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Die großen und natürlichen Feindschaften, welche zwischen Bürgertum und Adel bestehen und ihren Grund darin haben, daß dieser befehlen, jenes nicht gehorchen will, sind die Quelle aller Übel, an denen die Städte kranken. Denn in dieser Verschiedenheit der Neigungen findet jeglicher Zwist, der die Ruhe der Freistaaten zu stören kommt, seine Nahrung. Dies war der Grund der Spaltungen Roms; dies, wenn es erlaubt ist, Kleines mit Großem zu vergleichen, die Ursache des Unfriedens in Florenz. In einer und der andern Stadt waren indes die Wirkungen verschiedener Art. Denn in Rom wurde die Uneinigkeit zwischen Volk und Adel durch Worte geschlichtet, in Florenz durch Waffen. Die Fehden in Rom endeten durch ein Gesetz, die in Florenz mit dem Exil und dem Tode zahlreicher Bürger. In Rom steigerten sie den kriegerischen Geist, in Florenz ertöteten sie ihn. Während in Rom aus Gleichheit der Bürger die größte Ungleichheit hervorging, wurde in Florenz Ungleichheit zur bewunderungswürdigsten Gleichheit. Diese Verschiedenheit der Wirkungen muß in der Verschiedenheit der Zwecke, welchen diese beiden Völker gelebt, ihren Grund haben. Denn das römische Volk wollte in Gemeinschaft der Adeligen der höchsten Ehren teilhaft werden: das florentinische Volk kämpfte für alleinige Herrschergewalt mit Ausschluß des Adels. Und wie das Verlangen des römischen Volks das vernünftigere, waren auch die dem Adel auferlegten Beschränkungen leichter zu ertragen; so daß dieser leicht und ohne zu den Waffen zu greifen nachgab und man nach einiger Meinungsverschiedenheit sich zu einem Gesetze einigte, durch welches dem Volke gewillfahrt wurde, ohne daß des Adels Ehre darunter litt. Andrerseits aber war das Verlangen des florentinischen Volkes verletzend und ungerecht: daher kam es, daß der Adel mit aller Kraftanstrengung auf seine Verteidigung bedacht war, so viel Bürgerblut floß, so viele ihre Heimat verlassen mußten. Und die nachmals entworfenen Gesetze nahmen nicht auf das allgemeine Beste acht, sondern waren dem Sieger allein günstig. In Rom mehrten sich Gemeinsinn und Tugend mit den Siegen des Volkes: denn dadurch, daß Leute vom Volke zugleich mit den Adeligen die obersten Magistraturen, die Befehlshaberstellen in den Heeren und den eroberten Reichen erlangen konnten, wurden sie von demselben Hochsinn erfüllt, der die Adligen beseelte; und mit der Zunahme an Tapferkeit ging die Zunahme an Macht Hand in Hand. Als aber in Florenz das Volk siegte, blieb der Adel ausgeschlossen von den Ämtern, und wollte er zu denselben zugelassen werden, so mußte er im Verhalten, in der Gesinnung und Lebensweise den Popolanen nicht bloß gleich sein, sondern auch scheinen. Daraus entstand die Veränderung der Wappen, der Wechsel der Familiennamen, welche die Adeligen, um für Popolane zu gelten, vornahmen, so daß die Tapferkeit und der Hochsinn, die im Adel waren, erloschen, ohne im Volke, wo sie nicht waren, aufleben zu können. So sank Florenz immer tiefer in der Gesinnung. Und während Rom, nachdem jener Hochsinn in Übermut ausgeartet, dahin gelangte, daß es ohne einen Fürsten nicht mehr bestehen konnte: ist es mit Florenz so weit gekommen, daß ein verständiger Gesetzgeber jede beliebige Form der Regierung einführen könnte. Das im vorhergehenden Buche Erzählte wird diese Umstände deutlich gemacht haben. Nachdem ich so den Ursprung von Florenz, die Anfänge seiner Unabhängigkeit, die Ursachen der Parteiungen und deren Ausgang in der Tyrannei des Herzogs von Athen und dem Untergang des Adels gezeigt, bleiben mir jetzt die Fehden zwischen Volk und Pöbel und die aus denselben hervorgegangenen Verhältnisse zu schildern übrig.
Nachdem die Macht der Großen vernichtet, der Krieg gegen den Erzbischof von Mailand beendigt war, schien keine fernere Veranlassung zu Störungen zurückgeblieben zu sein. Aber das ungünstige Geschick unserer Stadt und ihre fehlerhafte Verfassung brachten Feindschaft zwischen den Geschlechtern der Albizzi und RicciDie Albizzi stammen aus Arezzo. Ihre politische Wichtigkeit beginnt mit Filippo, Gonfaloniere 1327, durch welchen der Streit mit den Ricci seinen Anfang nahm. Seine Söhne waren Piero (enthauptet 1379) und Luca; von letzterem stammte Maso, der größte Mann der Familie (starb 1417), von diesem Rinaldo, der Gegner Cosimos de'Medici. Die verschiedenen Linien in Italien sind ausgestorben, die letzte florentinische vor drei Jahren: sie bestehen aber noch in Frankreich (durch Verpflanzung nach Lyon). Ihre Wohnungen sind in dem nach ihnen benannten Borgo degli Albizzi, bei den Häusern der Pazzi beginnend. – Die Ricci, von einem durch sie beherrschten benachbarten Castell nach Florenz gezogen, waren lange ein sehr volkstümliches Geschlecht, welches noch blüht. Die Kirche Santa Maria de'Ricci und die Piazza de'Ricci bewahren den Namen. Der bekannte Bischof von Pistoja, Scipio de'Ricci, gehörte dieser Familie an. zuwege, welche Florenz in Parteien teilte, wie einst die Fehde zwischen Buondelmonti und Uberti, zwischen Cerchi und Donati. Die Päpste, welche damals in Frankreich ihren Sitz hatten, und die in Deutschland verweilenden Kaiser hatten, um ihr Ansehen in Italien aufrechtzuerhalten, zu verschiedenen Zeiten Heeresmassen aus Leuten verschiedener Nationen dahin gesandt, so daß Engländer, Deutsche und Bretagner das Land füllten. Diese, nach Beendigung der Kriege ohne Löhnung geblieben, zogen unter den Fahnen dieses oder jenes Fürsten oder Glücksritters Beute machend umher.Die berüchtigten Kompanien, deren Ursprung aus den Zeiten der schwäbischen Kaiser herzuleiten ist, machten sich namentlich seit der Bildung des Heerhaufens geltend, mit welchem Herzog Werner von Urslingen (um 1342) einen großen Teil Italiens plünderte und brandschatzte. Die ferneren Beziehungen, in welche Florenz zu den Kompanien kam, werden von Machiavell nicht berührt. Im Juli 1354 stand Montreal (Fra Moriale, bei Machiavell Monsignor Reale) bei San Casciano, worauf die Republik sich loskaufte. Vier Jahre darauf verlangten die Haufen, deren Befehlshaber damals der Graf von Landau (Conte di Lado) war, den Durchzug und im genannten wie im folgenden Jahre wurde förmlicher Krieg zwischen ihnen und der Republik geführt, wobei sie indeß den kürzern zogen. Der Kampf mit Pisa, der im J. 1362 aufs heftigste entbrannte, führte die sogenannte englische Kompanie, welche John Hawkwood befehligte, nach Toscana, desgleichen die deutsche des »Anichino di Bongardo«, von denen namentlich im Mai 1364 Florenz hart bedrängt ward. Auch im Jahre 1370 plünderten die Engländer, d. h. zusammengelaufenes Volk, welches in den englisch-französischen Kriegen gedient, das Land bis unter die Mauern der Stadt. Im Jahre 1353 kam einer dieser Söldnerhaufen unter der Anführung des Herrn von Montreal, eines Provenzalen, nach Toscana: eine Erscheinung, die alle Städte der Provinz in Schrecken setzte, und wobei die Florentiner nicht nur öffentlich Truppen warben, sondern auch einzelne Familien, wie die Albizzi und Ricci, zu eignem Schutze sich rüsteten. Diese waren einander längst abgeneigt, und jede sann darauf, wie sie die andere unterdrücken könnte, um zur Herrschaft zu gelangen. Indes waren noch keine blutigen Händel vorgefallen, sondern sie hatten bloß in den Magistraturen und Ratsversammlungen miteinander gehadert. Da nun die ganze Stadt bewaffnet war, entstand ein zufälliger Streit auf dem alten Markt, wo, wie es zu geschehen pflegt, eine Menge Leute zusammenliefen, und indem das Gerücht davon sich verbreitete, hinterbrachte man den Ricci, daß die Albizzi sie angriffen, und den Albizzi, daß die Ricci sie aufsuchten. Dadurch geriet alles in Bewegung, und mit Mühe nur gelang es den Magistratspersonen, eine und die andere Familie im Zaume zu halten, damit nicht in der Tat ein Angriff geschähe, wie durch das zufällige Gerücht und ohne Schuld von beiden sich bereits verbreitet hatte. So unbedeutend dieser Zufall war, erzürnte er die Gemüter immer mehr, so daß beide Geschlechter mit größerem Eifer um Parteigenossen sich bewarben. Und da nach dem Sturz der Großen die Bürger solche Gleichheit untereinander erlangt hatten, daß die Magistrate in weit größerer Achtung standen denn ehemals: so beschlossen sie, ohne zu Gewalttätigkeiten zu kommen, auf scheinbar gesetzlichem Wege ihre Zwecke zu erreichen.
Wir haben oben erzählt, wie der Sieg Carls I. zur Einsetzung der Capitane guelfischer Partei Veranlassung gab und wie man diesen beim Verfahren gegen die Gibellinen ausgedehnte Vollmachten erteilte, welche durch Zeit, Zufälle aller Art und jüngere Feindschaften so in Vergessenheit geraten waren, daß viele von gibellinischer Abstammung in den vornehmsten Magistraturen saßen. Da brachte Uguccione de'Ricci, das Haupt jenes Geschlechtes, es dahin, daß die Gesetze gegen die Gibellinen wieder ins Leben gerufen wurden, indem manche die Albizzi, welche aus Arezzo stammten und vor langen Jahren in Florenz sich niedergelassen hatten, zu dieser Partei zählten. Durch Erneuerung der gedachten Gesetze (1354) hoffte Uguccione die Albizzi von den Ämtern auszuschließen, indem nach deren Bestimmung jeder, der gibellinischen Ursprungs war, in Strafe verfiel, wenn er ein Amt übernahm. Dieser Plan Ugucciones wurde dem Piero, Sohn Filippos degli Albizzi verraten, worauf dieser beschloß, die Maßregel zu unterstützen, indem er überlegte, daß er sich selbst als Gibellinen stempeln würde, falls er sich widersetzte. Das alte, durch dieser Männer Ehrfurcht erneute Gesetz, weit entfernt, Pieros degli Albizzi Ansehen zu schaden, mehrte dasselbe und legte den Grund zu vielen Übeln. Für einen Freistaat läßt sich überhaupt kein schädlicheres Gesetz aufstellen, als eines, welches weit hinter uns liegende Zeiten oder Verhältnisse zur Norm nimmt. Nachdem nun Piero den Vorschlag unterstützt hatte, bahnte das, was seine Gegner ihm zum Verderben ersonnen, den Weg zu seiner Größe. Denn indem er sich an die Spitze der Bewegung stellte, gewann er stets höhere Macht, da die neue guelfische Faktion ihm mehr denn irgendeinem andern gewogen war.
Da das Ausfindigmachen der Gibellinen aber keiner besondern Behörde zustand, und darum das neue Gesetz keine eigentliche Kraft hatte, so beschloß man, den erwähnten Capitanen Machtvollkommenheit zu erteilen, die Gibellinen aufzuspüren und ihnen anzudeuten und sie zu ermahnen, auf die Ämter zu verzichten. Leisteten sie dieser Ermahnung nicht Folge, so sollten sie bestraft werden. Daher kam es, daß die in Florenz von den Ämtern Ausgeschlossenen den Namen Ermahnte (Ammoniti) trugen. Indem nun mit der Zeit die Capitane kühner wurden, schlossen sie rücksichtslos nicht bloß solche aus, die es verdienten, sondern sie ammonierten, von Habsucht, Haß oder sonstigen bösen Leidenschaften getrieben, jeden, der ihnen nicht genehm war. Und vom Jahre 1357, wo diese Maßregel ihren Anfang nahm, bis zum Jahre 1366 waren bereits mehr denn zweihundert Bürger der Teilnahme an den Magistraturen beraubt. Dadurch waren die Capitane und die guelfische Partei mächtig geworden, weil jeder aus Furcht sie ehrte, namentlich ihre Häupter, Piero degli Albizzi, Messer Lapo da Castiglionchio und Carlo Strozzi. Während dies übermütige Verfahren vielen mißfiel, waren die Ricci mißvergnügter denn alle, indem sie sich gestehen mußten, die Urheber dieser Maßregel gewesen zu sein, durch welche sie den Staat ins Verderben stürzen und die Albizzi, ihre Gegner, im Widerspruche mit ihren Plänen, zu höchster Macht gelangt sahen. Als nun Uguccione de'Ricci Mitglied der Signorie war, wollte er dem Übel steuern, zu dem er und andere der Seinen Anlaß gegeben hatten. Durch ein neues Gesetz brachte er es dahin, daß die Zahl der Capitane guelfischer Partei durch dreie vermehrt ward, von denen zwei den kleineren Zünften angehörten, sowie daß die Aussprüche dieses Magistrats erst durch Bestätigung von vierundzwanzig guelfischen Bürgern Gültigkeit erlangen sollten. Durch diese Vorkehrung wurde damals die Macht der Capitane wesentlich beschränkt, so daß das Ammonieren nicht mehr in früherer Ausdehnung vor sich gehen konnte. Nichtsdestoweniger behielten die beiden Faktionen einander im Auge und suchten aus Haß wechselweise Bündnisse, Unternehmungen, Beschlüsse zu hindern oder rückgängig zu machen. In diesem unbehaglichen Zustande lebte man von dem genannten Jahre bis 1371. Während dieser Zeit gelangte die guelfische Partei wieder zu Kräften. In der Familie der Buondelmonti war (1371) ein Ritter namens Messer Benchi, welcher wegen seiner Verdienste in einem der Kriege gegen Pisa zum Popolan gemacht und dadurch befähigt worden war, im Magistrat der Signoren zu sitzen. Und als er gewählt zu werden erwartete, machte man ein Gesetz, daß kein zum Volke übergegangener Adeliger Mitglied dieses Magistrats werden könnte. Messer Benchi wurde dadurch sehr gekränkt, und indem er sich Piero degli Albizzi näherte, beschlossen sie durch Ammonitionen die niedern Popolanfamilien zu schwächen, um die Macht ganz in ihren Händen zu haben. Durch Messer Benchis Verbindungen mit dem alten Adel und die Gunst, in welcher Piero bei der Mehrzahl der mächtigen Popolanen stand, kräftigten sie ihre Faktion immer mehr und brachten es durch neue Maßregeln dahin, daß sie über die Capitane und die vierundzwanzig Bürger nach Willkür verfügen konnten. So wurde denn im Ausschließen von den Ämtern mit größerer Frechheit noch als vordem fortgefahren, und täglich stieg das Ansehen des Hauses der Albizzi, welches an der Spitze der Partei stand. Andrerseits verfehlten die Ricci mit ihren Anhängern nicht, den Plänen derselben, wo sie konnten, Hindernisse in den Weg zu legen, so daß man in ewigem Argwohn lebte und jeder einem Umsturz des Bestehenden entgegensah. Darum versammelten sich (1372), von Liebe zur Heimat angetrieben, viele Bürger in San Piero Scheraggio, und nachdem sie diese Mißhelligkeiten beraten, gingen sie zu den Signoren, zu denen einer der Angesehensten unter ihnen folgende Rede hielt:
