Frederick Marryat
Der Pascha
Frederick Marryat

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Der Pascha hatte den Rath der Alten nicht vergessen, obschon er mit der gewöhnlichen Diplomatik eines Türken keine Abneigung gegen Mustapha blicken ließ, sondern ihn eher mit mehr als gewöhnlicher Freundlichkeit behandelte. Der einmal rege gemachte Argwohn ließ sich nicht beschwichtigen, und er berieth sich mit seinem Lieblingsweibe Fatima. In derartigen Fällen sind Frauen gute Rathgeberinnen. Der Pascha hatte nur von dem kaiserlichen Hof zu Stambul Gefahr zu befürchten, denn die Truppen waren ihm ergeben und die Bewohner des Landes hatten keine sehr ernstlichen Beschwerdegründe gegen ihn. Auf den Rath der Favoritin machte er Mustapha ein junges schönes Griechenmädchen zum Geschenk, die jedoch als Spionin in Fatimens Dienste stand und von dem beschlossenen Geschicke des Veziers Kunde hatte. Sie sollte wo möglich ausfindig zu machen suchen, ob zwischen dem Renegaten, welcher die Flotte kommandirte, und dem Vezier ein Verkehr bestehe, da nur von dieser Seite her Gefahr drohte. Die Griechin hatte sich noch keine Woche in Mustapha's Harem befunden, als ihr bereits mehr als zureichende Kunde zugekommen war. Der Pascha hatte die Flotte mit Geschenken an den Sultan nach Konstantinopel geschickt, und ihre Rückkehr wurde stündlich erwartet.

Eines Nachmittags ließ sich die Flotte blicken und mußte wegen Windstille in einiger Entfernung auf hoher See liegen bleiben. Mustapha beeilte sich, diese Kunde dem Pascha zu überbringen, welcher eben in seinem Divan saß, Beschwerden anhörte und Recht sprach, obschon es ihm dabei nicht eben um die Gerechtigkeit zu thun war. Als der Pascha von der Rückkehr der Flotte hörte, erfüllte sich sein Herz um so mehr mit düsteren Ahnungen, da sich Mustapha unterwürfiger und einschmeichelnder, als je benahm. Er entfernte sich auf eine kurze Zeit aus dem Divan und eilte zu seiner Favoritin Fatime.

»Pascha,« sagte sie, »die Flotte ist angelangt und Mustapha hat bereits mit dem Renegaten verkehrt. Verlaß Dich darauf, Du bist verloren, wenn Du ihnen nicht zuvor kommst. Verliere keine Zeit. Aber halt,« sagte sie, »beunruhigt nicht den Renegaten durch Gewaltthätigkeit gegen Mustapha. Morgen wird die Flotte ankern, und wenn sich's wirklich um Unheil handelt, so haben wir demselben erst morgen entgegen zu sehen. Schicke daher diesen Abend wie gewöhnlich nach Kaffee, während Du rauchst und den Erzählungen zuhörst, die Dir so viel Freude machen. Trinke Deinen Kaffee nicht, denn es liegt der Tod darin. Sey heiter und guter Laune; das Uebrige kannst Du mir überlassen.«

Der Pascha nahm eine heitere Miene an und kehrte nach dem Divan zurück. Die Geschäfte nahmen wie gewöhnlich ihren Fortgang, bis endlich die Audienz geschlossen wurde. Der Pascha schien sehr aufgeräumt zu seyn, und der Vezier deßgleichen.

»Ohne Zweifel,« sagte Mustapha, als die Pfeifen hereingebracht wurden, »wird Euch Seine kaiserliche Hoheit, der Sultan, irgend ein Kennzeichen seiner ausgezeichneten Gunst zugehen lassen.«

»Gott ist groß, und der Sultan ist weise,« versetzte der Pascha. »Ich habe auch so gedacht, Mustapha. Wer weiß, ob er dem unter meiner Herrschaft stehenden Gebiet nicht noch ein weiteres Paschalik beifügt?«

»Es schwebt mir gleichfalls eine derartige Ahnung vor,« entgegnete Mustapha. »Wenn nur der Renegat einmal an's Land käme. Aber es ist jetzt dunkel, und er wird sein Schiff nicht verlassen.«

»Wir müssen die Nebel der Ungewißheit durch die Sonnenstrahlen der Hoffnung verscheuchen,« versetzte der Pascha. »Was bin ich anderes, als der Sklave des Sultans? Wollen wir nicht diesen Abend Labung holen in dem Wasser der Giauern?«

»Was sagt Hafis?« bemerkte Mustapha. »Der Wein steigert den Menschen und erhebt ihn über Ungewißheit und Zweifel. Er überfluthet uns mit Muth und theilt uns Glücksträume mit.«

»Wallah thaib, – das ist wohlgesprochen, Mustapha,« sagte der Pascha, indem er eine Tasse Kaffee nahm, welche der griechische Sklave darbot. Auch Mustapha erhielt seine Tasse.

»Mein Herz ist diesen Abend leicht,« fuhr der Pascha fort, indem er seine Pfeife niederlegte. »Laß uns tiefe Züge thun von dem verbotenen Saft. Wo ist er, Mustapha?«

»Hier,« entgegnete der Vezier, indem er seinen Kaffee austrank, während ihn der Pascha scharf aus dem Winkel seines kleinen grauen Auges beobachtete.

Mustapha holte sodann den Branntwein hervor, welcher hinter der Ottomane, auf welcher sie saßen, verborgen war.

Der Pascha setzte seinen Kaffee bei Seite und that einen tiefen Zug.

»Gott ist groß! Trink, Mustapha,« sagte er, indem er ihm die Flasche hinbot.

