daß die ihnen Verdächtigen weder in noch außer der Stadt leben könnten. Der Adel aber wurde ihnen so feindlich, daß er bereit war, die Stadt und sich selber zu verkaufen, um sich zu rächen. Nur auf Gelegenheit warteten sie: diese kam und ward gut benutzt.
Die vielen Unruhen in der Lombardei und in Toscana hatten die Stadt Lucca in die Gewalt Mastinos della Scala, des Herrn von Verona, gegeben, welcher, wenn er gleich vertragsmäßig sie den Florentinern hätte überliefern sollen, sie für sich behielt, weil er, im Besitze Parmas, sie behaupten zu können glaubte und das gegebene Wort ihn nicht kümmerte. Sich zu rächen, verbündeten sich die Florentiner mit den Venezianern und verwickelten ihn in einen solchen Krieg, daß er daran war, seinen ganzen Staat zu verlieren. Keinen andern Nutzen aber hatten sie davon, als die geringe Genugtuung, Mastino gedemütigt zu haben. Denn nachdem die Venezianer, nach Art der Mächtigen die mit Schwächeren sich verbinden, Treviso und Vicenza gewonnen, verständigten sie sich, ohne auf die Florentiner ferner Rücksicht zu nehmen. Als aber bald darauf die mailändischen Visconti dem Scaliger Parma entrissen und er sich nicht getraute, Lucca ferner zu halten, beschloß er es zu verkaufen (1341). Florenz und Pisa traten auf, und da die Pisaner sahen, daß ihre Nebenbuhler, als die reicheren, die meiste Aussicht hatten, schlugen sie den Weg der Gewalt ein und griffen mit Hilfe der Visconti Lucca an. Darum standen die Florentiner dennoch nicht vom Kaufgeschäft ab, und nachdem sie mit Mastino eins geworden,Die Kaufsumme war 250 000 Goldgulden. zahlten sie einen Teil des Geldes und stellten Geiseln für den Rest, während sie Naddo Rucellai, Giovanni di Bernardino de' Medici und Rosso de'Ricci mit der Besitznahme beauftragten. Diese drangen mit Gewalt in Lucca ein, worauf ihnen von Mastinos Leuten die Stadt übergeben wurde. Die Pisaner aber setzten ihre Unternehmung fort und suchten Lucca mit Heeresmacht zu nehmen, wogegen die Florentiner sich bestrebten, sie zur Aufhebung der Belagerung zu nötigen. Nach langem Kriege wurden die Florentiner verjagt (1342): sie verloren ihr Geld, gewannen nichts als Unehre, und Lucca blieb in den Händen derer von Pisa.Die erste Niederlage der Florentiner erfolgte am 2. Okt. 1341: unter Malatesta de'Malatesti von Rimini zogen sie sodann im Frühling 1342 zum Entsatz, aber die Stadt mußte sich am 6. Juli den Pisanern ergeben.
Wie in solchen Fällen zu geschehen pflegt, stimmte der Verlust dieser Stadt das Volk gegen die Regierenden, und an allen Orten und auf allen Plätzen vernahm man Schmähungen gegen die Führer, denen man Geiz und schlechte Ratschläge schuld gab. Zu Anfang des Kampfes hatte man zwanzig Bürgern die Kriegsführung anvertraut, und diese hatten Messer Malatesta von Rimini zum Feldhauptmann gewählt. Malatesta hatte geringen Mut und noch weniger Klugheit gezeigt, so daß man König Robert von Neapel um Beistand ersuchte. Dieser sandte Gualtieri, Herzog von Athen, welcher, nach dem Ratschlusse Gottes, gerade in Florenz ankam, als der Feldzug gegen Lucca völlig gescheitert war. Da nun jene Zwanzig das Volk verstimmt sahen, dachten sie ihm durch Wahl eines neuen Hauptmanns neue Hoffnung einzuflößen, und durch eine solche Wahl entweder es im Zaume zu halten oder ihm den Grund zu Schmähungen zu benehmen. Um ihm aber Ursache zur Furcht und dem Herzog von Athen größere Macht zu geben, ernannten sie diesen erst zum Konservator, dann zum Feldhauptmann. Die Großen, welche wegen der oben gemeldeten Gründe in Unzufriedenheit lebten und von denen viele mit Gualtieri Bekanntschaft hatten von der Zeit her, als er den Herzog von Calabrien in Florenz vertrat, glaubten, die Zeit sei gekommen, mit dem Ruin der Stadt den Brand, der sie verzehrte, zu löschen. Denn sie hielten dafür, daß es kein anderes Mittel gebe, dies Volk zu bändigen, als einem Fürsten sich zu unterwerfen, welcher, nachdem er die guten Eigenschaften der einen und den Übermut der andern kennengelernt, diese zügelte und jene belohnte. Überdies hofften sie, er werde ihr Verdienst anerkennen, wenn er mit ihrem Beistande zur obersten Macht gelangte. Deshalb taten sie sich heimlich mehrmals mit ihm zusammen und beredeten ihn, die Alleinherrschaft an sich zu reißen, indem sie ihm ihre Unterstützung dabei anboten. Mit der Autorität dieser Großen und ihrer Ermunterung vereinigten sich die Aufforderungen einiger Popolanfamilien, wie der Peruzzi, Accialuoli, Antellesi und Bonaccorsi,Die angesehensten dieser Familien waren die Peruzzi und Accijuoli. Jene, römischen Ursprungs, hatten ihre Wohnungen dicht an der Linie des ersten Mauerkreises der Stadt (Dante, Paradies, XVI, 125), wo man noch jetzt ihre Loggia sieht und an zahlreichen Häusern ihr Wappen. Die Acciajuoli sollen zu Friedrich Barbarossas Zeit aus Brescia nach Florenz gekommen sein und gehörten zu den großen Popolangeschlechtern. Kaum irgendeine der florentinischen Familien ist so berühmt und weitverbreitet gewesen. An sie kam das Großseneschallamt in Neapel, an sie die Herzogswürde in Athen und Theben, an sie bedeutende Besitzungen in Apulien, auf Rhodos usw. welche, von Schulden gedrückt, auf anderer Kosten sich die Last vom Halse zu schaffen und durch die Knechtschaft des Vaterlandes von der Knechtschaft, in der die Gläubiger sie hielten, sich zu befreien wünschten. Dies Zureden füllte den herrschsüchtigen Sinn des Herzogs mit größerer Begierde nach Macht, und um sich den Ruf der Strenge und Gerechtigkeit zu verschaffen und auf solche Weise die Menge für sich zu gewinnen, verfolgte er die, welchen die Führung des Krieges gegen Lucca obgelegen, ließ Messer Giovanni de'Medici, Naddo Rucellai und Guglielmo AltovitiDurch Handel und Beschützung von Kunst und Wissenschaft erwarben die Rucellai sich zweifachen Ruhm. Bernardo, Giovanni, Palla R. hinterließen geehrte Namen. In ihren Gärten (Orti Oricellarj) fanden längere Zeit die Versammlungen der platonischen Akademie statt. Ihren schönen Palast (an der Via Vigna nuova) baute Leon Batista Alberti. Die Altoviti machten sich namentlich zur Zeit des Sturzes der Republik bekannt. Bindo Altoviti war Raffaels und Buonarrotis Freund. Ihre Wohnungen stoßen an Piazza Santa Trinità. hinrichten und verurteilte viele zu Verbannung und Geldstrafen.