»Viele von uns, erlauchte Herren, nahmen Anstand, selbst einer öffentlichen Angelegenheit wegen ohne öffentliche Ermächtigung sich zu versammeln, indem wir fürchteten, für vermessen gehalten oder als ehrsüchtig bestraft zu werden. Da wir aber in Betracht zogen, daß täglich und ohne Ängstlichkeit viele Bürger in Hallen und Häusern, nicht zum Wohl des Gemeinwesens, sondern aus Gründen ihres Privatinteresses zusammenkommen: so glaubten wir, daß, da diejenigen, welche das Verderben des Staates planen, ohne Furcht sind, auch solche keiner Besorgnis sich hingeben dürfen, welche zu öffentlichem Nutz und Besten sich vereinigen. Auch kümmern wir uns nicht um andrer Urteil über uns, weil andern nichts an der Meinung liegt, welche wir von ihnen hegen. Die Liebe zum Vaterland, welche uns, erlauchte Herren, beseelt, hat unsere Zusammenkunft veranlaßt, wie sie uns auffordert, gegenwärtig zu euch zu kommen, um über ein Übel mit euch zu reden, welches schon groß ist und täglich wächst in diesem Staate, und zu dessen Beseitigung wir euch unsern Beistand anbieten. So schwer diese Beseitigung auch scheinen mag, so kann sie euch doch gelingen, wenn ihr Rücksichten auf einzelne außer Augen laßt und euer Ansehn zugleich mit der Staatsgewalt gebrauchen wollt. Die allgemeine Verderbnis aller Städte Italiens hat unsere Stadt angesteckt und verderbt sie immer noch. Denn seit dies Land sich der Obergewalt des kaiserlichen Reiches entzogen hat, haben die Städte, nicht mehr gebändigt von jenem mächtigen Zügel, ihre Verfassungen und Gesetze geordnet, nicht als freie Genossenschaften, sondern in Parteien zerrissen. Dies ist Grund und Ursprung aller übrigen Gebrechen, aller Arten von Verwirrung, die in ihnen zum Vorschein kommen. Vorerst findet sich unter ihren Bürgern nicht Einheit noch Freundschaft, wenn man solche ausnimmt, die durch Mitwissenschaft irgendeines Verbrechens gegen Vaterland oder Mitbürger aneinandergekettet sind. Da in allen Religion und Gottesfurcht erloschen sind, währen Eid und Treue nur so lange, als der Vorteil es erheischt. Nicht Pflichtgefühl fordert zum Worthalten auf, sondern die Hoffnung, leichter dadurch zu täuschen. Je leichter und sicherer der Betrug, um so größern Ruhm und Preis gewährt er. So werden böse Menschen als kluge gelobt, gute als einfältige verlacht. Und wahrlich häuft sich in den italienischen Städten alles zusammen, was verdorben werden und was andere verderben kann. Die Jungen sind müßig, die Alten hängen Lüsten nach; jedes Geschlecht und Alter krankt an schlechten Sitten; gute Gesetze helfen nicht, weil schlimme Gewohnheiten sie verfälscht haben. Daher kommt die Habsucht, die man an den Bürgern bemerkt; der Durst, nicht nach wahrem Ruhm, sondern nach unehrlichen Ehren, woraus Haß, Feindschaft, Mißverständnisse, Parteiungen hervorgehen und in deren Folge Verbannung, Mord, Unterdrückung der Guten, Erhöhung der Bösen. Denn die Guten, auf ihre Unschuld vertrauend, sehen sich nicht gleich den Schlechten nach Anhängern um, was bei besonderer Veranlassung ihren Schutz und Vorteil bringen kann. So bleiben sie unbeschützt und ungeehrt. Solches Vorkommen veranlaßt den Hang zu Parteiungen und deren Macht: die Bösen werden durch Habsucht und Ehrgeiz dazu getrieben, die Guten durch Not. Das verderblichste aber ist der Umstand, daß die Urheber und Leiter solcher Faktionen ihre Zwecke und Absichten unter schönen und ehrbaren Worten verbergen: denn wenngleich alle die Freiheit hassen, stellen sie sich doch, als verteidigten sie dieselbe, indem sie heute die Standesinteressen des Adels, morgen die des Volkes zum Vorwand nehmen. Denn der Lohn, den sie vom Siege erwarten, ist nicht der Ruhm, die Heimat befreit, sondern die Genugtuung, andere unterworfen und die Obergewalt erlangt zu haben. Ist letzteres erreicht, so ist nichts so ungerecht, so habsüchtig, so grausam, was sie nicht zu tun wagen. Verordnungen und Gesetze werden daher nicht zum öffentlichen Besten, sondern zum Privatvorteil erlassen. Kriege, Frieden und Bündnisse werden daher nicht um des allgemeinen Ruhmes willen, sondern wenigen zu Liebe beschlossen. Sind nun andere Städte voll solcher Unordnungen, so ist unsere mehr denn eine dadurch besudelt. Denn Gesetze, Statuten, Verordnungen richten sich bei uns nicht nach den Bedürfnissen der gemeinen Freiheit, sondern nach dem Verlangen des Ehrgeizes jener Partei, die am Ruder geblieben. Die Folge davon ist, daß nach Vertreibung einer Faktion und Unterdrückung einer Fehde gleich wieder eine andere da ist: denn wenn eine Stadt einmal daran sich gewöhnt hat, durch Parteien statt durch Gesetze sich zu erhalten, so muß sie, nachdem eine Partei in ihr ohne Opposition geblieben, notwendigerweise sogleich in sich selbst wieder sich teilen. Sie hat keine Wehr gegen ein System, dessen sie sich zu eignem Heil früher selbst bediente. Wie wahr dies ist, zeigen die älteren wie neueren Zerwürfnisse. Als die Gibellinen vernichtet waren, dachte jeder, die Guelfen würden nun lange glücklich und in Ehren leben. Kurze Zeit darauf aber teilten sich diese in Weiße und Schwarze. Nach der Unterwerfung der Weißen blieb die Stadt dennoch niemals ohne Zwist: wir kämpften immer, sei es um den Verbannten uns geneigt zu zeigen, sei es in den Fehden des Adels mit dem Volke. Und um andern zu geben, was wir für uns selbst in Einigkeit nicht bewahren konnten oder wollten, wurden wir bald dem Könige Robert, bald dessen Bruder und Sohne, endlich dem Herzog von Athen aus freien Stücken untertänig. In keinem Verhältnis aber haben wir Ruhe: denn wir haben nie uns zu einigen vermocht zu freiem Leben, nie uns dazu verstanden, Unfreie zu bleiben. Ja unsere Sucht zu hadern geht so weit, daß, während der Zeit der Oberherrlichkeit des Königs, wir keinen Anstand genommen, einem niedrigen Menschen aus Agobbio Seiner Majestät hintanzustellen. An den Herzog von Athen sollte man zu Ehren unsrer Stadt nicht erinnern. Sein hartes und tyrannisches Gemüt hätte uns lehren sollen, klug zu sein und Eintracht zu lieben. Kaum aber war er verjagt, so hatten wir schon wieder die Waffen in der Hand und bekämpften einander mit mehr Haß und Wut denn je, so daß der alte Adel unterlag und in des Volkes Willen sich fügte. Nun hoffte man mehrere Jahre lang, es werde kein fernerer Grund zu Unordnungen sich finden, indem jenen, deren Hochmut und unerträglicher Ehrgeiz die Veranlassung davon zu sein schienen, ein Zügel angelegt worden war. Jetzt aber zeigt die Erfahrung, wie trügerisch der Menschen Urteile, wie falsch ihre Schlüsse sind. Nicht vernichtet wurden des Adels Hochmut und Ehrgeiz: sie nisteten sich nur bei unsern Popolanen ein, die jetzt, ehrsüchtig wie sie sind, den ersten Rang im Staate einzunehmen sich bestreben. Da hierzu Uneinigkeit der einzige Weg scheint, so haben sie die Stadt von neuem in Unordnungen gestürzt und die Namen Guelfen und Gibellinen wieder ins Leben gerufen, von denen man nichts mehr vernahm und von denen man, zum Heile der Stadt, nie etwas hätte vernehmen sollen. Damit in den menschlichen Dingen nichts beständig sei, ist es so bestellt, daß in allen Freistaaten Familien auftreten, mit denen das Schicksal des Ganzen zusammenhängt. Mehr denn andere, ist unsere Republik reich an solchen Familien gewesen, indem nicht eine, sondern viele sie bedrängt und betrübt haben, wie Buondelmonti und Uberti, Cerchi und Donati, und jetzt, o lächerliche Schmach, Ricci und Albizzi sie stören und entzweien. Wir haben euch die verderbten Sitten und die alten und neuen Fehden nicht in Erinnerung gebracht, um euch zu entmutigen, sondern um euch auf deren Grundursache zurückzuführen und zu zeigen, auf daß ihr wie wir euch daran erinnern möget. Unser Zweck ist noch, euch bemerklich zu machen, daß der Vorgang jener alten Fehden die Unterdrückung dieser neuen nicht unmöglich erscheinen lassen muß. Denn in jenen alten Geschlechtern lag so große Macht, sie erfreuten sich so großer Begünstigungen von Seiten ausländischer Fürsten, daß bürgerliches Gesetz und Sitte nicht hinreichten, sie zu zügeln. Jetzt aber, wo das Reich keine Kraft hat, den Papst keiner fürchtet, wo in ganz Italien und in dieser Stadt solche Gleichheit herrscht, daß keine fremde Autorität vorwaltet, sind solche Schwierigkeiten nicht vorhanden. Namentlich kann diese unsre Republik, ungeachtet der widersprechenden Beispiele früherer Zeiten, nicht nur einmütig bleiben, sondern auch gute und anständige Sitte und Ordnung annehmen, wenn nur ihr, erlauchte Herren, ans Werk gehen wollt. Dies legen wir euch ans Herz, von Heimatsliebe dazu bewogen, nicht von Privatrücksichten. Zwar das Verderbnis ist groß: darum aber steht jetzt auf; vernichtet das Übel, welches uns siech macht, die Wut, die uns verzehrt, das Gift, welches uns tötet. Leget die Unordnungen der Vergangenheit nicht den Menschen zur Last, sondern den Zeiten, nach deren Umwandlung ihr mittels besserer Anordnungen für eure Stadt ein glücklicheres Los hoffen könnt. Das ungünstige Geschick läßt sich durch Klugheit besiegen, indem der Ehrsucht der einzelnen gesteuert wird und jene Gesetze abgeändert werden, welche die Parteien nähren, während man andrerseits solche aufstellt, die dem freien bürgerlichen Leben anpassend sind. Wollet dies jetzt lieber mit Milde und auf gesetzlichem Wege tun, als solange zu zaudern, bis man genötigt sein wird, mit bewaffneter Hand einzuschreiten.«
Teils durch eigne Kenntnis der Verhältnisse veranlaßt, teils durch das Ansehn und die Ermunterungen dieser Männer bewogen, übertrugen die Signoren sechsundfünfzig Bürgern die Sorge für das Wohl des Staates. Es ist eine große Wahrheit, daß die meisten Menschen geeigneter sind, eine gute Einrichtung aufrecht zu erhalten, als selber eine zu treffen. Jene Bürger richteten ihr Augenmerk mehr darauf, die bestehenden Parteiungen zu unterdrücken, als den Grund künftiger aus dem Wege zu räumen. So mißlang ihnen das eine wie das andere: späteren Unordnungen beugten sie nicht vor, und von den bestehenden machten sie, zu noch größerer Gefahr für den Staat, die eine mächtiger denn die andere. Auf drei Jahre schlossen sie drei Mitglieder der Familie Albizzi und drei der Familie Ricci von allen Ämtern aus, nur nicht vom Magistrat der guelfischen Partei. Piero degli Albizzi und Uguccione de'Ricci waren unter den genannten. Sämtlichen Bürgern wurde untersagt, den Palast zu betreten, ausgenommen während der Sitzungsstunden der Magistrate. Endlich verordneten sie, daß jeder, der mißhandelt oder im Besitze seines Eigentums beeinträchtigt werden würde, eine Klage vor die Räte bringen und nach bewiesener Schuld den Beleidiger zu den Großen zählen lassenDiese Maßregel, durch welche ein Popolan, um ihm alle Teilnahme an der Regierung zu nehmen, zum Adel gezählt wurde, hieß »chiarire de'grandi« und der, den die Strafe traf, »chiarito«. und den auf dem Adel lastenden Gesetzen unterwerfen könnte.
Diese Verordnungen minderten die Kühnheit der Partei der Ricci und mehrten die der Albizzi. Denn obgleich beide gleichmäßig durch den Buchstaben des Gesetzes betroffen wurden, litten doch die Ricci bei weitem mehr darunter. War auch für Piero degli Albizzi der Palast der Signoren verschlossen, so stand ihm doch jener der Guelfen offen, wo er großes Ansehen genoß. Und waren früher er und seine Anhänger eifrig im Ammonieren, so wurden sie nach dieser ihnen zugefügten Beleidigung doppelt hitzig. Andere Ursachen verstärkten diese schlimme Neigung.
Auf dem päpstlichen Stuhle saß Gregor XI., welcher, zu Avignon Hof haltend, gleich seinen Vorgängern den Kirchenstaat durch Legaten verwalten ließ, durch deren Habsucht und Hochmut viele Städte gelitten hatten. Einer derselben, der in Bologna wohnte, wollte (1375) eine in Florenz herrschende Hungersnot benutzen, Toscanas sich zu bemächtigen, und unterstützte die Florentiner nicht nur nicht mit Lebensmitteln, sondern griff sie, um ihnen die Aussicht auf die künftige Ernte zu nehmen, beim Herannahen des Frühlings mit großer Heeresmacht an, indem er sie um so leichter zu überwinden hoffte, wenn er sie unbewaffnet und Mangel leidend überraschte. Es hätte ihm gelingen können, wären seine Truppen nicht treulos und käuflich gewesen. So aber bestachen die Florentiner, keinen andern Ausweg sehend, seine Söldnerhaufen mit hundertunddreißigtausend Gulden, worauf diese von dem Unternehmen abstanden.Der Führer dieser Truppen war John Hawkwood, in italienischen Chroniken unter dem Namen Giovanni Aguto bekannt, der 1377 in florentinische Dienste trat, in welchen er 1394 starb. Sein Bildnis, zu Pferde, von Paolo Uccellos Hand, sieht man im Dome. Der Beginn der Kriege läßt sich nach Wunsch bestimmen, nicht aber ihr Ende. Den durch des Legaten Ehrgeiz begonnenen Krieg führte der Groll der Florentiner fort. Sie verbündeten sich mit Bernabò Visconti und allen der Kirche feindlich gesinnten Fürsten und beauftragten mit den Angelegenheiten des Kriegs acht Bürger, von deren Beschlüssen keine Berufung stattfand und die über ihre Ausgaben nicht Rechenschaft abzulegen brauchten. Dieser Kampf gegen den Papst rief die Partei der Ricci wieder ins Leben, obgleich Uguccione tot war: denn im Widerspruch mit den Albizzi war diese Partei dem Bernabò Visconti immer geneigt, der Kirche feind gewesen. Überdies waren sämtliche acht Bürger Gegner der guelfischen Faktion. Deshalb hielten Piero degli Albizzi, Messer Lapo da Castiglionchio,Lapo da Castiglionchio war einer der gelehrtesten Juristen seiner Zeit und ging wiederholt als florentinischer Gesandter an den päpstlichen Hof. Er starb im Exil zu Rom 1381. Carlo Strozzi und die übrigen nur enger zusammen, um ihren Widersachern zu schaden. Und während die acht Krieg führten und sie im Ammonieren fortfuhren, währte der Kampf drei Jahre lang und endete erst mit dem Tode des Papstes. Dieser Krieg wurde mit solcher Besonnenheit und Pflichttreue und so sehr zu allgemeiner Zufriedenheit geführt, daß die acht jedes Jahr in ihrem Amte bestätigt und die Heiligen genannt wurden, obgleich sie das päpstliche Interdikt wenig geachtet, die Kirchen ihrer Güter beraubt, den Clerus zum Messelesen genötigt hatten. Um so viel höher schlugen jene Bürger das Wohl des Vaterlandes an als ihr Seelenheil, und zeigten der Kirche, daß die Florentiner, wie sie als Freunde sie geschützt, als Gegner sie bedrängen konnten. Denn die ganze Romagna, die Mark und Perugia versetzten sie in Aufstand.
Während sie gegen den Papst einen so ernsten Krieg führten, vermochten sie gegen die Capitani der guelfischen Partei und deren Faktion sich nicht zu verteidigen. Denn der Neid der Guelfen gegen die acht machte jene noch übermütiger, und sie enthielten sich nicht, selbst einige der letzteren, geschweige andere vornehme Bürger zu beleidigen. Und die Capitane wurden so anmaßend, daß man sie mehr als die Signoren fürchtete, mit geringerer Ehrfurcht zu diesen ging als zu jenen, und der Palast der guelfischen Partei in höherem Ansehen stand als jener der Signorie, so daß kein Botschafter nach Florenz kam, der nicht mit Aufträgen an die Capitane versehen gewesen wäre. Nachdem nun mit Papst Gregors Tode (1378) der Krieg ein Ende genommen, befand man sich im Innern in großer Verwirrung, denn einerseits war die Frechheit der Guelfen unerträglich, andrerseits kannte man kein Mittel, sie zu unterdrücken. Dennoch war man der Meinung, daß Kampf nötig sei, um zu sehen, welche der beiden Gewalten obsiegen würde. Auf Seiten der Guelfen stand der gesamte alte Adel mit dem größern Teile der mächtigsten Popolanen, deren Häupter, wie gesagt, Messer Lapo, Piero und Carlo waren. Auf der andern Seite waren alle Popolangeschlechter von geringerer Bedeutung, an der Spitze die acht des Kriegs, Messer Giorgio Scali, Tommaso Strozzi, die Ricci, Alberti und Medici. Der Rest der Menge hielt sich, wie beinahe immer geschieht, zu den Mißvergnügten.
