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Nun brauchte Heinrich nicht mehr mit seiner heimlichen Liebe nach fernen Ländern zu fliehen, nun war kein Zweifel, kein Zögern mehr möglich.
Als er die Hände des Mädchens losgelassen und trunken von Glück und Liebe den Heimweg angetreten hatte, suchte er vergebens nach einem Wort oder einer Tat, um von der Freude seines Herzens Zeugnis zu geben. Er fand nichts; konnte er sich doch nicht einmal entschließen, dem Freunde sein seliges Geheimnis zu offenbaren.
Zu Hause trat er wohl andächtig vor die Rosenstöcke, welche blütenlos neue Kraft für neuen Frühling sammelten; zum ersten Mal seit langer Zeit vermißte er wieder das welke Lesezeichen. Aber was kümmerte ihn jetzt die sicherlich längst entblätterte Rose! Die Rosenspenderin selbst war ja sein!
Er hätte ein Maler sein mögen, um Clemence und ihr sieghaftes Lächeln, so schön, wie er es vor sich sah, auf das Papier bannen zu können! Er hätte dichten mögen, wenn ihm nur zu seinem innigen Gefühle auch Verse eingefallen wären! Da er jedoch kein Künstler war, feierte er den Tag durch Arbeit. Und deren gab's ja reichlich! Noch nie hatte er seine Kranken durch milde Ruhe, durch herzlichen Trost, durch unermüdliche Sorgfalt so erfreut wie heute; bis in die späte Nacht eilte er umher und vergaß nicht den ärmsten Schlucker, der in der Vorstadt, hilflos und elend, in dumpfer Kellerwohnung lag. Zweimal, dreimal kehrte er zu ängstlicheren Patienten wieder und trug einen Schimmer seiner eigenen Wonne überall hin.
Am folgenden Morgen stieg eine glänzende Sonne über den ersten Schnee des Jahres auf. Heinrich erwachte und sein Glück war nicht mit seinen Träumen entschwunden! Es stand da, fest, greifbar, ein Kampfpreis.
Wieder einmal hatte die Liebe gesiegt und die kleinlichen Schranken der mutlosen Menschen durchbrochen. Clemence öffnete ihre Arme, und was auch immer sich den Liebenden widersetzen mochte, in diese Arme wollte er stürzen. Hinweg mit allem, was im Wege stand!
Und was stand denn überhaupt im Wege? Sein eigener Unglaube, sein Kleinmut. Nichts weiter!
Wie hatte er sich doch nur um Schatten von Schatten bekümmern können! Ihre leuchtenden Augen blickten ihn liebend an, und kein Schatten blieb dunkel.
Wie wollte er diese Augen hegen und behüten, daß sie ihren Glanz und ihr Lächeln behielten! Wie wollte er in diesen Augen lesen und jedes unausgesprochene Wort verstehen!
Doch da trippelten die Spatzen auf dem schneebedeckten Fensterbrett umher. Sie verlangen ihr tägliches Futter und führten den träumenden Arzt zum Nächsten zurück.
Erst gegen Abend, zur gewohnten Stunde, ging er nach dem Auenheimschen Hause. Als er dem Diener seinen Überrock abgegeben hatte, fiel es ihm ein, daß er doch nicht wie sonst harmlos eintreten und wie ein Fremder plaudern durfte. Er hatte mit Clemence nichts verabredet. Nun stellte er sich vor den Spiegel des Vorzimmers, blies nach jedem Stäubchen auf seinem Rock und knöpfelte an seinen Handschuhen herum, nur um Zeit zu einem Entschlusse zu gewinnen.
Nein, eine heimliche Liebe in einem Hause, in dem die Mutter fehlte, war unter der Würde des Mädchens, war unter seiner Würde. Und gerade, weil er der Zustimmung des Vaters nicht sicher war, durfte er mit der Mitteilung nicht zögern. Noch heute wollte er um eine Unterredung bitten, und dann sollten alle erfahren, daß er Clemence liebte, daß er wiedergeliebt wurde, und daß er sie jubelnd als sein Weib heimzuführen und sich um die Einreden der ganzen Verwandtschaft nicht so viel zu kümmern gedachte.
Als er eintrat, fand er zu seiner Überraschung Freund Victor bereits anwesend. Schon war das Gespräch über die Verstorbene in vollem Gange. Heinrich sprach Evchen innig sein Beileid aus, drückte dem Vater wärmer als sonst die Hand und wagte es endlich, auch Clemence anzusehen und ihr die Hand zu reichen. Beide verschwiegen ihre letzte Zusammenkunft.