Diese Verurteilungen schreckten die Bürger mittlern Standes und gefielen bloß den Großen und dem Pöbel: diesem, weil es in seiner Natur liegt, über das Böse sich zu freuen, jenen, weil sie sich für die vielen, von den Popolanen ihnen zugefügten Unbilden gerächt sahen. Und wenn der Herzog durch die Straßen zog, vernahm man seine Hochherzigkeit mit lauter Stimme preisen, und jeder spornte ihn an, den Trug der Bürger aufzudecken und zu strafen. Das Amt der Zwanzig hatte aufgehört, der Ruf des Herzogs war groß, größer noch die Furcht, so daß jeder, um seine Gunst zu erlangen, sein Wappen an sein Haus malen ließ und ihm vom Herrscher nichts fehlte als der Titel. Da ihn nun bedünkte, er könne ohne Gefahr alles versuchen, gab er den Signoren zu verstehen, wie er zum Wohle der Stadt es für notwendig erachte, daß die freie Signorie ihm übertragen werde: er ersuche sie demgemäß um ihre Beistimmung, nachdem schon die ganze Stadt eingewilligt. Obschon die Signoren das kommende Unheil längst vorhergesehen, waren sie doch über diese Zumutung ganz bestürzt, und wenn sie gleich die Gefahr erkannten, in die sie sich begaben, verweigerten sie dennoch mutvoll, was er verlangte, um ihre Pflicht gegen ihre Heimat nicht zu verletzen. Um sich den Anschein größerer Gottesfurcht und Demut zu geben, hatte der Herzog das Kloster der Minoriten bei Santa Croce zu seiner Wohnung gewählt. Da er nun seine böse Absicht ins Werk zu setzen dachte, ließ er öffentlich verkündigen, daß am folgenden Morgen das Volk auf dem Platze von Santa Croce vor ihm erscheinen sollte. Diese Verkündigung setzte die Signoren noch viel mehr in Furcht als früher seine Worte: sie riefen solche Bürger zusammen, welche sie für Freunde des Vaterlandes und der Freiheit hielten, und da die Macht des Herzogs ihnen kein Rätsel war, glaubten sie kein anderes Mittel zu haben, als mit Vorstellungen an ihn sich zu wenden und zu sehen, ob, wo Gewalt nicht ausreichte, Bitten genügen würden, entweder ihn von seinem Vorhaben abzubringen oder wenigstens das Joch leichter zu machen. So begab sich denn ein Teil der Signoren zu ihm, und einer von ihnen sprach zu ihm in folgender Weise:
»Wir kommen zu euch, o Herr, zunächst durch euer früheres Gesuch dazu veranlaßt, sodann durch den von euch erlassenen Befehl, daß das Volk vor euch sich versammeln solle. Denn es scheint uns, daß ihr auf außergewöhnlichem Wege das erreichen wollt, was ihr auf gewöhnlichem nicht erlangen konntet. Es ist nicht unsre Absicht, euern Plänen Gewalt entgegenzusetzen, sondern nur euch zu zeigen, wie schwer die Last ist, die ihr euch aufbürdet, wie gefährlich der Plan, den ihr verfolget: auf daß ihr später unseres Rates gedenken möget wie des Rates derer, die nicht zu eurem Besten, wohl aber um ihren Groll auszulassen, euch andere Gedanken eingaben. Ihr versucht eine Stadt ins Joch zu schlagen, die immer frei gelebt. Denn die Herrschaft, die wir einst dem Königshause von Neapel übertrugen, war Bundesgenossenschaft, nicht Untertanenschaft. Habt ihr wohl überlegt, was in einer solchen Stadt der Name der Freiheit bedeutet, welche Macht ihm innewohnt? Wißt ihr, daß den Geist der Freiheit keine Gewalt bändigt, keine Zeit verzehrt, kein Geschenk aufwiegt? Bedenket, o Herr, welche Macht erforderlich ist, eine solche Stadt in Knechtschaft zu halten. Fremde Macht genügt euch hier nicht; auf Unterstützung im Innern könnt ihr nicht bauen: denn die, welche jetzt mit euch halten und euch ermuntern den entscheidenden Schritt zu tun, werden, sobald sie durch euern Beistand ihre Gegner gedemütigt, mit allen Mitteln euch zu vernichten, sich selber zu Herrschern aufzuwerfen suchen. Das niedere Volk, auf das ihr euch verlaßt, wechselt bei der geringsten Veranlassung, so daß ihr fürchten müßt, in balder Zeit die ganze Stadt gegen euch zu haben, ihr wie euch zum Verderben. Dies ist ein Übel ohne Abhilfe. Denn solche Herren mögen ihre Herrschaft sichern, die nur wenige Gegner haben, welche durch Tod oder Bann zu vernichten leicht ist: bei dem Haß aber eines ganzen Gemeinwesens hat es niemals Sicherheit gegeben. Denn man weiß nicht, von welcher Seite her die Gefahr kommen kann, und wer vor allen sich fürchtet, kann nimmer des Einzelnen sich versichern. Wer aber es versucht, vergrößert nur die Gefahr: denn die Übrigbleibenden verstocken im Haß und sind mehr noch bereit zur Rache. Daß Zeit nicht reicht, den Durst nach Freiheit zu löschen, ist gewiß: denn man hat gehört, daß die Freiheit einer Stadt von solchen wiedergeschenkt worden ist, welche selbst sie nie gekostet, sondern bloß wegen der Erinnerungen aus der Väter Zeit sie liebten, und darum die wiedergewonnene standhaft unter jeder Gefahr schützten. Und hätten auch die Väter nicht jener einstigen Freiheit gedacht, die öffentlichen Paläste, die Versammlungsorte der Magistrate, die Banner der Stände würden an sie erinnern, und dies sind Dinge, welche bei jedem Bürger Sehnsucht wecken. Was wollt ihr der Süßigkeit des freien Lebens entgegenstellen, wodurch dem Volke die Vorliebe für seinen gegenwärtigen Zustand nehmen? Nicht dadurch würde es euch gelingen, daß ihr unser Gebiet über ganz Toscana ausdehntet und jeden Tag als Sieger über unsre Feinde heimkehrtet: denn all dieser Ruhm würde nicht des Volkes sein, sondern euer; denn die Bürger würden keine Untertanen gewinnen, sondern Knechtschaftsgenossen, zur Erschwerung ihrer eigenen Sklavenketten. Und wären eure Sitten heilig, euer Wesen gütig, eure Urteilssprüche gerecht: sie würden nicht genügen, euch Liebe zu erwerben. Und glaubtet ihr, sie genügten, so würdet ihr euch täuschen: denn einem, der frei zu leben gewohnt, ist jegliches Band ein Druck, jegliche Kette eine Last. Einen unruhigen Staat unter einem guten Fürsten zu finden, ist übrigens eine Unmöglichkeit: denn sie müssen einander ähnlich werden oder einer muß durch den andern zugrunde gehen. Ihr also habt zu überlegen, ob ihr diese Stadt mit äußerster Gewalt behaupten wollt, wozu Burgen, Besatzungen, auswärtige Freunde oft nicht hinreichen, oder mit jener Macht euch begnügen wollt, die wir euch übertragen haben. Zu letzterem laden wir euch ein, indem wir euch daran erinnern, daß bloß jene Herrschaft von Bestand ist, die freiwillig zugestanden wird. Wollet nicht, von gemeinem Ehrgeiz verblendet, an einen Platz euch hinstellen, wo ihr weder stehn noch höher klimmen könnt und wo ihr zu euerm wie unserm tiefsten Verderben herunterstürzen müßt.«