Den Häuptern der guelfischen Faktion schien die Macht der Gegner beträchtlich und ihre Gefahr groß, sobald eine ihnen feindlichgesinnte Signorie ihnen entgegentreten würde. Da sie nun der Meinung waren, es sei besser, dem Ausbruch zuvorzukommen, so besprachen sie sich über die Verhältnisse der Stadt und ihre eigenen: wo sie denn zu dem Schlusse kamen, daß die Zahl der Ammonierten so über Gebühr angewachsen und so feindselig sei, daß sie die ganze Stadt wider sich haben müßten. So sahen sie keinen andern Ausweg, als die, welche sie der Ehrenämter beraubt, völlig aus der Heimat zu vertreiben, indem sie den Palast der Signoren mit Gewalt besetzten und die gesamte Verwaltung den ihrigen in die Hände gäben, nach dem Vorgange jener alten Guelfen, die nur darum ruhig und sicher in der Stadt lebten, weil sie dieselbe von allen ihren Gegnern gesäubert hatten. Alle stimmten darin überein, nur hinsichtlich der Zeit der Ausführung herrschte Meinungsverschiedenheit. Es war damals der Monat April 1378, und Messer Lapo war der Ansicht, daß man nicht ferner zaudern dürfe, indem er sagte: die Zeit sei der größte Feind der Zeit, namentlich in einem Falle wie diesem, da in der nächsten Signorie leicht Salvestro de'Medici Gonfaloniere werden könnte, von dem sie wußten, daß er ihrer Faktion sehr abgeneigt war. Piero degli Albizzi war dagegen für den Aufschub, da er urteilte, es seien Streitkräfte nötig, welche ohne Aufsehen zu sammeln unmöglich sein würde: Entdeckung aber ihrer Anschläge würde sie in offenbare Gefahr stürzen. Er schlug daher vor, das kommende Johannisfest abzuwarten, den größten Festtag der Stadt, an welchem eine bedeutende Menschenmenge in ihr sich zu versammeln pflegt, unter der sie so viele Mannschaft ihnen beliebte verbergen könnten. Um Salvestros Wahl zu hindern, sollte man ihn ammonieren: scheine dies nicht rätlich, so sollte man ein Mitglied des Kollegiums seines Viertels ammonieren; wären nun beim Wechsel die Wahlbeutel leer, so könnte das Los leicht ihn oder einen seiner Stammverwandten treffen, wodurch er die Befähigung, als Gonfaloniere zu sitzen, verlieren würde.Weil nämlich Verwandte von Ammonirten ebensowenig zu Ehrenstellen gelangen konnten. Dieser Plan wurde angenommen, obgleich Messer Lapo wider Willen beistimmte, indem er Aufschub für gefährlich hielt. Er sagte, nie sei die Zeit gerade so, wie man sie wünsche und brauche; wer alles günstig haben wolle, versuche entweder nie etwas, oder, wenn er es tue, geschehe es gerade zu ungelegener Zeit. Sie ammonierten also das Kollegium, aber es gelang ihnen nicht, Salvestro auszuschließen, weil die acht den Anschlag entdeckten und eine neue Wahl verhinderten.
So wurde denn Salvestro, der Sohn Messer Alamannos de'Medici, zum Gonfaloniere gewählt.Die Gonfalonieren des Jahres 1378 waren: Domenico Borghini Taddei, Lionardo Beccanugi, Salvestro de'Medici (Mai-Juni), Luigi Guicciardini (1.-21. Juli), Michele di Lando (21. Juli – 31. August), Bartolo di Jacopo, genannt Baroccio (am 29. August gewählt, am 1. Sept. wieder kassiert), Francesco di Chele, Andrea Salviati. Die ungewöhnliche Zahl (die Bannerträger wechselten sonst von zwei zu zwei Monaten) erklärt sich durch die wilde Revolution und Anarchie. Dieser, aus einer vornehmen Popolanfamilie stammend, konnte des Volkes Unterdrückung durch wenige Mächtige nicht mit ansehen. Da er nun daran dachte, diesem Übermute ein Ziel zu setzen, und er das Volk geneigt sah und auf den Beistand vieler edlen Popolanen zählen konnte, beriet er die Angelegenheit mit Benedetto Alberti,Die Alberti stammten von Semifonte, einem durch die Florentiner beinahe spurlos zerstörten Kastell im Elsatale, und sollen 1202 nach der Stadt gekommen sein. Sie besaßen viele Orte im Gebiete der Republik. Nach dem harten Lose, das infolge des Aufstandes vom Jahre 1378 diese Familie traf, erholte sie sich erst gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts einigermaßen wieder. Sie sind um 1840 ausgestorben. Tommaso Strozzi und Messer Giorgio Scali, die ihm alle Hilfe zu gewähren versprachen. Sie entwarfen daher ein Gesetz, welches die Justizverordnungen gegen die Großen erneuerte und die Autorität der Capitane guelfischer Partei schwächte, indem es zugleich den Ammonierten Gelegenheit bot, wieder zu den Ämtern gelangen zu können. Und um fast zu gleicher Zeit die Sache zu versuchen und sie durchzusetzen, da vorerst in den Kollegien, dann in den Ratsvereinen abgestimmt werden mußte, und Salvestro allen diesen vorgesetzt war (eine Würde, welche für die Zeit ihrer Dauer beinahe fürstliche Macht verlieh): so ließ er am nämlichen Morgen Kollegien und Rat zusammenkommen. Nun legte er zunächst ersteren den Gesetzesvorschlag vor,18. Juni. der aber als eine Neuerung unter der geringen Zahl so viele Widersacher fand, daß er durchfiel. Da nun Salvestro sah, daß der erste Weg seinen Plan durchzusetzen, ihm verlegt war, tat er, als müsse er um eines Bedürfnisses willen den Saal verlassen, und ging, ohne von jemanden bemerkt zu werden, in den Rat. Hier stieg er auf einen erhöhten Platz, so daß jeder ihn sehen konnte, und sagte: er glaube zum Gonfaloniere gewählt worden zu sein, nicht um Privatangelegenheiten zu schlichten, welche ihre gewöhnlichen Richter haben, sondern um für das Wohl des Staates zu wachen, die Anmaßung der Mächtigen zurückzuweisen und Gesetze umzumodeln, welche die Republik ihrem Verderben zuführen müßten. Diese Dinge habe er fleißig überlegt und, soviel an ihm liege, Vorkehrungen getroffen: aber böser Wille widersetze sich in solchem Maße seinem redlichen Vorhaben, daß der Weg, Gutes zu tun, ihm versperrt, sie selbst verhindert seien ihn zu hören, geschweige seine Pläne zu beraten. Da er nun sehe, daß er dem Staate und dem öffentlichen Wohl auf keine Weise mehr nutzen könne, so wisse er nicht, aus welchem Grunde er noch in seinem Amte verbleibe, dessen er entweder nicht würdig sei oder dessen er von andern nicht würdig erachtet werde. Darum wolle er nach Hause gehn, damit das Volk an seiner Stelle einen andern ernennen könnte, der größere Fähigkeit besitze oder mehr Glück habe. Nachdem er diese Worte ausgesprochen, verließ er die Ratsversammlung, um sich nach seiner Wohnung zu begeben.
Da erhoben die Mitwissenden und die Neuerungsüchtigen im Rate Lärm, worauf die Signoren und die Kollegien herbeieilten. Als diese ihren Gonfaloniere sich entfernen sahen, hielten sie ihn mit Bitten und Gewalt zurück und veranlaßten ihn zur Rückkehr in den Rat, der in voller Aufregung war und wo viele edle Bürger geschmäht und bedroht wurden. So ward Carlo Strozzi von einem Handwerker bei der Brust gefaßt, beinahe umgebracht und nur mit Mühe von den Umstehenden geschützt. Was aber den größten Tumult erregte und die ganze Stadt in Bewegung setzte, war das Benehmen Benedettos degli Alberti, der aus den Fenstern mit lauter Stimme das Volk zu den Waffen rief, worauf der Platz sogleich mit Bewaffneten sich füllte. Da taten denn die Kollegien, bedroht und in Furcht gesetzt, das, was sie früher auf Bitten zu tun sich geweigert hatten. Zur selben Zeit hatten die Capitane guelfischer Partei eine Menge Bürger in ihrem Palaste vereinigt, um zu beraten, wie sie gegen die Beschlüsse der Signoren sich verteidigen könnten. Als man aber das Getöse vernahm und von den getroffenen Verfügungen in Kenntnis gesetzt wurde, eilte jeder nach seiner Wohnung zurück.
Wer in einer Stadt eine Neuerung veranlaßt, möge ja nicht glauben, daß es in seiner Macht stehe, der Bewegung ein Ziel zu setzen oder ihr die beliebige Richtung zu geben. Es war Salvestros Absicht, das erwähnte Gesetz aufzustellen und der Stadt Ruhe zu verschaffen. Aber die Sache ging anders. Denn die Gemüter waren dermaßen aufgeregt, daß die Buden verschlossen blieben, die Bürger ihre Wohnungen befestigten, viele ihre bewegliche Habe in Klöstern und Kirchen verbargen und jeder ein nahes Unheil zu fürchten schien. Die Magistrate der Zünfte versammelten sich, jede ernannte einen Syndikus, und sie berieten einen ganzen Tag lang, wie die Stadt zu allgemeiner Zufriedenheit beruhigt werden könnte, ohne indes bei der Verschiedenheit der Meinungen sich zu einigen. Am folgenden Tage holten die Zünfte ihre Banner hervor, worauf die Signoren, das Kommende voraussehend, den Rat beriefen, um auf Abhilfe zu sinnen. Kaum hatte die Besprechung begonnen, so erhob sich ein Getümmel, und in einem Augenblick erschienen die Banner der Zünfte mit einer großen Zahl Bewaffneter auf dem Platze. Um nun Zünften und Volk Hoffnung zu geben, daß man sie befriedigen und den Grund des Übels aus dem Wege räumen werde, erteilte der Rat den Signoren, den Kollegien, den Capitanen guelfischer Partei, den acht des Krieges und den Syndiken der Zünfte unumschänkte Gewalt, was man in Florenz Balia nennt, die Verfassung umzumodeln zum allgemeinen Besten der Stadt. Während dies beschlossen ward, trennten sich einige Banner der kleinen Zünfte auf das Zureden solcher, welche sich an den Guelfen für neuerliche Beleidigungen rächen wollten, von den übrigen und plünderten und verbrannten das Haus Lapos da Castiglionchio. Als dieser vernahm, daß die Signorie gegen die herrschende Partei sei, und er das Volk unter Waffen sah und kein anderes Mittel ihm blieb als ein Versteck oder Flucht, verbarg er sich zuerst in Santa Croce und floh dann als Mönch verkleidet nach dem Casentino, wo man wiederholt vernahm, wie er sich anklagte, weil er Piero degli Albizzi nachgegeben, und Piero anklagte, weil er das Johannisfest abwarten wollte, um den Schlag auszuführen. Der AIbizzi und Carlo Strozzi verbargen sich beim ersten Tumult, in der Meinung, daß sie, die viele Freunde und Verwandte hatten, ruhig in Florenz leben könnten, sobald die erste Aufregung vorüber sein würde. Nachdem Messer Lapos Haus in Flammen aufgegangen, wurden, wie denn das Unheil, wenn es auch spät erst und unter Hindernissen begonnen hat, mit Leichtigkeit um sich greift, viele andere Häuser, teils aus Volkshaß, teils aus persönlicher Feindschaft, gestürmt und niedergebrannt. Um Genossen zu haben, die mit größerem Durst nach fremdem Gute ihnen beim Rauben Hilfe leisteten, erbrach die Menge die Stadtgefängnisse und plünderten sodann das Kloster der Angioli und das von Santo Spirito,Jenes der Camaldulenser, dieses der Augustiner. wohin viele Bürger ihre bewegliche Habe geflüchtet hatten. Selbst die öffentlichen Kassen wären den Händen dieser Plünderer nicht entgangen, hätte nicht die Autorität eines der Signoren sie beschützt, welcher zu Rosse, von vielen Bewaffneten begleitet, so gut er konnte, der Wut des Pöbels Widerstand leistete. Nachdem diese Ausschweifungen teils durch die Bemühungen der Signorie, teils weil die Nacht darüber kam, sich gelegt hatten, begnadigte am folgenden Tage die Balia die Ammonierten, mit dem Vorbehalt jedoch, daß sie drei Jahre lang keine Ämter bekleiden sollten. Die von den Guelfen zum Nachteil der Bürger erlassenen Gesetze wurden abgeschafft, Messer Lapo da Castiglionchio und seine Stammverwandten nebst mehreren andern der Menge besonders Verhaßten wurden zu Rebellen erklärt. Nach diesen Verordnungen ging man an die Ernennung der neuen Signorie, in welche Luigi Guicciardini als Gonfaloniere eintrat, und man hegte Hoffnung, daß diese, aus friedfertigen Leuten und Freunden der öffentlichen Ruhe zusammengesetzt, den Unordnungen ein Ende machen würde. Dennoch wurden die Buden nicht wieder geöffnet, die Bürger legten nicht die Waffen nieder, und starke Haufen von Wachen durchzogen die Stadt. Deshalb traten die neuen Signoren ihr Amt nicht mit der gewöhnlichen Feierlichkeit außerhalb des Palastes an, sondern innerhalb desselben und ohne irgendeine Zeremonie. Sie hielten keine Pflicht für dringender als die Beruhigung der Stadt, weshalb sie eine allgemeine Entwaffnung verordneten, die Buden öffnen ließen und eine Menge Leute aus dem Gebiet, die von den Bürgern zu Hilfe gerufen worden, die Stadt verlassen hießen. An vielen Stellen ordneten sie Wachen an, so daß die Ruhe hergestellt worden wäre, hätten nur die Ammonierten sich befriedigen lassen. Aber diese waren nicht willens, drei Jahre zu warten, bevor sie zu den Ehrenstellen wieder zugelassen wurden. Um ihnen genug zu tun, versammelten sich also die Zünfte von neuem und richteten an die Signoren die Forderung, sie sollten zum Wohl und zur Beruhigung der Stadt verordnen, daß kein Bürger, welcher zu irgendeiner Zeit im Magistrat der Signoren, der Kollegien, Capitane guelfischer Partei oder Konsuln der Zünfte gesessen, als Gibelline ausgeschlossen, sowie daß die Wahlbeutel mit neuen Namen von Bürgern der guelfischen Faktion gefüllt und die alten Beutel verbrannt werden sollten. Auf diese Forderungen gingen nicht nur die Signoren, sondern auch sämtliche Ratsausschüsse sogleich ein, so daß es den Anschein hatte, als würden die neuerdings wiederbegonnenen Unordnungen nun ein Ende nehmen.