Mit so ruhiger Freundlichkeit begrüßte sie ihn, daß er den Liebesschwur von gestern für einen Traum hätte halten können. Doch jetzt, wie sie ihre Hand eng und warm um seine Finger legte und länger als sonst nicht losließ, jetzt wußte er gleich wieder, daß er geliebt wurde, und in alle Reden über die teure Tote klang es ihm wie ein unveränderlicher Akkord hinein: Sie hat unsern Bund gesegnet, sie kannte unser Geheimnis! Und auch Clemence mochte Ähnliches empfinden. Denn auch ihr lag durch Tränen lächelnd eine leise Trauer auf dem Antlitz ausgebreitet, während Victor und Evchen nicht müde wurden, den Verlust der guten Mutter zu beklagen.
Dem schönen Auenheim schien es unbehaglich zu werden unter den jungen Menschen, die nichts anderes besprachen oder doch nichts weiter dachten als das Andenken seiner verstorbenen Frau. Er hatte auf die Beileidsbezeigungen nur mißlungene Redensarten zu antworten und brachte sie in so ungeduldiger Weise vor, daß Clemence für ihn errötete und die beiden Männer kein mitfühlendes Wort mehr an ihn zu richten wagten.
Als die beiden Paare jedoch den Gegenstand gar nicht fallen ließen und nicht müde wurden, die Krankheit, die Lebensart, die Weisheit, die Güte, die Gelassenheit der verstorbenen Frau zu erörtern, da wurde der schöne Auenheim ungeduldig, ging nervös auf und nieder und machte immer wieder den Versuch, das Gespräch nach einem für ihn erfreulicheren Thema einzulenken. Bald knüpfte er an einen besonders hervorgehobenen Umstand, der beim Begräbnisse vorgefallen, an, um vom Geistlichen auf die Religion und von da auf seine politische Überzeugung zu kommen, bald sprang er von der Bemerkung, daß seine Frau die lärmende Geselligkeit nicht geliebt habe, auf die Freuden des Landlebens und auf den Ausfall der diesjährigen Ernte über. Und er wurde sichtlich böse, wenn die Töchter und die Freunde immer wieder zu ihrem Ausgangspunkte zurückkehrten. Und doch mußte ihm der Tod der stillen Frau nähergegangen sein, als es den Anschein hatte. Dank seiner peinlich sorgfältigen Trauerkleidung sah er zwar so jung aus wie immer, aber kleine Fältchen hinter den Augen verrieten, daß der ewige Jüngling doch einen Kummer erfahren hatte.
Heinrich war so empört über das ganze Wesen des Witwers, daß er sich nicht entschließen konnte, schon heute ein Wort zu sprechen, das den schönen Auenheim zum Herrn über sein Schicksal machte. Und er erhielt auf eine stumme Frage die Zustimmung der Braut.
Beide Mädchen litten unter dem seltsamen Betragen ihres Vaters! Sie versuchten, den Gegenstand des Gesprächs fallen zu lassen, und da sie von etwas anderem als von ihrer Mutter nicht reden konnten, wurde es stiller und stiller in der Stube. Heinrich empfand den Druck weniger. Konnte er doch, so oft er wollte, seiner Clemence in die Augen sehen und dort die heimliche Versicherung ihrer Liebe finden. Victor aber erhob sich endlich, als wieder einmal eine lange peinliche Pause eintrat, und forderte Heinrich auf, mitzugehen und die trauernde Familie allein zu lassen.
Niemand bat sie zu bleiben. Heinrich stand nur ungern auf; aber Clemence sagte ihm gute Nacht, und so eilte er fort, ohne dem Vater das Geheimnis verraten zu haben.
In der kalten Nachtluft wanderten die Freunde nebeneinander her.
Endlich brach Victor das Schweigen und schalt auf den alten Gecken, der ein so herrliches Weib nicht zu würdigen verstanden hatte. Nur mit Widerstreben hörte Heinrich zu und rief plötzlich:
»Genug Victor, ich mag über Herrn von Auenheim nichts Schlechtes hören. Wir haben's stillschweigend so verabredet, und dabei soll's auch bleiben!«
»Da hast Du eigentlich recht«, sagte Victor. »Ich hätte seiner schonen sollen. Er ist nun mal der Vater von Evchen... und von Clemence.«
Und die Freunde blieben stehen und schauten einander betroffen an. Da hatten sie nun beide etwas berührt, was sie seit Monaten voreinander verbargen, weil sie von der Entdeckung ein Ende ihrer Freundschaft fürchteten. Jetzt aber war das erste Wort gesprochen; jetzt konnte keiner von ihnen mehr zurück, ohne die bisherige Treue zu verraten.
Victor brach zuerst das kurze Schweigen.
»Du liebst Fräulein Clemence?« fragte er heftig.
»Ja, ich liebe sie«, rief Heinrich aus und wandte sich dabei unwillkürlich nach dem Hause um, aus dessen Balkonfenster noch ein mattes Licht herüberschimmerte.
»Und ich sage Dir«, rief Victor wild, »daß ich...«
»Halt«, unterbrach ihn Heinrich, indem er erregt beide Hände des Freundes ergriff. »Kein Wort mehr. Ich liebe Clemence und seit gestern weiß ich, daß ich unsäglich glücklich bin. Wir sind einig!«
Victor entwand sich heftig Heinrichs Armen und sagte trotzig:
»Du hast recht, da habe ich weiter nichts zu sagen.«
Und mit einem kurzen »Gute Nacht« wollte er sich entfernen.