Des Herzogs verhärtetes Gemüt ward durch diese Worte nicht im geringsten gerührt. Er sagte, es sei seine Absicht nicht, der Stadt die Freiheit zu nehmen, sondern ihr sie wiederzugeben: denn nur Uneinigkeit mache die Städte dienstbar, Einigkeit aber frei. Würde Florenz durch ihn der Parteien, des Ehrgeizes, der Gehässigkeiten ledig, so gewänne es seine Freiheit wieder, statt sie zu verlieren. Und da er nicht aus Ehrsucht, sondern auf vieler Bürger Bitte diesen Entschluß fasse, so würden auch sie wohl daran tun, mit dem zufrieden zu sein, was den andern genehm sei. Was die Gefahren betreffe, in die er dadurch geraten könne, so achte er ihrer nicht: denn ein schlechter Mann nur lasse das Gute aus Furcht vor dem Bösen; ein feiger nur stehe, um eines zweifelhaften Ausgangs willen, ab von einem glorreichen Unternehmen. Er glaube so sich zu benehmen, daß sie bald innewerden würden, wie sie zu geringes Vertrauen in ihn gesetzt, zu sehr ihn gefürchtet.
Da nun die Signoren sahen, daß es nicht in ihrer Macht stand, sonst etwas Gutes zu tun, kamen sie überein, daß am folgenden Morgen das Volk auf dem Platze vor dem Palast sich versammeln sollte, um mit dessen Genehmigung dem Herzoge auf ein Jahr die Signorie zu übertragen, unter Bedingungen, wie einst Herzog Carl von Calabrien sie gehabt. – Es war am 8. September 1342, als der Herzog, begleitet von Messer Giovanni della Tosa und allen seinen Angehörigen und vielen andern Bürgern, auf den Platz kam und zugleich mit der Signorie auf die Ringhiera stieg, wie die Florentiner die Stufen nennen, welche sich unten an der Vorderseite des Palastes der Signoren befinden.Mit den republikanischen Formen ist auch diese Tribüne verschwunden. Nur der Marzocco, der florentinische Löwe mit dem Lilienschild, steht noch an der Ecke des Palastes. Dort wurde dem Volke die zwischen dem Herzog und der Signorie getroffene Übereinkunft vorgelesen. Als man aber zu der Stelle kam, wo von Übertragung der Herrschaft auf ein Jahr die Rede war, schrie das Volk: Auf lebenslang! Und als Messer Francesco Rustichelli, einer der Signoren, sich erhob, um zu reden und den Tumult zu stillen, wurden seine Worte durch das Getöse übertäubt, so daß mit des Volkes Zustimmung der Herzog nicht auf ein Jahr, sondern auf lebenslänglich zum Herrscher gewählt, von der Menge in die Höhe gehoben und getragen ward, während sein Name überall auf dem Platze erscholl. – Es ist Sitte, daß der, welchem die Wache des Palastes anvertraut ist, in Abwesenheit der Signoren in demselben sich einschließt. Rinieri di Giotto, welcher dies Amt hatte, von des Herzogs Freunden bestochen, ließ ihn ein, ohne irgendeine Nötigung abzuwarten, während die Signoren, mutlos und der Ehre bar, nach ihren Wohnungen zurückkehrten. Der Palast aber wurde von des Herzogs Dienstleuten geplündert, das Banner des Volkes zerrissen, des Herzogs Wappen draußen angebracht. Alles dies geschah zu unbeschreiblichem Leidwesen und Ärgernis der Guten und zur Freude derer, welche aus Unwissenheit oder Bosheit ihre Rechnung dabei fanden.
Nachdem der Herzog solcherweise die Herrschaft an sich gerissen, untersagte er, um denen das Ansehen zu rauben, welche die Freiheit zu verteidigen pflegten, den Signoren im Palaste ihre Beratungen zu halten, und wies ihnen dazu ein Privathaus an. Den Gonfalonieren der Volkskompagnien nahm er ihre Banner, die Verordnung der Justiz gegen die Großen schaffte er ab, entließ die Gefangenen aus den Kerkern, rief die Bardi und Frescobaldi aus der Verbannung zurück und verbot jedem Waffen zu tragen. Und um gegen die Städter besser sich verteidigen zu können, suchte er die Landschaft für sich zu gewinnen. Darum begünstigte er die Aretiner und übrigen Untertanen der Republik, schloß Frieden mit Pisa, obgleich er auf Veranlassung des Kriegs gegen diese Stadt zum Herrn von Florenz gemacht worden war, nahm den Kaufleuten, welche während des Krieges gegen Lucca dem Staate Gelder vorgeschossen, ihre Anweisungen auf die öffentlichen Kassen, erhöhte die alten Zölle, führte neue ein und beraubte die Signoren jeder Autorität. Seine Rektoren waren Messer Baglione von Perugia und Messer Guglielmo von Assisi; mit ihnen und mit Messer Cerrettieri VisdominiDie Visdomini waren eine alte florentinische Familie, deren Name von ihrem Schutzamte beim Bistum (Vice-domini) sich herschreibt. Über der Eingangstür zu ihren Wohnungen am Corso degli Adimari sieht man das Wappen des Herzogs von Athen, einen doppeltgeschwänzten Löwen im Sprunge. Seit dem Neubau der Straße (1844) erinnert eine Inschrift an jene Zeit. – Die Kirche San Michele heißt noch de' Visdomini. beriet er sich. Die Geldstrafen, die er den Bürgern auflegte, waren schwer und seine Richtersprüche ungerecht: die Gerechtigkeitsliebe und Milde, die er gezeigt, waren in Hochmut und Grausamkeit verwandelt. So wurden viele Bürger, Adelige sowohl wie vornehme Bürger, an Geld oder am Leben gestraft oder auf ungewohnte Weise gequält. Und um es draußen ebenso zu machen, bestellte er sechs Rektoren für die Umgebung, welche die Landleute mißhandelten und auszogen. Die Großen beargwöhnte er, obgleich sie ihm günstig gewesen und obschon er vielen derselben die Rückkehr in die Heimat gestattet hatte. Denn er konnte sich nicht davon überzeugen, daß der hochherzige Sinn, der dem Adel beizuwohnen pflegt, mit seiner Herrschaft sich befreunden würde. Deshalb begann er dem Pöbel zu schmeicheln, indem er mit dessen Gunst und durch fremde Waffenmacht seine Herrschaft zu behaupten hoffte. Da nun der Monat Mai (1343) gekommen war, wo das Volk Feste anzustellen pflegt, so ließ er unter den gemeinen Leuten mehrere Genossenschaften bilden, denen er mit hochtrabenden Benennungen Fahnen und Geld verlieh. So zog ein Teil derselben in festlichen Aufzügen durch die Stadt, während ein anderer Teil sie mit großer Pracht empfing. Als das Gerücht von der Herrschaft, die dieser Mann erlangt, sich verbreitete, zogen viele von französischem Blut herbei, denen allen, als besonderen Vertrauten, er Rang und Stellung gab, so daß in kurzer Zeit Florenz nicht den Franzosen nur, sondern auch ihrer Tracht und ihren Sitten Untertan ward. Denn Männer und Frauen ahmten ihnen nach, ohne Scham wie ohne Rücksicht auf Anstand und bisherige Lebensweise. Was aber am meisten mißfiel, war die Gewalt, die er und die Seinen sonder Scheu den Frauen antaten.
