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Ich schreibe nicht für die Reichen, die ihr Leben nach Belieben mit tausend langweiligen und gefährlichen, sonst ganz bedeutungslosen Dingen verwirren, die vor ihren Dienstboten (lies: ihren Feinden) leben, die, von hassenden und spottenden Augen bewacht, essen, schlafen und lieben. Bei ihnen giebt es keine Herzlichkeit, kein Geheimnis, keinen häuslichen Herd.
Und unglücklicherweise kann ich auch nicht für die Armen schreiben, die keine Zeit und keine Freiheit haben, die durch die Wucht der Verhältnisse beherrscht und erdrückt werden, bei denen die unaufhörliche Arbeit die Stunden regelt und hetzt. Was kann man dem raten, der nicht frei ist?
Ich schreibe für die, welche ihr Leben mit einer gewissen Freiheit einrichten können, für den Armen, den die häusliche Arbeit vor Not schützt, und für die freiwilligen Armen, das heißt für die wohlhabenden Leute, die Verstand genug haben, einfach ohne Dienerschaft zu leben und das wahre Glück der Häuslichkeit zu genießen.
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»Zu Zweien leben und nicht zu Dreien,« ist ein wesentlicher Grundsatz, wenn man den Frieden des Hauses bewahren will.
Ein Mädchen vom Lande, das zur Hilfe da ist, stört das Beisammensein nicht.
Wenn ihr das Glück habt, ein kleines Hans zu bewohnen, so wird sie in dem Erdgeschoß ihre Küche, ihren Waschraum nahe beim Eßzimmer haben und selten in den ersten Stock hinaufkommen.
Dieses Mädchen ist nicht immer allein; ihre Herrin kommt, vorzüglich während eurer Abwesenheit, zu ihr hinab und spricht mit ihr freundlich über Dinge, die das Fassungsvermögen einer Bäuerin nicht übersteigen. Sie lehrt sie lesen, stutzt sie ein wenig zurecht.
Auch hat sie den Garten, die Katze, den Hund, die Hühner, mit denen sie sich amüsiert und ganz allein unterhält, wie sie es auf dem Lande zu thun pflegte.
Das brave Mädchen, brav wie es ist, ist darum nicht weniger Mädchen, das heißt neugierig. Deshalb wird sie, wenn sie zu ihrem Zimmer im Giebel des Hauses hinaufsteigt, nicht verfehlen, das Auge an das Schlüsselloch zu legen und zu behorchen, was man drinnen spricht. Eine Doppelthür und ein kleines Vorzimmer müssen deshalb das Gemach von der Treppe, wo sie hin und wider geht, lauscht und beobachtet, scheiden.
»Aber,« sagt uns die Dame, »wie kann mir dieses Bauermädchen meine Julie ersetzen, meine so geschickte Kammerfrau, die sich auf alles versteht?«
»Geschickt? Aber Sie sind es nicht weniger. Ei, meine schöne Träge, seien Sie gerechter gegen sich selbst. Was die Gegenstände der Toilette anbelangt, so vertraue ich da gänzlich Ihren zierlichen Händen. Die Frau hat in diesen Dingen einen unerschöpflichen Schatz von Geist und Erfindsamkeit.«
Und wenn es denn wirklich für andere zarte Dienste einer Kammerfrau bedarf, so will ich ihnen eine vorschlagen, die es nur zu gern ist, und deren Eifer hundertmal größer sein wird, als der Juliens, Lisettens und wie sie sonst heißen mögen, die berühmtesten ihrer Zukunft – eine, die überdies nicht böswillig ist, Sie nicht bei den Nachbarinnen verklatschen wird, nicht über Sie mit einem Liebhaber lachen, nicht, während Sie sprechen, die Zunge hinter Ihrem Rücken herausstrecken wird u. s. w. »Aber wo ist denn diese Perle? Ich nehme sie, gerade so eine brauche ich ...« Wo sie ist? Dicht neben Ihnen.
Hier, o Königin, ist Ihr Unterthan, der bittet, zu diesem Dienste zugelassen zu werden; er wird zu einem höheren Range aufzurücken glauben, wenn Sie ihn zur Würde und zum Titel eines Kammerdieners erheben, zur feudalen Stellung eines Kämmerlings, Kammerherrn, Haushofmeisters, ingleichen eines Hausarztes (zum mindesten für die Diätetik); denn sein Eifer hat keine Grenzen. Alle diese Hofämter will er umsonst auf sich nehmen und noch überdies neben den Dienstleistungen der Männer die der Frauen thun, stolz und geehrt, Madame, wenn Ihre Majestät seine ergebensten Dienste anzunehmen geruhen.