Heinrich blieb traurig stehen und rief hinter dem Fliehenden drein:
»Soll das das Ende sein?«
Da blieb Victor stehen. Und als Heinrich abermals rief: »Kannst du mir mein Glück nicht verzeihen?« – da kehrte Victor um, schob seinen Arm unter den Heinrichs und sagte trocken:
»Es kam etwas zu plötzlich. Ich meine, wir trinken drüben eine Flasche Rheinwein auf ihr Wohl. Auch muß ich Dich nach dieser überraschenden Mitteilung einmal bei Beleuchtung ansehen.«
Und binnen kurzem saßen sie in einer versteckten Weinstube der Jägerstraße an einem kleinen Tischchen, stießen miteinander an, und Heinrich erzählte, während Victor in vergnügtem Zorn ein Glas nach dem anderen hinunterstürzte, mit wenigen Worten, seit wann er Clemence als seine Braut betrachte.
Dann hob Victor abermals seinen Römer, legte den Arm um Heinrichs Schultern und sprach feierlich:
»Einzig und allein auf das Wohl von Fräulein Clemence von Auenheim leere ich dieses Glas. Und nur deshalb, weil sie so geschmacklos ist, ihr Glück von dem schrecklichen Menschen, von dem Doktor Heinrich Wolff abhängig zu machen, magst auch du leben. Auf Euer Wohl!«
Victor leerte das Glas, faßte dann mit der einen Hand den Kelch, mit der anderen den Fuß des Römers, brach ihn ruhig entzwei und ließ ein anderes Glas und eine frische Flasche bringen.
Noch ein Glas trank er aus, dann saß er lange ganz still, schüttelte nur ein wenig mit dem Kopfe und blickte den Freund so fröhlich an, daß Heinrich aus seinem bisherigen. Nebenbuhler nicht klug werden konnte.
Endlich begann Victor:
»Ich will mal beichten. Und wenn Du Lust hast zuzuhören, so sollst Du eine närrische Liebesgeschichte erfahren. Aber Du wirst mich nicht auslachen, nicht wahr? – Als ich nach meiner Ankunft zum ersten Male wieder das Auenheimsche Haus besuchte, verliebte ich mich stracks in Clemence, nun, meinetwegen in Fräulein Clemence, damit Du nicht mehr so gekränkt dreinschaust. Meine Verehrung für sie war eine ganz grenzenlose. Ich fühlte mich in ihrer Gegenwart wieder wie ein Schulknabe, und wenn das Unglaubliche geschehen wäre und sie meine Gefühle erwidert hätte, so hätte ich mich wahrscheinlich darüber gar nicht gefreut, sondern wäre aus Angst davongelaufen. Und das Schlimmste war, daß ich ihr in der verbrecherischsten Weise von der Welt untreu wurde. Ich fing an, beide Schwestern zu lieben. Ich sage Dir, es war ein Zustand, um den mich kein Sünder aus dem Tartarus beneidet hätte. Weiß der Henker, was mich verführte, mir für Clemence immer noch die erhabensten Gefühle einzureden, trotzdem mir das jüngere Schwesterchen von Tag zu Tag mehr ans Herz wuchs. Treue kann es nicht gewesen sein, denn ich war ihr ja untreu; auch Eitelkeit auf die seltene Schönheit nicht, denn ein solcher Geck bin ich hoffentlich nicht. Ich fürchte fast, es war nichts als Eigensinn, und dabei machte ich mir wöchentlich mindestens einmal die entsetzlichsten Vorwürfe, Deinetwegen – ich merkte ja doch, wie es mit Dir stand und der Mädchen wegen, die ich doch nicht beide heiraten konnte.
Die Sache wurde immer toller und raubte mir vielleicht nur darum nicht den Schlaf, weil ich bei Nacht einzig und allein, treu und beständig, von Evchen träumte – sooft ich nämlich überhaupt träumte, was mir selten passiert. Als Du nun vorhin als Sieger vor mich tratst, da bildete ich mir im ersten Augenblicke ein, Clemence wäre die einzige Auserwählte meines Herzens und Du, Verräter, hättest sie mir geraubt. Es tut mir leid um mich, aber ich bildete es mir wirklich ein. Inzwischen aber bin ich zur Besinnung gekommen; der Wein da vor uns muß außerordentlich günstig auf das Denkvermögen wirken. Dein unerhörtes Glück gibt mir den Frieden der Seele wieder, und unter uns gesagt: Ich atme auf bei dem Gedanken, daß ich nun endlich Clemence treulos werden darf und sogar werden muß. Also noch einmal her mit Deinem Glas und noch einmal angestoßen auf treue Freundschaft! Prosit, Schwager!«
Heinrich stieß mit ihm an, sagte aber sogleich: »Jubeln wir nicht zu früh!«
Und er deutete dem Freunde an, daß die Familie Evchen schon als Kind verlobt habe und daß vor allem ihm selbst, dem einfachen Arzte, dem Ungetauften und Bürgerlichen, die Aufnahme in die Familie kaum leicht gemacht werden würde.