So lebten die Bürger voll Unmut, weil sie die Hoheit ihres Staates zugrunde gerichtet, die Ordnung verkehrt, die Gesetze vernichtet, das ehrbare Leben verderbt, die bürgerliche Beschränkung geschwunden sahn. Denn die, welche königlichem Pomp abgeneigt waren, konnten nicht ohne Schmerz einem von bewaffneten Begleitern, Reitern und Fußknechten, umringten Herrn begegnen. Um ihre Schmach noch fühlbarer zu machen, waren sie genötigt den zu ehren, welchen sie am glühendsten haßten. Dazu gestellte sich die Furcht, indem sie die häufigen Hinrichtungen und Geldstrafen gewahrten, durch die er die Stadt erschöpfte. Wohl erkannte und fürchtete der Herzog diesen Groll und diese Besorgnisse: dennoch wollte er alle glauben machen, er halte sich für geliebt. Da ihm nun Matteo di Morozzo, entweder um sich bei ihm in Gunst zu setzen oder der Gefahr zu entgehn, angezeigt, wie die Familie der Medici mit einigen andern gegen ihn sich verschworen, forschte er nicht nur der Sache nicht nach, sondern ließ den Angeber elendiglich hinrichten. Dadurch benahm er denen, die ihn um seiner Sicherheit willen hätten warnen mögen, den Mut, während er hinwieder solche, die sein Verderben suchten, gleichsam anreizte. Dem Bettone Cini, welcher die Gelderpressungen getadelt hatte, ließ er die Zunge mit solcher Grausamkeit ausschneiden, daß er daran starb (1343). Dies mehrte die allgemeine Erbitterung und Abneigung: denn eine Stadt, welche gewohnt war, in voller Freiheit alles zu tun und über alles zu reden, konnte es nicht ertragen, daß man ihr die Hände band und den Mund verschloß.
So wuchsen denn Groll und Haß so sehr, daß selbst ein an Knechtschaft gewohntes Volk, geschweige denn die Florentiner, welche die Freiheit nicht zu bewahren wissen, die Dienstbarkeit nicht ertragen können, zur Wiedergewinnung der Unabhängigkeit entflammt worden wäre. Darum beschlossen viele Bürger jeden Standes, ihr Leben daran zu setzen oder die Freiheit wiederzuerlangen. Und an drei Orten, von drei Klassen von Bürgern, entstanden drei Verschwörungen – von Großen, von vornehmen Popolanen, von Gewerbetreibenden. Außer den allgemeinen Ursachen, war Beweggrund bei den Großen, daß sie die Macht im Staate nicht wiedergewonnen, bei den Popolanen, daß sie sie verloren hatten, bei den Gewerbetreibenden, daß sie ihr Auskommen nicht mehr fanden. Bischof von Florenz war Messer Agnolo Acciaiuoli, welcher einst in seinen Predigten des Herzogs Handlungen gepriesen und ihm zur Erlangung der Gunst der Menge behilflich gewesen war. Als er ihn aber als Herrscher sah und sein tyrannisches Walten erkannte, schien es ihm, daß er seine Vaterstadt betrogen, und um seinen Irrtum wieder gut zu machen, fand er kein anderes Mittel, als daß die Hand, welche die Wunde geschlagen, sie auch heile. So machte er sich zum Haupt der ersten und mächtigsten Verschwörung, an welcher die Bardi, Rossi, Frescobaldi, Scali, Altoviti, Magalotti, Strozzi und Mancini teilnahmen. Häupter der einen der beiden andern Genossenschaften waren Manno und Corso Donati und mit ihnen die Pazzi, Cavicciuoli, Cerchi und Albizzi. In der dritten war Anführer Antonio Adimari und mit ihm die Medici, Bordoni, Rucellai und Aldobrandini. Diese dachten ihn im Hause Albizzi zu ermorden, wo er am Johannesfeste erwartet wurde, um den Wettlauf der PferdeDie bekannte Corsa de barberi. Das Johannisfest ist das große, noch jetzt glänzende und anmutige Volksfest der Florentiner. zu sehn. Aber es gelang ihnen nicht, weil er wegblieb. Sie machten sodann den Plan, ihn anzugreifen, während er in der Stadt umherwandelte: aber sie fanden die Ausführung schwer, weil er mit vieler Begleitung und bewaffnet ging und immer seine Gänge änderte, so daß man ihn nirgend mit der Gewißheit erwarten konnte. Endlich wollten sie ihn im Rate töten: aber es fiel ihnen ein, daß sie dann, selbst wenn es ihnen gelungen, in der Gewalt seiner Anhänger und Wachen sich befinden würden.
