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Anhang I
Aus der Marxschen Schrift:
Zur Kritik der politischen Ökonomie

Zürich 1934, Seite 72

Die Lehre von der Arbeitszeit als unmittelbarer Maßeinheit des Geldes ist zuerst systematisch entwickelt worden von John Gray John Gray: »The Social System. A Treatise on the Principle of Exchange.« Edinburgh 1831. Vgl. von demselben Schriftsteller: »Lectures on the Nature and Use of Money.« Edinburg 1848. Nach der Februar-Revolution sandte Gray der französischen provisorischen Regierung eine Denkschrift zu, worin er sie belehrt, daß Frankreich nicht einer »organisation of labour« (Organisation der Arbeit) bedürfe, sondern einer »organisation of exchange« (Organisation des Austausches), deren Plan völlig ausgearbeitet vorliege in dem von ihm ausgeheckten Geldsystem. Der brave John ahnte nicht, daß 16 Jahre nach Erscheinen des »Social System« ein Patent auf dieselbe Entdeckung ausgelöst worden war von dem erfindungsreichen Proudhon.. Er läßt eine nationale Zentralbank vermittels ihrer Zweigbanken die Arbeitszeit vergewissern, die in der Produktion der verschiedenen Waren verbraucht wird. Im Austausch für die Ware erhält der Produzent ein offizielles Zertifikat des Wertes, d. h. einen Empfangsschein für so viel Arbeitszeit, als seine Ware enthält Gray: »The Social System etc.«, S. 63. »Geld sollte lediglich ein Empfangsschein, ein Beweis dafür sein, daß sein Inhaber entweder bestimmten Wert zu dem vorhandenen nationalen Reichtum (to the national stock of wealth) beigetragen hat oder daß er auf den erwähnten Wert ein Recht erworben von irgend jemand, der ihn beigetragen hat.«, und diese Banknoten von 1 Arbeitswoche, 1 Arbeitstag, 1 Arbeitsstunde usw. dienen zugleich als Anweisung auf ein Äquivalent in allen anderen in den Bankdocks gelagerten Waren »Man lasse ein Produkt, das vorher einen Schätzungswert erhält, auf eine Bank legen und wieder herausnehmen, wann immer es benötigt wird, wobei lediglich durch allgemeines Übereinkommen festgesetzt wird, daß derjenige, der irgendeine Art von Eigentum in die vorgeschlagene Nationalbank einlegt, aus ihr einen gleichen Wert, was immer sie enthalten mag, herausnehmen darf, statt gezwungen zu sein, dasselbe Ding herauszunehmen, das er eingelegt hat.« ( Gray: The Social System etc.«, S. [67] 68.). Das ist das Grundprinzip, sorgfältig durchgeführt im Detail und überall angelehnt an vorhandene englische Einrichtungen. »Unter diesem System«, sagt Gray, »wäre es zu allen Zeiten ebenso leicht gemacht, für Geld zu verkaufen, als es nun ist, mit Geld zu kaufen; die Produktion würde die gleichförmige, nie versiegende Quelle der Nachfrage sein« Ebenda, S. 16.. Die edlen Metalle würden ihr »Privilegium« gegen andere Waren verlieren und »den ihnen gebührenden Platz im Markt einnehmen neben Butter und Eiern und Tuch und Kaliko, und ihr Wert würde uns nicht mehr interessieren als der der Diamanten« Gray: »Lectures on Money etc.«, S. 182 [183].. »Sollen wir unser eingebildetes Maß der Werte beibehalten, Gold, und so die Produktivkräfte des Landes fesseln, oder sollen wir uns zum natürlichen Maß der Werte wenden, zur Arbeit, und die Produktivkräfte des Landes freisetzen Ebenda, S. 169.

