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Lieber Freund!
Sie sprachen neulich im Anschluss an unsere Unterhaltungen in Ihrem Atelier den Wunsch aus, die privaten Vorträge über malerische Technik, zu denen Sie mich durch Ihr eifriges und verständnisvolles Fragen verführt hatten, Ihren Kunstgenossen allgemeiner zugänglich gemacht zu sehen. Damit haben Sie eine leicht ertönende Saite in meinem Gemüt berührt, denn ich selbst danke bei meinen dilettantischen Versuchen in Ihrer Kunst so vieles der unwillkürlich sich einstellenden Anwendung meiner Wissenschaft, dass ich mich leicht überreden lasse, diese Dinge könnten auch anderen von Nutzen sein. So lassen Sie denn das wiederholt Besprochene nochmals über sich ergehen und verzeihen Sie einem alten Lehrer, wenn er den durch Zufälligkeiten geführten Zickzackgang des freundschaftlichen Gespräches durch einen systematischen Vortrag ersetzt.
Zwar kann ich nicht daran denken, das Gesamtgebiet der malerischen Technik vollständig durchzunehmen, schon deshalb nicht, weil ich noch nicht Gelegenheit gehabt habe, alle bekannten Verfahren persönlich zu erproben. Dann aber ziehe ich auch in Betracht, dass in verschiedenen, z. T. in jüngster Zeit erschienenen Werken Besonders empfehlenswert ist Linke, Die Malerfarben, Stuttgart, 1904. die chemische Seite der Malerei in vortrefflicher Weise behandelt wird, so dass ich vieles nur wiederholen könnte, was bereits von zuständiger Stelle dargelegt worden ist. Neben der chemischen Seite der Sache gibt es aber noch eine physikalische und eine physikochemische; Sie werden es natürlich finden, dass ich diese mir wissenschaftlich näher stehenden Betrachtungsweisen auch in meiner Darstellung mehr zur Geltung kommen lasse, als die rein chemische, so bedeutungsvoll diese ist. In der Tat ist diese letztere bereits in den besten Händen; die »Gesellschaft zur Forderung rationeller Malverfahren« in München hat schon Erhebliches geleistet und wird noch viel mehr leisten können, wenn sie von der zunächst beteiligten Seite, den Künstlern, nur sachgemäss in Anspruch genommen wird.
Eine andere Sorge, die ich Ihnen aussprach, dass ich schliesslich doch nur Allbekanntes erörtern würde, haben Sie mit dem Hinweis zu beruhigen gesucht, dass es unter allen Umständen für den ausübenden Künstler ein Vorteil sei, wenn er die Dinge, die er aus täglicher Erfahrung auszuführen gewohnt ist, einmal im Lichte der Wissenschaft erblicke, sei die Rolle der Wissenschaft auch noch so bescheiden. Das kann ich gelten lassen; ist doch die Wissenschaft überall dazu da, die Praxis zu erleichtern, indem sie erkennen lässt, was wesentlich und was unwesentlich ist. Einen anderen Einwand, der mir gelegentlich aus Künstlerkreisen gemacht worden ist, möchte ich dagegen hier gleich bekämpfen. Es ist dies die Befürchtung, dass durch wissenschaftliche Erörterung die künstlerische Inspiration gehemmt und das Kunstwerk nüchtern gemacht würde. Hier handelt es sich ja doch zunächst nur um das rein Handwerksmässige der Kunst; und es scheint mir gar keinem Zweifel unterworfen, dass ein jeder Künstler um so freier schaffen wird, je sicherer er das Handwerk beherrscht. Auch die Erfahrung spricht dafür; man braucht nur eine der vielen Veröffentlichungen durchzusehen, in denen wir Nachricht über die Arbeitsweise Böcklins erhalten. Überall tritt die unablässige Übung und Forschung hervor, welche dieser grosse Meister der Phantasie an das Handwerk seiner Kunst gewendet hat. Mir ist es gerade umgekehrt unzweifelhaft geworden, dass durch die eingehende Beschäftigung mit dem Material die schaffende Farbenphantasie dieses Künstlers häufige Anregung erhalten hat.
So lassen Sie sich denn die nachfolgenden »Selbstverständlichkeiten« freundlichst gefallen!