Während die Verschwornen dies überlegten, teilte Antonio Adimari Befreundeten in Siena, von denen er Beistand zu erlangen wünschte, das Geheimnis mit, indem er ihnen einige der Verschwornen nannte und versicherte, die ganze Stadt sei entschlossen sich zu befreien. Einer von jenen erzählte davon dem Messer Francesco Brunellischi, nicht in verräterischer Absicht, sondern weil er glaubte, auch er sei an der Verschwörung beteiligt. Entweder für sich selber fürchtend oder aus Haß gegen die andern, enthüllte Messer Francesco alles dem Herzog, worauf Paolo del Mazzeca und Simone da Monterappoli gefänglich eingezogen wurden. Die diesen entlockten Bekenntnisse über die Menge und den Stand der Verschwornen setzten den Herzog in Furcht und man riet ihm, sie lieber zu sich zu laden als gefangenzunehmen: denn, wenn sie die Flucht ergriffen, so könnte er sich ihrer ja immer durch das Exil versichern. Der Herzog ließ darauf den Antonio Adimari rufen, welcher, auf seine Freunde bauend, sogleich erschien. Er ward festgehalten, und Francesco Brunellischi wie Messer Uguccione Buondelmonti rieten dem Herzoge, mit Waffenmacht durch die Stadt zu ziehn und die Verhafteten hinrichten zu lassen. Er aber war nicht ihrer Meinung, weil seine Macht ihm nicht mit der Menge seiner Feinde im Verhältnis zu stehn schien. Darum ersann er einen andern Plan, welcher, wäre er gelungen, ihm seine Feinde in die Hände und einen Zuwachs an Macht gegeben haben würde. Der Herzog war gewohnt, die Bürger zu sich zu entbieten, in vorkommenden Fällen ihm mit Rat an die Hand zu gehen. Nachdem er nun ausgesandt hatte, um durch neue Werbungen die Zahl seiner Kriegsleute zu mehren, entwarf er eine Liste von dreihundert Bürgern, die er, unter dem Vorwande, ihre Ansicht vernehmen zu wollen, durch seine Herolde zu sich bescheiden ließ: wären sie vereint, so dachte er durch Hinrichtung oder Kerker sie unschädlich zu machen. Die Verhaftung des Antonio Adimari und das Entbieten von Waffenmacht, welches nicht hatte verborgen bleiben können, hatten aber die Bürger, namentlich diejenigen, die sich schuldig fühlten, gewarnt, so daß die Beherztesten zu gehorchen sich weigerten. Und da alle die Liste lasen und einer des andern Namen fand, ermunterten sie einander, die Waffen zu ergreifen und lieber, das Schwert in der Hand, wie Männer zu sterben, als wie Kälber zur Schlachtbank geschleppt zu werden. So wurden in wenigen Stunden die drei Bünde der Verschwornen miteinander bekannt, und sie beschlossen am folgenden Tage – es war der 26. Juli des Jahres 1343 – auf dem alten Markte einen Aufstand zu erregen, sich zu rüsten und das Volk zur Freiheit aufzurufen.
Als nun der folgende Tag gekommen war, griff alles, während man zur None läutete, der Verabredung gemäß zu den Waffen. Das gesamte Volk rüstete sich unter Freiheitsrufen, und jeder sammelte sich in seiner Stadtgegend unter Bannern mit dem Wappen des Volkes, welche durch die Verschwornen in der Stille bereitet worden waren. Alle Familienhäupter, Edle wie Popolanen, fanden sich ein und beschworen ihre Verteidigung und des Herzogs Tod. Ausgeschlossen von dieser allgemeinen Bewegung waren einige der Buondelmonti und Cavalcanti, und jene vier Volksgeschlechter, welche Gualtieris Herrschaft begünstigt: diese, mit den Fleischern und andern vom niedern Volke, ritten bewaffnet auf den Platz, für den Herzog Partei nehmend. – Bei diesem Tumult ließ der Herzog den Palast in Verteidigungszustand setzen und die Seinen, welche in verschiedenen Teilen der Stadt ihre Quartiere hatten, stiegen zu Pferde, um zum herzoglichen Palast zu eilen. Viele derselben aber wurden unterwegs angefallen und erschlagen. Dennoch langten gegen dreihundert Reiter an. Der Herzog war unschlüssig, ob er ausziehn sollte, die Feinde zu bekämpfen, oder ob es besser wäre, den Palast zu verteidigen. Andrerseits befürchteten die Medici, Cavicciuoli, Rucellai und andere Geschlechter, die besonders durch ihn gekränkt worden waren, daß, wenn er auszöge, viele, welche die Waffen gegen ihn ergriffen, zu seiner Partei sich schlagen würden. Um also der Möglichkeit eines Ausfalls und einer Verstärkung seiner Streitkräfte vorzubauen, ordneten sie einen Haufen und stürmten nach dem Platz. Als die Popolanfamilien, die es mit Gualtieri hielten, diese Streitkräfte anlangen und einen offnen Angriff beginnen sahen, wechselten sie die Partei mit des Herzogs Glückswechsel und schlossen sich ihren Mitbürgern an, mit Ausnahme des Messer Uguccione Buondelmonti, der sich in den Palast begab, und des Giannozzo Cavalcanti. Letzterer eilte mit einem Teile seiner Genossen nach dem neuen Markte, stieg auf eine Bank und redete zu dem bewaffnet nach dem Platze ziehenden Volke, es möchte für Gualtieri Partei ergreifen. Da er weder jemand fand, der ihm folgte noch seine Frechheit züchtigte, und sah daß er vergeblich sich abmühte, beschloß er das Schicksal nicht länger zu versuchen und schlich nach seiner Wohnung zurück.
Auf dem Platze fand unterdessen zwischen dem Volke und des Herzogs Leuten ein heftiger Kampf statt, und obgleich letztere vom Palast aus Beistand erhielten, unterlagen sie doch, so daß ein Teil in der Gegner Gewalt geriet, ein Teil mit Zurücklassung der Pferde in den Palast sich flüchtete. Während man so auf dem Platze kämpfte, erzwangen Corso und Messer Amerigo Donati mit einem Volkshaufen den Eingang in das Gefängnis der Stinche, verbrannten die Schriften des Podestà und der öffentlichen Kammer, plünderten die Wohnungen der Rektoren und erschlugen alle Beamte des Herzogs, deren sie habhaft werden konnten. Als Gualtieri sah, er könne den Platz nicht behaupten, die gesamte Stadt sei wider ihn und keine Hoffnung mehr auf Hilfe da: versuchte er, ob es ihm gelänge, durch irgendeine menschliche Handlung das Volk umzustimmen. Er ließ daher die Verhafteten vor sich kommen, gab ihnen mit freundlichen Worten die Freiheit wieder und schlug den Antonio Adimari, gegen seinen Willen, zum Ritter. Vom Palaste ließ er sein Banner abnehmen und das des Volkes aufpflanzen. Alles dies aber, weil es zu spät und zur Unzeit und aus Not geschah, half ihm wenig. Übelgelaunt hielt er nun die Belagerung im Palaste aus, sah, wie er alles verlor, weil er nach zu vielem getrachtet, und fürchtete, in wenigen Tagen durch Hunger oder das Schwert umzukommen. Um dem Gemeinwesen eine Form zu geben, versammelten sich die Bürger in Santa Reparata und wählten vierzehn, zur Hälfte Adelige, zur Hälfte Popolanen, welchen es zustehen sollte, in Gemeinschaft mit dem Bischofe die öffentlichen Dinge zu ordnen. Außerdem erwählten sie sechs Männer, welchen bis zur Ernennung eines neuen Podestà dessen Befugnisse zustehen sollten.