Mustapha folgte dem Beispiele des Paschas.

»Wenn es Eurer Hoheit genehm ist,« bemerkte Mustapha, »so habe ich einen Mann draußen, der noch weit angenehmere Geschichten zu erzählen weiß, als Menouni. Euer Sklave hörte, daß er durch unsere Stadt reisen wollte, und ich habe ihn fest gehalten, damit er zu dem Vergnügen Eurer Hoheit beitrage. Ist es Euer Wohlnehmen, daß er eingelassen werde?«

»Es sey so,« entgegnete der Pascha.

Mustapha gab das Zeichen, und zum großen Erstaunen trat der Renegat, welcher die Flotte kommandirte, von Wachen begleitet ein. Er hatte den wohlbekannten Beamten des Sultans, den Kapidschi Baschi bei sich, welcher einem Firman an seine Stirne hielt.

Der Pascha erblaßte, denn er wußte, daß seine Stunde gekommen war.

»Bis millah! Im Namen des Allerhöchsten, Mann, wen suchst Du?« rief der Pascha in großer Bewegung.

»Der Sultan, der Herr des Lebens, schickt Dir dies, Pascha, als ein Merkzeichen seiner Nachsicht und großen Gnade.«

Der Kapidschi Baschi zog nun eine seidene Schnur hervor und händigte zu gleicher Zeit dem Pascha die verhängnisvolle Rolle ein.

»Mustapha!« flüsterte der Pascha. »Sammle, während ich dies lese, meine Wachen, denn ich werde Widerstand leisten. In dieser Entfernung fürchte ich den Sultan nicht, der sich hintendrein durch Geschenke beschwichtigen lassen wird.«

Aber Mustapha hegte kein derartiges Mitgefühl.

»O Pascha,« versetzte er, »wer kann ankämpfen gegen die Gebote, welche der Statthalter des Herrn erläßt? Es ist nur Ein Gott und Mahomed ist sein Prophet.«

»Dennoch will ich dagegen ankämpfen,« rief der Pascha. »Geh' hinaus und sammle meine treuesten Wachen.«

Mustapha verließ den Divan und kehrte mit den Stummen nebst einigen Wachen zurück, welche er selbst ernannt hatte.

»Verräther!« rief der Pascha.

»La Allah, il Allah; es ist nur Ein Gott,« sagte Mustapha.

Der Pascha sah, daß er geopfert war. Er las den Firman, drückte ihn zum Zeichen des Gehorsams an seine Stirne und bereitete sich zum Tod. Der Kapidschi Baschi zog nun einen andern Firman hervor und übergab ihn Mustapha. Das Paschalik wurde dadurch auf Letzteren übertragen.

»Barik Allah! Preis sey Gott in allen Dingen,« bemerkte Mustapha demüthig. »Was bin ich anders, als der Sklave des Sultans, dessen Befehle ich vollstrecke? Auf mein Haupt komme es.«

Mustapha gab das Zeichen und die Stummen ergriffen den unglücklichen Pascha.

»Es ist nur Ein Gott, und Mahomed ist sein Prophet,« sagte der Pascha. »Mustapha,« fuhr er fort, indem er sich mit einem bittern Lächeln gegen ihn wandte, »möge Dein Schatten nie geringer werden – aber Du hast den Kaffee getrunken!«

Die Stummen zogen die Schnur an, und eine Minute später wurde über die Leiche des Paschas ein Mantel geworfen.

»Den Kaffee,« murmelte Mustapha, nachdem er des Paschas letzte Worte vernommen. »Kam es mir doch vor, als hätte er einen Geschmack. Doch er ist für seinen Verrath nach Jehanum geschickt.«

Und alle Träume von Macht und Größe, welche den Geist des neuen Paschas erfüllt hatten, wurden durch die Angst und das Entsetzen verzehrt.

Nachdem der Kapidschi Baschi seine Pflicht erfüllt hatte, entfernte er sich.

»Und nun gebt mir meinen versprochenen Lohn,« rief der Renegat.

»Deinen Lohn? – Du hast Recht, ich habe dies vergessen,« versetzte Mustapha, während in Folge des wirkenden Giftes der Schmerz ihm das Gesicht verzerrte. »Ja, ich hatte es vergessen,« fuhr Mustapha fort, welcher, da er sein Ende so nahe sah, durch das körperliche Leiden und durch das Fehlschlagen seines Ehrgeizes zur Wuth eines wilden Thieres gespornt wurde. »Ja ich hatte es vergessen. Wachen, ergreift den Renegaten!«

»Da müßten sie schneller seyn, als Du wohl glaubst,« versetzte Huckaback, indem er von den Wachen zurücksprang, seinen Scimetar zog und mit den Fingern am Munde einen schrillen Pfiff that.

Es stürzte ein großer Haufen Soldaten und Matrosen herein, durch welche die Wachen bald entwaffnet waren.

»Nun, Du Pascha von einer Stunde, was sagst Du?«

»Es ist meine Bestimmung,« entgegnete Mustapha, im Todeskampfe sich auf dem Boden wälzend. »Es gibt nur Einen Gott, und Mahomed ist sein Prophet.«

Und Mustapha verschied.

»Der alte Thor hat mir einige Mühe erspart,« bemerkte der Renegat. »Schafft diese Leichen fort und ruft Ali als den neuen Pascha aus.«

So kamen die beiden Barbiere um, und so herrschte Huckaback unter dem Namen Ali an ihrer Statt; aber die Art und die Dauer seiner Herrschaft gehört unter die vielen Geschichten, welche nicht auf die Nachtwelt gekommen sind.


 << zurück