Wie aber die Menschen sich nicht mit der Wiedererlangung des Ihrigen begnügen, sondern auch andrer Gut an sich reißen und sich rächen wollen, so machten die, welche von den Unordnungen sich Gewinn versprachen, bei den Handwerkern geltend, daß sie nie in Sicherheit leben würden, solange nicht die größere Zahl ihrer Gegner vertrieben oder vernichtet wären. Da die Signoren dies vernahmen, ließen sie die Magistrate der Zünfte zugleich mit den Syndiken vor sich kommen, und der Gonfaloniere Luigi Guicciardini hielt ihnen folgende Rede: »Hätten diese Signoren und ich mit ihnen nicht schon seit langem das Schicksal dieser Stadt erkannt, welches es mit sich bringt, daß Zwist im Innern beginnt, sobald äußerer Krieg ein Ende nimmt: so würden wir uns über die vorgefallenen Unordnungen in noch höherem Grade gewundert und gegrämt haben. Wie aber gewohnte Leiden uns minder betrüben, so haben wir die Unordnungen der letzten Tage mit Geduld ertragen, besonders da sie ohne unser Verschulden entstanden, und wir hofften, sie würden gleich andern endlich sich legen, nachdem wir euch so viele und so wichtige Forderungen zugestanden. Da wir indes vernehmen, daß ihr euch nicht zur Ruhe begebt, im Gegenteil den Bürgern neue Schmach zufügen, mit neuen Verbannungen sie heimsuchen wollt: so steigert sich unser Mißvergnügen mit eurer Unredlichkeit. In Wahrheit, hätten wir ahnen können, daß während unserer Amtsführung, teils durch Weigerung, teils durch Nachgeben diese Stadt an den Rand des Abgrunds geführt werden sollte: so würden wir durch Flucht oder durch Exil diesen Ehren uns entzogen haben. Wir aber traten unser Amt freudig an, in der Hoffnung, mit Männern von menschlicher Gesinnung und Vaterlandsliebe zu tun zu haben, und im Glauben, daß unsere Mäßigung eure Ehrsucht besiegen würde. Jetzt aber belehrt uns die Erfahrung, daß, je größer unsere Demut ist und unsere Nachgiebigkeit, um so höher euer Hochmut und eure Anmaßung steigen. Durch diese Worte wollen wir euch nicht kränken, sondern euch warnen: denn wenn andere reden, was euch schmeichelt, wollen wir euch sagen, was euch frommt. Sagt uns als Ehrenmänner: was könnt ihr redlicherweise noch verlangen? Ihr habt den Capitanen guelfischer Partei ihre Macht nehmen wollen: sie ist ihnen genommen; ihr habt die Stimmbeutel verbrennen und neue Reformen einführen wollen: wir haben es euch zugestanden; ihr verlangtet die Befähigung der Ammonierten zu den Ehrenämtern: wir haben es gestattet. Auf eure Bitten haben wir denen, welche die Wohnungen angezündet, die Kirchen geplündert, Verzeihung angedeihen lassen; euch genugzutun, sind viele geehrte und mächtige Bürger ins Exil gesandt worden. Auf euren Wunsch sind die Großen durch neue Verordnungen eingeschränkt worden. Welches Ende werden eure Forderungen nehmen, oder wie lange wollt ihr unsere Großmut mißbrauchen? Seht ihr nicht, daß wir geduldiger unsere Niederlage ertragen als ihr euren Sieg? Wohin wird eure Zwietracht diese Stadt führen? Erinnert ihr euch nicht, daß, während sie uneinig war, Castruccio, ein gemeiner Bürger von Lucca, sie geschlagen hat? Daß ein Herzog von Athen, euer besoldeter Feldhauptmann, sie unterjocht hat? Wenn sie aber einmütig war, haben ein Erzbischof von Mailand und ein Papst sie nicht zu besiegen vermocht, und nach mehrjährigem Kriege nur Schmach davongetragen. Warum denn wollt ihr durch Uneinigkeit diese Stadt im Frieden zur Sklavin machen, welche aus den Kämpfen mit so mächtigen Feinden frei hervorgegangen ist? Was anders als Knechtschaft wird die Folge eurer Zwietracht sein, was anders als Armut die Folge eures Raubens und Zerstörens? Denn wenn wir die verlieren, welche durch ihren Gewerbfleiß diese Stadt nähren, so können wir ihr keine Nahrung geben. Denn jene, welche ihnen ihre Habe geraubt, werden sie, wie es mit übelerworbenem Gute geschieht, nicht zu bewahren wissen, und Hunger und Elend wird die Folge sein. Ich und diese Signoren befehlen euch, ja wir lassen uns herab euch zu bitten, daß ihr endlich zur Ordnung zurückkehren und ruhig das befolgen wollet, was wir angeordnet haben. Wollt ihr irgend etwas Neues, so verlangt es auf schickliche Weise, nicht aber mit Aufruhr und Waffengeklirr. Denn wenn es etwas Ehrbares ist, so soll euer Wille geschehn, und ihr werdet nicht, zu eurem Schaden und mit eurer Schuld, schlechten Leuten Gelegenheit bieten, unter eurem Schutze das Vaterland zugrunde zu richten.«
Diese Worte machten in ihrer Wahrheit tiefen Eindruck auf die Gemüter der genannten Bürger und sie dankten mit gesetzter Rede dem Gonfaloniere, daß er gegen sie als guter Herr, gegen die Stadt als guter Bürger seiner Pflicht sich entledigt, indem sie zugleich kundgaben, wie sie stets bereit seien, dem, was ihnen befohlen werde, zu gehorchen. Um ihnen hierzu Gelegenheit zu geben, ernannten die Signoren zwei Bürger von jedem der größeren Magistrate, welche in Gemeinschaft mit den Syndiken der Zünfte über die Notwendigkeit von Reformen zur Förderung des öffentlichen Wohles beraten und den Signoren darüber Bericht erstatten sollten.
Während dies sich zutrug, entstand ein anderer Tumult, welcher dem Staate noch größern Nachteil brachte als der erste. Die meisten Plünderungen und Brandstiftungen der letzten Tage waren durch den niedrigsten Pöbel geschehen, und die Leute aus demselben, welche sich am meisten hervorgetan, fürchteten nach Beilegung der wichtigeren Streitfragen wegen der von ihnen begangenen Verbrechen gestraft und, wie es immer geschieht, von denen im Stiche gelassen zu werden, die sie zu solchen schlechten Handlungen angereizt hatten. Dazu kam der Haß des gemeinen Volkes gegen die reichen Bürger und die Zunftvorsteher, indem sie nach ihrer Meinung für ihre Arbeit nicht entsprechenden Lohn bezogen. Denn als zur Zeit König Carls I. von Anjou die Stadt in Zünfte sich teilte, gab man einer jeden derselben ein Haupt und einen Magistrat, und bestimmte, daß die Untergebenen jedweder Zunft in bürgerlichen Angelegenheiten von ihren Konsuln gerichtet werden sollten. Wie schon gesagt, waren diese Zünfte anfänglich zwölfe, welche Zahl nachmals auf einundzwanzig stieg, und ihre Macht war so groß, daß sie nach wenigen Jahren die Obergewalt in der Stadt an sich rissen. Da es nun unter ihnen mehr und minder geehrte gab, so teilten sie sich in größere und kleinere, jene sieben, diese vierzehn an der Zahl. Aus dieser Teilung, wie aus den bereits berührten andern Ursachen entsprang der Übermut der Capitane guelfischer Partei, indem die Bürger von ursprünglich guelfischen Geschlechtern, unter deren Leitung dieser Magistrat stand, die Popolanen der größeren Zünfte begünstigten, denen der kleinern aber und ihren Vorstehern abgeneigt waren. Dies gab zu allen den Tumulten Anlaß, welche gegen dieselben entstanden. Da aber bei der Einrichtung der Zünfte viele von den Gewerben, die das niedere Volk und der Pöbel ausüben, keine besondern Innungen bildeten, sondern je nach der Gattung der Beschäftigungen den ihnen am nächsten verwandten Zünften zugeteilt wurden: so war die Folge, daß, wenn sie für ihre Arbeit nicht hinreichend belohnt oder von den Meistern gedrückt wurden, sie niemand hatten, an den sie sich wenden konnten, als an den Magistrat der Innung, welcher sie untergeordnet waren, von dem sie, ihrer Ansicht nach, nicht mit derjenigen Gerechtigkeit behandelt wurden, die sie in Anspruch nehmen zu können glaubten. Zu den Zünften, welche solche Zugeteilte hatten und noch haben, gehört die der Tuchmacher, welche als eine höchst mächtige und allen an Autorität vorangehende, durch ihre Gewerbtätigkeit der größten Masse des niedern Volkes und des Pöbels Unterhalt verschafft.
Die der genannten Klasse angehörenden Personen, sei es, daß sie der Tuchmacherzunft oder einer andern Innung zugeteilt waren, hegten aus den angegebenen Gründen tiefen Groll. Da mit diesem Groll die Furcht wegen der Beraubungen und Brandstiftungen sich vereinigte, so versammelten sie sich nachts zu wiederholten Malen, um über das Vorgefallene zu reden und einer dem andern die Gefahr zu zeigen, in der sie sich befanden. Da ließ denn einer der Kühnsten und Erfahrensten, den übrigen Mut einflößen, in folgender Weise sich vernehmen: »Hätten wir jetzt darüber zu beraten, ob wir die Waffen ergreifen, die Wohnungen der Bürger plündern und niederbrennen, die Kirchen berauben sollten: so würde ich einer von denen sein, welche die Sache des Überlegens wert halten, ja vielleicht würde ich die Meinung hegen, daß eine ruhige Armut einem gefährlichen Gewinn vorzuziehen ist. Da aber die Waffen in unsern Händen, da bereits viel Unheil geschehen ist, so dünkt mich, daß wir jetzt zu beraten haben, wie wir erstere nicht niederlegen und vor des letztern Folgen uns schützen sollen. Ich glaube fest, wenn sonst nichts, wird die Not es uns lehren. Ihr seht die ganze Stadt voll Unmut und voll Haß gegen uns: die Bürger halten fortwährend Ratssitzungen ab, die Signorie unterhandelt beständig mit den Magistraten. Glaubt mir, es werden Fesseln für uns geschmiedet, neue Streitkräfte gegen unsere Häupter aufgeboten. Deshalb müssen wir nach zweierlei streben und bei unsern Beratungen doppelten Zweck haben: einmal, daß uns für die Vorgänge der letzten Tage keine Strafe treffe; sodann, daß wir in Zukunft in größerer Freiheit und Zufriedenheit als bisher leben können. Um uns daher für begangene Vergehen Verzeihung zu holen, müssen wir, nach meinem Dafürhalten, neue begehn, die Übel verdoppeln, Brand und Raub mehren und uns dazu viele Genossen verschaffen. Denn wo viele sündigen, wird keiner bestraft: kleine Vergehen werden gezüchtigt, große und ernste gelohnt. Und wo viele leiden, suchen wenige sich zu rächen, indem ein allgemeines Übel leichter und geduldiger sich erträgt als ein persönliches. Vergrößerung unserer Schuld wird uns also Verzeihung erwerben und uns auf den Weg führen, das zu erlangen, was zu unserer Freiheit nottut. Mich dünkt, wir gehn zuverlässigem Gewinn entgegen: denn die uns hindern könnten, sind uneinig und reich; ihre Uneinigkeit wird uns zum Siege verhelfen, ihre Reichtümer, nachdem sie unser geworden, den Sieg sichern. Laßt euch nicht durch Alter und Vornehmheit der Familien abschrecken, womit sie euch entgegentreten. Denn die Menschen, da sie denselben Ursprung gehabt, sind gleich alt, und die Natur hat alle nach derselben Form geschaffen. Zieht uns unsere Kleider aus und ihr werdet uns alle gleich sehn; laßt uns ihre Gewänder anlegen, sie die unsern, so werden wir ohne Zweifel vornehm aussehen, sie gemein. Denn Armut und Reichtum bilden den einzigen Unterschied zwischen uns. Es tut mir leid zu vernehmen, wie viele unter euch das Vorgefallene aus Gewissenhaftigkeit bereuen und von neuen Handlungen sich fernhalten wollen. Wahrlich, wenn dem so ist, so seid ihr nicht die Männer, für die ich euch hielt: weder Gewissen noch Schande müssen euch ängstigen, denn der Sieger, durch welche Mittel er auch siegen mag, trägt nimmer Schmach davon. Das Gewissen muß uns nicht viel zu schaffen machen: denn wer, wie wir, vor Hunger und Kerker sich fürchtet, muß und kann um die Hölle wenig sich kümmern. Achtet ihr auf der Menschen Treiben, so werdet ihr sehn, wie alle diejenigen, die zu großen Reichtümern und großer Macht gelangen, diese durch Betrug oder Gewalt erreicht haben, und wie sie das, was sie durch List oder Übermacht an sich gerissen, mit dem ehrbaren Namen Gewinn betiteln, um die schnöde Art des Erwerbs vergessen zu machen. Wer aus Mangel an Klugheit oder wegen zu vieler Bedenken einen solchen Weg nicht einschlagen will, vergeht in Dienstbarkeit und Armut: denn die treuen Knechte bleiben immer Knechte, die ehrlichen Leute bleiben immer arm, und nur die untreuen und frechen streifen die Knechtschaft ab, nur die unehrlichen und raubsüchtigen die Lumpen. Gott und die Natur haben die Glücksgüter mitten unter die Leute hingestellt: mehr dem Raube ausgesetzt denn dem Fleiße, mehr schlimmen als guten Künsten. Daher kommt es, daß die Menschen einander aufzehren und dem Schwächern stets das traurigste Los beschieden ist. Darum soll man Gewalt brauchen, wo die Gelegenheit sich bietet: eine günstigere aber kann uns nie werden, da noch die Bürger uneins sind, die Signorie schwankend, die Magistrate bestürzt, so daß wir sie leicht unterdrücken mögen, bevor sie sich einigen und zu einem Entschluß kommen. Wir werden dann entweder ganz Herren der Stadt bleiben oder einen solchen Anteil an der Herrschaft bekommen, daß nicht nur vergangene Unbilde uns verziehen wird, sondern wir auch mit neuer drohen können. Ich bekenne, daß ein solcher Versuch kühn und gefährlich ist: wo aber Not drängt, ist Kühnheit Klugheit. Beherzte Männer haben in wichtigen Angelegenheiten nie nach Gefahr gefragt. Denn jene Unternehmungen, die mit Gefahr beginnen, enden mit Lohn, und ohne Gefahr hat man noch nie aus einer Gefahr sich gerettet. Wo man Kerker, Folter, Tod durch Henkershand im Hintergrunde sieht, scheint es mir gefährlicher, zu warten als zu handeln: denn im erstem Falle ist das Übel gewiß, im andern zweifelhaft. Wie oft habe ich euch über den Geiz eurer Meister, über die Ungerechtigkeit eurer Vorgesetzten klagen gehört! Jetzt ist die Stunde gekommen, nicht nur von ihnen loszukommen, sondern soviel mächtiger zu werden als sie, daß sie euch mehr zu fürchten und sich zu beklagen haben werden, als ihr bisher über sie. Die günstige Zeit hat Flügel; vergebens sucht ihr sie wieder zu erhaschen, nachdem sie geflohn ist. Ihr seht die Vorbereitungen eurer Widersacher. Laßt uns ihren Plänen zuvorkommen: wer von beiden Parteien zuerst die Waffen wiederergreift, bleibt Sieger und erhebt sich auf den Trümmern des Glückes der Gegner. Vielen von uns wird Ehre daraus erwachsen, Sicherheit allen.« Diese Worte stimmten die schon von selbst erhitzten Gemüter noch mehr zum Bösen, so daß sie beschlossen, einen Aufstand zu erregen, nachdem sie ihre Partei verstärkt haben würden. Durch einen Eidschwur verpflichteten sie sich endlich einander beizustehn, wenn einer von ihnen durch die Magistrate festgenommen werden sollte.
Während die Genannten sich bereiteten, eine Umwälzung der bestehenden Verhältnisse zu versuchen, kam ihr Vorhaben zur Kenntnis der Signorie. Diese ließ deshalb einen, namens Simone della Piazza greifen, durch den die ganze Verschwörung bekannt ward und wie am nächsten Tage die Unordnungen ihren Anfang nehmen sollten. In dieser drohenden Gefahr wurden die Kollegien und jene Bürger zusammenberufen, welche mit den Syndiken der Zünfte für die Beruhigung der Stadt zu sorgen hatten. Ehe alle vereint waren, war der Abend schon angebrochen, und die Gerufenen gaben den Signoren den Rat, noch die Konsuln der Zünfte herbeizuziehn, welche der Meinung waren, daß alle Bewaffneten nach der Stadt beschieden werden und die Bannerführer der Kompagnien des Volkes am nächsten Morgen mit den ihrigen gerüstet auf dem Platze erscheinen sollten. Während Simone gefoltert wurde und die Bürger sich versammelten, stellte ein gewisser Niccolò von San Friano die Uhr des Palastes. Dieser merkte, was im Gange war und setzte, nach Hause zurückgekehrt, die ganze Nachbarschaft in Bewegung, so daß in einem Augenblicke mehr denn tausend Bewaffnete auf dem Platze von Santo Spirito sich einfanden. Die Kunde davon drang zu den andern Verschworenen, und San Pier Maggiore und San Lorenzo, als Sammelpunkte bezeichnet, waren, bald mit Bewaffneten gefüllt.