Viel Volk war den Florentinern zur Hilfe herbeigezogen, darunter eine Schar von Siena mit sechs Abgesandten, Männern, die in ihrer Heimat einen geehrten Namen hatten. Diese suchten einen Vergleich zwischen dem Volke und dem Herzog zu bewerkstelligen, aber das Volk wollte nichts von Vergleich wissen, wofern nicht zuerst Messer Guglieimo von Assisi nebst seinem Sohne und Messer Cerrettieri Visdomini in seine Gewalt gegeben wären. Des weigerte sich der Herzog: aber durch die Drohungen der mit ihm Eingeschlossenen ließ er sich doch die Einwilligung abnötigen. Wird die Freiheit wiedergewonnen, so ist die Erbitterung heftiger, sind die Wunden tiefer, als wenn man sie verteidigt. Messer Guglielmo und sein Sohn wurden den Tausenden ihrer Feinde überliefert. Der Jüngling war noch nicht achtzehn Jahre alt. Doch vermochten weder seine Jugend, noch seine Schönheit und Schuldlosigkeit ihn vor der Wut der Menge zu retten. Die, welche sie lebend nicht hatten verwunden können, ließen ihren Haß noch an den Leichnamen aus und zerfleischten sie, ohne satt zu werden, mit Waffen, Händen und Zähnen. Und als sollten alle Sinne teilnehmen an der Rache, nachdem sie das Jammergeschrei gehört, die Wunden gesehen, die zerfetzten Leiber berührt, wollten sie auch dem Geschmack zu kosten geben, um innen wie außen gesättigt zu werden. So verderblich diese Raserei jenen beiden war, so sehr kam sie dem Messer Cerrettieri zugute. Denn die Menge, müde von den an jenen begangenen Greueln, vergaß diesen, so daß er, ohne daß man nach ihm fragte, im Palaste blieb, aus welchem er in der folgenden Nacht durch Verwandte und Freunde an einen sichern Ort gebracht wurde. Nachdem das Volk am Blute sich geletzt, wurde der Vergleich abgeschlossen. Der Herzog sollte mit den Seinen und seiner Habe ungestört abziehen, allen seinen Ansprüchen auf Florenz entsagen und außerhalb des Gebiets der Republik, im Casentino, die Entsagung bestätigen. Hierauf, am 6. August, verließ er die Stadt, von vielen Bürgern begleitet, und nachdem er im Casentino angelangt, bestätigte er obgleich ungern die Verzichtleistung, was er nicht getan haben würde, hätte der Graf Simon von Poppi nicht gedroht, ihn nach Florenz zurückzuführen. Dieser Herzog war, wie sein Verfahren bekundet, habsüchtig und grausam, schwer zugänglich, in seinen Bescheiden hochfahrend. Er wollte die Knechtschaft, nicht die Liebe der Menschen und hielt von Furcht mehr als von Zuneigung. Sein Äußeres war ebenso wenig einnehmend als sein Benehmen: er war klein und schwarz, mit langem spärlichen Barte, so daß er auf jede Weise Abneigung erregte. So raubte ihm denn innerhalb zehn Monaten sein schlimmes Verhalten die Herrschaft, zu welcher die schlimmen Ratschläge anderer ihn erhoben hatten.
Diese Vorgänge in der Stadt verliehen allen den Florentinern unterworfenen Orten Mut, ihre Unabhängigkeit von neuem zu behaupten. So empörten sich Arezzo. Castiglione, Pistoja, Volterra, Colle, San Gemignano: zur selben Zeit sah sich Florenz ohne Tyrann und ohne Gebiet, und indem es seine Freiheit wiedergewann, unterwies es seine Untertanen, wie sie die ihre wiedererlangen könnten. Nachdem solcherart die Vertreibung des Herzogs mit dem Verluste des Gebietes erfolgt war, dachten die vierzehn Männer nebst dem Bischof, daß es geratener sei, die vormaligen Untertanen durch Frieden zu besänftigen, als sie durch Krieg zu reizen, indem sie sich stellten, als wären sie über deren Freiheit ebenso erfreut wie über ihre eigne. So sandten sie Abgeordnete nach Arezzo, der Herrschaft, die sie über diese Stadt in Anspruch nahmen, zu entsagen und mit den Bewohnern einen Vertrag zu schließen, um dieselben, da sie nicht mehr über sie als Untertanen gebieten konnten, wenigstens zu Freunden zu haben. Auch mit den andern Orten kamen sie, so gut es sich tun ließ, überein, um deren Freundschaft zu bewahren und Hilfe von ihnen zu erlangen. Dieser in guter Stunde gefaßte Beschluß hatte glückliche Folgen, denn nach nicht vielen Jahren stand Arezzo wieder unter florentinischer Oberherrschaft, und binnen wenigen Monden kehrten die übrigen Orte zum alten Gehorsam zurück. So erreicht man oft rascher mit minderer Gefahr und mit geringeren Kosten seinen Zweck, indem man den Rücken zu wenden scheint, als indem man mit Gewalt und Hartnäckigkeit im Verfolgen eines Ziels beharrt.