»Aber er ist zu sehr beschäftigt, er hat keine Zeit. Ich würde mich schämen, ihn für meine Person zu solchen Dingen in Anspruch zu nehmen ... Auch muß ich gestehen, alle diese kleinen Frauenangelegenheiten wollen mit Muße, gemächlich, nicht übereilt gethan sein. Alles dies muß ein wenig in die Länge gezogen und mit kleinen Plaudereien untermischt werden. Der Mann, welcher wahrhaft Mann ist, will alles überstürzen und nur schnell zum Ziele gelangen. Wir würden nichts Gescheites zustande bringen. Seine Dienstleistungen würden auf Liebkosungen hinauslaufen. Meine Toilette würde dadurch mehr gestört als gefördert werden.« Geheimnis für Geheimnis, Madame, Geständnis für Geständnis. Wißt, daß der beschäftigtste Mann sehr viel Zeit hat, überflüssige Zeit, sobald es sich um ein wirkliches Vergnügen handelt. Ich weiß nicht, welcher Römer – Feldherr, Konsul, Politiker, König der Welt mit einem Worte, wie es jene Leute waren – sehr Wohl die Zeit fand, jeden Morgen der Behandlung beizuwohnen, die man seinem Kinde angedeihen ließ, beobachtete, wie man sich bei seiner physischen Erziehung benahm, es waschen, ankleiden sah u. s. w. Heinrich IV. verabsäumte trotz seiner vielen Geschäfte an keinem Tage, sich genauen schriftlichen Bericht von allem erstatten zu lassen, was den Dauphin, der eben geboren war, betraf; ließ Stunde für Stunde durch einen geschickten Arzt konstatieren, wie das Kind aß, schlief, verdaute u. s. w. Unsere großen Männer von heute, die mehr beschäftigt sind, als die Imperatoren und Konsuln Roms, mehr beschäftigt als Heinrich IV., finden Zeit, täglich vier Stunden auf der Börse, im Justizpalast, im Café, was weiß ich? zu schwatzen; dann wo möglich noch sechs Stunden (ohne zuzuhören) im Theater zu schwatzen ... Nein, an Zeit fehlt es nicht.
Sie fehlt nicht für die eitlen und albernen Gesellschaften, aus denen man gähnend und stets hohler zurückkommt. Sie fehlt nur zum Glücklichsein.
Und hier ist nun ein Mann, der behauptet, daß er glücklich sein würde, wenn ihr ihm eine Stunde schenktet, mit der ihr nichts anzufangen wißt. Ihr seid sein Kind, sein Dauphin, sein Schauspiel, seine Oper, seine reizende göttliche Komödie.
Göttliche – ich nehme das Wort nicht zurück. Ich schließe das aus der Andacht, mit welcher er Dingen beiwohnt, die ihr für niedrig oder kindisch haltet. Ihr lacht; er lacht nicht. An dem Tage, an welchem ihr ihm den Zutritt zu eurem Ankleidezimmer gewährt, seht ihr ihn verwirrt, ergriffen von religiöser Scheu. Niemals trat ein frommer Indier nach einer langen Pilgerfahrt in andächtigerer Stimmung in die heilige Pagode. Neugierig, aber vor allem zärtlich, erfüllt von einem ehrfurchtsvollen Verlangen, im voraus bewundernd, anbetend ... O! fürchtet euch doch nicht vor ihm! Welche Frau, und war sie noch so ergeben, betrachtete euch jemals mit so parteilichem Auge? ... Glaubt ihr, daß diese Julie, diese so sehr bedauerte, so schmeichlerische, zuthunliche Julie (ich sage es ganz leise) nicht an eurer allerschönsten Person diesen oder jenen kleinen Makel bemerkt, daß sie nicht darüber gelacht habe?
Das Auge dieses Mannes ist im Gegenteil so beschaffen, daß er nur Vollkommenes, durchaus Schönes sieht. Wie sein Blick auf euch ruht! und wie dieser Blick schmeichelnd und liebevoll ist – und das alles so rein! Es giebt nichts Reineres, als die wahre Liebe.
Montaigne sagt irgendwo, daß der Anblick von Leuten, die sich wohl befinden, die Gesundheit mitteile und bewirke, daß man sich ebenfalls wohl befinde. Ich ändere daran nur ein Wort; ich sage, daß es der Blick der Liebe ist, der Glück bringt und die Schönheit erblühen macht. Daher kommt es, daß die junge Frau sich so schnell reizend entfaltet. Der Blick der Liebe hat sie getroffen.
Heiliges Wesen, fürchte nichts! Du wirst angebetet, und wenn du dir das Herz rein erhältst, wirst du es immer sein. Ja, so lange dieses Auge voll Feuer und zugleich voll Ehrfurcht auf dir ruht, kannst du niemals von deiner göttlichen Höhe herabsteigen. Du wirst deinen Altar nicht verlieren; du wirst eine Gottheit bleiben.