Aufs Äußerste überrascht und betroffen fuhr Victor bei diesen Nachrichten empor und wollte das Nähere wissen. Heinrich aber, dessen Gefühl es widerstrebte, sich auf die Gesinnung der verstorbenen Frau von Auenheim zu berufen, blieb dabei, daß er seine Befürchtungen aus beiläufigen Gesprächen mit der kranken Freundin geschöpft habe. Übrigens wollte Heinrich – und das teilte er dem Freunde mit – keinen Tag länger verstreichen lassen, ohne von Herrn von Auenheim die Hand der Tochter zu erbitten.
»Nein, das könnte gefährlich werden«, rief plötzlich Victor. »Jetzt fällt mir erst die Bedeutung der Gespräche ein, die der schöne Papa Eberhard in letzter Zeit mit mir pflegte. Er sprach plötzlich viel über Judenemanzipation, oder wie die Sache heißt, und fragte mich einmal geradezu, seit wann ich denn wüßte, daß Du ein Jude bist. Ich antwortete der Wahrheit gemäß: Ich erfahre es in diesem Augenblick von Ihnen.«
»Haben wir denn niemals davon gesprochen?« rief Heinrich verwundert.
»Närrische Frage«, rief Victor. »Als ob ich Dir jemals erzählt hätte, daß man mich evangelisch getauft hat! Und als ob jemals einer den anderen zum Kirchenbesuch aufgefordert hätte. Mich hat die Sache überrascht, wie wenn Du mir plötzlich erzählen würdest, Du habest auf Deiner Schulter ein merkwürdiges Muttermal. Nun ich antworte dem Herrn Schwiegerpapa in spe in diesem Sinne; jetzt verstehe ich erst, warum er mit meinem Benehmen so unzufrieden war. Der gute Herr wollte Dich offenbar bei mir denunzieren, wie Du bei ihm denunziert worden warst. Nein, Heinrich, wenn man uns so schlecht behandelt, so wollen wir auch einmal Diplomaten sein, den Papa vorerst umgehen und uns an den Alten in Eggerwitz wenden. Das ist ein Prachtmensch, einer von altem Adel, mit Deiner demokratischen Erlaubnis. Übrigens ist er das Haupt der Familie, und so führt der Weg zu ihm über keine Hintertreppe.«
Er mußte noch lange zureden, bevor Heinrich auf den Plan einging. Dieser fühlte, daß der Religionsunterschied vor allem in Frage kommen würde und hätte den Feind gerne mit offenem Visier bekämpft.
Auf den Vorschlag Victors, welcher allein nach Eggerwitz reisen und für beide werben wollte, ging Heinrich nicht ein. Mochte auch Victor noch so großes Gewicht darauf legen, daß der Alte ihn stets ausgezeichnet und offenbar in sein Herz geschlossen habe – Heinrich wollte sich in dieser Angelegenheit nicht vertreten lassen und schnitt endlich den Streit damit ab, daß er erklärte, am nächsten Sonntag die Fahrt zur Höhle des alten Löwen allein antreten zu wollen. Victor überlegte eine Weile und nickte dann pfiffig mit dem Kopf.
Als sie Arm in Arm die Weinstube verließen, in jugendlich aufgeregten Gesprächen Unter den Linden wandelten und zu den Fenstern der geliebten Mädchen emporblickten, erinnerte sich Heinrich der Bemerkung, welche Stropp zu ihm über des Freundes Schulden gemacht hatte. Geradeaus, wie ein Student den anderen, fragte Heinrich nach diesen Dingen. Victor lachte laut auf.
»Jetzt glaube ich es wirklich, daß Du ein Jude bist«, rief er und deklamierte pathetisch: »In solcher Nacht gestand der Heinrich seine Liebe und fragte seinen Freund – nach den Vermögensverhältnissen.«
»Mißverstehe mich nicht absichtlich«, sagte Heinrich beinahe heftig. »Stropp deutete mir an, daß Dein Gläubiger Böses mit Dir vorhabe. Nicht um Dein Geld, um Dein Glück sorge ich. Deine Vermögensverhältnisse wären mir sonst sehr gleichgültig.«
»Aber liebster Heinrich«, entgegnete Victor ernst, »Du bringst da plötzlich einen abscheulichen Ton in unsere Unterhaltung. Ich fürchte fast, Du denkst zu viel daran, daß Du ein Jude bist und nimmst infolgedessen Äußerungen krumm, die ich mir nicht abgewöhnen kann, wenn ich nicht eben selbst fortwährend daran denken soll, daß Du Jude bist. Ich kann es ja begreifen, daß Du ärgerlich wirst, wenn Du als Freier verrückte Schwierigkeiten findest. Aber ich will mir durch Dich meinen Humor nicht verderben lassen und zur Strafe für Dein griesgrämiges Gesicht sollst Du von mir täglich ein halbes Dutzend alte jüdische Anekdoten zu hören bekommen. Ich mauschle ausgezeichnet.«
Heinrich lachte wieder, kehrte aber zum Gegenstand zurück. Er wollte Victors Schuldverhältnisse kennenlernen.