Schon war der Tag angebrochen, der 21. Juli. Auf dem Platze vor dem Palaste waren zugunsten der Signoren nicht über achtzig Leute in Waffen erschienen und von den Bannerführern nicht einer. Denn da sie vernahmen, die ganze Stadt sei in Aufruhr, fürchteten sie ihre Wohnungen zu verlassen. Die ersten vom niedern Volke, die auf den Platz eindrangen, waren die von San Pier Maggiore, bei deren Ankunft jener Haufe von Bewaffneten sich nicht regte. Hierauf erschien eine andere Volksmasse, und da sie auf keinen Widerstand stießen, verlangten sie mit fürchterlichem Geschrei, die Signorie solle ihre Gefangenen herausgeben. Um diese durch Gewalt zu befreien, da Drohungen nichts fruchteten, legten sie in den Häusern des Gonfaloniere Luigi Guicciardini Feuer an, worauf die Signoren, Ärgeres besorgend, ihnen willfahrten. Sodann nahm der Pöbel dem Executor das Banner der Justiz und verbrannte, unter diesem einherziehend, die Wohnungen vieler Bürger, die aus Staatsgründen oder wegen persönlicher Verhältnisse verhaßt waren. Manche aber, um eigene Unbilden zu rächen, führten den Pöbel nach den Wohnungen ihrer Feinde, denn der Ruf »nach dem Hause dieses oder jenes«, oder die Richtung, die der Bannerträger einschlug, reichte hin, das Schicksal der Gebäude zu bestimmen. Alle Papiere der Zunft der Wollenwirker wurden verbrannt. Nachdem sie soviel Unheil angestiftet, schlugen sie, um auch irgendein löbliches Werk zu tun, den Salvestro de'Medici und eine Menge anderer Bürger zu Rittern, vierundsiebzig im ganzen, darunter Benedetto und Antonio degli Alberti, Tommaso Strozzi und andere ihrer Beschützer, obgleich manche dazu gezwungen werden mußten.Viele erklärten später, sie hielten den Ritterschlag als non avenu und begäben sich der Ehre. Darunter waren ein Alessandri (Albizzi), Salviati, Medici, Machiavelli u. a., selbst ein Wollkämmer. Das Seltsamste bei diesen Vorgängen war, daß man vielen die Häuser anzündete, welche noch am nämlichen Tage und von den nämlichen Leuten (so wankelmütig ist die Menge) zu Rittern geschlagen wurden, wie unter anderen dem Luigi Guicciardini geschah. Da die Signoren in dieser Verwirrung von den Soldtruppen, von den Vorstehern der Zünfte und den Bannerführern sich im Stich gelassen sahen, verloren sie den Mut, weil keiner dem Befehle, Beistand zu leisten, gefolgt und von den sechzehn Gonfalonen nur das Banner des goldenen Löwen und das der Vehe, unter Giovenco della Stufa und Giovanni Cambi, erschienen. Diese hielten sich kurze Zeit nur auf dem Platze, denn da sie keine der andern nachkommen sahen, zogen auch sie wieder nach Hause. Von den Bürgern andrerseits, welche die Wut dieser zügellosen Menge gewahrten, den Palast verlassen sahen, blieben einige in ihren Wohnungen, andere folgten den Haufen der Bewaffneten, um in deren Mitte ihre eignen Häuser und die ihrer Freunde leichter schützen zu können. So wuchs die Macht der Aufrührer, während die der Signoren sich verminderte. Der Tumult hielt den ganzen Tag an, und als die Nacht gekommen, blieb der Haufen beim Palast des Messer Stefano hinter der Kirche San Barnaba unter den Waffen. Es waren über sechstausend zusammen, und ehe der Morgen anbrach, nötigten sie durch Drohungen die Zünfte, ihnen ihre Banner herauszugeben. Nachdem es Tag geworden, zogen sie mit diesen und dem Banner der Justiz vor den Palast des Podestà, und da der Podestà sich weigerte, ihnen den Zutritt zu gestatten, erzwangen sie ihn.
Die Signoren wollten nun einen Versuch machen, mit dem Volke sich zu verständigen, da Gewalt nichts gefruchtet haben würde. Sie beriefen deshalb vier der Kollegien und sandten sie nach dem Palaste des Podestà, das Begehren der Aufrührer zu vernehmen. Die Abgesandten fanden, daß die Häupter des Volkshaufens mit den Syndiken der Zünfte und einigen andern Bürgern die Punkte, die sie von der Signorie verlangen wollten, beraten hatten. So kehrten sie denn mit vier Abgeordneten des Pöbels mit folgenden Forderungen nach dem Palaste zurück: »Die Zunft der Wollwirker solle keinen fremden Richter mehr halten; drei neue Handwerkerinnungen sollten errichtet werden, eine für die Wollkämmer und Färber, eine andere für die Schneider, Wamsmacher, Bartscherer und ähnliche, die dritte endlich für das gemeine Volk; diese drei neuen Zünfte sollten immer zwei Signoren stellen, die übrigen vierzehn kleineren drei; die Signorie habe die Anweisung von Versammlungshäusern für diese Zünfte zu übernehmen; keiner der zu denselben Gehörenden dürfe innerhalb zweier Jahre zur Zahlung von Schulden unter fünfzig Dukaten angehalten werden; das Leihhaus solle die Zinsen streichen, so daß nur die Kapitalien zurückerstattet zu werden brauchten; endlich sollten die Verbannten und Verurteilten freigesprochen und alle Ammonierten zu den Ämtern wieder zugelassen werden.« Außer diesen Forderungen stellten sie manche andere noch zum Besten ihrer besondern Gönner, während sie hinwiederum auf Ausschließung von den Ämtern und Verbannung vieler ihrer Gegner bestanden. So ehrenkränkend und schwer tragbar diese Forderungen auch waren, so wurden sie doch, der dringenden Gefahr wegen, von den Signoren, den Kollegien und dem Volksrate sogleich der Beratung unterworfen. Um aber Kraft zu haben, bedurften sie auch der Zustimmung des Gemeinderats, dessen Zusammenberufung auf den folgenden Tag verschoben werden mußte, da zwei Ratsversammlungen an einem Tage nicht stattfinden konnten. Dennoch schienen für den Augenblick die Zünfte und das gemeine Volk damit sich zu begnügen, und versprachen, jeder Unordnung ein Ende zu machen, sobald das neue Gesetz entworfen sein würde.
Während nun am folgenden Morgen der Gemeinderat seine Sitzung hielt, erschien die ungeduldige und wankelmütige Menge unter denselben Bannern auf dem Platze und erregte ein so entsetzliches Getöse, daß dem ganzen Rat und der Signorie Schrecken eingejagt ward. Da ging einer der Signoren, Guerriante Marignolli, mehr durch Furcht veranlaßt als durch etwas anderes, unter dem Vorwande, das Tor zu bewachen, hinab und floh nach seiner Wohnung. Dabei konnte er aber sich nicht so verbergen, daß die Menge ihn nicht erkannte: es wurde ihm nichts zuleide getan, aber, sein ansichtig werdend, schrie der Pöbel, alle Signoren sollten den Palast verlassen, sonst würden sie ihre Kinder ermorden und ihre Häuser in Brand stecken. Unterdessen war das Gesetz beraten worden: die Signoren hatten sich in ihre Gemächer begeben, und die Mitglieder des Rats standen im Erdgeschosse, ohne durch die Loggia und über den Hof zu gehen, verzweifelnd am Heil der Stadt, da sie so schlechte Gesinnung bei der Menge wahrnahmen, so viel bösen Willen oder Furcht bei denen, die sie hätten zügeln oder beherrschen können. Auch die Signoren waren bestürzt und unschlüssig, da sie von einem der Ihrigen sich verlassen und von keinem Bürger beraten, geschweige unterstützt sahen. In dieser Ungewißheit über das, was sie tun könnten und sollten, wurden sie von Messer Tommaso Strozzi und Messer Benedetto degli Alberti, entweder aus Ehrsucht und in der Hoffnung, Herren des Palastes zu bleiben, oder in der Überzeugung, recht zu handeln, überredet, dem Sturme nachzugeben und als Privatleute nach ihren Wohnungen zurückzukehren. Dieser Rat, von solchen erteilt, welche Urheber des Aufstandes gewesen, bestimmte die Mehrzahl zur Nachgiebigkeit, erregte aber den Unwillen von zwei der Signoren, Alamanno Acciaiuoli und Niccolò del Bene. Da in diesen etwas Entschlossenheit wiederauflebte, sagten sie, wenn die andern sich entfernen wollten, so könnten sie es nicht hindern: sie selbst aber, so lange Zeit sei, wollten ihr Amt nicht aufgeben, es sei denn zugleich mit dem Leben. Diese Uneinigkeit verdoppelte die Furcht der Signoren und die Erbitterung des Volkes: so daß der Gonfaloniere, welcher lieber mit Schmach als mit Gefahr aus seinem Amte scheiden wollte, dem Schutze des Tommaso Strozzi sich befahl, der ihn aus dem Palaste hinweg nach seiner Wohnung geleitete. In gleicher Weise entfernten sich, einer nach dem andern, die übrigen Signoren, so daß Alamanno und Niccolò, um nicht für mutiger denn verständig zu gelten, von allen verlassen, gleichfalls nach Hause gingen. Solcherweise blieb der Palast in der Gewalt des Pöbels und der Achten des Krieges, welche ihre Stellen noch nicht verlassen hatten.
Als das Volk in den Palast eindrang, trug die Fahne der Justiz ein Wollkämmer, Michele di Lando. Barfuß und schlecht gekleidet, von dem ganzen Haufen gefolgt, stieg dieser die Treppe hinan, und als er im Audienzsaal der Signoren angekommen war, sprach er, zur Menge gewendet: »Ihr seht, dieser Palast ist euer, die Stadt ist in euern Händen. Was denkt ihr, daß jetzt geschehen soll?« Da riefen alle, sie wollten, daß er Gonfaloniere und Signore sein und sie und die Stadt nach seinem Gutdünken regieren sollte. Michele nahm die Signorie an, denn er war klug und verständig und hatte der Natur mehr zu danken als dem Glück. Er beschloß die Ruhe herzustellen und den Unordnungen ein Ende zu machen. Um nun die Menge zu beschäftigen und zu seinen Anordnungen Zeit zu gewinnen, befahl er, man sollte einen Ser Nuto holen, der von Lapo da Castiglionchio zum Hauptmann der Häscher bestimmt gewesen war. Die Mehrzahl derer, die ihn umgaben, entfernte sich, des Auftrags sich zu entledigen. In der Absicht, seine Regierung, die er durch Gunst erlangt, mit Gerechtigkeit zu beginnen, ließ er öffentlich den Befehl ergehen, keiner sollte rauben oder Feuer anlegen. Und um allen Angst einzujagen, ließ er auf dem Platze den Galgen aufrichten. Die Verwaltung neu zu ordnen, entließ er die Syndiken der Zünfte und ernannte andere, entsetzte Signoren und Kollegien ihrer Stellen und ließ die Wahlbeutel verbrennen. Unterdessen wurde Ser Nuto von dem Pöbel auf den Platz geschleppt und an jenen Galgen bei einem Fuße aufgehängt, welcher Fuß bald allein von ihm übrigblieb, da die Umstehenden ihn in Stücke zerrissen. Währenddessen hatten die Achte des Kriegs, in dem Glauben, daß durch die Entfernung der Signoren das Regiment ihnen anheimgefallen sei, die neue Signorie bestimmt. Als Michele di Lando dies vernahm, ließ er ihnen sagen, sie möchten sogleich den Palast verlassen, denn er wollte allen zeigen, wie er ohne ihren Beistand Florenz zu regieren wisse. Hierauf ließ er die Syndiken der Zünfte zusammenkommen und wählte die Signorie: vier Glieder für das gemeine Volk, zwei für die großen, zwei für die kleinen Zünfte.Nach Gino Capponi je drei für jede Klasse. Überdies ließ er neue Wahlbeutel füllen und teilte das gesamte Regiment in drei Teile, von denen einer den neuen Zünften, der andere den kleinen, der dritte den großen anheimfallen sollte. Dem Salvestro de'Medici überließ er das Einkommen von den Buden der alten Brücke,Diese Buden zu beiden Seiten der Brücke, gegen dreißig an der Zahl, gehörten anfangs verschiedenen Gewerben, wurden gegen 1422 den Fleischern eingeräumt, im Jahre 1593 den Goldarbeitern, welche sie noch jetzt inne haben. für sich selber nahm er das Amt eines Podestà zu Empoli;Nach Marchionne di Coppo Stefani: Barberino. Diese Ämter in den bedeutenderen Orten und Städten (Capitano zu Arezzo, Pistoja, Prato, Podestä zu Arezzo, Volterra, Pistoja u. a.) wurden verdienten Bürgern übertragen. vielen Bürgern von der Volkspartei gewährte er Begünstigungen, nicht bloß, um sie für ihre Mühen zu belohnen, sondern auch, um an ihnen Stützen und Beschützer gegen die Mißgunst zu finden.
Dem Pöbel schien es, Michele bei der Anordnung der Verwaltung den großen Popolanen zu günstig gewesen, und sie glaubten an der Regierung nicht so vielen Anteil erhalten zu haben, wie ihnen zur Bewahrung und Verteidigung der errungenen Rechte nötig dünkte. Von ihrer gewohnten Frechheit angetrieben, griffen sie daher von neuem zu den Waffen und zogen tumultuierend unter ihren Fahnen auf den Platz, indem sie verlangten, die Signoren sollten auf der Ringhiera erscheinen, um neue Artikel in betreff ihrer Sicherheit und ihrer Wohlfahrt zu beraten. Als Michele di Lando dies Treiben sah, tadelte er, um die Unzufriedenheit nicht noch zu steigern und ohne auf ihr Verlangen zu achten, die Art und Weise, wie sie ihr Begehren anbrachten, und forderte sie auf, die Waffen niederzulegen, wo ihnen dann zugestanden werden würde, was durch Gewalt sich abtrotzen zu lassen die Ehre der Signorie nicht gestattete. Die Menge, auf die Signorie ungehalten, zog nach Santa Maria Novella und ernannte dort acht Anführer mit verschiedenen Unterbeamten, ihnen Autorität zu geben, so daß die Stadt zwei Regierungen und Magistraturen auf einmal hatte. Diese Führer des gemeinen Volkes beschlossen untereinander, daß stets acht von ihren Zünften Erwählte mit den Signoren im Palaste wohnen und alle Verordnungen der Signorie ihrer Bestätigung bedürfen sollten. Dem Messer Salvestro de' Medici und Michele di Lando nahmen sie alles, was durch frühere Beschlüsse ihnen bewilligt worden war. Vielen der Ihrigen wiesen sie Ämter und Geldunterstützungen an, um ihren Rang mit der gehörigen Würde behaupten zu können. Nachdem sie diese Beschlüsse gefaßt, sandten sie, um denselben Rechtsgültigkeit zu verschaffen, zur Signorie mit dem Verlangen, sie durch die Ratsausschüsse bestätigen zu lassen, indem sie zugleich ihren Entschluß kundgaben, es durch Gewalt zu erzwingen, falls sie es im Wege des Vergleichs nicht erhielten. Die Abgeordneten erklärten, mit großer Kühnheit und noch größerem Dünkel, vor der Signorie den Gegenstand ihrer Sendung und warfen dem Gonfaloniere vor, wie undankbar er für die ihm von ihnen übertragene Würde und die ihm erteilten Ehren sich bewiesen. Und da sie endlich von Worten zu Drohungen kamen, ertrug Michele diese Anmaßung nicht. Mehr seiner gegenwärtigen Würde gedenkend als seines niedern Standes, beschloß er, so ungewöhnliche Frechheit auf ungewohnte Weise zu strafen. Er zog das Schwert, das er umgürtet hatte, verwundete die beiden schwer und ließ sie dann binden und einsperren.31. August. Die beiden Abgesandten hießen Marco di Ser Salvi und Domenico di Tuccio genannt Lambo. Ihr Stand findet sich nicht angegeben.
Als dies bekannt ward, entflammte es den Zorn der Menge. Im Glauben, sie würden mit Gewalt erringen, was sie durch Vorstellungen nicht erlangt, griffen sie mit großem Lärm zu den Waffen und setzten sich in Marsch, die Einwilligung der Signorie zu erzwingen. Michele seinerseits, dies voraussehend, beschloß ihnen zuvorzukommen, indem er glaubte, es sei ehrenvoller, den Feind anzugreifen, als ihn hinter den Mauern des Palastes zu erwarten und gleich seinen Vorgängern mit eignem Schimpf wie zur Schmach des Gemeinwesens fliehn zu müssen. Nachdem er also eine Menge Bürger versammelt, welche ihre Verblendung einzusehn begonnen, stieg er zu Pferde und zog mit einem großen Haufen Bewaffneter nach Santa Maria Novella. Beinahe zu gleicher Zeit mit dem Gonfaloniere hatte der Pöbel sich in Bewegung gesetzt, um nach dem Palaste zu ziehen, und der Zufall wollte, daß sie auf verschiedenen Wegen zogen und nicht aufeinanderstießen.Die Aufrührer zogen nämlich erst nach der andern Flußseite, um ihre in den sogenannten Camaldoli von S. Frediano (auch jetzt noch Wohnsitze der untersten Volksklasse) gebliebenen Genossen zu holen. Michele, sogleich umkehrend, fand so den Platz besetzt und den Angriff auf den Palast begonnen: ohne Zaudern ließ er den Kampf eröffnen,Um die einundzwanzigste Stunde des Tages. überwältigte den Pöbel, vertrieb einen Teil desselben aus der Stadt und nötigte die übrigen, die Waffen niederzulegen und sich zu verbergen.
Nach diesem Erfolge legte sich der Tumult, bloß durch die Entschiedenheit des Gonfaloniere, der in jener bedrängten Zeit alle Bürger an Mut, an Klugheit und Güte übertraf und zu der geringen Zahl derer gezählt werden muß, welche sich um ihre Heimat wahrhaft verdient gemacht haben. Denn wäre er böswillig oder ehrsüchtig gewesen, so hätte der Staat seine Freiheit eingebüßt und wäre in tiefere Knechtschaft gesunken, als die des Herzogs von Athen gewesen war. Aber seine treffliche Gesinnung ließ nimmer einen Gedanken in ihm aufkommen, der dem allgemeinen Wohl entgegen gewesen wäre, und seine Klugheit ließ ihn die Sache so leiten, daß viele von seiner Partei ihm nachgaben, und er die Widerstrebenden zum Gehorsam zwingen konnte. Diese Vorgänge flößten dem Volke Furcht ein und ließen die Angesehenem von den Zünften zur Einsicht kommen, indem sie bedachten, welche Schmach es für Leute sei, die den Hochmut der Großen gedemütigt, jetzt den üblen Geruch des Pöbels ertragen zu müssen.