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Ach! (spricht sie bei sich, denn sie würde es keinem Ohr anzuvertrauen wagen), ach! wie es anfangen, eine Gottheit zu bleiben! Und ist es nicht die natürliche Wirkung eines so vertrauten Umgangs, wo man der zärtlichen Aufmerksamkeit dessen, den man liebt, in keinem Augenblicke entgehen kann, daß man die gewöhnlichen und niedrigen Seiten des Lebens aufdeckt? Wer ist sicher, die vierundzwanzig Stunden des Tages poetisch zu sein? nicht durch die unerbittliche Natur von dem hohen Ideal zur Prosa herabgestürzt zu werden?
Und Prosa ist noch zu viel gesagt. Bei einem fortwährenden Gegenüber mag die Stolzeste sich verhüllen, wie sie will; in irgend einem unvorhergesehenen Moment kommt die Menschlichkeit zum Vorschein, und sie ist gedemütigt.
Wahrer Mädchenaberglauben! Tiefe, vollständige Unwissenheit über die Wirklichkeit der Dinge! Die, welche die Liebe kennen, wissen sehr wohl, daß der Hochzeitsstrauß sich dadurch nicht entblättert. Keines dieser natürlichen, unschuldigen Dinge wirft einen Makel auf die Geliebte.
Wenn ihr wissen wollt, wie die Frau von dem Ideal zur Prosa herabsinkt, so will ich es euch sagen.
Nicht dadurch, daß sie sich als Frau zeigt, daß sie sich naiv zu dem bekennt, was wir sind, zur Menschheit – sondern dadurch allein, daß sie sich kalt und eitel zeigt, dadurch, daß sie vor diesem Auge, welches so blind ist in gewissen Dingen und so scharfsichtig in anderen, ihre moralische Haltlosigkeit aufdeckt.
Man glaubt, daß die Übersättigung die Liebe töte; man sieht es nicht ein, daß diese Übersättigung viel häufiger nicht aus dem Zuviel, sondern aus dem Zuwenig hervorgeht; aus dem Gefühl, daß man nicht bis zu dem Herzen der Geliebten kommen, nicht die Seele erfassen wird, die leer und eitel und oberflächlich ist; daß man graben wird, ohne auf den Grund zu gelangen.
Dieses Mädchen, gestern so geputzt, das sich bis zum Tage ihrer Hochzeit keine Mühe verdrießen ließ, um zu gefallen, ist heute als Frau bei ihrer Toilette wie paralysiert. Kaum, daß sie einige Sorgfalt auf sich verwendet. Aber die Neuvermählten werden eingeladen; heute Abend großer Ball! Im Nu ist sie, als gelte es eine zweite Hochzeit, lebendig, munter, voll Eifer und niemals genug geputzt.
Die so gläubige und noch eben so blinde Liebe bekommt hier die Gabe des zweiten Gesichts; sie übersetzt diese Nachlässigkeit der ruhigen Tage in: »Genug und zu viel für meinen Mann«; und diesen Putz für den Ball in: »Ich will gefallen, aber vorzüglich den anderen.«
Nun wohl, das kühlt ihn ab, und mit seinem frommen Glauben ist es vorbei.
Gemeines, leichtsinniges Weib! Hier ist das Ideal gefallen, um sich nie wieder zu erheben.
Der Eindruck ist ein ganz entgegengesetzter, wenn der gerührte Beobachter für das Beisammensein diese oder jene zarte Sorgfalt in der Toilette, für die Stunden der Einsamkeit dieses oder jenes Zeichen unschuldiger Gefallsucht wahrnimmt. »Für die anderen nichts, alles für dich,« das ist der Sinn davon. Wo die Empfindung so lebhaft spricht, bedarf es keiner Worte. Die Liebe fühlt sich hier auf einem sicheren Boden und wird dort starke und tiefe Wurzeln treiben. Fürchtet nichts für das Ideal; es wird sich fort und fort durch die Poesie und durch die Wirklichkeit befestigen.
Aber weshalb sie unterscheiden? Beide sind eines, wenn man liebt. O, erkaltetes Geschlecht! schwache, furchtsame Frauen, wie wenig kennt ihr eure eigene Macht! wie wenig wißt ihr, wie kräftig die Liebe ist, und wie sie über dergleichen lacht; wie wenig Gewicht hat für sie, was euch so viel Sorge macht!
Alles ist Poesie in der Häuslichkeit und alles Natürliche geadelt in dem geliebten Wesen.
Alles, was er für die Geliebte thut, kleidet den Stolzesten gut, und sie, des Hauses Königin, verrichtet Königswerke, sie thue, was sie wolle.
Sie sind eines des anderen Diener, aber mit diesem Unterschied: sie dient überall der Wirtschaft und dem Hause; er ihr selbst.
Demütige Verrichtungen! Nennt sie lieber stolze, huldvolle, gnadenreiche! Erinnert euch der guten Theorie des Vasallentums: Die Würden richten sich nach der Gelegenheit, welche sie geben, der königlichen Person zu nahen und ihr zu dienen, nicht in Sachen des Staates, sondern in Sachen der Person.
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