Victor war aber zu so trockenen Gesprächen nicht aufgelegt. Unter hundert Scherzen wich er dem Freunde aus, und als sie sich endlich trennten, hatte Heinrich nicht eben viel erfahren.
Kurt, der trotz alledem ein guter Kamerad sei, habe ihm seine kleinen Verlegenheiten wohl angemerkt, habe ihn zu seinem unmöglichen Schwiegervater, dem alten Isaak Feigelbaum, geführt und ihm dort ziemlichen Kredit verschafft. Merkwürdig rasch sei der alte Jude bereit gewesen und habe dem Schwiegersohn mit seinem häßlichen Grinsen ein über das andere Mal versichert, Victor solle als ein Freund Kurts behandelt werden. Und wirklich seien die Zinsen unglaublich mäßige.
Ziffern konnte oder wollte Victor nicht angeben. Als Heinrich in ihn drang, sagte Victor ihm plötzlich gute Nacht und schwor, nur unter der Bedingung den Spaziergang fortzusetzen, daß Heinrich die Geldfrage nicht mehr berührte. Und Heinrich mußte nachgeben.
Der Morgen graute schon, schon zogen in halbem Traume die ländlichen Verkäufer mit ihren verschlafenen Pferden langsam und stockend auf die Marktplätze, als die Freunde sich endlich trennten.
Heinrich begab sich zur Ruhe, Victor jedoch ließ, in seiner Wohnung angelangt, vom Burschen seinen Koffer packen und ging inzwischen in fröhlicher Aufregung auf und nieder. Er war entschlossen, mit dem Frühzuge nach Eggerwitz zu reisen, dort auch für sich selber zu sprechen, aber vor allem die Sache des Freundes zu führen. Endlich legte sich auch Victor nieder, gab dem Burschen jedoch unter barbarischen Drohungen den Auftrag, ihn beizeiten zu wecken.
So langte denn Victor am nächsten Vormittag, da Heinrich eben den ersten Krankenbesuch machte, in Eggerwitz an. Der alte Herr empfing ihn mit außerordentlicher Herzlichkeit. Er freue sich über den lieben Besuch um so mehr, als es jetzt furchtbar einsam sei auf Eggerwitz. Der eigensinnige Bruno sei noch immer auf See, die beiden Enkelinnen wieder in der Stadt, um den alten Herbert von der Egge kümmere sich niemand. Und ehe noch Victor sich's versah, saß er mit dem Alten beim Wein und plauderte so vergnügt, daß es fast Mühe kostete, mit der erforderlichen Feierlichkeit zur Werbung um Evchen überzugehen.
Endlich fand Victor einen schicklichen Moment und brachte kurz und deutlich vor, weshalb er gekommen.
Der Alte schob ernst sein Glas von sich.
»Nun werden Sie böse abreisen, mich alten Mann allein lassen und aufhören, mein Freund zu sein. Und wie hätte ich Sie in meine Arme geschlossen, wenn Sie mir erzählt hätten, Sie wollen die Clemence! Also die haben Sie wirklich nicht lieb?«
»Die Leute sagen's«, meinte Victor kleinlaut.
»Mein Evchen kann ich Ihnen nicht geben!« rief der Alte. »Geben Sie den Gedanken auf.«
Da erhob sich Victor in strammer Haltung und sprach: »Ich bin vertrauensvoll zu Ihnen gekommen, Herr von der Egge, und habe ihnen mein Anliegen vorgetragen. Kein Ehrenmann hat das Recht, etwas gegen meine Person einzuwenden. Ich bin von gutem Adel und bin Offizier. Daß mein Gut bedeutende Summen nötig hat, um wieder ertragsfähig zu werden, konnten Sie bis zu diesem Augenblick nicht wissen, und das hätte Sie wohl auch nicht zu Ihrer Antwort bestimmt. Habe ich recht? Nicht wahr? Zu Fräulein Eva von Auenheim habe ich von meiner Liebe noch nicht gesprochen, aber ich glaube nicht, daß sie einen Andern liebt. Ich darf also verlangen, daß Sie mir Ihre Gründe angeben, wenn ich mich mit Ihrem Bescheid zufrieden geben soll. Geben sie mir Ihre Gründe nicht an, so füge ich mich nicht, sondern will es versuchen, mir das geliebte Mädchen gegen den Willen des Großvaters zu erringen.«
Der Alte erhob sich und schaute den kecken Werber mit funkelnden Augen an.