Als Michele den Sieg über die Unruhestifter davontrug, war die neue Signorie schon gezogen, und es saßen in ihr zwei so gemeinen und verächtlichen Standes, daß das allgemeine Verlangen, solche Schmach loszuwerden, dadurch gesteigert wurde. Als nun am ersten Tage des Septembers die neuen Prioren ihr Amt antraten und die abtretenden den Palast verließen, erhob sich unter den Bewaffneten, mit denen der Platz gefüllt war, das Geschrei, sie wollten unter den Signoren keinen mehr vom niedrigsten Pöbel, worauf die Signorie, um sie zu befriedigen, jene beiden, Tira und Baroccio geheißen,Beide waren Wollkämmer. Der letztere war sogar während des Tumults am 29. August zum Gonfaloniere gewählt worden, ward aber am 1. September abgesetzt, worauf Francesco di Chele (Michele), ein Trödler, an seine Stelle kam. des Amtes entsetzte, und an deren Stelle Messer Giorgio Scali und Francesco di Michele gewählt wurden. Überdies lösten sie die neuen Zünfte des niedern Volkes auf und nahmen allen Dazugehörenden, Michele di Lando, Lodovico di Puccio und einige andere von besserm Stande ausgenommen, die Befähigung, zu den Ämtern gelangen. Die Ehrenämter wurden zu zwei Hälften gleichmäßig für die größeren Zünfte und für die kleineren bestimmt. Nur zu der Signorie sollten die kleinen immer fünf Mitglieder stellen, die großen vier, das Amt des Bannerführers aber von den einen auf die andern übergehn. Damit beruhigte sich für damals die Stadt.
Obgleich nun aber die Regierung den Händen des Pöbels entrissen war, blieben die Bürger der kleinen Zünfte mächtiger als die großen Popolanen; denn diese sahen sich genötigt zurückzustehn, um den Pöbel auszuschließen und suchten zu diesem Zwecke die geringeren Popolanen in ihr Interesse zu ziehen. Damit waren auch solche einverstanden, welche jene Partei nicht wieder aufkommen lassen wollten, die unter dem Namen Guelfen so viele Bürger durch ihre Gewalttätigkeit beleidigt hatte. Da nun Messer Giorgio Scali, Benedetto degli Alberti, Salvestro de'Medici und Tommaso Strozzi zu denen gehörten, die der guelfischen Regierungsform günstig gesinnt waren, so wurden sie gleichsam Herren der Stadt. Diese Vorgänge veranlaßten die Fortdauer der durch die Ehrfurcht der Ricci und der Albizzi entstandenen Zwietracht zwischen den vornehmen Popolanen und den geringern Bürgern, eine Zwietracht, welche zu verschiedenen Zeiten zu den wichtigsten Begebenheiten Anlaß gab, und die ich noch mehrfach zu erwähnen haben werde, weshalb ich die eine der Parteien mit dem Namen der popolaren, die andere mit der Benennung der plebejischen bezeichne. Drei Jahre lang währte dieser Zustand unter zahlreichen Verbannungen und Hinrichtungen. Denn jene, welche die Zügel in Händen hielten, lebten fortwährend in Unruhe, weil es in der Stadt wie draußen zahlreiche Unzufriedene gab. Die Unzufriedenen in der Stadt versuchten täglich einen Umsturz hervorzurufen, oder man glaubte, daß sie es versuchten. Die in der Fremde, durch keinerlei Rücksicht gehemmt, säeten bald hier, bald dort Aufruhr, bald durch diesen Fürsten, bald durch jenen Freistaat.
In jener Zeit (1379) befand sich zu Bologna Gianozzo von Salern, Feldhauptmann Carls von Durazzo, aus dem neopolitanischen Königshause, welcher, einen Kriegszug gegen das Reich Neapel und die Königin Johanna beabsichtigend, diesen Hauptmann in der genannten Stadt hielt, mit Vergünstigung Papst Urbans, des Feindes der Königin. Auch verschiedene verbannte Florentiner waren damals in Bologna und standen mit Carl in genauer Verbindung, was den Verdacht der Machthaber in Florenz sehr vermehrte und schuld war, daß Verdächtigungen leicht Gehör fanden. Während dieser Besorgnisse wurde dem Magistrat angezeigt, daß Giannozzo von Salern mit den Ausgewanderten vor Florenz rücken, und viele der Bürger die Waffen ergreifen und ihm die Stadt überliefern würden. Infolge dieses Berichts wurden verschiedene angeklagt, unter den ersten Piero degli Albizzi und Carlo Strozzi, sodann Cipriano Mangioni, Messer Jacopo. Sacchetti, Messer Donato Barbadori, Filippo Strozzi und Giovanni Anselmi, welche alle, mit Ausnahme Carlo Strozzis, der die Flucht ergriff, eingezogen wurden. Obgleich keiner wagte zu ihren Gunsten sich zu waffnen, übertrugen dennoch die Signoren dem Messer Tommaso Strozzi und Benedetto Alberti mit einer Schar Bewaffneter die Bewachung der Stadt. Die Gefangenen wurden ins Verhör genommen, und man fand keine Schuld an ihnen, so daß der Capitano sie nicht verurteilen wollte, worauf ihre Gegner das Volk in solchem Grade aufreizten und seinen Grimm so entflammten, daß man sich für genötigt hielt, sie zu verdammen. Dem Piero degli Albizzi half weder die Größe seines Hauses noch der altbegründete Ruf, daß er lange Zeit hindurch mehr denn irgendein anderer Bürger geehrt und gefürchtet gewesen. Während jener glücklichen Zeit traf es sich einmal, daß einer, entweder aus freundlicher Gesinnung, um ihn in seiner Größe milder zu stimmen, oder in der Absicht, ihn an die Vergänglichkeit des Irdischen zu mahnen, bei einem Gastmahl, das er vielen Bürgern gab, ihm eine silberne Schüssel voll Backwerk sandte, worunter ein Nagel verborgen war, welchem, als er gefunden und von den Anwesenden gesehn ward, die Deutung beigelegt wurde, als erinnere man ihn daran, er solle das Rad nun festnageln. Denn da das Glück ihn jetzt obenaufgeführt, so könne es nicht ausbleiben, daß er in die Tiefe gezogen werde, wenn es seinen Kreislauf vollende. Diese Deutung bestätigte erst sein Sturz, dann sein Tod.
Nach diesen Hinrichtungen (1380) blieb die Stadt in großer Verwirrung, weil Sieger und Besiegte zugleich Besorgnis hegten. Die Furcht der Regierenden aber trug die schlimmsten Früchte: denn jeder, auch der unbedeutendste Zufall veranlaßte sie, der Guelfenpartei neue Unbilden zuzufügen, indem sie die Bürger verurteilten, von den Ämtern ausschlössen, ins Exil sandten. Zur Aufrechthaltung der bestehenden Verhältnisse wurden neue Gesetze und neue Verordnungen erlassen. Alles dies geschah zum Nachteil derjenigen, gegen welche die herrschende Partei Verdacht hegte: ja, es wurden sechsundvierzig Bürger gewählt, welche in Gemeinschaft mit den Signoren den Staat von diesen Verdächtigen reinigen sollten. Diese ammonierten viele Bürger und zählten viele Popolanen zu den Großen, und um der äußern Gewalt Widerstand leisten zu können, nahmen sie Messer Giovanni Aguto in ihren Sold, einen Engländer von Nation und berühmten Kriegsmann, der längere Zeit dem Papste und andern in Italien gedient hatte. Die Furcht vor einem Angriffe von außen wurde durch die Rüstungen erregt, welche Carl von Durazzo zum Zweck des Zuges gegen Neapel machte, und durch das Verweilen vieler florentinischen Ausgewanderten in seiner Nähe. Solchen Gefahren suchte man ebensowohl durch Gegenrüstungen als mit Geld zu begegnen, denn als Carl in Arezzo angelangt war, erhielt er von den Florentinern vierzigtausend Dukaten, worauf er sie in Ruhe zu lassen versprach. Er setzte sodann seinen Zug fort, eroberte das Königreich und sandte die Königin Johanna gefangen nach Ungarn. Dieser Sieg mehrte von neuem die Befürchtungen der Machthaber in Florenz, denn sie konnten sich nicht davon überzeugen, daß ihr Geld mehr über den König vermöchte, als die alte Freundschaft des Hauses Anjou mit den von ihnen mit solcher Härte unterdrückten Guelfen.
Diese Befürchtungen standen in anhaltender Wechselwirkung mit tyrannischen Handlungen (1381), so daß die Unzufriedenheit fast allgemein war. Sie wurde gesteigert durch das anmaßende Benehmen Giorgio Scalis und Tommaso Strozzis, deren Autorität jene der Magistrate überwog, und von welchen jeder unter Beistand des Pöbels unterdrückt zu werden besorgte. Nicht nur den Gutgesinnten, sondern selbst den Unruhestiftern schien diese Regierung eigenmächtig und gewalttätig. Wie aber Messer Giorgios Übermut endlich ein Ende nehmen mußte, so geschah es, daß durch einen seiner Anhänger einer namens Giovanni di Cambio eines Komplotts gegen den Staat beschuldigt (1382), vom Capitano aber schuldlos befunden wurde. Da nun der Richter dem falschen Ankläger die Strafe auferlegen wollte, die dem Beklagten zuteil geworden wäre, hätte man jenen schuldig erkannt, und Messer Giorgio weder durch Bitten noch durch sein Ansehn ihn davon zu befreien vermochte: so zogen er und Messer Tommaso Strozzi mit einem Haufen Bewaffneter nach den Gefängnissen, holten den Verhafteten heraus, plünderten den Palast des Capitano und nötigten ihn sich zu verbergen. Diese Frechheit steigerte dermaßen den Haß gegen ihn, daß seine Gegner die Gelegenheit günstig erachteten, ihm nicht bloß die Gewalt zu entreißen, die er sich angemaßt, sondern auch dem Pöbel, welcher nunmehr drei Jahre lang willkürlich in der Stadt geschaltet. Dazu gab auch noch der Capitano Veranlassung, welcher nach dem Aufhören des Tumults zu den Signoren ging und ihnen sagte: er sei gerne gekommen, das Amt anzutreten, wozu die Signorie ihn ernannt, weil er geglaubt habe, gerechten Leuten zu dienen, die zum Schutze, nicht zur Unterdrückung des Rechts die Waffen ergreifen würden. Nachdem er aber Regierung und Lebensweise der Stadt kennengelernt, so entsage er, um so Gefahr wie Beschädigung zu entgehn, jener Würde, die er, um der Ehre und Vorteils willen, übernommen habe. Die Signoren ermutigten den Capitano, indem sie ihm Ersatz für den erlittenen Verlust, für die Zukunft Sicherheit verhießen. Indem nun einige von ihnen mit verschiedenen Bürgern sich berieten, die sie für Freunde der öffentlichen Wohlfahrt und wohlgesinnt hielten, urteilten sie, daß es Zeit sei, dem Messer Giorgio und dem niedern Volke ihre Gewalt zu nehmen, indem die neuerliche Gewalttat ersterem alle Gemüter entfremdet habe. Darum hielten sie's für gut, diese Gelegenheit zu benutzen, bevor der allgemeine Unwille sich lege, indem sie wußten, daß der geringfügige Umstand die Volksgunst gewinnen und verlieren läßt. Sie glaubten überdies, daß es, zur Durchführung ihres Planes, nötig sei, Messer Benedetto Alberti zu gewinnen, ohne dessen Zustimmung sie das Unternehmen gefährlich erachteten.
Messer Benedetto war ein sehr reicher und menschlich gesinnter Mann und ein eifriger Freund der Freiheit seines Vaterlandes, welchem alles tyrannische Walten mißfiel, weshalb es leicht ward, ihn zu beruhigen und so zu stimmen, daß er Messer Giorgio fallen ließ. Denn die Gründe, welche ihn den großen Popolanen und der Partei der Guelfen feind und dem gemeinen Volke geneigt gemacht hatten, waren deren Übermut und Eigenmächtigkeit gewesen: da er nun aber sah, daß die Häupter des Volkes es jenen nachmachten, hatte er längst schon von ihnen sich abgewandt, und die einer großen Menge Bürger zugefügten Unbilden hatten seine gänzliche Mißbilligung erfahren. So vermochten ihn denn dieselben Beweggründe, welche ihn zur Volkspartei geführt, auch wieder sie zu verlassen. Nachdem die Signorie nun den Messer Benedetto und die Vorsteher der Zünfte für sich gewonnen und sich gerüstet hatte, ließ sie Messer Georgio Scali greifen. Tommaso Strozzi rettete sich durch die Flucht. Am folgenden Tage wurde Messer Giorgio enthauptet: seine Anhänger waren in solche Furcht versetzt, daß keiner zu seinem Gunsten sich erhob, sondern im Gegenteil, alle wie um die Wette seinen Untergang beförderten. Da nun dieser seinem Tode vor demselben Volke entgegensah, das kurz vorher ihn angebetet hatte, klagte er über sein widriges Geschick und über die Gesinnung jener Bürger, welche, indem sie ihm Unrecht zugefügt, ihn genötigt, der großen Menge zu schmeicheln, die weder Treue noch Dankbarkeit kenne. Und als er unter den Bewaffneten Benedetto Alberti erkannte, hub er an: »Auch du, Messer Benedetto, lassest zu, daß mir diese Unbill widerfahre, welche ich sicherlich von dir abzuwenden mich bestreben würde, stände ich an deinem Platze. Aber ich verkünde dir, dieser Tag ist wie meines Übels Ende, so des deinen Anfang.« Hierauf klagte er sich selber an, einem Volke zuviel Vertrauen geschenkt zu haben, welches durch jedes Wort, jede Bewegung, jeden Verdacht sich leiten und verkehren lasse. Unter diesen Klagen starb er, umringt von bewaffneten, seines Todes sich freuenden Feinden. Einige seiner vertrautesten Freunde wurden nach ihm hingerichtet und vom Pöbel geschleift.
Der Tod dieses Bürgers setzte die ganze Stadt in Bewegung, weil einige dazu mitgewirkt, um der Signorie und dem Capitano del popolo geneigt sich zu zeigen, viele andere aus eignem Ehrgeiz, noch andere wegen persönlicher Besorgnisse. Da so die Stadt voll Uneinigkeit war und jeder verschiedene Zwecke hatte, so wünschten alle ihre Absichten zu erreichen, bevor sie die Waffen niederlegten. Der alte Adel, den man »die Großen« nannte, konnte die Ausschließung von den Ehrenämtern nicht verschmerzen, und strebte auf alle Weise wieder zu denselben zu gelangen, weshalb er die Autorität der Capitane guelfischer Partei hergestellt zu sehn wünschte. Die vornehmen Popolanen und die großen Zünfte ertrugen es nicht länger, daß sie mit den kleinen Zünften und dem gemeinen Volke in die Verwaltung sich hatten teilen müssen. Die kleinen Innungen andrerseits wünschten ihre Macht zu vergrößern, statt sie zu schwächen, und der Pöbel fürchtete die Kollegien seiner Zünfte zu verlieren. Diese Spaltungen waren schuld daran, daß ein ganzes Jahr lang in Florenz Unordnung herrschte, bald die Altadeligen zu den Waffen griffen, bald die größeren, bald die kleineren Zünfte und mit ihnen das gemeine Volk, und daß öfter noch in verschiedenen Teilen der Stadt alles gerüstet stand. Dies veranlaßte eine Menge Händel unter ihnen wie mit den Palastwachen, und die Signorie, bald sich fügend, bald widerstrebend, suchte so großen Übelständen, so gut sie's vermochte, abzuhelfen. Endlich, nach zwei Parlamenten und verschiedenen Balien, die zur Ummodelung der Verfassung ernannt wurden, nach vielen Verlusten, nach Verwirrung und dringenden Gefahren, kam eine Verwaltung zustande, durch welche alle nach dem Gonfalonierat Salvestros de'Medici Verwiesenen in die Heimat zurückgerufen wurden. Denen, welchen die Balia von 1378 Auszeichnungen und Einkünfte zugewiesen, wurden diese wieder genommen; der guelfischen Partei wurden ihre früheren Ehrenstellen wieder eingeräumt; die beiden neuen Zünfte wurden ganz aufgehoben und die Genossen derselben wie ehemals andern Innungen zugewiesen; den kleinen Zünften wurde das Amt des Gonfaloniers der Gerechtigkeit genommen, ihre Teilnahme an den Ehrenämtern von der Hälfte auf ein Drittel und auf die minder bedeutenden beschränkt. So kam die oberste Gewalt vom niedern Volke ab und wieder in die Hände der vornehmen Popolanen und der guelfischen Partei, und die Verfassung, wie sie von 1378 bis 1381 bestanden, nahm auf immer ein Ende.