Die verschiedenen Verfahren der Malerei unterscheiden sich nicht sowohl durch die Natur der angewendeten Farbstoffe, als durch die Beschaffenheit der Bindemittel, mittels deren die Farbstoffe (im allgemeinen pulverförmige feste Körper) auf der Unterlage festgehalten werden. Vom Bindemittel hängt also einerseits die besondere Technik des Auftrages und der weiteren Behandlung ab, andrerseits aber auch die Wirkung der Farbe auf das Auge und endlich die Haltbarkeit des erzeugten Bildes. Daher werden wir in der Folge vorzugsweise uns mit den Bindemitteln zu beschäftigen haben.
Ohne chemisches Bindemittel werden zunächst alle Zeichnungen im engeren Sinne hergestellt. Man erzeugt sie, indem man mit dem in Stangen oder Stifte geformten Farbstoffe die gewünschten Linien und Flächen ausführt, wobei durch schwächeres und stärkeres Aufdrücken des Stiftes, bezw. durch einmalige oder wiederholte Behandlung der Fläche alle Übergänge zwischen der Farbe der Unterlage und der des Farbstoffes hervorgebracht werden können.
Damit ein solches Verfahren ausführbar ist, muss zunächst die Unterlage rauh sein. Die rauhe Unterlage wirkt wie eine Feile auf den Stift und entnimmt ihm Substanz in Gestalt eines Pulvers, welches an den Stellen liegen bleibt, über welche der Stift geführt worden war.
Ob auf solche Weise bereits eine einigermassen dauerhafte Zeichnung hergestellt werden kann, hängt von der Feinheit des Farbpulvers ab, welches der Stift an die Unterlage abgibt. Ist es sehr fein, so findet jedes Körnchen in den Unebenheiten der Unterlage Unterkunft und Ruhe und wird durch Schütteln, Klopfen, auch Berühren nicht gestört. So verhält sich beispielsweise der Graphit, aus dem die gewöhnlichen Bleistifte bestehen. Da indessen die Körnchen nur frei in den Unebenheiten der Unterlage liegen, nicht aber durch irgend ein Klebemittel festgehalten werden, so können sie durch starke oder wiederholte mechanische Beanspruchung verschoben, herausgeworfen, kurz von ihrem Ort entfernt werden. Die Bleistiftzeichnung ist somit auch dem Verwischtwerden unterworfen. Hierauf beruht die Entfernung der Bleistiftstriche mit Radiergummi. Die weichen Sorten (von dunkler Farbe) wirken auf Grund ihrer etwas klebrigen Beschaffenheit, vermöge deren sie die Körnchen aus ihren Lagern herausholen. Die härteren Sorten enthalten ausserdem Beimischungen scharfer Pulver, welche die Unterlage abschleifen, auf der sich die Zeichnung befindet, und so die Körnchen gleichzeitig mit ihren Trägern oder Umgebungen entfernen.
Will man eine derartige Zeichnung unverwischbar machen, so muss man jedes Körnchen an der Stelle, an der es sich befindet, festkleben. Dies geschieht durch Übergiessen oder Bespritzen mit irgend einem Klebstoff. Dieser braucht nur in sehr geringer Menge (also in sehr verdünnter Lösung von 1 bis 5 Prozent) aufgetragen zu werden, da er nur sehr geringe Mengen des Farbstoffes zu binden hat.
Es ist hiernach leicht zu verstehen, dass eine solche Stiftzeichnung um so leichter verwischbar sein wird, und daher um so mehr der Fixierung bedarf, je gröber das Farbpulver, je weniger rauh die Unterlage und je dicker der Auftrag ist. So ist bereits schwarze oder rote Kreide bedeutend weniger feinkörnig als Graphit, und am gröbsten sind die Teilchen der Zeichenkohle, da diese, die aus den verkohlten Wänden der Zellen des Holzes besteht, überhaupt erst durch die feilenartige Wirkung der Unterlage in Pulver verwandelt wird.
Die Rolle der Unterlage, als welche fast ausschliesslich Papier dient, ist hiernach bei Stiftzeichnungen eine doppelte. Ein gewisser Grad von Rauhigkeit ist zunächst notwendig; je glatter die Oberflache ist, um so weniger Pulver kann sie abfeilen und um so weniger bietet sie dem Pulver Gelegenheit, sich zu befestigen. Um hier kräftigere Züge zu erzielen, muss man entsprechend starker aufdrücken, wodurch beide Wirkungen, das Feilen und das Befestigen, verstärkt werden. Somit wird man für die feinsten Pulver (Bleistift) auch noch die glattesten Papiere anwenden können (wenn andere Gründe dafür Anlass geben) und muss für Kreide und Kohle zunehmend rauhere Papiere nehmen.