»Ich wollte, Sie wären mein Sohn«, sagte er endlich liebevoll. »Keck und ehrlich! Sie wären ein Egge geworden! Und so will ich Ihnen Ihr Recht nicht vorenthalten. Sie sollen wissen, weshalb Evchen schon versagt ist.«
Er führte seinen Gast zum Fenster, wies mit dem Finger und sprach:
»Von dem Buchenwald links über den See hinweg, so weit das Auge reicht, bin ich auf eigenem Grund und Boden. Und Gut Eggerwitz ist dreimal so groß, als das Gebiet, das Sie von hier aus überblicken können. Alles schuldenfreier Besitz der Familie von der Egge. Und die direkte Linie steht heute auf meinen beiden alten Augen. Ja, lieber junger Freund, als ich vor fünfzig Jahren, ja ja, vor fünfzig Jahren, das Erbe antrat, da gehörte keine Weizenähre auf all diesen Feldern, kein Fisch in diesem Wasser mir. Alles war verschuldet, verpfändet. Ich nahm den Abschied, um den Versuch zu machen, den alten Familienbesitz wiederzugewinnen. Glauben Sie mir, kein Bauer auf zehn Meilen im Umkreis hat gearbeitet wie ich. Nach einigen Jahren, als ich endlich für zwei Personen satt zu essen hatte, heiratete ich. Sie hatte darauf gewartet, hatte ihrer Familie zum Trotz alles ausgeschlagen und niemand gemocht als ihren verdüsterten verbauerten Herbert. Sie hat viel Liebe in dieses Haus hereingebracht. Stellen Sie sich Evchen vor.«
Und der alte Freiherr mußte das Fenster öffnen und die kalte Herbstluft hereinströmen lassen, um weiter sprechen zu können.
»Sie gebar mir ein Mädchen und starb. Drüben, wo Sie den Garten sehen – es ist kein Garten, es ist ihr Grab. Nicht wahr, lieber Victor, bevor Sie fortgehen, sehen Sie sich den Garten ein wenig an, damit Sie nicht gar zu böse werden auf den alten Mann, der Ihnen sein Enkelkind nicht geben kann.
Ich hatte also ein kleines Töchterchen. Ich hätte recht gut einen Erben brauchen können, aber weiß Gott, ich habe niemals dem Mädchen das Unrecht angetan, mit ihrem Dasein unzufrieden zu sein. War sie doch das einzige Geschenk meiner – Sie werden nachher im Garten auch den Namen finden. Erlassen Sie ihn mir. Mein Kind wuchs heran, und als es ein stattliches Mädchen von zwanzig Jahren war, hieß sie die Erbin des schuldenfreien Eggerwitz. Glauben Sie mir, Victor, ich war kein schlimmer Vater. Ängstlich beobachtete ich wohl ihr junges Herz, das sich lange nicht regen wollte. Ich war entschlossen, den Schwiegersohn, den ihre Liebe mir zuführen mußte, mit offenen Armen aufzunehmen und ihn als Herrn über mein schönes großes Eggerwitz zu setzen. Victor, ich habe mich dessen noch nie gerühmt, aber sehen Sie einmal diese Hände. Sind das nicht freiherrliche Schwielen!? Und endlich, in Berlin verliebte sich meine Tochter, und in wen? – In den schönen Eberhard von Auenheim, in den Müßiggänger!«
Victor konnte das letzte Wort nicht deutlich verstehen, so zornig zischte der Alte es hervor. Und der Freiherr fuhr fort:
»Ich sagte zu allem ja! Aber als ich meinen Schwiegersohn zum erstenmal hierher brachte, da konnte der den Raps von der Gerste nicht unterscheiden. Ich verlor die Geduld nicht. Das junge Paar wohnte zwei Jahre hier, Clemence ist hier geboren. Der schöne Eberhard angelte, ritt und las die Modeblätter. Und als ich ihm einmal Vorstellungen machte, da meinte der schöne Eberhard, man könnte die Wirtschaft – die Wirtschaft, Victor! – Gut Eggerwitz eine Wirtschaft! – man könnte verkaufen und behaglich in Berlin leben. Sie begreifen, daß ich meine Wirtschaft nicht verkaufte.«
Und der Freiherr lachte ingrimmig.
»Ich hatte nun ein schuldenfreies Gut, aber der Mann meines einzigen Kindes hatte Lebensgewohnheiten, die mich zwangen, in der alten Weise weiter zu arbeiten. Wenn ich bei meinem Tode nichts weiter hinterließ als Gut Eggerwitz, so wurde die Schöpfung meines Lebens von meinen Erben verschachert, die Äcker und Wiesen parzelliert, und der schöne Auenheim kaufte für den Erlös Eisenbahnaktien und wurde Kuponabschneider und Börsenspieler. So habe ich denn wieder volle zwanzig Jahre geschafft wie ein geiziger Bauer. Auch Sie haben gewiß schon einmal über meinen grauen Mantel gelacht. Der Schnitt ist wirklich nicht der eleganteste, der Schneider meines Schwiegersohns ist gewiß geschickter; aber ich habe zwanzig Jahre lang keine andere Wäsche und kein anderes Kleidungsstück getragen, als was man hier im Dorfe zu nähen versteht. Und ein paar tausend Taler mögen dadurch wieder mehr für Auenheim im Kasten liegen.