Nach Beilegung der auswärtigen Händel wandten sie sich zu den innern Verhältnissen, und nach einigem Streit zwischen Großen und Popolanen ward beschlossen, daß jenen in der Signorie das Drittel der Stellen, in den übrigen Ämtern die Hälfte zustehen sollte. Wie wir bereits oben gesagt, war die Stadt in Sechstel geteilt und für jedes Sechstel immer ein Prior gewählt worden, ausgenommen bei einigen besondern Veranlassungen, wo man zwölf oder dreizehn ernannte, was aber nur auf kurze Zeit stattfand. Man dachte nun hierin eine Änderung vorzunehmen, teils weil die Sechsteleinteilung unpassend war, teils aus dem Grunde, weil, um den Großen Genüge zu tun, die Zahl der Signoren vermehrt werden mußte. Darum teilten sie die Stadt in Viertel, für deren jedes sie drei Signoren ernannten. Den Gonfaloniere der Gerechtigkeit und die der Kompanien des Volkes ließen sie beiseite und bestellten statt der zwölf Buonuomini acht Räte, vier von jedem Stande. Nachdem die Regierung in solcher Weise geordnet worden, hätte die Stadt in Frieden leben können, wenn die Großen sich begnügt hätten, mit jener Bescheidenheit aufzutreten, welche den bürgerlichen Verhältnissen zukommt. Aber sie taten das Gegenteil: denn als Privatleute verschmähten sie Genossen und als Magistrate wollten sie Herren sein. Kein Tag verging ohne irgendeine Probe ihres Stolzes und Übermuts. Dies mißfiel dem Volke, welches klagte, statt eines Tyrannen habe es jetzt tausend. So nahm denn auf der einen Seite der Hochmut dermaßen zu, auf der andern die Erbitterung, daß die Häupter des Volkes dem Bischof das üble Verfahren der Großen und ihr schlimmes Verhalten zum Volke kundmachten, und ihn ersuchten, er möge es dahinbringen, daß die Großen mit ihrem Anteil an den übrigen Magistraturen sich begnügten, während sie dem Volke die Signorie allein überließen. Der Bischof war von Natur gut, aber es war leicht, ihn bald auf die eine, bald auf die andere Seite zu bringen. Die Folge davon war gewesen, daß er anfangs auf Veranlassung seiner Geschlechtsgenossen dem Herzog von Athen sich geneigt bewiesen, dann auf den Rat andrer Bürger gegen denselben sich verschworen hatte. Bei der Umwandlung der Verfassung hatte er die Großen begünstigt: jetzt schien es ihm wohlgetan, infolge der von jenen Popolanen ihm vorgebrachten Gründe, auf des Volkes Seite sich zu stellen. Da er nun glaubte, er werde bei den andern denselben Mangel an Beständigkeit finden, der in seinem eignen Charakter lag, so überredete er sich, er könne die Sache gütlich beilegen. Indem er die Vierzehn zusammenrief, die ihr Amt noch nicht niedergelegt, ermunterte er sie mit den ihn am passendsten dünkenden Worten, sie möchten dem Volke den Magistrat der Signorie abtreten, wobei er ihnen als Ergebnis die Ruhe der Stadt verhieß, während aus ihrer Weigerung ihr eigner Untergang hervorgehn würde. Diese Worte erregten bei den Großen heftiges Mißvergnügen und Messer Ridolfo de'Bardi redete den Bischof mit harten Worten an, indem er ihn einen unzuverlässigen Mann nannte, und ihm die Freundschaft mit dem Herzog als leichtsinnig, die Verschwörung gegen denselben als verräterisch vorwarf, worauf er mit den Worten schloß, die mit Gefahr errungenen Ehren wollten sie mit Gefahr verteidigen. Hierauf verließen er und die Seinigen zornig den Bischof und setzten ihre Genossen und alle Adelsgeschlechter von dem Vorgefallenen in Kenntnis. Ihrerseits machten auch die Popolanen ihrer Partei Anzeige von dem Geschehenen. Während nun die Großen sich bereiteten, ihre Signoren durch Waffengewalt aufrecht zu halten, schien es dem Volke geraten, nicht zu warten, bis sie bereit sein würden: bewaffnet eilte es nach dem Palast und rief, es wolle, daß die Großen auf den Magistrat verzichteten. Das Geräusch und der Tumult waren groß. Die Signoren sahen sich verlassen: denn die Großen, als sie das ganze Volk gerüstet erblickten, wagten es nicht, zu den Waffen zu greifen, und jeder blieb in seiner Wohnung. Nachdem nun die den Popolanen angehörenden Mitglieder der Signorie versucht hatten, die Menge zu beruhigen, indem sie ihr vorstellten, ihre Amtsgenossen wären bescheidene und gute Leute, und dies keine Wirkung gehabt hatte, sandten sie selbe, um keine schlimmem Auftritte zu veranlassen, nach Hause zurück, wo sie nicht ohne Not in Sicherheit anlangten. Nachdem die Großen den Palast verlassen, wurde auch den vier adeligen Räten ihr Amt genommen, und man ernannte zwölf Popolanen, und den übriggebliebenen acht Signoren ward ein Gonfaloniere der Justiz zugesellt und sechzehn Gonfalonieren der Kompanien, wobei die gesamte Verfassung eine solche Umgestaltung erfuhr, daß dem Volke alle Macht verblieb.
Während dieser Ereignisse herrschte Hungersnot in der Stadt, so daß Große wie Volk mißvergnügt waren; dieses des Mangels wegen, jene wegen der verlorenen Macht. Dieser Umstand gab dem Messer Andrea Strozzi Mut, einen Versuch gegen die Freiheit der Stadt zu wagen. Er verkaufte das Getreide zu geringerem Preise als die übrigen, so daß eine Menge Leute zu seiner Wohnung strömten. Da stieg er eines Morgens zu Pferde und rief mit einigen Begleitern die Menge zu den Waffen, worauf in kurzer Zeit über viertausend Menschen versammelt waren, mit denen er nach dem Platze der Signorien zog und Einlaß in den Palast verlangte. Aber die Signoren hielten die Angreifer mit Drohungen und mit Waffengewalt auf dem Platze zurück und jagten ihnen durch ihre öffentlichen Verkündigungen solche Furcht ein, daß bald ein jeder nach Hause sich zurückzog und Messer Andrea, von allen verlassen, mit genauer Not den Händen der Behörden entging.
Dieser Vorfall, so unsinnig er war, und obgleich er das gewöhnliche Ende ähnlicher Versuche nahm, gab dennoch den Großen Hoffnung, die Popolanen zu bezwingen, da sie sahn, daß der Pöbel nicht mit den Bürgern zusammenhielt. Um die Gelegenheit nicht vorübergehn zu lassen, beschlossen sie unter Beistand aller Art sich zu rüsten, um klugerweise durch Gewalt wiederzuerlangen, was ihnen ungerechterweise durch Gewalt genommen worden war. Die Gewißheit des Gelingens nahm bei ihnen dermaßen zu, daß sie öffentlich mit Waffen sich versahen, ihre Wohnungen befestigten, bis nach der Lombardei hin zu den Befreundeten um Hilfe sandten. Auch das Volk mit den Signoren traf Vorkehrungen, indem es sich rüstete und in Siena und Perugia Beistand verlangte. Schon war der einen wie der andern Partei Hilfe zugekommen: die ganze Stadt war in Waffen. Die Großen hatten sich diesseit des ArnoNämlich auf dem rechten Ufer, wo der bei weitem größere Teil der Stadt, während auf dem linken das Viertel Santo Spirito (Oltrarno) sich befindet. an drei Stellen verschanzt, bei den Wohnungen der Cavicciuoli in der Nähe von San Giovanni, bei den Häusern der Pazzi und Donati an San Pier Maggiore, bei denen der Cavalcanti am neuen Markte. Jenseits des Arno hatten sie die Aufgänge zu den Brücken und die Straßen bei ihren Wohnungen befestigt: die Nerli verteidigten die Carraia-Brücke, die Frescobaldi und Mannelli die Dreifaltigkeits-Brücke, die Rossi und Bardi die alte und die Rubaconte-Brücke.Vom Podestà Messer Rubaconte da Mandello aus Mailand gebaut, jetzt gewöhnlich Santa Maria della grazie genannt. Andrerseits sammelten sich die Popolanen unter dem Banner der Justiz und den Fahnen der Kompanien des Volkes.