Die neuen Machthaber waren aber in ihren Handlungen ebenso gewalttätig, und der durch sie herbeigeführte Zustand war in seinen Anfängen ebenso drückend, wie das Regiment des Pöbels gewesen war. Denn viele adlige Popolanen, welche sich dem gemeinen Volke geneigt bewiesen hatten, wurden zugleich mit einer großen Zahl der plebejischen Anführer verbannt. Unter ihnen war Michele di Lando, welchen die Verdienste, die er sich durch seine Entschlossenheit um die Stadt erworben hatte, als die zügellose Menge in ihrem Toben daran war, sie zugrunde zu richten, nicht vor dem Groll der guelfischen Partei zu schützen vermochten. So war die Heimat ihm wenig dankbar für seine guten Werke. Da Mißgriffe dieser Art bei Fürsten wie in Freistaaten gewöhnlich sind, geschieht es, daß die Menschen, durch ähnliche Beispiele gewarnt, den Gewalthabern oft nicht die Zeit lassen, ihre Undankbarkeit an den Tag zu legen. Mehr denn irgendeinem mißfielen diese Landesverweisungen und Hinrichtungen dem Messer Benedetto Alberti, der sie öffentlich wie im vertrauten Kreise tadelte. Die Häupter der Partei fürchteten ihn, weil sie ihn für einen der wärmsten Freunde des niedern Volkes hielten, und sie waren der Meinung, er habe die Hinrichtung Giorgio Scalis nicht darum zugegeben, weil er mit dem Verhalten desselben unzufrieden gewesen, sondern weil er allein am Ruder zu bleiben gehofft habe. Seine Worte und sein Benehmen verstärkten den Verdacht, weshalb die ganze Partei den Blick auf ihn gerichtet hielt und nur einer Gelegenheit harrte, ihn zu unterdrücken.
Während dieser Vorgänge (1383) waren die äußern Angelegenheiten nicht von großem Belang. Ereignete sich einmal etwas, so gab's mehr Schrecken als Schaden. In der genannten Zeit kam Ludwig von Anjou nach Italien, um die Königin Johanna wieder auf den Thron zu setzen und Carl von Durazzo zu verjagen. Sein Zug setzte die Florentiner in nicht geringe Furcht: denn nach alter Freunde Sitte sprach Carl sie um Beistand an, während Ludwig, wie solche zu tun pflegen, die neue Freundschaft suchen, ihre Neutralität wünschte. Um nun Ludwig scheinbar Genüge zu tun und Carl zu helfen, entließen sie Messer Giovanni Aguto aus ihrem Solde, und veranlaßten den Papst Urban, Carls Freund, ihn zu seinem Feldhauptmann zu erwählen: eine Täuschung, die Ludwig leicht erkannte und sehr übel aufnahm. Während des Krieges, der in Apulien zwischen Carl und Ludwig stattfand, langten französische Hilfsvölker für diesen in Toscana an. Aretinische Ausgewanderte führten diese nach ihrer Stadt und nötigten so die Durazzosche Partei zum Weichen. Gerade als es im Plane war, in Florenz eine ähnliche Umwälzung zu veranlassen, starb Ludwig von Anjou und die Dinge nahmen eine andere Gestalt an. Denn Carl von Durazzo sicherte sich das Reich, das er beinahe verloren hatte, und die Florentiner, welche schon für die eigene Heimat besorgt gewesen, erlangten Arezzo durch Kauf von der französischen Besatzung (1384). Nach diesem glücklichen Ausgange des Kriegs zog Carl nach Ungarn, welches Reich ihm durch Erbschaft zugefallen war, und ließ in Apulien seine Gemahlin zurück, mit seinen beiden noch kleinen Kindern, Ladislaus und Johanna. Er setzte sich die ungarische Krone auf, aber er bezahlte diesen Zug bald mit seinem Leben.
Des Königs anfänglicher Erfolg in Ungarn wurde in Florenz mit einer Pracht gefeiert, wie kaum in irgendeiner Stadt eigener Siege wegen Feste angestellt worden. Hier konnte man den Glanz des Gemeinwesens wie der großen Familien kennenlernen: denn viele der letzteren wetteiferten mit den öffentlichen Freudenbezeigungen. Alle übertraf an Pomp und Aufwand die Familie der Alberti: denn die Aufzüge, die Waffenspiele, die sie veranstaltete, waren vielmehr einem Fürsten angemessen als einem bürgerlichen Hause. Dadurch ward der Neid gesteigert, welcher, zusamt dem Verdachte, den die Machthaber auf Messer Benedetto geworfen, seinen Ruin herbeiführte. Denn jene konnten sich seinetwegen nicht beruhigen, in der Meinung, in jedem Augenblicke könne Messer Benedetto mit dem Beistande seiner Partei sein früheres Ansehen wiedererlangen und sie aus der Stadt vertreiben. Da sie in solcher Besorgnis waren, begab es sich, daß, während er einer der Bannführer der Kompanien war, sein Eidam Filippo Magalotti durch das Los Gonfaloniere der Justiz wurde (1387), was die Furcht der Gegner mehrte, Messer Benedetto möchte zu mächtig werden und die herrschende Partei dadurch in Gefahr kommen. Indem sie diesem nun ohne Tumult abzuhelfen versuchten, veranlaßten sie den Bese Magalotti, seinen Stammverwandten und Feind, daß er den Signoren erklärte, es fehle dem Messer Filippo am gehörigen Alter, weshalb er das Amt nicht antreten könne noch dürfe.
Die Sache wurde von den Signoren zur Beratung gezogen, und einige von ihnen aus Haß, andere, um keine Unruhe zu erregen, entschieden, Messer Filippo sei zur Übernahme des Banneramts unfähig, worauf an seiner Statt Bardo Mancini gewählt ward, ein entschiedener Gegner der Volkspartei und Messer Benedettos. Kaum hatte dieser sein Amt angetreten, so rief er eine Balia zusammen, welche neben andern Umänderungen Messer Benedetto Alberti verwies und den Rest der Familie, mit Ausnahme des einzigen Messer Antonio, von den Ehrenstellen ausschloß. Vor seinem Weggehen ließ Messer Benedetto alle seine Verwandten zu sich kommen, und als er sie traurig und in Tränen sah, sagte er zu ihnen: »Ihr seht, meine Gönner und Genossen, wie das Schicksal mich zugrunde gerichtet und euch bedroht hat. Darüber wundere ich mich nicht und müßt auch ihr euch nicht wundern: denn so geht's immer denen, die unter vielen Bösen gut sein und aufrecht halten wollen, was die Mehrzahl niederzureißen sich bestrebt. Die Liebe zu meiner Heimat bewog mich, dem Salvestro de'Medici mich anzuschließen, von Messer Giorgio Scali mich zu trennen. Dieselbe Liebe erzeugte in mir den Haß gegen das Verfahren der gegenwärtigen Gewalthaber, welche, wie sie keine Strafe erlitten, so auch keinen Tadel dulden wollten. Es ist mir lieb, daß ich durch mein Exil sie von der Furcht befreie, die nicht ich allein ihnen einflöße, sondern jeder, von dem sie wissen, daß er ihr eigenmächtiges und verruchtes Wirken durchschaut. Darum haben sie, indem sie mich trafen, zugleich die andern bedroht. Um meinetwillen bin ich nicht traurig, denn die durch das freie Vaterland mir verliehene Ehre kann das unterdrückte mir nicht rauben. Ja, die Erinnerung an mein vergangenes Leben wird mir immer mehr Freude machen, als das Unglück, welches meine Verbannung nach sich zieht, mir Leidwesen verursachen kann. Aber es schmerzt mich, daß meine Heimat wenigen zur Beute, ihrem Hochmut und ihrer Habsucht zum Raube wird. Um euretwillen bin ich betrübt: denn ich fürchte, daß die Übel, welche heute bei mir enden und bei euch beginnen, euch mit größerer Heftigkeit verfolgen werden, als sie mich verfolgt haben. Darum ermahne ich euch, eure Gemüter gegen jegliches Unglück zu stählen und euch so zu verhalten, daß, was auch immer Widriges euch zustoßen mag (und dessen wird nicht wenig sein), jeder erkenne, daß ihr schuldlos seid und es nicht verdient habt.« Um nun im Auslande einen ebenso geachteten Namen zu hinterlassen wie in seiner Heimat, unternahm er einen Pilgerzug nach des Heilands Gruft. Auf der Heimkehr starb er zu Rhodus. Seine Gebeine wurden nach Florenz gebracht und mit großen Ehrenbezeigungen von denen bestattet, welche gegen den Lebenden keine Schmähung und Verleumdung unterlassen hatten.
Nicht der Familie der Alberti bloß widerfuhr damals solche Unbill, sondern manche andere Bürger wurden verwiesen oder ammoniert; unter den Verbannten waren Piero Benini, Matteo Alderotti, Giovanni und Francesco del Bene, Giovanni Benci, Andrea Adimari und mit ihnen eine große Zahl von Genossen der kleinen Zünfte; unter den Ammonierten fanden sich die Covoni, Benini, Rinucci, Formiconi, Corbizzi, Mannelli und Alderotti. Es war die Sitte, eine Balia auf gewisse Zeit zusammenzurufen: die Mitglieder aber, nachdem sie das bewerkstelligt, weshalb sie zusammenberufen worden waren, verzichteten des Anstands wegen auf ihre Stellen wieder, auch wenn die festgesetzte Frist noch nicht abgelaufen war. Da es nun der damals bestehenden Balia schien, daß sie ihre Obliegenheiten erfüllt habe, wollte sie, wie es Sitte, sich zurückziehen. Viele aber, die dies vernahmen, eilten bewaffnet nach dem Palast und verlangten, vor der Verzichtleistung sollten viele andere noch verwiesen und von den Ämtern ausgeschlossen werden. Dies mißfiel den Signoren sehr, und mit schönen Worten hielten sie die Zudringlichen so lange hin, bis sie Verstärkung erhalten hatten, worauf sie jene nötigten, aus Furcht die Waffen niederzulegen, welche die Wut ihnen in die Hand gegeben. Um sie aber nicht völlig zu Unzufriedenen zu machen und um die Autorität der geringeren Zünfte noch mehr zu schmälern, ließen sie letztern statt des dritten nur den vierten Teil der Ehrenämter. Und um stets zwei Leute, worauf sie zählen konnten, in der Signorie zu halten, gaben sie dem Gonfaloniere und vier andern Bürgern Auftrag, einen Wahlbeutel mit Namen von Ausgesuchten zu füllen, von denen für jede Signorie zwei gezogen werden sollten.
Nachdem in solcher Weise die Verhältnisse nach dem Jahre 1381 geordnet worden, lebte man bis zum Jahre 1393 in der Stadt in ziemlicher Ruhe. In dieser Zeit nahm Giovan Galeazzo Visconti, welchen man den Grafen von Virtu nannte, seinen Ohm Messer Bernabò gefangen und wurde damit Herr der gesamten Lombardei. Wie er durch List Herzog von Mailand geworden, glaubte er durch Gewalt, König von Italien werden zu können. Und im Jahre 1390 begann er gegen Florenz einen Krieg, dessen Wechselfälle von der Art waren, daß mehrmals der Herzog näher dran war, zu verlieren, als die Florentiner, welche indes nur sein Tod vom Verderben rettete. Übrigens aber war die Gegenwehr mutig und für einen Freistaat bewunderungswürdig, und der Ausgang war minder schlimm, als der Krieg bedrohlich gewesen. Denn als der Herzog Bologna, Pisa, Perugia und Siena eingenommen und die Krone in Bereitschaft hielt, die er in Florenz als italienischer König sich aufsetzen wollte, raffte der Tod ihn weg, der ihn seine errungenen Siege nicht genießen, die Florentiner ihre Verluste verschmerzen ließ.
Während dieses Krieges mit dem Visconti, wurde Gonfaloniere der Justiz Messer Maso degli Albizzi (1393), welchen die Hinrichtung Pieros den Alberti feind gemacht hatte. Obschon nun Messer Benedetto im Exil gestorben war, so wollte Maso sich dennoch an der Familie rächen, bevor seine Amtszeit zu Ende ging. Dazu benutzte er die Veranlassung, daß ein wegen Einverständnisses mit dem Feinde zur Untersuchung gezogener Bürger Alberto und Andrea degli Alberti nannte. Diese wurden sogleich gefänglich eingezogen, was die ganze Stadt in große Bestürzung versetzte, worauf die Signoren, nachdem sie sich mit Waffen versehn, das Volk zum Parlament riefen und eine Balia ernennen ließen, kraft derer sie viele Bürger aus der Stadt verwiesen und die Wahlbeutel neu füllten. Unter den Verwiesenen befanden sich beinahe alle Alberti; auch viele aus den kleinern Zünften wurden ammoniert und mit dem Tode bestraft. So vieler Unbilden wegen standen die Zünfte und das gemeine Volk von neuem in Waffen auf, da es ihnen schien, daß Ehre und Leben zugleich in Gefahr wären. Ein Teil von ihnen erschien auf dem Platze vor dem Palast, während ein anderer nach der Wohnung des Messer Vieri de'Medici eilte, welcher nach Messer Salvestros Tode das Haupt dieses Geschlechts geblieben war. Denen, die auf dem Platze sich einfanden, gaben die Signoren, in der Absicht, sie einzuschläfern, als Anführer mit dem Banner der guelfischen Partei und dem des Volkes, den Messer Rinaldo GianfigliazziDie Gianfigliazzi waren eine der ältesten und angesehensten Popolanfamilien der Stadt. Ihre Wohnungen waren am Lungarno, von der Trinitàbrücke abwärts, wo jetzt das Kasino, die Casa Alfieri, der Palast Louis Buonapartes usw. und Messer Donato Acciaiuoli, zwei Popolanen, die bei dem gemeinen Volke mehr denn andere beliebt waren. Die nach Messer Vieris Wohnung eilten, baten ihn, er möge die Leitung des Gemeinwesens in seine Hand nehmen und sie von der Tyrannei jener Bürger befreien, welche die Gutgesinnten und das allgemeine Wohl vernichteten.
Alle, welche über jene Zeit Nachrichten hinterlassen haben, stimmen überein in der Ansicht, daß Messer Vieri ohne Mühe zum Herrn der Stadt sich hätte aufwerfen können, wäre sein Ehrgeiz größer gewesen als sein rechtlicher Sinn. Denn die schweren Kränkungen, welche, mit Recht oder Unrecht, den Zünften und den Freunden derselben zugefügt worden waren, hatten die Gemüter dermaßen zur Rache gestimmt, daß sie bloß eines Anführers bedurften, um ihren Durst zu stillen. Es fehlte auch nicht an solchen, welche Messer Vieri daran erinnerten, wieviel in seiner Hand liege. Antonio de'Medici, welcher eine Zeitlang in Feindschaft mit ihm gelebt, wollte ihn bewegen sich an die Spitze des Staates zu stellen. Jener aber antwortete ihm: »Als du mein Feind warest, schreckten deine Drohungen mich nicht: jetzt, da du mir Freund bist, soll dein Rat mir nicht schaden.« Und zur Menge sich wendend, redete er ihr zu, gutes Mutes zu sein: er wolle ihr Verteidiger werden, unter der Bedingung, daß sie sich von ihm beraten lasse. Hierauf verfügte er sich in ihrer Mitte nach dem Platze, und nachdem er in den Palast getreten, sagte er zu den Signoren: es reue ihn nicht, daß er in einer Weise gelebt habe, welche ihm die Liebe des Volkes von Florenz erworben, aber es tue ihm leid, daß man von ihm eine Meinung hege, die er durch sein vergangenes Leben nicht verdient habe. Denn da er nie als einen Unruhestifter und Ehrgeizigen sich gezeigt, so wisse er nicht, woher es komme, daß man ihn für einen Beförderer von Unordnungen und für einen nach der Obergewalt Strebenden halte. Er bitte deshalb die Signoren, ihm nicht des Volkes Unwissenheit zur Last zu legen, denn sobald und soweit er es vermocht, habe er sich in ihre Gewalt begeben. Es dünke ihn aber, daß es gut sei, im Glück mit Bescheidenheit zu verfahren, und lieber einen halben Sieg zu genießen und das Beste der Stadt zu erzielen, als durch einen vollständigen Sieg der Stadt großen Schaden zuzufügen. Die Signoren priesen Messer Vieri sehr und ersuchten ihn das Volk zum Niederlegen der Waffen zu bewegen: wäre dies geschehn, so würden sie nicht verfehlen, seinen und andrer Bürger Rat zu befolgen. Hierauf ging Messer Vieri wieder hinab auf den Platz, und vereinte seinen Haufen mit den von Messer Rinaldo und Messer Donato geführten. Dann erklärte er, er habe bei den Signoren eine ihnen sehr günstige Gesinnung gefunden, und vieles mit denselben besprochen: wegen der Kürze der Zeit aber und der Abwesenheit der übrigen Magistrate habe kein Beschluß gefaßt werden können. Unterdessen bitte er sie die Waffen abzulegen und den Signoren zu gehorchen, indem er sie versichere, daß Nachgiebigkeit mehr denn Hochmut, Bitten mehr denn Drohungen geeignet seien auf sie zu wirken, und wie ehrenvolle und sichere Stellung ihnen nicht fehlen würden, wenn sie von ihm sich leiten ließen. So brachte er es dahin, daß alle auf sein Wort nach Hause gingen.