So habe ich denn für meine Tochter und ihre Familie gesorgt, wie es recht ist. Die Ärmste wird selbst keinen Vorteil davon haben, aber sie hat liebe gute Kinder hinterlassen und der Auenheim will ja auch standesgemäß versorgt sein.
Dann blieb noch die Aufgabe zurück, Gut Eggerwitz in der Familie zu erhalten. Es gab noch zwei Egges, Sie kennen beide. Der Herr Kurt... er gehört einer Seitenlinie an, er hat schwerlich Interesse für Landwirtschaft. Was liegt Ihnen daran, den Grund zu wissen: Er war nicht mein Mann; nein, Kurt konnte nicht der Vertreter der Egges sein! Aber meinen Großneffen Bruno habe ich mir dazu erzogen, daß ein Fideikommiß Eggerwitz in Ehren bestehen bleiben soll. Er ist ein Egge, er ist zu meinem Erben bestimmt, daran kann nicht mehr gerüttelt werden. Bruno ist jetzt einundzwanzig Jahre alt und hat mir noch keinen Kummer gemacht. Er dient zur See, damit er nicht durch das Garnisonsleben einer großen Stadt verdorben wird. Dieser Plan, einen Egge zum Erben von Eggerwitz heranzubilden, ist die zweite Arbeit meines Lebens und nichts, nichts darf mich hierin stören.
Aber Bruno ist nicht mein Fleisch und Blut. So lieb kann ich ihn nicht haben wie meine Enkelkinder. Sollen die armen Waisen, die beiden Mädchen meiner armen Tochter, auf fremder Scholle oder vielleicht in einem Berliner Zinshaus einer ungewissen Zukunft entgegengehen? Soll ein Fremder – er ist mein Großneffe, aber er ist nicht mein Enkel –, soll er als Gutsherr auf Eggerwitz residieren und nicht wissen, was aus des alten Herbert Fleisch und Blut geworden ist? Nein, das durfte nicht geschehen. So wurden denn Bruno und Evchen als Kinder miteinander verlobt. Evchen weiß noch heute nichts davon; ihre Mutter duldete es nicht, daß man davon sprach. Aber Bruno kennt die Bestimmung seit seinem zwanzigsten Jahre. Er ist kein sentimentaler Versemacher, aber er liebt sein Bäschen, wie es sich gehört. Soll ich nun vor ihn hintreten und ihm sagen: Nimm mein ganzes Besitztum, aber gib mir dafür deine Braut zurück? Und angenommen, er ginge auf den Vorschlag ein – darf ich denn wirklich einem Fremden das Familiengut hingeben, wenn meine Enkelkinder leer ausgehen? Gleichviel, ob Sie und Evchen mit der Beraubung einverstanden wären: Ich sage, es kann nicht sein. Ich hoffe, Sie würdigen meine Gründe. Und da Sie ein Ehrenmann sind, werden Sie Evchens Herz nicht weiter beunruhigen.«
Victor war wie niedergeschmettert. Er hatte sich seine eigene Werbung so leicht gedacht, er war hierher vorausgeeilt, um des Freundes Sache zu führen, und nun hatte er alles vergessen, bis auf den einen Gedanken: Evchen war für ihn verloren. Der Freiherr trat auf ihn zu und legte ihm beschwichtigend die Hand auf das Haar.
»Es tut mir leid«, sagte er, »daß ich mich getäuscht habe. Ich glaubte lange, Sie und Clemence müßten ein Paar werden. Da hätte ich mit Freuden ja gesagt.«
Da schoß das Blut heiß in Victors Wangen. Das Bild der schönen Clemence stieg vor ihm auf, in greifbarer Nähe. Aber nur einen Augenblick dauerte die Erscheinung, da lächelte schon das kleine Evchen neben der Schwester hervor und traurig schüttelte Victor den Kopf.