Als die Sachen so standen, schien es dem Volke geraten, den Kampf nicht länger aufzuschieben. Die ersten, die sich in Bewegung setzten,24. September. waren die Medici und Rondinelli, welche die Cavicciuoli auf der Seite angriffen, wo man von San Giovanni her zu ihren Wohnungen gelangte. Hier war der Kampf heftig: denn auf die Angreifenden wurde von den Türmen mit Steinen geworfen, unten mit Armbrüsten geschossen. So währte es drei Stunden, und immer noch nahm der Andrang des Volkes zu, als endlich die Cavicciuoli, von der Menge überwältigt, keinen Beistand herannahen sehend, den Mut verloren und sich der Menge überlieferten, welche ihre Wohnungen und Habe schützte, ihnen nur die Waffen nahm und gebot, unbewaffnet in den Häusern ihrer Verwandten und Freunde unter den Popolanen sich zu verteilen. Nachdem dieser erste Sturm vorüber, wurden auch die Donati und Pazzi, die schwächer waren denn jene, leicht bezwungen. Diesseits des Arno blieben bloß die Cavalcanti übrig, stark an Mannschaft, wie durch die Lage ihrer Wohnungen. Da diese aber sämtliche Kompanien des Volkes sich gegenübersahn, während drei derselben zur Besiegung der andern hinreichend gewesen, ergaben sie sich ohne langen Kampf. Schon waren drei Viertel der Stadt in des Volkes Gewalt: das vierte nur hielten die Großen besetzt. Dies bot indes die meisten Schwierigkeiten dar, einmal wegen der Macht derer, die es verteidigten, sodann wegen der Lage, weil es durch den Arno geschützt war, so daß der Übergang über die, wie oben gesagt, verrammelten Brücken erzwungen werden mußte. Unterdes geschah der erste Angriff bei der alten Brücke. Tapfer war die Verteidigung: alle Türme waren mit Bewaffneten gefüllt, die Straßen gesperrt und die in ihnen aufgeworfenen Verschanzungen mit mutigen Leuten gefüllt, so daß das Volk mit schwerem Verlust zurückgeschlagen ward. Da die Angreifenden erkannten, daß auf diesem Punkte ihre Anstrengungen vergeblich waren, versuchten sie den Übergang über die Rubaconte-Brücke, und da sie hier denselben Widerstand fanden, griffen sie, nach Zurücklassung von vier Fahnen zur Bewachung dieser Brücken, die von Carraia an. Und obschon die Nerli hier mannhaften Widerstand leisteten, konnten sie doch gegen die Wut des Angriffs sich nicht halten, sowohl weil die Brücke, durch keine Türme verteidigt, die schwächere war, als weil die Capponi und andere benachbarte popolane Familien auf dem linken Ufer sie anfielen. Von allen Seiten gedrängt, wichen sie daher zurück von den Verschanzungen und machten dem eindringenden Volke Platz, welches bald die Rossi und Frescobaldi zurückschlug, indem alle Popolanen von jenseits des Flusses den Siegern zuströmten. So blieben allein die Bardi, welchen weder das Verderben der andern, noch die Einigung des Volkes, noch endlich die geringe Aussicht auf Beistand den Mut rauben konnte, und die lieber kämpfend starben, oder ihre Wohnungen geplündert und in Flammen sehn, als ihren Feinden sich ergeben wollten. Sie wehrten sich mit solcher Hartnäckigkeit, daß das Volk mehrere Male, von der alten wie von der Rubaconte-Brücke her, den Angriff versuchend, jedesmal unter großen Verlusten an Toten und Verwundeten zurückgeworfen wurde. Vor Zeiten war eine Straße angelegt worden, durch welche man von der Via Romana aus innerhalb der Wohnungen der Pitti zu der Stadtmauer auf der Höhe von San Giorgio gelangen konnte.Durch den Bau des Palastes Pitti und die Anlegung der Boboli-Gärten ist die Lokalität auf dieser Seite sehr verändert worden. Von dem kleinen Platz von Santa Felicità wie von der Via de'Bardi aus steigen übrigens zwei sich vereinigende Straßen den steilen Hügel von San Giorgio hinan, der das Medizeische Fort Belvedere trägt. Auf diesen Weg sandte das Volk sechs Fähnlein mit dem Befehl, die Häuser der Bardi von hinten anzufallen. Dieser Angriff war es, der die Bardi entmutigte und dem Volke den Sieg gab: denn als die innerhalb der Verschanzungen Kämpfenden erfuhren, ihre Häuser seien in Gefahr, verließen sie jene, um diese zu verteidigen. So kam es, daß die Verschanzung an der alten Brücke erstürmt und die Bardi auf allen Seiten in die Flucht geschlagen, bei den Quaratesi, Panzanesi und Mozzi Aufnahme suchten. Der Pöbel, nach Beute dürstend, plünderte und verheerte unterdessen ihre Wohnungen und verwüstete und verbrannte ihre Türme und Paläste mit solcher Wut, daß der grausamste Feind des florentinischen Namens sich so wilder Zerstörung geschämt haben würde.
Nach der Niederlage der Großen ordnete das Volk von neuem das Gemeinwesen, und da es sich in drei Klassen schied, das vornehme, das mittlere und das niedere, so ward angeordnet, daß die Vornehmen zwei Signoren stellen sollten, und je drei die beiden übrigen Klassen, während der Gonfaloniere bald aus der einen genommen werden sollte, bald aus der andern. Zudem wurden alle Justizverordnungen gegen die Großen wieder ins Leben gerufen, und um die Großen zu schwächen, wurden viele von ihnen dem Volke einverleibt. Der Stoß, den der Adel hier erlitt, war so heftig und drückte ihn so nieder, daß er nie mehr wagte, gegen das Volk die Waffen zu erheben, sondern allmählich gefügiger und demütiger wurde. Daher kam es, daß Florenz nicht bloß an Kriegsmacht, sondern auch an edler Sinnesart verarmte. Die Stadt blieb nun ruhig bis zum Jahre 1353. Unterdessen kam jene große Pest vor (1348), welche Messer Giovanni Boccaccio mit so beredten Worten geschildert und durch welche Florenz mehr denn sechsundneunzigtausend seiner Bewohner verlor. Auch führten in dieser Zeit die Florentiner den ersten Krieg gegen die Visconti, veranlaßt durch den Ehrgeiz des damals herrschenden Erzbischofs von Mailand. Kaum war dieser Krieg zu Ende, so begannen wieder die Parteiungen in der Stadt. Denn war auch der Adel niedergeworfen, so fehlte es dem Schicksal doch nicht an Mitteln, durch neuen Unfrieden neue Leiden hervorzubringen.