Die andere Aufgabe der Unterlage ist, als Träger des fertigen Kunstwerkes zu dienen. Hierzu gehört ein möglichst grosses Mass chemischer und mechanischer Widerstandsfähigkeit.
Die chemische Widerstandsfähigkeit bezieht sich hauptsachlich auf die Unveränderlichkeit gegen die oxydierende Wirkung des in der Luft enthaltenen Sauerstoffes. Dies ist ein Einfluss, der ohne ungewöhnliche Mittel nicht ausgeschlossen werden kann und der daher stets in Rechnung gesetzt werden muss. Auch in der Folge wird er eine immer wiederkehrende Berücksichtigung beanspruchen. Die reine Pflanzenfaser oder Cellulose, aus welcher gutes Zeichenpapier besteht, ist äusserst beständig, ebenso der Leim, mit welchem das Papier gehärtet zu werden pflegt. Dies beweisen uns die viele Jahrhunderte alten Papiere, die wir in Bibliotheken und Archiven vorfinden. Unbeständig ist dagegen der Holzschliff, welcher bei dem riesig gesteigerten Bedarf gegenwärtig den geringeren Papieren zugesetzt wird, und zwar ist er um so unbeständiger, je weniger chemische Nachbehandlung er erfahren hat. Die chemischen Veränderungen zeigen sich einerseits in der gelben bis braunen Färbung, welche derartige Papiere im Lichte (am schnellsten natürlich in direktem Sonnenlicht) annehmen, andererseits in dem Verlust an Festigkeit. Beide Vorgänge, das Vergilben und das Bröcklichwerden, finden auch ohne die Mitwirkung des Lichtes statt, nur viel langsamer.
Der Künstler, welcher möglichst dauerhafte Erzeugnisse herstellen will, wird derartige Papiere sorgfaltig meiden. Man kann sie meist erkennen, wenn man einen Streifen des zu prüfenden Papieres wie ein Buchzeichen halb in ein Buch legt und die herausragende Seite dem direkten Sonnenlichte aussetzt. Einige Stunden pflegen zu genügen, um die Veränderungen der belichteten Hälfte gegenüber der geschützten bei verdächtigem Papier erkennbar zu machen.
Über die mechanische Widerstandsfähigkeit unterrichtet man sich durch einen Reissversuch, der genügende Auskunft gibt. Blätter welche bewegt werden, wie in Mappen usw. aufbewahrte, befestigt man auf einer grösseren Unterlage von steifem Papier, welche die mechanischen Beanspruchungen zunächst auszuhalten hat. Damit diese Unterlage nötigenfalls gewechselt werden kann, heftet man das Blatt nur so weit an, dass es beim Bewegen keine Falten bekommt, im Notfalle aber ohne Verletzung leicht abgelöst werden kann.
Was das Fixiermittel anlangt, so kann, wie erwähnt, so gut wie jeder Klebstoff dienen. Dieser muss in irgend einer Flüssigkeit aufgelöst sein, und hier gibt es die beiden grossen Gruppen der wässerigen und nichtwässerigen Lösungen. Von der Wahl des Lösungsmittels hängt einigermassen die des Bindemittels ab, da letztere sich nicht in allen Flüssigkeiten gleich gut auflösen.
Am wohlfeilsten sind wässerige Fixiermittel; das beste Bindemittel, was Dauerhaftigkeit und Unveränderlichkeit anlangt, ist Leim (farblose Gelatine), der in ein- bis zwei-prozentiger Lösung angewendet werden kann und wegen des Erstarrens der Lösung in der Kälte warm angewendet werden muss. Ebenso gut ist arabisches Gummi. Nur sind hier folgende Umstände zu beachten.
Alles Papier wird durch Anfeuchten mit Wasser stark ausgedehnt und bleibt wellig und uneben zurück, wenn man es ohne Sorgfalt trocknet. Ist es an seinen Rändern festgeklebt, »aufgespannt«, so wird es beim Trocknen wieder eben. Nicht aufgespanntes Papier trocknet gleichfalls eben, wenn man es im feuchten Zustande an einer Ecke aufhängt und frei trocknen lässt. Es erscheint dann allerdings dütenförmig aufgerollt, lässt sich aber vollkommen eben ausbreiten.