»Für Fräulein Clemence hat sich schon ein anderer Freier gefunden«, sagte er, »und ich glaube fast, sie nimmt Partei für ihn.«
Victor erschrak über die Wirkung seiner Worte, so heftig faßte ihn der Freiherr bei der Schulter und rief erregt:
»Sie wissen schon von der Sache? Schnell, verschweigen Sie mir nichts.«
»Ich bin es nicht gewohnt«, antwortete Victor ruhig, »anvertraute Geheimnisse auszuplaudern. Auch ist es nicht wohlgetan, so befehlend mit mir zu sprechen.«
Aber der Alte rief heftig:
»Ich habe keine Lust zu höflichen Redensarten. Meine Offenheit sollte Ihnen bewiesen haben, daß ich Sie nicht als Fremden betrachte. Sie handeln im Interesse Ihres Freundes, wenn Sie mir die Wahrheit sagen.«
Als Victor noch immer schwieg, fuhr der Freiherr ruhiger fort:
»Ich weiß, daß Ihr Freund, Doktor Wolff, so gütig ist, unsere Clemence zu lieben, ich weiß auch, daß er weder adelig noch Christ ist und werde vielleicht ja sagen müssen. Wollen Sie noch mehr wissen? Ich habe meiner Tochter, als ich sie zum letzten Male sprach, gelobt, das Kind nicht unglücklich zu machen. Es hängt also alles von Clemence ab. Nun werden Sie doch endlich reden!«
Victor erzählte: was er wußte, daß Heinrich und Clemence seit kurzem einig wären und sich wohl als verlobt betrachteten, daß Heinrich am nächsten Sonntage nach Eggerwitz zum Großvater kommen wollte. Victor fügte hinzu, daß er heute auch deshalb gekommen sei, um dem Freunde die Wege zu ebnen, und begann mit warmen Worten, den Charakter und das Wesen seines Freundes zu rühmen.
Der Freiherr hörte aufmerksam zu und nickte einige Male beifällig mit dem Kopfe. Endlich fiel er ein:
»Ihre Beredsamkeit spricht noch mehr für Sie selbst als für Herrn Doktor Wolff. Aber so wie die Dinge einmal liegen, muß ich noch froh darüber sein, daß dieser Herr ein Ehrenmann ist. Sie versprechen mir, nichts von dem zu verraten, was ich Ihnen anvertraut habe. Das versteht sich von selbst. Ich reise mit Ihnen nach Berlin zurück und werde einen Versuch machen, Clemence zur Vernunft zu bringen. Gelingt mir das nicht, so hat Ihr Freund wahrlich gewonnen. Ich gebe dann nicht nur meinen großväterlichen Segen, sondern verpflichte mich auch, den schönen Auenheim zur Annahme eines jüdischen Schwiegersohnes zu bewegen.«
»Das ist mehr, als ich hoffen durfte«, antwortete Victor. »Aber eins fehlt noch, das Wichtigste: daß Sie meinem Freunde herzlich entgegenkommen und ihn als den Erwählten ihrer Enkelin ohne Groll begrüßen.«
Der Freiherr führte seinen Gast wieder zum Fenster.
»Ich will Sie nicht wie ein alter Ritter aus den Tragödien in meinem Ahnensaal herumschleppen und Sie fragen, ob Sie angesichts der vielen Graubärte, die dort hängen, mein Gefühl nicht begreifen! Ich will zu Ihnen sprechen als der, der ich bin, als ein reicher Bauer, in dessen Familie das Gut seit Jahrhunderten von Vater auf Sohn erbte. Der Mann, den meine Clemence liebt, ist sicher kein Unwürdiger. Und daß Sie ihn so warm empfehlen, spricht wahrhaftig auch für ihn. Ich frage Sie aber, wie würde ein anderer Bauer an meiner Stelle handeln? Würde er die Hand seines Kindes dem ersten besten hübschen Jungen geben, der die Flöte spielen oder sonst was kann, was ihn zur Not ernährt. Nein, der Bauer würde sich den Schwiegersohn suchen unter anderen, ebenso großen Bauern. Und wenn der unebenbürtige Freier gar aus der Fremde käme und man hätte seinen Vater und Großvater nicht gekannt, dann würde der Bauer ihm höhnisch die Türe weisen und sich nicht darauf beschränken, ein wenig zurückhaltend zu sein. Sie sehen, aus mir spricht nicht der hochmütige Aristokrat, der auf den Bürgerlichen heruntersieht, sondern ein vorsichtiger deutscher Bauer. Vielleicht wäre ich milder, wenn Ihr Freund kein Jude wäre. Vielleicht, ich weiß es nicht. Daß er übrigens zum Christentum übertreten muß, wenn er in die Familie aufgenommen werden will, versteht sich wohl auch für Sie von selbst.«
Victor stimmte dem bei. Sein Freund gehöre dem Christentum innerlich an und werde sicherlich den Übertritt freudig vollziehen.
Von Evchen wurde nicht mehr gesprochen. Victor blieb als Gast des Freiherrn bis zum folgenden Morgen auf Eggerwitz, entzückte den Besitzer wieder durch sein sicheres Urteil über kleine landwirtschaftliche Fragen, trank am Abend mit ihm zusammen das schwere Bier, das der Freiherr selber braute, und schlief ganz vortrefflich in dem alten Hause, in welchem Evchen einst als die Gattin eines anderen wohnen sollte.
Am nächsten Morgen fuhr der Alte mit seinem Gaste nach der Stadt.