Da die Arbeitszeit das immanente Maß der Werte ist, warum neben ihr ein anderes äußerliches Maß? Warum entwickelt sich der Tauschwert zum Preis? Warum schätzen alle Waren ihren Wert in einer ausschließlichen Ware, die so in das adäquate Dasein des Tauschwertes verwandelt wird, in Geld? Dies war das Problem, das Gray zu lösen hatte. Statt es zu lösen, bildet er sich ein, die Waren könnten sich unmittelbar aufeinander als Produkte der gesellschaftlichen Arbeit beziehen. Sie können sich aber nur aufeinander beziehen als das, was sie sind. Die Waren sind unmittelbare Produkte vereinzelter unabhängiger Privatarbeiten, die sich durch ihre Entäußerung im Prozeß des Privataustausches als allgemeine gesellschaftliche Arbeit bestätigen müssen, oder die Arbeit auf Grundlage der Warenproduktion wird erst gesellschaftliche Arbeit durch die allseitige Entäußerung der individuellen Arbeiten. Unterstellt Gray aber die in den Waren enthaltene Arbeitszeit als unmittelbar gesellschaftliche, so unterstellt er sie als gemeinschaftliche Arbeitszeit oder als Arbeitszeit direkt assoziierter Individuen. So könnte in der Tat eine spezifische Ware, wie Gold und Silber, den anderen Waren nicht als Inkarnation der allgemeinen Arbeit gegenübertreten, der Tauschwert würde nicht zum Preis, aber der Gebrauchswert würde auch nicht zum Tauschwert, das Produkt würde nicht zur Ware, und so wäre die Grundlage der bürgerlichen Produktion aufgehoben. Das ist aber keineswegs Grays Meinung. Die Produkte sollen als Waren produziert, aber nicht als Waren ausgetauscht werden. Gray überträgt einer Nationalbank die Ausführung dieses frommen Wunsches. Einerseits macht die Gesellschaft in der Form der Bank die Individuen unabhängig von den Bedingungen des Privataustausches und anderseits läßt sie dieselben fortproduzieren auf der Grundlage des Privataustausches. Die innere Konsequenz indes treibt Gray, eine bürgerliche Produktionsbedingung nach der anderen wegzuleugnen, obgleich er bloß das aus dem Warenaustausch hervorgehende Geld »reformieren« will. So verwandelt er Kapital in Nationalkapital »Das Geschäft jedes Landes sollte auf der Grundlage eines nationalen Kapitals geführt werden.« ( John Gray: »The Social System etc.«, S. 171.), das Grundeigentum in Nationaleigentum »Der Boden muß in Nationaleigentum umgewandelt werden.« (Ebenda, S. 298.), und wenn seiner Bank auf die Finger gesehen wird, findet sich, daß sie nicht bloß mit der einen Hand Waren empfängt und mit der anderen Zertifikate gelieferter Arbeit ausgibt, sondern die Produktion selbst reguliert. In seiner letzten Schrift »Lectures on Money«, worin Gray ängstlich sein Arbeitsgeld als rein bürgerliche Reform darzustellen sucht, verwickelt er sich in noch schreienderen Widersinn.

Jede Ware ist unmittelbar Geld. Dies war Grays Theorie, abgeleitet aus seiner unvollständigen und daher falschen Analyse der Ware. Die »organische« Konstruktion von »Arbeitsgeld« und »Nationalbank« und »Warendocks« ist nur ein Traumgebild, worin das Dogma als weltbeherrschendes Gesetz vorgegaukelt wird. Das Dogma, daß die Ware unmittelbar Geld oder die in ihr enthaltene Sonderarbeit des Privatindividuums unmittelbar gesellschaftliche Arbeit ist, wird natürlich nicht dadurch wahr, daß eine Bank an es glaubt und ihm gemäß operiert. Der Bankrott würde in solchem Falle vielmehr die Rolle der praktischen Kritik übernehmen. Was bei Gray versteckt und namentlich ihm selbst verheimlicht bleibt, nämlich daß das Arbeitsgeld eine ökonomisch klingende Phrase ist für den frommen Wunsch, das Geld, mit dem Geld den Tauschwert, mit dem Tausehwert die Ware und mit der Ware die bürgerliche Form der Produktion loszuwerden, wird geradezu herausgesagt von einigen englischen Sozialisten, die teils vor, teils nach Gray schrieben Siehe zum Beispiel W. Thompson: »An Inquiry into the Distribution of Wealth etc.« London 1827. Bray: »Labour's Wrongs and Labour's Remedy.« Leeds 1839.. Herrn Proudhon aber und seiner Schule blieb es vorbehalten, die Degradation des Geldes und die Himmelfahrt der Ware ernsthaft als Kern des Sozialismus zu predigen und damit den Sozialismus in ein elementares Mißverständnis über den notwendigen Zusammenhang zwischen Ware und Geld aufzulösen Als Kompendium dieser melodramatischen Geldtheorie kann betrachtet werden: Alfred Darimon: »De la reforme des banques.« Paris 1856..


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