Eine weitere Eigentümlichkeit des Wassers ist seine grosse Neigung zur Tropfenbildung, die von seiner grossen Oberflächenspannung herrührt. In dieser Eigenschaft übertrifft es alle anderen Flüssigkeiten. Infolgedessen haben wässerige Fixiermittel Neigung, auf dem Bilde Tropfen zu bilden, welche sich mit Farbstaub bekleiden, ablaufen und den Farbstoff an falsche Stellen bringen können.
Das Mittel, diese Erscheinung zu vermeiden, besteht darin, dass man die Oberflächenspannung möglichst vermindert. Dies geschieht leicht durch Zusatze von Weingeist (10–30 Prozent). Äther, Seife, Galle und viele andere Stoffe wirken ähnlich, sind aber nicht so gut. Ein mit diesen Stoffen versetztes wässeriges Fixiermittel zerfliesst auf dem Bilde und zieht sich gleichzeitig mehr oder weniger in das Papier ein, womit der angestrebte Zweck erreicht wird.
Aus ähnlichen Ursachen erweisen sich gewisse traditionell gebräuchliche Fixiermittel wie Milchkaffee, abgestandenes Bier usw. als anwendbar. Doch soll man solche Gemenge nie anwenden, da sie überflüssige Stoffe enthalten, welche leicht zu unerwünschten Nebenerscheinungen (Gelbwerden, Klebrigbleiben usw.) Anlass geben.
Nichtwässerige Fixiermittel haben den Vorteil, das Papier nicht auszudehnen; es kann also hernach ohne besondere Vorsicht getrocknet werden. Man wendet sie daher an, falls man das Blatt nicht aufhängen kann, wie bei Zeichnungen in Skizzenbüchern u. dgl.
Von nichtwässerigen Lösungsmitteln ist als wohlfeilstes und bequemstes der Weingeist zu nennen. Wegen seiner geringen Oberflächenspannung benetzt er leicht die Fläche und dringt in das Innere des Papieres ein. Das Klebemittel, welches hier in erster Linie genannt zu werden verdient, ist der Schellack. Man wendet ihn nach Bedarf in gebleichtem oder auch ungebleichtem Zustand an (im letzteren Falle wählt man hellfarbige »blonde« Sorten); eine einprozentige Lösung genügt fast immer.
Andere Lösungsmittel kommen neben dem Weingeist kaum in Frage, da sie keine Vorzüge und wegen Feuergefährlichkeit, Geruch, Kostspieligkeit u. dgl. häufig grosse Nachteile haben. Es kann auf ihre Nennung und Beschreibung daher hier verzichtet werden.
Das Auftragen des Fixiermittels kann durch Übergiessen nur bei solchen Bildern geschehen, die von vornherein ziemlich fest sitzen, so dass die Stäubchen durch die Bewegung der Flüssigkeit nicht fortgeschwemmt werden. In allen anderen Fällen muss das Fixiermittel in Gestalt zahlloser kleiner Tröpfchen aufgestaubt werden. Hierzu dienen die Zerstäuber, die man aus Glas oder Metall in den Handlungen bekommt. Am brauchbarsten sind metallene Zerstäuber in Pumpenform, die man fest auf die Flasche mit dem Fixiermittel aufsetzt. Die kleine Öffnung muss sauber gehalten werden, da sie sich leicht verstopft. Man zerstäubt zu diesem Zwecke nach dem Gebrauche etwas reines Wasser, bezw. Weingeist durch den Apparat.
Ein Einfluss des Fixiermittels auf die Dauerhaftigkeit des Bildes findet wegen seiner sehr geringen Menge im allgemeinen nicht statt. Selbst wenn das Bindemittel mit der Zeit durch Zersetzung seine bindenden Eigenschaften verliert, kann schlimmstenfalls nur der Zustand hergestellt werden, in dem sich das Bild vor dem Fixieren befunden hatte. Die einzige Gefahr, welche vermieden werden muss, ist die Färbung des Papiers durch etwaige Zersetzungsprodukte des Bindemittels. Bei Anwendung von reinem Leim, Gummi oder Schellack liegt eine solche Gefahr nicht vor.
Unter allen Umständen wird man nie mehr von dem Bindemittel anwenden, als zum Festhalten des Pulvers erforderlich ist. Die notwendige Menge hängt von den Materialien ab und kann leicht durch einige Versuche festgestellt werden.