Kaum war das Volk entwaffnet, so besetzten die Signoren sogleich den Platz mit Kriegsleuten; dann boten sie zweitausend, der bestehenden Ordnung der Dinge ergebene Bürger auf, die sie in Fähnlein teilten, und denen sie befahlen, bei jedem Aufruf zum Beistande sich bereit zu halten. Den Nichteingeschriebenen ward das Tragen von Waffen untersagt (1393). Nach diesen Vorbereitungen ließen sie viele der Handwerker, die sich während der neuerlichen Unruhen in die vordere Reihe gestellt hatten, hinrichten oder straften sie mit Landesverweisung. Überdies verordneten sie, um dem Gonfaloniere der Justiz mehr Ansehn und Würde zu verleihen, daß zu diesem Amte das Alter von fünfundvierzig Jahren erforderlich sein sollte. Die bestehende Ordnung zu sichern, erließen sie noch verschiedene Bestimmungen, die denen, gegen welche sie gerichtet waren, unerträglich schienen und selbst den wackern Bürgern ihrer eignen Partei verhaßt waren, weil sie ein Regiment, das um sich zu behaupten solcher Gewalttätigkeiten bedurfte, weder für gut noch für gesichert halten konnten. Nicht bloß den in der Stadt gebliebenen von den Alberti und den Medici, die sich vorwarfen, das Volk getäuscht zu haben, sondern vielen andern mißfiel so gesetzwidriges Verfahren. Der erste, welcher Widerstand versuchte, war Messer Donato Acciaiuoli. Dieser, obgleich großen Ansehens genießend, und Messer Maso'n degli Albizzi, welcher wegen der während seines Gonfalonierats ausgeführten Dinge gleichsam Gebieter in der Stadt war, eher überlegen als gleichstehend, konnte inmitten so vieler Unzufriedenen nicht zufrieden leben, noch, wie die Mehrzahl tat, den Schaden des Gemeinwesens zu seinem persönlichen Vorteil benutzen. Deshalb kam er auf den Gedanken, zu versuchen, ob er den Verbannten die Heimat, oder wenigstens den Ammonierten die Teilnahme an den Ämtern wiederzugeben imstande wäre. Diese Ansicht teilte er einem und dem andern Bürger mit, indem er zeigte, wie man die Menge nicht auf andere Weise befriedigen und den Parteiungen ein Ziel setzen könne. So wartete er nur, bis er Mitglied der Signorie sein würde, um seinen Wunsch zu verwirklichen. Und da in den menschlichen Handlungen Aufschub langweilt, Eile Gefahr bringt, so stürzte er sich in Gefahr, um der Langeweile zu entgehn (1397). Einer seiner Verwandten, Michele Acciaiuoli, und Niccolò Ricoveri sein Freund, saßen unter den Signoren, so daß es Messer Donato schien, dies wäre eine Gelegenheit, die nicht unbenutzt vorübergehn dürfte. Darum ersuchte er sie, den Ratsausschüssen einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen die Verwiesenen in die Heimat zurückberufen würden. Die Genannten unterhielten sich darüber mit ihren Genossen, welche ihnen zur Antwort gaben, sie seien nicht geneigt, Neuerungen zu versuchen, wo der Erfolg ungewiß, die Gefahr gewiß sei. Da gab ihnen Messer Donato, nachdem er alle Mittel und Wege versucht, in seinem Zorn zu verstehn, da sie nicht dazu verstehen wollten, auf gütlichem Wege Ordnung eingeführt zu sehn, so sollte es mit den Waffen in der Hand geschehn. Diese Worte mißfielen so sehr, daß, nachdem man sich mit den Parteihäuptern beraten, Messer Donato vorgeladen ward. Nachdem er sich nun gestellt, wurde er von dem Manne, dem er den Auftrag erteilt, überwiesen, so daß man ihn nach Barletta in die Verbannung schickte. Auch Alamanno und Antonio de'Medici wurden verwiesen, mit allen von Messer Alamanno abstammenden Mitgliedern der Familie, und vielen, niederm Stande angehörenden, beim gemeinen Volke aber in Ansehn stehenden Leuten aus den Zünften. Alles dies ereignete sich während zweier Jahre, nachdem Messer Maso in die Spitze der Angelegenheiten getreten war.
Als so im Innern der Stadt viele Mißvergnügte waren, außerhalb derselben viele Verbannte, fanden sich unter den Exilierten zu Bologna Picchio Cavicciuoli, Tommaso de'Ricci, Antonio de'Medici, Benedetto degli Spini, Antonio Girolami, Cristofano di Carlone und zwei andere von ganz niederm Stande zusammen. Alles junge Wagehälse und entschlossen, alles aufs Spiel zu setzen, wenn es die Rückkehr in die Heimat galt. Diesen kam von Piggiello und Baroccio Cavicciuoli, welche von den Ämtern ausgeschlossen in Florenz lebten, auf geheimen Wegen die Weisung zu, daß sie ihnen Aufnahme in ihrer Wohnung gewähren würden, wenn sie heimlich nach der Stadt kämen; von dort aus könnten sie sodann Messer Maso degli Albizzi ermorden und das Volk zu den Waffen rufen. Bei der Unzufriedenheit der Menge mit dem gegenwärtigen Regiment würde dies nicht schwer sein, um so mehr, da die Ricci, Adimari, Medici, Mannelli und viele andere Geschlechter ihnen sich anschließen würden. Von dieser Aussicht angelockt kamen die Genannten am 4. August 1397 nach Florenz, und nachdem sie heimlich in die bezeichneten Wohnungen sich begeben, ließen sie Messer Maso beobachten, dessen Mord das Signal zum Aufstand sein sollte. Messer Maso verließ morgens sein Haus und verweilte im Laden eines in der Nähe von San Pier maggiore wohnenden Apothekers. Der Mann, der ihn aufgespürt, eilte den Verschwornen die Nachricht zu geben: diese griffen zu den Waffen, fanden aber, als sie den Ort erreichten, daß Messer Maso weggegangen war. Ohne indes durch das Mißlingen ihres ursprünglichen Planes sich irremachen zu lassen, wandten sie sich gegen den alten Markt hin, wo sie einen von der feindlichen Partei töteten. Nun erhoben sie das Geschrei: »Volk, Waffen, Freiheit! Tod den Tyrannen!« Sie zogen nach dem neuen Markte und ermordeten einen andern am Ende der Calimala. Nachdem sie nun eine Zeitlang mit demselben Rufe weitergezogen und keiner ihnen sich anschloß, begaben sie sich nach der Halle der Neghittosa.Die Loggia della Neghittosa, so genannt nach den vielen Unbeschäftigten, die sich dort zu versammeln pflegten, sah man am Corso der Adimari, welcher großen Familie sie gehörte. Hier stiegen sie oben hinauf, während eine große Volksmenge sich um sie versammelt hatte, mehr um sie zu sehn, als daß sie ihren Absichten günstig gewesen wäre, und sie munterten mit lauter Stimme die Männer auf, die Waffen zu ergreifen und das Joch abzuschütteln, das ihnen so verhaßt sei. Sie versicherten dabei, mehr als die eignen Unbilden, die sie erlitten, hätten die Klagen der Unzufriedenen in der Stadt sie bewogen, ihnen wieder zur Freiheit zu verhelfen; sie hätten gehört, wie viele zu Gott beteten, er möge ihnen Gelegenheit bieten, sich zu rächen; sie würden sich rächen, wenn sie einen fänden der sie anführte: jetzt aber, da die Gelegenheit da sei, da die Führer sich gefunden, ständen sie da und schauten einander an, und warteten in ihrem Unverstande, bis die, die ihnen zur Wiedererlangung der Freiheit behilflich sein könnten, den Tod gefunden und ihre eigenen Ketten noch schwerer geworden wären. Sie wunderten sich nur, daß ein Volk, welches wegen einer geringen Unbill die Waffen zu ergreifen pflege, bei so vielen und großen sich nicht rege; daß es ertrage, daß so viele Mitbürger der Heimat und der Ämter beraubt seien, während es jetzt in seiner Gewalt stehe, den Verbannten die Heimat, den Ausgeschlossenen die Teilnahme an den Ämtern wiederzugeben. Waren auch diese Worte wahr, so machten sie doch keinen Eindruck auf die Menge, welche entweder sich fürchtete, oder wegen der beiden begangenen Mordtaten die Aufrührer haßte. Als nun letztere sahn, wie weder Worte noch Handlungen die Umstehenden bewegten, erkannten sie zu spät, wie gefährlich es sei, ein Volk frei machen zu wollen, welches lieber in der Knechtschaft bleibt. Am Erfolge ihres Unternehmens verzweifelnd, zogen sie sich nach der Kirche Santa Reparata zurück, wo sie, nicht ihr Leben zu retten, sondern ihren Tod zu verzögern, sich einschlössen. Beim ersten Auflauf rüsteten und verschlossen die erschrockenen Signoren den Palast; als sie aber vernahmen, wie die Sache stand, wer die Unruhestifter waren und wohin sie sich geflüchtet, faßten sie wieder Mut, und befahlen dem Capitano mit seinen Leuten und vielen andern Bewaffneten sie gefangenzunehmen. Ohne große Mühe wurden die Kirchtüren erbrochen, einige blieben bei der Verteidigung, die übrigen wurden ergriffen. Bei der Untersuchung fand man keine andern Mitschuldigen als Baroccio und Piggiello Cavicciuoli, welche zugleich mit jenen hingerichtet wurden.
Diesem Vorfall folgte ein andrer von größerem Belang (1400). Die Stadt führte, wie gesagt, Krieg gegen den Herzog von Mailand, welcher, da er Waffengewalt nicht hinreichend fand, sie zu unterwerfen, zur List seine Zuflucht nahm und durch Vermittelung florentinischer Emigranten, welche die Lombardei füllten, einen Plan anlegte, um welchen eine Menge Leute in der Stadt wußten. Diesem gemäß, sollten an einem bestimmten Tage viele der waffenfähigen Verbannten die nächstgelegenen Orte verlassen und auf dem Flusse Arno in die Stadt eindringen, sodann mit ihren Freunden nach den Wohnungen der vornehmsten Machthaber eilen, diese töten und nach ihrem Gutdünken die Verfassung ändern. Unter den Verschwornen in Florenz selbst befand sich ein Ricci, Samminiato genannt. Wie es nun bei Verschwörungen häufig vorkommt, daß wenige nicht reichen, viele zur Entdeckung führen, so fand Samminiato einen Ankläger, während er Genossen suchte. Er teilte nämlich die Sache dem Salvestro Cavicciuoli mit, welchen alles, seinem Hause und ihm selbst widerfahrene Übel dem Plane hätte geneigt machen sollen: auf diesen aber wirkte mehr die bevorstehende Gefahr als die entfernte Aussicht, so daß er sogleich alles den Signoren entdeckte, welche den Samminiato greifen ließen und nötigten, den ganzen Zusammenhang zu berichten. Von den Mitwissenden wurde aber keiner ergriffen als Tommaso Davizi, welcher, von Bologna kommend und mit dem Vorgefallenen unbekannt, schon vor seinem Eintreffen verhaftet ward. Alle übrigen flohen, durch Samminiatos Gefangennehmung gewarnt. Nachdem nun jene beiden bestraft worden waren, ernannte man eine Balia von verschiedenen Bürgern, mit dem Auftrage, die Schuldigen aufzufinden und zur Sicherung der bestehenden Ordnung der Dinge Anstalten zu treffen. Diese erklärten zu Rebellen sechs aus dem Hause der Ricci, sechs von den Alberti, zwei Medici, drei Scali, zwei Strozzi, Bindo Altoviti, Bernardo Adimari, mit vielen aus dem niedern Volke. Die Geschlechter Alberti, Ricci und Medici wurden mit wenigen Ausnahmen auf zehn Jahre sämtlich ammoniert. Unter den Ausgenommenen fand sich Messer Antonio degli Alberti, der für einen ruhigen und friedfertigen Mann galt. Nun traf es sich, daß, als aller Verdacht wegen der Verschwörung noch nicht völlig verschwunden war, ein Mönch eingezogen ward, den man in jener Zeit mehrmals zwischen Florenz und Bologna hin- und herziehn gesehen hatte. Dieser bekannte, er habe dem Messer Antonio mehrmals Briefe überbracht, worauf letzterer sogleich verhaftet und, obgleich er anfangs leugnete, vom Mönche überwiesen wurde, infolgedessen man ihn zu einer Geldstrafe verurteilte und nach einem, von Florenz dreihundert Millien entfernten Orte verwies. Damit nun nicht täglich von den Alberti Gefahr zu besorgen wäre, wurden alle dieses Geschlechtes, welche mehr denn fünfzehn Jahre zählten, ins Exil geschickt.
Das eben Erzählte ereignete sich im Jahre 1400, und zwei Jahre darauf starb Gian Galeazzo, Herzog von Mailand, dessen Tod, wie schon gesagt, dem seit zwölf Jahren währenden Krieg ein Ende machte. Da in dieser Zeit die Republik mehr Kräfte und Autorität gewonnen, weil sie ohne Feinde, fremde wie einheimische, sich fand, so wurde der Feldzug gegen Pisa unternommen, der 1406 zu einem glorreichen Ende geführt ward. Dann hatte man im Innern Ruhe bis zum Jahre 1433. Nur im Jahre 1412, wo die Alberti die ihnen angewiesenen VerbannungsorteNach einem bestimmten Orte, der jedesmal über 60 Millien entfernt sein mußte und den man nicht verlassen durfte, gesandt werden (confine, confinare), war die mildeste Art des Exils. Denn die Anweisung eines solchen Ortes innerhalb des Gebietes geschah nur ganz ausnahmsweise. Verließ der Verbannte den Ort (rotto il confine), so wurde er auf immer als Rebell ausgeschlossen. In den meisten Fällen war das Confine indes nur ein Kunstgriff, um Männer, vor denen man sich fürchtete, durch Aussicht auf Wiederaufnahme ruhig zu halten. Denn, traten nicht Staatsumwälzungen ein, so wurde nach Ablauf der Verbannungszeit dieselbe verlängert und wieder verlängert. Durch die Verzweiflung getrieben, verließen daher die Konfinierten ihre Verbannungsorte um so eher, da die verschiedenen Mitglieder der nämlichen Familie durch ganz Italien zerstreut zu werden pflegten, nach Padua der eine, nach Barletta der andere, der dritte nach Messina. verließen, ernannte man eine Balia gegen sie, welche sie mit Geldstrafen verfolgte. Überdies führte die Republik Krieg gegen König Ladislaus von Neapel, dessen im Jahre 1414 erfolgter Tod demselben ein Ende machte, nachdem die Florentiner vom Könige, dem sie überlegen waren, die Stadt Cortona erlangt, deren Herrschaft er an sich gebracht hatte. Kurz nach jenem Erwerb aber hatte Ladislaus seine Macht wieder verstärkt und einen neuen Krieg begonnen, der gefährlicher war als der erste. Wäre derselbe nicht durch des Königs Tod beendigt worden, wie der Krieg mit Mailand durch den des Herzogs, so wäre Florenz wiederum dem Verluste seiner Unabhängigkeit ausgesetzt gewesen. Das Glück war aber auch diesmal den Florentinern hold, denn nachdem Ladislaus Rom, Siena, die Mark und Romagna eingenommen und nur Florenz ihm fehlte, seine Macht bis nach der Lombardei auszudehnen, ereilte ihn sein Ende. So war der Tod den Florentinern treuer, denn irgendein andrer Freund, und ihnen zu ihrer Rettung behilflicher als ihre Tapferkeit. Hierauf herrschte acht Jahre lang innen und außen Ruhe. Dann aber begannen sowohl die Kriege gegen Filippo, Herzog von Mailand, wie neuerdings die Parteiungen, die erst mit dem Untergange des Regiments endeten, welches vom Jahre 1381 bis 1434 gewährt, so viele Kriege mit so großem Ruhm geführt, und Arezzo, Pisa, Cortona, Livorno, Montepulciano an die Republik gebracht hatte. Noch größere Dinge aber hätte es ins Werk gesetzt, wäre die Stadt einmütig geblieben, wären die alten Zwiste nicht von neuem aufgelebt, wie im nächsten Buche ausführlich dargestellt werden wird.